Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 19.12.2016


BPatG 19.12.2016 - 21 W (pat) 53/12

Patenteinspruchsbeschwerdeverfahren – Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr(en) bei Überschreitung der Jahresausschlussfrist


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
21. Senat
Entscheidungsdatum:
19.12.2016
Aktenzeichen:
21 W (pat) 53/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

BESCHLUSS

In der Einspruchsbeschwerdesache

betreffend das Patent 10 2006 061 003

hat der 21. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 19. Dezember 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl. Phys. Dr. Morawek sowie der Richter Dipl. Phys. Univ. Dr. Müller, der Richterin Dipl. Phys. Univ. Zimmerer und des Richters Dr. Himmelmann

beschlossen:

Die Patentinhaber werden in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr(en) wiedereingesetzt.

Gründe

1

Die Patentabteilung 51 des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) hat am Ende der Anhörung in der Sitzung vom 26. April 2012 beschlossen, das Patent 10 2006 061 003 beschränkt aufrecht zu erhalten. Der am 28. August 2012 schriftlich begründete Beschluss ist dem patentanwaltlichen Vertreter der zwei Patentinhaber am 3. September 2012 zugestellt worden.

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Der patentanwaltliche Vertreter der Patentinhaber hat mit Schreiben vom 4. Oktober 2012, das im DPMA am selben Tag per Telefax eingegangen ist, „namens und im Auftrag der Patentinhaber“ Beschwerde gegen den Beschluss der Patentabteilung 51 vom 26. April 2012 eingelegt. Mittels Einzugsermächtigung vom 4. Oktober 2012, im DPMA am selben Tag per Telefax eingegangen, ist eine „Gebühr für Beschwerdeverfahren“ nach der Gebührennummer 401 100 in Höhe von 500 € gezahlt worden.

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Nach Mitteilung des DPMA vom 14. August 2015 ist das Streitpatent wegen der Nichtzahlung der Jahresgebühr erloschen.

4

Das Bundespatentgericht (BPatG) hat mit Schreiben vom 19. Oktober 2015 den Beteiligten mitgeteilt, das Beschwerdeverfahren werde als erledigt angesehen, sofern sie nicht ein Rechtsschutzinteresse an einer Entscheidung geltend machen würden. Mit Schreiben vom 4. November 2015 hat die Einsprechende mitgeteilt, sie führe mit der Patentinhaberin Gespräche, ob aus dem zwischenzeitlich erloschenen Streitpatent Ansprüche wegen Verletzung aus der Vergangenheit geltend gemacht würden. Mit Schreiben vom 18. November 2015 hat die Einsprechende erklärt, sie habe von den Patentinhabern keine Bestätigung erhalten, dass diese aus dem erloschenen Streitpatent keine Schadensersatzansprüche für die Vergangenheit gegen die Einsprechende geltend machen würden. Deshalb sei mit einer Inanspruchnahme hinsichtlich der Vergangenheit zu rechnen, was das Rechtsschutzinteresse der Einsprechenden an der rückwirkenden Vernichtung des Patents begründe.

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Das juristische Mitglied des Senats hat dem Vertreter der Patentinhaber am 30. November 2015 die Rechtsauffassung des Senats telefonisch erläutert, wonach auch für die Fortführung des Beschwerdeverfahrens durch die Patentinhaber von diesen ein Rechtsschutzbedürfnis zu fordern sei. Der Vertreter der Patentinhaber hat in dem Telefonat auf einen Lizenzvertrag hingewiesen, aus dem die Patentinhaber verpflichtet sein könnten und der ein Rechtsschutzbedürfnis rechtfertigen könnte.

6

Der Senat hat mit Schreiben vom 25. Februar 2016 der Einsprechenden erklärt, das Beschwerdeverfahren könne nach dem Erlöschen des Streitpatents nur dann fortgesetzt werden, wenn die Einsprechende ein eigenes Rechtsschutzbedürfnis für einen rückwirkenden Widerruf geltend mache. Sei kein besonderes Rechtsschutzbedürfnis erkennbar, sei das Verfahren über den Einspruch und damit das Verfahren über die Beschwerde der Einsprechenden erledigt. Auch wenn die Anforderungen an das besondere Rechtsschutzbedürfnis an der Verfahrensfortführung großzügig seien, werde im Hinblick auf die Darlegungs- und Feststellungslast es als nicht ausreichend angesehen, dass der Patentinhaber keine Erklärung abgebe, für die Vergangenheit keine Rechte aus dem Patent geltend zu machen. Deshalb sei fraglich, ob der Umstand, von den Patentinhabern keine Bestätigung erhalten zu haben, dass von deren Seite keine Schadensersatzansprüche drohen würden, für das Rechtsschutzbedürfnis ausreichend sei. Es sei ein Tatsachenvortrag dahingehend zu fordern, dass derzeit konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen würden, dass eine Inanspruchnahme aus dem Patent für die Vergangenheit dro-hen könnte. Es sei deshalb erforderlich, dass die Einsprechende darlegen würde, aufgrund welcher Umstände sie Grund zu der Besorgnis haben würde, aus dem erloschenen Patent wegen Handlungen aus der Zeit vor dessen Erlöschen in Anspruch genommen werden zu können. Allein die Weigerung der Patentinhaber, ohne substantiierten Vortrag der Einsprechenden quasi ins Blaue hinein zu erklären, dass die Patentinhaber die Einsprechende nicht wegen Ansprüchen aus der Vergangenheit in Anspruch nehmen würden, könne ein Rechtsschutzinteresse nicht begründen.

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Ebenfalls mit Schreiben vom 25. Februar 2016, das den Patentinhabern am 29. Februar 2016 zugegangen ist, hat der Senat die Patentinhaber darauf hinge-wiesen, sie hätten lediglich eine Beschwerdegebühr bezahlt. Nach dem Beschluss „Mauersteinsatz“ des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 18. August 2015 (X ZB 3/14) sei die Beschwerdegebühr für jeden Antragsteller gesondert zu erhe-ben; bei Einlegung einer Beschwerde, die von mehreren Personen erhoben werde, sei die Gebühr entsprechend der Anzahl der Beschwerdeführer mehrfach zu entrichten. Die gezahlte Beschwerdegebühr könne nicht einem der Patentinhaber zugeordnet werden. Die Beschwerde gelte daher nach § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht eingelegt.

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Mit Schriftsatz vom 15. April 2016, das am selben Tag im BPatG eingegangen ist, hat der Vertreter der Patentinhaber erklärt, die Weisung, Beschwerde gegen den Beschluss der Patentabteilung des DPMA einzulegen, hätte Herr B.r erteilt. Die Beschwerdegebühr sei im Namen von Herrn B. mit Einzugsermächtigung vom 4. Oktober 2012 entrichtet worden. Die Beschwerde sei mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2012 und damit fast drei Jahre vor dem Beschluss des BGH vom 18. August 2015 in der Sache „Mauersteinsatz“ eingelegt worden. Der Vertreter der Patentinhaber beantragt, die Patentinhaber nach § 123 Abs. 1 PatG in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühren wieder einzusetzen, da sie die Frist aufgrund eines unvermeidbaren Rechtsirrtums und somit ohne Verschulden versäumt hätten. Vor diesem Hintergrund haben die Patentinhaber am 15. April 2016 eine weitere Beschwerdegebühr in Höhe von 500 € vorsorglich entrichtet. Die Patentinhaber seien mit gerichtlicher Verfügung vom 25. Februar 2016 auf die Entscheidung „Mauersteinsatz“ des BGH vom 18. August 2015 hingewiesen worden, weshalb das Hindernis erst mit diesem Hinweis des Senats weggefallen sei. Der Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags würde § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG nicht entgegenstehen, weil die dort normierte Ausschlussfrist in Ausnahmefällen aus Gründen eines wirkungsvollen Rechtsschutzes und zur Wahrung rechtlichen Gehörs nicht anzuwenden sei und zwar insbesondere dann nicht, wenn die Ursache der Fristüberschreitung nicht in der Sphäre der Partei gelegen habe, sondern allein den Behörden oder dem Gericht zuzurechnen sei.

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Das Schreiben der Patentinhaber vom 15. April 2016 ist der Einsprechenden am 6. Oktober 2016 zugestellt worden. Sie hat sich hierzu nicht geäußert.

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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

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1. Wiedereinsetzung

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Die Patentinhaber sind nach § 123 Abs. 1 PatG in die Frist zur Zahlung der Be-schwerdegebühr(en) wiedereinzusetzen.

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a) Zulässigkeit

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Die Patentinhaber haben am 15. April 2016 schriftlich einen Antrag auf Einsetzung in den vorigen Stand gestellt, § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG.

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Die Patentinhaber waren antragsberechtigt nach § 123 Abs. 1 Satz 1 PatG, weil ihre Beschwerde vom 4. Oktober 2012 gegen den Beschluss der Patentabtei-lung 51 vom 26. April 2012 durch die Nichtzahlung von zwei Beschwerdegebühren gemäß Nr. 401 100 der Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG nach der gesetzlichen Vorschrift des § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht vorgenommen gelten würde und sie dadurch einen Rechtsnachteil erleiden würden.

16

Die Patentinhaber haben am 15. April 2016 die Wiedereinsetzung innerhalb der Antragsfrist von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses beantragt, § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG. Das Hindernis ist mit dem den Patentinhabern am 29. Februar 2016 zugegangenen Schreiben des Senats vom 25. Februar 2016 weggefallen, mit dem der Senat die Patentinhaber auf den Beschluss des BGH in der Sache „Mauersteinsatz“ vom 18. August 2015 hingewiesen hat. Bis zur Veröffentlichung des Beschlusses „Satz aus Mauersteinen“ des BPatG (10 W (pat) 17/14, BPatGE 54, 108; GRUR-RR 2014, 227; Mitt. 2014, 169) gab es keine wesentlichen Zweifel daran, dass die am 4. Oktober 2012 mit der Einreichung der Beschwerde entstandene Gebührenschuld bereits mit der Zahlung einer Beschwerdegebühr vollständig beglichen worden war. Durch die Veröffentlichung dieses Beschlusses entstanden für den anwaltlichen Vertreter der Patentinhaber auch weder Anlass noch Verpflichtung, beim vorliegenden Verfahren eine nachträgliche Überprüfung der Gebührenlage vorzunehmen (so bereits BPatG, Beschluss vom 8. März 2016, 10 W (pat) 70/14, Rn. 5 – juris).

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Der Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags der Patentinhaber vom 15. April 2016 steht die Jahresfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG nicht entgegen. Zwar kann nach dieser Vorschrift ein Jahr nach Ablauf der versäumten Frist (hier also dem 4. Oktober 2013) die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt und die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden. Doch ist in Anlehnung an die höchstrichterliche Rechtsprechung zur entsprechenden Regelung in § 234 Abs. 3 ZPO in besonders gelagerten Ausnahmefällen ein Antrag auf Wiedereinsetzung trotz Überschreitung der Jahresausschlussfrist zulässig, wenn die Überschreitung der Frist allein der Behörde bzw. dem Gericht zuzurechnen ist (Schulte/Schell, PatG, 9. Aufl. 2014, § 123, Rn. 30; Engels in: Busse/Keukenschrijver, PatG, 8. Aufl. 2016, § 123 Rn. 73; Benkard/Schäfers, PatG, 11. Aufl. 2015, § 123 Rn. 53a jeweils mit umfangreichen Rechtsprechungsnachweisen). Die in § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG normierte Jahresfrist, die schwerpunktmäßig der Rechtssicherheit für Dritte dient, kann im Interesse der materiellen Gerechtigkeit durchbrochen werden. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn die Überschreitung der Frist auf Umstände zurückzuführen ist, die ausschließlich oder ganz überwiegend der Verantwortungssphäre des DPMA zuzurechnen sind (Benkard/Schäfers, a. a. O., § 123 Rn. 53b mit umfangreichen Rechtsprechungsnachweisen).

18

Nach dem Beschluss des BGH vom 30. August 2010 in der Sache „Crimpwerkzeug IV“ (X ZR 193/03, Rn. 18 – juris)

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ist § 234 Abs. 3 ZPO „ausnahmsweise jedenfalls dann nicht anwendbar, wenn die Überschreitung der Jahresfrist nicht in der Sphäre der Partei lag, sondern allein dem Gericht zuzuschreiben ist (BGH, Beschluss vom 20. Februar 2008 – XII ZB 179/07, NJW-RR 2008, 878 Rn. 15; Beschluss vom 7. Juli 2004 – VII ZB 12/03, NJW-RR 2004, 1651 Rn. 15).“

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In diesem Zusammenhang hat der 10. (Juristische Beschwerde-) Senat des BPatG hat mit Beschluss vom 25. Juli 2013 (10 W (pat) 2/13, Rn. 41 – juris) entschieden:

„Von der Einhaltung der Jahresfrist kann nach der höchstrichterlichen Recht-sprechung zur entsprechenden Regelung in § 234 Abs. 3 ZPO allerdings in bestimmten Ausnahmefällen abgesehen werden. Dies kommt aus Gründen eines wirkungsvollen Rechtsschutzes und zur Wahrung des rechtlichen Gehörs insbesondere dann in Betracht, wenn die Ursache der Überschreitung der Jahresfrist nicht in der Sphäre der Partei liegt, sondern allein dem Gericht zuzurechnen ist (BGH, Beschluss vom 30. August 2010 – X ZR 193/03, Mitt. 2011, 24 Rn. 18 – Crimpwerkzeug IV m. w. N.). Dementsprechend hat der Senat anerkannt, dass auch im patentamtlichen Verfahren die Stellung eines Antrags auf Wiedereinsetzung trotz Ablaufs der Jahresfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG in besonders gelagerten Ausnahmefällen als zulässig anzusehen ist, und zwar insbesondere dann, wenn die Fristüberschreitung auf Umstände zurückzuführen ist, die der Sphäre des DPMA zuzurechnen sind (vgl. für den Fall der Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Jahresgebühr: Senatsbeschluss vom 26. Februar 2009 – 10 W (pat) 40/06, BPatGE 51, 197, 202 - Überwa-chungsvorrichtung; für den Fall der Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Anmeldegebühr: Senatsbeschluss vom 10. Februar 2012 – 10 W (pat) 38/08, Mitt. 2012, 293 f. - Wäschespinne).“

In dem Beschluss vom 30. Juli 2015 führt der 7. (Juristische Beschwerde-) Senat des BPatG (7 W (pat) 43/14, Rn. 25 – juris) aus:

„Von der Einhaltung der Jahresausschlussfrist kann nach der höchstrichterli-chen Rechtsprechung zur entsprechenden Regelung in § 234 Abs. 3 ZPO aber in bestimmten Ausnahmefällen abgesehen werden. Dies gilt dann, wenn die Ursache der Überschreitung der Jahresfrist nicht in der Sphäre der Partei lag, sondern allein dem Gericht zuzurechnen ist (BGH Mitt. 2011, 24 Rn. 18 - Crimpwerkzeug IV m. w. N.). Dementsprechend hat der erkennende Senat anerkannt, dass auch im patentamtlichen Verfahren die Stellung eines Antrags auf Wiedereinsetzung trotz Ablaufs der Jahresfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG in besonders gelagerten Ausnahmefällen als zulässig anzusehen ist, und zwar insbesondere dann, wenn die Fristüberschreitung auf Umstände zurückzuführen ist, die der Sphäre des Patentamts zuzurechnen sind (vgl. für den Fall der Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Jahresgebühr: Senatsbeschluss vom 26. Februar 2009 – 10 W (pat) 40/06, BPatGE 51, 197, 202 - Überwachungsvorrichtung; für den Fall der Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Anmeldegebühr: Senatsbeschluss vom 10. Februar 2012 – 10 W (pat) 38/08, Mitt. 2012, 293 f. - Wäschespinne).“

Ausgehend von dieser Rechtsprechung rechtfertigen die besonders gelagerten Gesamtumstände des vorliegenden Falles ausnahmsweise eine Durchbrechung der Jahresausschlussfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG. Das DPMA hätte trotz der Rechtsmittelbelehrung des Beschlusses vom 28. August 2012, derzufolge die Beschwerdegebühr für jeden Beschwerdeführer gesondert zu zahlen ist, die Entgegennahme der bis zum 4. Oktober 2012 mehrfach gezahlten Beschwerdege-bühr der Patentinhaber im Einspruchsbeschwerdeverfahren nach Nr. 401 100 der Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG verweigert und die mehrfach gezahlte Gebühr zurückerstattet, weil diese Vorgehensweise der damaligen, ohne Ausnahme für zutreffend erachteten Rechtsauffassung des DPMA entsprach. Die Patentinhaber und ihr anwaltlicher Vertreter durften darauf vertrauen, dass diese allgemein bekannte Amtspraxis rechtens war. Sie durften daher auch von vornherein von der Zahlung einer weiteren Beschwerdegebühr absehen (ebenso für die Anmelderbeschwerde BPatG, Beschluss vom 8. März 2016, 10 W (pat) 70/14, Rn. 6 – juris).

Die Patentinhaber haben in ihrem Antrag vom 15. April 2016 die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht, § 123 Abs. 2 Satz 2 PatG. Sie haben nämlich mit Schriftsatz vom 15. April 2016 erklärt, dass sie erst mit gerichtlicher Verfügung vom 25. Februar 2016 auf die Entscheidung „Mauersteinsatz“ des BGH vom 18. August 2015 hingewiesen worden sind.

Die Patentinhaber haben zudem am 15. April 2016 und damit innerhalb der am 29. April 2016 ablaufenden Antragsfrist die versäumte Handlung, nämlich die Zahlung einer weiteren Beschwerdegebühr, nachgeholt, § 123 Abs. 2 Satz 3 PatG.

b) Begründetheit

Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist nach § 123 Abs. 1 Satz 1 PatG begründet, weil die Patentinhaber ohne Verschulden verhindert waren, dem DPMA gegen-über die Frist zur rechtzeitigen Einzahlung einer zweiten Beschwerdegebühr nach Nr. 401 100 der Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG einzuhalten.

Fahrlässig und damit schuldhaft handelt, wer die verkehrsübliche Sorgfalt außer Acht lässt, § 276 Abs. 2 Satz 1 BGB. Fristen dienen einerseits dem möglichst ef-fektiven und reibungslosen Ablauf des patentrechtlichen Verfahrens. Andererseits besteht für den Rechtsuchenden ein Anspruch auf effektiven Rechtsschutz und freien Zugang zu den Gerichten. Zwischen diesen widerstreitenden Interessen ist bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 123 PatG abzuwägen (Schulte/Schell, a. a. O., § 123 Rn. 70).

Anerkannt ist, dass auf eine langjährige Rechtsprechungspraxis vertraut werden darf (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. September 1992, 2 BvR 871/92, NJW 1993, 720, Rn. 15, 17). Dann darf nach Auffassung des Senats ein Patentanwalt auch auf die Richtigkeit der langjährigen Gebührenpraxis des DPMA vertrauen (zum Vertrauensschutz, der regelmäßig keine Sorgfaltsverletzung des Anwalts darstellt, siehe Schulte/Schell, a. a. O., § 123 Rn. 96, 106 und Engels, a. a. O., § 123 Rn. 41; wie hier BPatG, Beschluss vom 8. März 2016, 10 W (pat) 70/14, Rn. 7 – juris).

Insofern waren die Patentinhaber ohne Verschulden verhindert, durch Zahlung einer zweiten Beschwerdegebühr im Einspruchsbeschwerdeverfahren die Frist des § 73 Abs. 2 Satz 1 PatG i. V. m. § 6 Abs. 2 PatKostG einzuhalten, weshalb sie nach § 123 Abs. 1 Satz 1 PatG in den vorigen Stand wieder einzusetzen sind.

c) Entscheidung im schriftlichen Verfahren

Über die Wiedereinsetzung konnte im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die nachgeholte Handlung (die Zahlung einer zweiten Beschwerdegebühr) keine mündliche Verhandlung verlangt, § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO (siehe Schulte/Schell, a. a. O., § 123 Rn. 161; Benkard/Schäfers, a. a. O., § 123 Rn. 64; Engels, a. a. O., § 123 Rn. 94).

d) Unanfechtbarkeit

Die Wiedereinsetzung ist nach § 123 Abs. 4 PatG unanfechtbar.

2. Hinweis

Der Senat weist die Beteiligten darauf hin, dass sie ihr jeweiliges Rechtsschutzbedürfnis noch darzulegen haben.