Entscheidungsdatum: 30.07.2015
In der Beschwerdesache
…
betreffend das Patent 601 31 066 ( = EP 1 247 417)
wegen Wiedereinsetzung
hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juli 2015 durch den Vorsitzenden Richter Rauch, die Richterin Püschel und die Richterin Dr. Schnurr
beschlossen:
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Patentabteilung 55.EP - vom 10. Oktober 2013 aufgehoben und der Patentinhaberin Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Gebühr für die Veröffentlichung der Übersetzung der geänderten europäischen Patentschrift gewährt.
I.
Auf eine Anmeldung der Nokia Corporation vom 9. Januar 2001 hat das Europäische Patentamt (EPA) in englischer Verfahrenssprache das Patent EP 1 247 417 mit der Bezeichnung „Method for preparing an interfrequency handover, a network element and a mobile station“ u. a. für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilt. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 24. Oktober 2007 veröffentlicht. Beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA), wo das Patent unter dem Aktenzeichen 601 31 066.7 geführt wird, wurde fristgerecht eine deutsche Übersetzung des europäischen Patents eingereicht und die Gebühr für die Veröffentlichung der Übersetzung entrichtet.
In dem sich anschließenden Einspruchsverfahren wurde das Patent vom EPA mit geändertem Umfang aufrechterhalten; diese Entscheidung wurde im Europäischen Patentblatt am 27. Juli 2011 veröffentlicht. Am 26. Oktober 2011 legte die Patentinhaberin beim DPMA eine Übersetzung für die geänderten Unterlagen vor; die Gebühr für die Veröffentlichung dieser Übersetzung wurde nicht gezahlt. Das DPMA veröffentlichte die Übersetzung dennoch am 9. Februar 2012 als Druckschrift DE 601 31 066 T3.
Am 15. Februar 2012 wurde im Patentregister der deutsche Patentanteil auf den „2011 Intellectual Property Asset Trust“ umgeschrieben. Weitere Umschreibungen erfolgten am 11. Mai 2012 auf die „Core Wireless Licensing S.a.r.l.“, am 6. September 2012 wiederum auf den „2011 Intellectual Property Asset Trust“, am 1. Oktober 2012 schließlich auf die jetzige Patentinhaberin. Ab dem 2. Juli 2012 enthielt das Patentregister den Hinweis, dass die Wirkung des europäischen Patents für Deutschland als von Anfang an nicht eingetreten gelte, wobei unter „EDV-Erfassungstag“ und „Verfahrensstandstag“ jeweils der 28. Oktober 2011 angegeben ist. Eine Veröffentlichung im Patentblatt fand nicht statt.
Am 4. Januar 2012 hatte die damalige Patentinhaberin einen Betrag in Höhe von 620,- € für die zwölfte Jahresgebühr auf das Konto des DPMA eingezahlt, eine Rückzahlung erfolgte nicht. Am 31. Januar 2013 erfolgte eine weitere Zahlung in Höhe von 760,- € für die 13. Jahresgebühr. Dieser Betrag wurde vom DPMA - abzüglich einer Erstattungsgebühr in Höhe von 10,- € - zurückerstattet.
Am 9. September 2013 stellte die jetzige Patentinhaberin einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Gebühr zur Veröffentlichung von Übersetzungen oder berichtigten Übersetzungen (Nr. 313 820 des Gebührenverzeichnisses a. F.). Gleichzeitig zahlte sie die genannte Gebühr (150,- €) sowie nochmals die 13. Jahresgebühr (760,- €) ein.
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags gab die Patentinhaberin an, die mit der Zahlung der Jahresgebühren beauftragte Firma habe sie mit Schreiben vom 9. Juli 2013 über die Rückzahlung der 13. Jahresgebühr informiert. Erst dadurch sei aufgefallen, dass die Gebühr für die Veröffentlichung der geänderten Patentfassung bislang nicht gezahlt worden sei. Die jetzigen Bevollmächtigten seien nach Abschluss des Einspruchsverfahrens am 11. Oktober 2011 beauftragt worden, die nationalen Erfordernisse zur Aufrechterhaltung des deutschen Teils des europäischen Patents vorzunehmen (Anlage 7 zum Wiedereinsetzungsantrag). Die dreimonatige Frist zur Erfüllung dieser Erfordernisse (Fristablauf am 27. Oktober 2011) sei von der mit der Fristenüberwachung beauftragten Kanzleimitarbeiterin Frau Marzi erfasst, im Fristenstempel auf dem Auftragsschreiben vermerkt und im Fristenüberwachungsprogramm des Systems PatOrg notiert worden.
Für europäische Patente, bei denen - wie im vorliegenden Fall - vor dem Inkrafttreten des „London-Agreements“, also vor dem 1. Mai 2008, der Hinweis auf die Veröffentlichung der Erteilung erfolgt sei, werde in der Kanzlei eine Validierungsfrist sowie die Fälligkeit der nächsten Jahresgebühr notiert, sodann eine Übersetzung angefertigt und diese samt einer Einzugsermächtigung für die Druckkostengebühr beim Patentamt eingereicht. Dieser Ablauf werde unter Verwendung eines im System PatOrg programmierten Workflows durchgeführt. Für die „Re-Validierung“, d. h. für die Validierung nach einer beschränkten Aufrechterhaltung, gebe es keinen eigenen Workflow. Üblicherweise werde hierzu der Workflow für die Validierung verwendet und das dadurch erstellte Übersen-dungsschreiben manuell angepasst. Das Übersendungsschreiben könne auch manuell erstellt werden, indem es der zuständige Anwalt diktiere. Vor dem Aufgeben der Dokumente - d. h. des Übersendungsschreibens nebst Übersetzung und Einzugsermächtigung - an die Post führe im Büro ein Qualitätssicherungsteam, das mit sehr erfahrenen Patentanwaltsfachangestellten besetzt sei, eine Endkontrolle der Ausgangspost hinsichtlich Vollständigkeit und formaler Richtigkeit durch. Ende des Jahres 2011 habe dieses Qualitätssicherungsteam aus drei sehr zuverlässigen Mitarbeiterinnen (Frau G…, Frau B… und Frau M…) bestanden.
Im vorliegenden Fall sei vom zuständigen Patentanwalt Ungerer zunächst eine Übersetzung der geänderten Unterlagen angefertigt worden; dieser habe auch das Übersendungsschreiben diktiert. Geschrieben habe das Übersendungsschreiben die Kanzleimitarbeiterin Frau Sch…, die damals seit zwei Jahren in der Kanzlei tätig gewesen sei und sehr zuverlässig gearbeitet habe, was stichprobenartige Überprüfungen stets bestätigt hätten. Im vorliegenden Fall habe sie aber beim Erstellen des Übersendungsschreibens den Abbuchungsauftrag nicht mit erstellt. Patentanwalt U… habe deshalb das Übersendungsschreiben unterschrieben, aber Frau Sch… auf den fehlenden Abbuchungsauftrag hingewiesen und gut sichtbar einen gelben „Post-it“-Aufkleber mit der Anweisung „Bitte Einzugsermächtigung noch erstellen“ auf der ersten Seite des unterschriebenen Übersendungsschreibens angebracht. Eine Kopie des unterschriebenen Übersendungsschreibens mit aufgebrachtem „Post-it“-Vermerk sei von Frau Sch… ordnungsgemäß in der Akte abgelegt worden. Patentanwalt U… sei aus Termingründen gehindert gewesen, die Unterschrift unter die Einzugsermächtigung persönlich zu leisten. Er habe sich darauf verlassen, dass sich Frau Sch… die Unterschrift von einem der anwesenden Patentanwälte holen würde. Aus unerklärlichen Gründen sei die Einzugsermächtigung dann aber von Frau Sch… doch nicht erstellt worden. Auch bei der üblichen Gegenkontrolle durch das Qualitätssicherungsteam sei dieser Fehler unverständlicherweise nicht mehr aufgefallen. Wem aus dem Qualitätssicherungsteam die Akte vorgelegt worden sei, lasse sich heute nicht mehr feststellen.
Da der deutsche Teil des betreffenden europäischen Patents im Patentregister (Registerauszug Stand 4. Juni 2012, Anlage 5 zum Wiedereinsetzungsantrag) als „in Kraft“ geführt worden sei, sei der Fehler der nicht eingereichten Einzugsermächtigung auch nicht aufgefallen, als die Eintragung eines Vertreterwechsels mit einem Registerauszug überprüft worden sei.
Die Jahresausschlussfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG hält die Patentinhaberin vorliegend nicht für anwendbar. Insoweit könne sie sich auf einen auf dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG) beruhenden Vertrauensschutz berufen, weil das DPMA auf die Nichtzahlung der Veröffentlichungsgebühr hätte hinweisen müssen, nachdem die Patentinhaberin durch Einreichung der Übersetzung ihren eindeutigen Willen zur Aufrechterhaltung des Patents zum Ausdruck gebracht habe. Das DPMA habe diesen Willen auch gesehen und deshalb das beschränkt aufrechterhaltene Patent im Patentregister als in Kraft befindlich angegeben. Außerdem habe es die zwölfte Jahresgebühr angenommen und jedenfalls bis zum 6. August 2013 nicht zurückerstattet. Auch habe es die Übersetzung des geänderten europäischen Patents am 9. Februar 2012 veröffentlicht. Die Zahlung der zwölften Jahresgebühr, die Veröffentlichung der geänderten europäischen Patentschrift und die Re-Validierung des deutschen Teils des europäischen Patents sei vom DPMA im Register vermerkt worden (Registerauszug Stand 4. Juni 2012, Anlage 5 zum Wiedereinsetzungsantrag). Auch bei den nachfolgenden Übertragungsvorgängen sei nie ein Hinweis darauf ergangen, dass das Patent nicht mehr anhängig wäre.
Nicht nur die Patentinhaberin, sondern alle schutzwürdigen Dritten seien auf Grund der Veröffentlichung der Übersetzung des geänderten Patents und des entsprechenden Registerstands im Glauben gewesen, dass das Patent rechtsbeständig gewesen sei. Die Öffentlichkeit habe sich daher nicht darauf eingestellt, dass das Patent in Deutschland verfallen war. Aus diesem Grund sei das Vertrauen, das durch § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG geschützt werden solle, nie entstanden. Daran ändere auch nichts, dass später - mit Rückdatierung auf den 28. Oktober 2011 - im Patentregister vermerkt worden sei, dass die Wirkung des europäischen Patents für Deutschland als von Anfang an nicht eingetreten zu gelten habe.
Die Patentabteilung 55.EP des DPMA hat durch Beschluss vom 10. Oktober 2013 den Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung der Jahresausschlussfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG als unzulässig verworfen. Die Frist zur Zahlung der Gebühr für die Veröffentlichung der Übersetzung der geänderten Patentschrift sei bis spätestens 27. Oktober 2011 zu entrichten gewesen, weshalb die Jahresfrist bei Beantragung der Wiedereinsetzung am 9. September 2013 überschritten gewesen sei. Die Patentinhaberin könne sich nicht auf einen Vertrauensschutz berufen, weil das Verfahren vom Patentamt nicht fortgesetzt worden sei. Vielmehr sei am 28. Oktober 2011 der Hinweis im Patentblatt erschienen, dass die Wirkung des europäischen Patents für Deutschland als von Anfang an nicht eingetreten gelte. Daran ändere auch das Einbehalten der zwölften Jahresgebühr und die fehlerhafte Veröffentlichung der Übersetzung des geänderten Patents nichts. Für die beauftragte Kanzlei sei es nicht unverhältnismäßig, den Rechtsstand der Akte im Patentregister regelmäßig zu überprüfen. Daher fehle es hier an der gebotenen Sorgfalt.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin. Sie beantragt,
den angegriffenen Beschluss aufzuheben und
dem Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Gebühr zur Veröffentlichung von Übersetzungen oder berichtigten Übersetzungen (Nr. 313 820 des Gebührenverzeichnisses a. F.) stattzugeben.
Zur Begründung wiederholt die Patentinhaberin ihr früheres Vorbringen und weist darauf hin, dass - entgegen den Ausführungen im angefochtenen Beschluss - der Hinweis auf den Wirkungsverlust nicht bereits am 28. Oktober 2011, sondern erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt im Patentregister erschienen sei. In dem von ihr am 4. Juni 2012 eingeholten Registerauszug (= Anlage 5 zum Wiedereinsetzungsantrag) sei der vermeintliche Eintrag vom 28. Oktober 2011 nicht enthalten gewesen. Erst am 2. Juli 2012 sei das Patentregister insoweit aktualisiert worden, wobei eine Rückdatierung auf den 28. Oktober 2011 vorgenommen worden sei.
Was die Sorgfaltspflicht angehe, so habe der „Post-it“-Zettel mit den Worten „Bitte Einzugsermächtigung noch erstellen“ nichts enthalten, was von der Angestellten als Anweisung zu einem Abweichen von der Büroroutine hätte missverstanden werden können. Die Routine habe beinhaltet, dass das Übersendungsschreiben zusammen mit dem Abbuchungsauftrag für die Druckkostengebühr zum Qualitätssicherungsteam gelange, das die Frist erst streiche, wenn es die Sache auf Vollständigkeit überprüft habe. Unverständlicherweise sei dieser Fehler hierbei nicht erkannt worden. Zur Glaubhaftmachung für den „Ablauf im vorliegenden Fall“ sowie für den „Vorgesehenen Ablauf“ wurden eidesstattliche Versicherungen von Patentanwalt Fritsche und Patentanwalt Ungerer eingereicht.
Auf einen gerichtlichen Hinweis als Zusatz zur Terminsladung wurde eine weitere eidesstattliche Versicherung von Patentanwalt F… eingereicht, in der dieser Näheres zur Ablauforganisation in der Kanzlei ausführt. Danach erfolgt in den Sekretariaten des Büros die Abarbeitung der täglichen Fristen anhand einer täglich aktuell erstellten Fristenliste; daraus resultierende Schreiben werden nach Unterzeichnung versandfertig gemacht und zur Postkontrolle an das Qualitätssicherungsteam gegeben. Diese Arbeit werde von einer geschulten Sekretärin erledigt und geprüft; diese habe aber keine Berechtigung, die Frist zu streichen. Erst nach dieser Prüfung werde der Vorgang weiter gegeben, wobei im Falle der Verwendung einer Papierakte, wie es 2011 noch der Fall gewesen sei, dem Qualitätssicherungsteam die Akte zusammen mit einer Kopie des Ausgangsschreibens zur Gegenprüfung übergeben worden sei. Das Qualitätssicherungsteam habe eine eigene Liste aller im ganzen Büro anfallenden Fristen des Tages und überprüfe anhand dieser Liste, ob ihm die Vorgänge zu allen Fristen des Tages vorgelegt worden seien. Das Qualitätssicherungsteam erhalte also die Akte nach der Prüfung durch die Sekretärin und führe dann seinerseits die nötige Gegenprüfung basierend auf der dem Team vorliegenden Akte durch. Erst wenn diese Gegenprüfung durch das Qualitätssicherungsteam vollständig und erfolgreich durchgeführt worden sei, werde die betreffende Frist von dem Qualitätssicherungsteam gestrichen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Patentinhaberin ist unter Aufhebung des patentamtlichen Beschlusses Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Gebühr für die Veröffentlichung der Übersetzung des geänderten europäischen Patents zu gewähren.
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist statthaft, da er auf eine Frist gerichtet ist, deren Versäumung nach einer gesetzlichen Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge hat (§ 123 Abs. 1 Satz 1 PatG). Die Patentinhaberin hat die dreimonatige Frist zur Zahlung der Gebühr für die Veröffentlichung der Übersetzung der geänderten Fassung des europäischen Patents (im Falle der Aufrechterhaltung des europäischen Patents im Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt in geänderter Fassung) nach Art. II § 3 Abs. 1 Satz 2 u. Abs. 2 IntPatÜG a. F. (= in der bis zum 30. April 2008 geltenden Fassung), § 2 Abs. 1 PatKostG i. V. m. Gebührenverzeichnis Nr. 313 820 a. F. versäumt. Die Vorschriften sind nach der Übergangsregelung des Art. XI § 4 IntPatÜG für Altfälle wie hier, in denen die Patenterteilung vor dem 1. Mai 2008 veröffentlicht worden ist (hier: Veröffentlichung der Patenterteilung durch EPA am 24. Oktober 2007), weiterhin anwendbar (vgl. BGH GRUR 2011, 1053 - Ethylengerüst). Die Frist, die mit der Veröffentlichung des Hinweises auf die Entscheidung über den Einspruch im Europäischen Patentblatt beginnt, vorliegend am 27. Juli 2011, hat am 27. Oktober 2011 geendet. Die Übersetzung ist zwar rechtzeitig am 26. Oktober 2011 eingereicht worden, die Gebühr ist jedoch erst zusammen mit dem Wiedereinsetzungsantrag am 9. September 2013 und damit verspätet gezahlt worden. Die verspätete Gebührenzahlung führt nach Art. II § 3 Abs. 2 IntPatÜG a. F. dazu, dass die Wirkungen des europäischen Patents für die Bundesrepublik Deutschland als von Anfang an nicht eingetreten gelten.
2. Die Wiedereinsetzung ist nicht wegen Versäumung der Jahresausschlussfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG ausgeschlossen.
Diese Frist endet ein Jahr nach Ablauf der versäumten Frist, d. h. hier mit Ablauf des 27. Oktober 2012. Die Antragstellung erfolgte aber erst am 9. September 2013, ebenso wurde die versäumte Handlung, nämlich die Zahlung der Gebühr für die Veröffentlichung der Übersetzung, erst an diesem Tage, d. h. über zehn Monate nach Ablauf der genannten Jahresfrist, nachgeholt.
a) Die Vorschrift des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG, wonach ein Jahr nach Ablauf der versäumten Frist die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt und die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden kann, hat absoluten Charakter. Sie verfolgt mit der Begrenzung der Möglichkeit der Wiedereinsetzung - wie die entsprechende Vorschrift in § 234 Abs. 3 ZPO - im Interesse der Rechtssicherheit den Zweck, eine unangemessene Verzögerung von Verfahren zu verhindern und deren rechtskräftigen Abschluss zu gewährleisten. Auch Billigkeitsgründe können daher nicht berücksichtigt werden (BPatG BlPMZ 1996, 357, 358; Schulte/Schell, PatG mit EPÜ, 9. Aufl., § 123 Rn. 30). Ebenso wenig kommt es darauf an, ob und wann der Säumige Kenntnis vom Beginn dieser Jahresfrist erlangt hat, denn diese läuft als Ausschlussfrist grundsätzlich unabhängig von Kenntnis und Verschulden des Säumigen (vgl. Schulte, a. a. O.; Busse/Baumgärtner, PatG, 7. Aufl., § 123 Rn. 66).
Von der Einhaltung der Jahresausschlussfrist kann nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur entsprechenden Regelung in § 234 Abs. 3 ZPO aber in bestimmten Ausnahmefällen abgesehen werden. Dies gilt dann, wenn die Ursache der Überschreitung der Jahresfrist nicht in der Sphäre der Partei lag, sondern allein dem Gericht zuzurechnen ist (BGH Mitt. 2011, 24 Rn. 18 - Crimpwerkzeug IV m. w. N.). Dementsprechend hat der erkennende Senat anerkannt, dass auch im patentamtlichen Verfahren die Stellung eines Antrags auf Wiedereinsetzung trotz Ablaufs der Jahresfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG in besonders gelagerten Ausnahmefällen als zulässig anzusehen ist, und zwar insbesondere dann, wenn die Fristüberschreitung auf Umstände zurückzuführen ist, die der Sphäre des Patentamts zuzurechnen sind (vgl. für den Fall der Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Jahresgebühr: Senatsbeschluss vom 26. Februar 2009 – 10 W (pat) 40/06, BPatGE 51, 197, 202 - Überwachungsvorrichtung; für den Fall der Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Anmeldegebühr: Senatsbeschluss vom 10. Februar 2012 – 10 W (pat) 38/08, Mitt. 2012, 293 f. - Wäschespinne).
b) Hiervon ausgehend rechtfertigen die besonders gelagerten Gesamtumstände des vorliegenden Falles ausnahmsweise eine Durchbrechung der Jahresausschlussfrist. Es ist nämlich davon auszugehen, dass deren Versäumung auf einer ganzen Kette von Umständen, die allein der Sphäre des Patentamts zuzurechnen sind, beruht.
So hätte das Patentamt nach Eintritt des Wirkungsverlustes am 28. Oktober 2011 die im Januar 2012 gezahlte zwölfte Jahresgebühr nicht einbehalten dürfen. Erst recht hätte es nicht am 9. Februar 2012 die Übersetzung der geänderten Fassung des europäischen Patents als T3-Schrift veröffentlichen dürfen. Da die hier betreffende Gebühr Nr. 313 820 a. F. nach dem Wortlaut des Gebührentatbestandes gerade für die Veröffentlichung der Übersetzung bestimmt ist, hat die trotz Nichtzahlung der Gebühr vorgenommene Herausgabe der Übersetzungsschrift durch das Patentamt einen besonderen Rechtsschein gesetzt. Dieser ist dadurch verstärkt worden, dass das Patent nach Eintritt des Wirkungsverlustes in vier Fällen Gegenstand eines Umschreibungsverfahrens gewesen ist, ohne dass das Patentamt den gebotenen Hinweis gegeben hätte, dass es sich insoweit um ein nicht mehr in Kraft befindliches Patent handelt, bei dem grundsätzlich ein Rechtsschutzbedürfnis für den Umschreibungsantrag fehlt. Stattdessen sind die vier Inhaber- bzw. Vertreterwechsel (vom 15. Februar, 11. Mai, 6. September und 1. Oktober 2012) im Patentregister vermerkt worden. Hierbei fällt besonders auf, dass zwei der Umschreibungen (vom 6. September und 1. Oktober 2012) zu einem Zeitpunkt vermerkt wurden, nachdem das Patentregister selbst schon den Hinweis auf den Wirkungsverlust enthalten hatte.
Ausweislich der elektronischen Akte ist im Patentregister erstmals am 2. Juli 2012 - und somit erst über zehn Monate nach Eintritt des Wirkungsverlusts - der betreffende Hinweis aufgenommen worden, während eine Veröffentlichung des Wirkungsverlustes im Patentblatt zu keinem Zeitpunkt erfolgt ist; eine Fundstelle wird insoweit im Patentregister nicht genannt und war auch nicht zu ermitteln. Die Verlautbarung im Patentregister führt im vorliegenden Fall deshalb zu keiner anderen Beurteilung bzgl. der Durchbrechung der Jahresfrist, weil sie im Widerspruch zu den genannten übrigen Maßnahmen des Patentamts steht und die Anmelderin daher keinen Anlass hatte, sich nach Einholung des Registerauszugs vom 4. Juni 2012 und vor Ablauf der Jahresausschlussfrist durch weitere Einblicke in das Register des Bestands ihres Schutzrechts zu vergewissern. Entscheidend ist, dass das Patentamt über einen längeren Zeitraum in mehrerer Hinsicht gegenüber der Patentinhaberin so agiert hat, als wäre die Validierung erfolgreich und das Patent noch in Kraft gewesen, so dass der Verweis auf die Jahresausschlussfrist mit dem Gebot des fairen Verfahrens und dem Grundsatz des Vertrauensschutzes, die beide zu den maßgeblichen Elementen des Rechtsstaatsprinzips gehören (vgl. BVerfG NJW 2004, 2149) nicht vereinbar wäre.
3. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist die Antragsfrist des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG eingehalten.
Die Frist beginnt mit dem Wegfall des Hindernisses, d. h. in dem Zeitpunkt, in dem der Säumige bei Anwendung der von ihm zu erwartenden Sorgfalt nicht mehr gehindert ist, die versäumte Handlung vorzunehmen, oder wenn das Fortbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann (Schulte/Schell, a. a. O., § 123 Rn. 25). Ausgehend davon, dass das Hindernis hier erst wegfiel, als die Patentinhaberin durch ihre Gebührenzahlungsfirma mit Schreiben vom 9. Juli 2013 darüber informiert worden ist, dass das europäische Patent in Deutschland nicht validiert worden und daher die 13. Jahresgebühr vom Patentamt erstattet worden sei, ist der am 9. September 2013 eingereichte Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden. Ein früherer Zeitpunkt, von dem an das Unterlassen der Gebührenzahlung für die Veröffentlichung der Übersetzung hätte erkannt werden müssen, ist nicht ersichtlich, zumal die Patentinhaberin aufgrund der Herausgabe der Übersetzung als T3-Schrift am 9. Februar 2012 und des Registerauszugs vom 4. Juni 2012 davon ausgehen durfte, dass die (Re-) Validierung ordnungsgemäß erfolgt war.
Die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 123 Abs. 2 PatG sind ebenfalls eingehalten. Innerhalb der Antragsfrist ist auch die Veröffentlichungsgebühr gezahlt und damit die versäumte Handlung fristgerecht nachgeholt worden, ebenso sind die Tatsachen zur Begründung der Wiedereinsetzung angegeben worden. Dass die Glaubhaftmachung der Tatsachen erst im Beschwerdeverfahren erfolgt ist, steht der Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags nicht entgegen (vgl. Schulte/Schell, a. a. O., § 123 Rn. 42 a. E.)
4. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist auch begründet. Die Patentinhaberin hat glaubhaft gemacht, dass sie die bis 27. Oktober 2011 laufende Frist zur Zahlung der Gebühr für die Veröffentlichung der Übersetzung des geänderten europäischen Patents ohne Verschulden versäumt hat. Es trifft weder sie selbst ein Verschulden noch liegt ein ihr gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Verschulden ihrer Vertreter vor.
Nach dem eidessstattlich versicherten Vortrag, an dessen Richtigkeit zu zweifeln kein Anhalt besteht, ist die Validierung bzw. Revalidierung nach Änderung des Patents im europäischen Einspruchsverfahren in der Kanzlei der Vertreter hinreichend organisiert gewesen. Den zur Fristversäumung führenden Fehler, dem Übersendungsschreiben vom 26. Oktober 2011 nicht auch die Einzugsermächtigung beizugeben, hat eine Kanzleiangestellte, Frau Sch., verursacht, deren Fehlverhalten der Patentinhaberin nicht gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbar ist, da sie nur Hilfsperson, keine Vertreterin ist. Da es sich bei Frau Sch… nach der Darlegung in der eidesstattlichen Versicherung um eine sehr zuverlässige und zudem in ihrer Arbeit hinreichend kontrollierte Sekretärin handelt, liegt insoweit kein (Auswahl-, Unterweisungs- oder Überwachungs-) Verschulden der Vertreter vor. Entsprechendes gilt für den weiteren Fehler bei der Gegenkontrolle durch das sogenannte Qualitätssicherungsteam, das sich damals aus drei ebenfalls zuverlässigen und erfahrenen Kanzleiangestellten rekrutierte, die stichprobenartig überwacht wurden.
Ebenso wenig ist ein Verschulden des damals der Kanzlei zugehörigen Vertreters, Patentanwalt Ungerer, darin zu sehen, dass er das Übersendungsschreiben zu einem Zeitpunkt unterschrieben hat, als es noch nicht vollständig war, und sich insoweit auf die Befolgung seiner schriftlich (per „Post-it“-Zettel) erteilten Einzelanweisung zur Vervollständigung der Unterlagen verlassen hat. Denn ein Anwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine bislang zuverlässige Kanzleikraft eine konkrete Einzelanweisung befolgt (vgl. Busse/Baumgärtner, a. a. O., § 123 Rn. 43 a. E., m. w. N., z. B. BGH NJW 2012, 614). Die Ausführung einer erteilten konkreten Einzelanweisung muss grundsätzlich auch nicht kontrolliert werden, sondern nur dann, wenn abzusehen ist, dass die Weisung nicht befolgt wird (vgl. BGH NJW-RR 2012, 122, juris Tz. 12); ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
Für den Ausschluss eines Anwaltsverschuldens an der Fristversäumung kommt es zwar im allgemeinen auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen oder Anweisungen für die Fristwahrung in einer Anwaltskanzlei nicht mehr an, wenn der Anwalt einem Angestellten, der sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte. Anders ist es hingegen, wenn die Einzelanweisung nicht die bestehende Organisation außer Kraft setzt, sondern sich darin einfügt, und nur einzelne Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung behalten und geeignet sind, Fristversäumnissen entgegenzuwirken (z.B. BGH, Beschluss vom 23. April 2013, XB 13/12, Tz. 18, m. w. N.). Entsprechendes ist hier anzunehmen. Mit der Anweisung, die Einzugsermächtigung noch zu erstellen, wurde lediglich auf ein Versäumnis der Angestellten hingewiesen, die Anweisung sagt aber nichts darüber aus, wann und wie die Einzugsermächtigung abzusenden ist. Die Kanzleiroutine sollte daher mit dem „Post-it“-Zettel nicht außer Kraft gesetzt werden.
Die danach hier zum Ausschluss eines Anwaltsverschuldens erforderliche Darlegung und Glaubhaftmachung einer wirksamen Ausgangskontrolle ist ebenfalls gegeben. Der Anwalt muss insoweit sicherstellen, dass die im Fristenkalender vermerkten Fristen erst dann gestrichen oder anderweitig als erledigt gekennzeichnet werden, wenn die fristwahrende Maßnahme tatsächlich durchgeführt, der Schriftsatz also abgesandt oder zumindest postfertig gemacht, die weitere Beförderung der ausgehenden Post also organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist. Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle gehört weiterhin auch eine Anordnung des Anwalts, die sicherstellt, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstags anweisungsgemäß anhand des Fristenkalenders überprüft wird (z. B. BGH, Beschluss vom 23. April 2013, XB 13/12, Tz. 9, m. w. N.; BGH NJW-RR 2013, 1008, Tz. 6; NJW-RR 2012, 427, Tz. 9). Der für die Kontrolle zuständige Angestellte ist dabei anzuweisen, Fristen im Kalender grundsätzlich erst zu streichen oder als erledigt zu kennzeichnen, nachdem er sich anhand der Akte vergewissert hat, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist (st. Rspr., z. B. BGH NJW 2015, 2041, Tz. 8; NJW-RR 2015, 442, Tz. 8; NJW-RR 2013, 506; NJW 2007, 3497). Jedenfalls nach den ergänzenden Angaben in der zuletzt eingereichten eidesstattlichen Versicherung, wobei sich diese noch als zulässige Konkretisierungen des bereits innerhalb der Antragsfrist Vorgetragenen darstellen, genügt die Fristenkontrolle dem von der Rechtsprechung geforderten gestuften Schutz gegen Fristversäumungen, wonach die allabendliche Kontrolle eine nochmalige selbständige Prüfung darstellt, ebenso hat die Kontrolle auf Basis der Anwaltsakte zu erfolgen.
Es liegt somit kein Anwaltsverschulden vor, das sich die Patentinhaberin zurechnen lassen müsste.
5. Die Entscheidung ist nach § 123 Abs. 4 PatG unanfechtbar.