Entscheidungsdatum: 08.03.2016
In der Beschwerdesache
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betreffend die Patentanmeldung 10 2009 011 785.7
(hier: Wiedereinsetzung und Hinweis)
hat der 10. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 8. März 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr.-Ing. Lischke sowie die Richter Dipl.-Ing. Hildebrandt, Eisenrauch und Dipl. Ing. Küest
beschlossen:
Die Anmelder werden in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr(en) wiedereingesetzt.
1.) Wiedereinsetzung
Die Anmelder sind antragsgemäß nach § 123 Abs. 1 PatG in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr(en) wiedereinzusetzen, da sie die Frist aufgrund eines unvermeidbaren Rechtsirrtums - somit ohne Verschulden - versäumt haben.
Die drei Anmelder haben am 12. April 2012 - rechtzeitig - Beschwerde gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse E04B des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) vom 16. März 2012 eingelegt, mit dem ihre Patentanmeldung zurückgewiesen worden war, und in Höhe von 200,-- € nur eine Beschwerdegebühr nach dem Gebührentatbestand 401 300 entrichtet. Nachdem die Anmelder im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 8. Dezember 2015 auf die BGH-Entscheidung „Mauersteinsatz“ vom 18. August 2015 (GRUR 2015, 1255 f.) hingewiesen worden waren, haben sie einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt und später mit Eingabe vom 26. Januar 2016 vorgetragen, dass es sich bei ihnen um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) handele; gleichzeitig haben sie vorsorglich zwei weitere Beschwerdegebühren in Höhe von insgesamt 400,-- € nachentrichtet.
Der Tatbestand der Fristversäumung ist gegeben, da die Anmelder eine Gemeinschaft nach Bruchteilen im Sinne von § 741 ff. BGB darstellen. Dies folgt aus dem Umstand, dass die Anmelder für ihre Beziehung in Ansehung ihrer Patentanmeldung offensichtlich nichts anderes vereinbart haben (vgl. BGH 2005, 663 f. - „Gummielastische Masse II“; vgl. hinsichtlich einer Marke: BGH GRUR 2014, 1024, 1025 - „VIVA FRISEURE / VIVA“). Hiernach hätten die Anmelder zur Wirksamkeit ihrer Beschwerde gemäß PatKostG, Vorbemerkung zu Abschnitt I in Teil B des Gebührenverzeichnisses, insgesamt drei Beschwerdegebühren entrichten müssen (vgl. BGH a. a. O., „Mauersteinsatz“). Der Umstand, dass die Verwertung der Erfindung auf der Grundlage eines mit einem Dritten geschlossenen Lizenzvertrages stattfindet oder geplant ist, ändert hieran nichts (vgl. Benkard/Melullis, PatG, 11. Aufl., § 6 Rn. 56). Die Annahme einer GbR setzt vielmehr zusätzlich voraus, dass das einvernehmliche Haben und Verwerten eines Patents erkennbar im Rahmen eines weiteren, übergeordneten Vertrages geschieht, der zuvor mit dem Ziel gemeinsamer Entwicklungstätigkeit, Schutzrechtsakquisition und Verwertung abgeschlossen wurde (vgl. Benkard/Melullis, PatG, 11. Aufl., § 6 Rn. 59; vgl. hinsichtlich Werken der Kunst: BGH GRUR 1998, 673, 675 - „Popmusikproduzenten“). Solche oder vergleichbare Umstände sind hier von den Anmeldern nicht mitgeteilt, geschweige denn glaubhaft gemacht worden.
Der am 8. Dezember 2015 zu Protokoll erklärte Antrag auf Wiedereinsetzung ist zulässig. Insbesondere ist der Antrag im Sinne von § 123 Abs. 2 Sätze 1 und 2 PatG innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden, und auch die am 28. Januar 2016 per SEPA-Lastschriftmandat erfolgten Zahlungen sind fristgerecht nachgeholt worden. Das Hindernis war erst mit dem Senatshinweis in der mündlichen Verhandlung vom 8. Dezember 2015 weggefallen. Bis zur Veröffentlichung der BPatG-Entscheidung „Satz aus Mauersteinen“ (Mitt. 2014, 169 ff.) gab es keine wesentlichen Zweifel daran, dass die am 12. April 2012 mit der Einreichung der Beschwerde entstandene Gebührenschuld bereits mit der Zahlung einer Beschwerdegebühr vollständig beglichen worden war. Durch die Veröffentlichung der vorstehend genannten Entscheidung entstanden für den anwaltlichen Vertreter auch weder Anlass noch Verpflichtung, beim vorliegenden Verfahren eine nachträgliche Überprüfung der Gebührenlage vorzunehmen.
Hinsichtlich der Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags stellt auch die Regelung des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG kein Hindernis dar, wonach ein Jahr nach Versäumung der Frist eine Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt und versäumte Zahlungen nicht mehr nachgeholt werden können. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist zur entsprechenden Jahresausschlussfrist, wie sie auch in der gleichlautenden Regelung des § 234 Abs. 3 ZPO geregelt ist, anerkannt, dass diese Frist in bestimmten Ausnahmefällen aus Gründen eines wirkungsvollen Rechtsschutzes und zur Wahrung des rechtlichen Gehörs nicht anzuwenden ist, insbesondere dann nicht, wenn die Ursache der Fristüberschreitung nicht in der Sphäre der Partei lag, sondern allein der Behörde oder dem Gericht zuzurechnen ist (vgl. BGH Mitt. 2011, 24, 26 - „Crimpwerkzeug IV“; BGH NJW-RR 2008, 878 f. und BPatGE 51, 197, 202 - „Überwachungsvorrichtung“, Leitsatz auch veröffentlicht in BlPMZ 2009, 407). Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu, da das DPMA im Falle der vorliegenden Anmelderbeschwerde - der damaligen, ohne Ausnahme für zutreffend erachteten Rechtsauffassung folgend - eine Entgegennahme der Mehrfachzahlung verweigert und die überzähligen Beträge wieder erstattet hätte. Die Anmelder und ihr anwaltlicher Vertreter durften darin vertrauen, dass diese allgemein bekannte Amtspraxis rechtens war. Sie dürfen daher auch von vornherein von der Zahlung weiterer Beschwerdegebühren absehen.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass der Wiedereinsetzungsantrag auch in der Sache begründet ist, weil den Anmeldern hinsichtlich der beiden zusätzlich fällig gewordenen Beschwerdegebühren die Versäumung der Zahlungsfrist nicht angelastet werden kann.
2.) Ferner wird auf die Eingabe der Anmelder vom 26. Januar 2016 folgender Hinweis erteilt:
Mit der Eingabe vom 26. Januar 2016 haben die Anmelder zwei Kopieseiten der ursprünglich eingereichten Unterlagen mit Eingangsperforierung, 12.03.2008, eingereicht, auf die sich die innere Priorität stützt.
Der geltende Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
„Stopfen (8) zum Verschluss von Öffnungen (9) in Betonwänden (6), insbesondere gebildet durch Hüllrohre (5), mit einem in die Öffnung (9) einzutreibenden Vorderbereich (14) und einem Rückbereich (11) mit einer im wesentlichen flachen Rückseite (12), dadurch gekennzeichnet,
dass er aus einem Elastomer besteht, der Vorderbereich (14) eine konisch sich verjüngende Spitze (10) und der Rückbereich (11) einen gegenüber dem Vorderbereich (14) deutlich vergrößerten Durchmesser aufweist.“
Bis auf den Werkstoff, aus dem der Stopfen besteht, sind die im geltenden Anspruch 1 enthaltenen Merkmale den Prioritätsunterlagen vom 12.03.2008 zu entnehmen. Der Werkstoff „Elastomer“ ist in den Prioritätsunterlagen nicht offenbart. Dort gibt es zwar auf der ersten Seite der ursprünglich eingereichten Unterlagen einen Hinweis „Die Brandschutz elastische M… ist feuerfest rauchdicht wasserfest“, aber ob der Stopfen oder nur Teile davon elastisch sein sollen, ist eindeutig den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht zu entnehmen. Die Offenbarung des Werkstoffes „Elastomer“, EPDM-Kautschuk, ergibt sich erstmalig und eindeutig aus den Unterlagen mit Anmeldetag, 09.03.2009, (vgl. A 4). Stopfen aus Elastomer sind aus der DE 20 2008 012 973 U, veröffentlicht am 29.01.2009, bekannt (vgl. A 10, 11).
Die EP 0 288 583 A1 zeigt in den Figuren 1 und 4 einen Stopfen 8 zum Verschluss von Öffnungen in Betonwänden A mit einem in die Öffnung einzutreibenden Vorderbereich und einem Rückbereich mit einer im wesentlichen flachen Rückseite. Der Vorderbereich hat eine konisch sich verjüngende Spitze, und der Rückbereich hat einen gegenüber dem Vorderbereich deutlich vergrößerten Durchmesser. Die dort beschriebenen Stopfen bestehen aus einem Kunstharz (vgl. S. 6, Abs. 1) mit in Umfangsrillen 13 angeordneten, in Wasser quellenden Dichtungsringen 7, die, wie auf Seite 6, Abs. 2 bis Seite 10, Abs. 1 beschrieben, aus elastomeren Stoffen bestehen. Damit ergeben sich aus der EP 0 288 583 A1 bereits Hinweise auf Werkstoffe für Stopfen, die eine elastische Ausgestaltung des Stopfens aus Elastomer nahelegen.
Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 wird durch die beiden im Verfahren befindlichen Druckschriften nahegelegt; er beruht daher nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Der geltende Anspruch 1 wird daher nach wie vor nicht als gewährbar angesehen.
3.) Termin zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung wird von Amts wegen bestimmt werden.