Entscheidungsdatum: 14.03.2016
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2004 004 609.3
…
hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) auf die mündliche Verhandlung vom 14. März 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Phys. Dr. Mayer, die Richter Dipl.-Ing. Gottstein und Dipl.-Ing. Musiol sowie die Richterin Dorn
beschlossen:
1. Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
I.
Die Prüfungsstelle für IPC-Klasse H 03 F des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Patentanmeldung mit der Bezeichnung „Verstärker mit fester Eingangsimpedanz, betrieben in verschiedenen Verstärkermodi“ durch im Anschluss an die Anhörung am 7. Oktober 2011 verkündeten Beschluss zurückgewiesen. Der Zurückweisung lagen die Patentansprüche 1 bis 19, überreicht in der mündlichen Anhörung am 7. Oktober 2011, zugrunde. Die Prüfungsstelle hat ihren Zurückweisungsbeschluss damit begründet, dass der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 gegenüber der Druckschrift D1 EP 1 067 679 A2 nicht mehr neu sei. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Beschluss der Prüfungsstelle verwiesen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 5. Dezember 2011 eingelegte Beschwerde der Anmelderin mit Sitz in Taiwan, die durch Patentanwalt G…, Patent- und Rechtsanwälte H… in M…, unterzeichnet wurde.
Der Senat hat mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 19. Januar 2016 eine Inlandsvertreter-Vollmacht der Beschwerdeführerin gemäß § 25 PatG angefordert und darauf hingewiesen, dass die schriftliche Vollmachtsurkunde dem Bundespatentgericht spätestens im Termin zur mündlichen Verhandlung im Original vorzulegen ist und mindestens den im Gesetzestext beschriebenen Umfang haben muss, gleichzeitig erfolgte ein Hinweis auf die Folgen der Nichtbestellung eines Inlandsvertreters. Bis zum Ende der mündlichen Verhandlung am 14. März 2016 um 9:45 Uhr lag keine entsprechende Vollmacht vor. Für die Anmelderin ist niemand zum Termin erschienen.
Der Bevollmächtigte der Anmelderin hat mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2011 sinngemäß beantragt,
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 03 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. Oktober 2011 aufzuheben und das nachgesuchte Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche:
Patentansprüche 1 bis 22 vom Anmeldetag (29.01.2004)
Beschreibung:
Beschreibungsseiten 1 bis 20 vom Anmeldetag (29.01.2004)
Zeichnungen:
Figuren 1 bis 11 vom Anmeldetag (29.01.2004)
Hilfsantrag 1:
Patentansprüche 1 bis 22 vom 13.08.2007, beim DPMA eingegangen am selben Tag
Beschreibungsseiten 2 und 2a vom 13.08.2007, beim DPMA eingegangen am selben Tag
Beschreibungsseiten 1 und 3 bis 20 vom Anmeldetag (29.01.2004)
Hilfsantrag 2:
Patentansprüche 1 bis 19 vom 22.09.2011, beim DPMA eingegangen am selben Tag
Beschreibungsseiten 2 und 8 vom 22.09.2011, beim DPMA eingegangen am selben Tag
Beschreibungsseite 2a vom 13.08.2007, beim DPMA eingegangen am selben Tag
Beschreibungsseiten 1, 3 bis 7 und 9 bis 20 vom Anmeldetag (29.01.2004)
Hilfsantrag 3:
Patentansprüche 1 bis 19, überreicht in der Anhörung vor dem DPMA am 07.10.2011 Beschreibung wie Hilfsantrag 2
Zeichnungen jeweils wie Hauptantrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
Die statthafte Beschwerde ist unzulässig, da es die Beschwerdeführerin trotz ausdrücklicher Aufforderung versäumt hat, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung die erforderliche Bestellung eines Inlandsvertreters nachzuweisen.
Nach § 25 Abs. 1 PatG benötigt jeder, der an einem im Patentgesetz geregelten Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt oder Bundespatentgericht teilnimmt und im Inland weder einen Wohnsitz, Sitz noch eine Niederlassung hat, einen Inlandsvertreter, der zur Vertretung im Verfahren vor dem Patentamt, dem Patentgericht und in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die das Patent betreffen, sowie zur Stellung von Strafanträgen bevollmächtigt ist. Der Beginn der Teilnahme im obigen Sinn besteht in der Vornahme der Verfahrenshandlung, die das jeweilige Verfahren – hier das Beschwerdeverfahren – in Gang setzt (Schulte, Patentgesetz, 9. Aufl., § 25 Rn. 21), im vorliegenden Fall also mit der Einreichung der Beschwerde. Die Bestellung des Inlandsvertreters erfolgt regelmäßig durch Vorlage einer schriftlichen Vollmachtsurkunde im Original, deren Mindestumfang sich aus § 25 Abs. 1 PatG ergibt (Schulte, a. a. O., § 25 Rn. 31).
Die notwendige Bestellung eines Inlandsvertreters gemäß § 25 Abs. 1 PatG ist eine zwingende Verfahrensvoraussetzung für den sachlichen Fortgang des anhängigen Verfahrens (BGH BlPMZ 69, 246 – Inlandsvertreter; Schulte, a. a. O., § 25 Rn. 41). Die ohne Vertreterbestellung vorgenommenen Handlungen sind nicht unwirksam, sondern mit einem (behebbaren) Mangel behaftet. Die Bestellung muss aber spätestens bis zum Erlass der Entscheidung in der Sache nachgeholt werden (vgl. Benkard, Patentgesetz, 10. Aufl., § 25 Rn. 24). Wird der Mangel des fehlenden Inlandsvertreters im Anmeldeverfahren trotz Aufforderung bis zur Sachentscheidung nicht behoben, führt dies in einseitigen Verfahren zur Zurückweisung der Anmeldung. Eine eingelegte Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen (BPatG, Beschluss vom 18. Januar 2016 – 20 W (pat) 52/13; BPatG, Beschluss vom 20. Mai 2015 – 20 W (pat) 13/11; BPatG, Beschluss vom 27. Oktober 2011 –21 W (pat) 6/07; BPatG, Beschluss vom 16. November 2010 – 21 W (pat) 10/08; BPatG, Beschluss vom 8. Oktober 2014 – 29 W (pat) 542/12 [Markenbeschwerde]; Schulte, a. a. O., § 25 Rn. 42; Benkard, a. a. O., § 25 Rn. 29).
Eine allgemeine Prozessvollmacht, die lediglich zur Vertretung vor dem Bundespatentgericht ermächtigt, umfasst die Bestellung zum Inlandsvertreter nicht (BPatG, Beschluss vom 18. Januar 2016 – 20 W (pat) 52/13; BPatG, Beschluss vom 20. Mai 2015 – 20 W (pat) 13/11; BPatG, Beschluss vom 16. November 2010 – 21 W (pat) 10/08; Schulte, a. a. O., § 25 Rn. 31).
Die Beschwerdeführerin hat ihren Sitz in Taiwan. Es wurde weder vorgetragen noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sie im Inland eine Niederlassung i. S. d. § 21 ZPO hat. Demzufolge hätte die Beschwerdeführerin im Inland einen Patent- oder Rechtsanwalt als Vertreter mit einer Vollmacht bestellen müssen, die den Anforderungen des § 25 Abs. 1 PatG entspricht. Bis zur Entscheidung über die Beschwerde ist jedoch trotz ausdrücklichen Hinweises des Senats in der Ladung keine entsprechende schriftliche Vollmachtsurkunde zu den Akten gelangt.
Von der Vorlage konnte auch nicht deshalb abgesehen werden, weil als Bevollmächtigte hier Patentanwälte aufgetreten sind. Zwar wird vom 23. Senat des Bundespatentgerichts die Meinung vertreten, dass der in § 97 Abs. 6 Satz 2 PatG zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke, wonach die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht nicht erforderlich ist, wenn als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt oder Patentanwalt auftritt und weder Anhaltspunkte für einen Mangel der Vollmacht erkennbar sind noch ein solcher gerügt wurde, auch anwendbar sei, wenn es gemäß § 25 PatG eines Inlandsvertreters bedürfe und vor dem Bundespatentgericht ein Rechts- oder Patentanwalt als Bevollmächtigter auftrete (BPatG, Beschluss vom 20. März 2014 – 23 W (pat) 9/10, BPatGE 54, 276, 278 = BlPMZ 2014, 367, 368 - Zickzackabtastpfad). Begründet wird die Entscheidung damit, dass § 25 Abs. 1 PatG in Bezug auf die Vorlage einer Vollmachtsurkunde keine Regelung treffe, die als lex specialis der allgemeinen Regelung des § 97 Abs. 6 Satz 2 PatG vorgehen könne, insbesondere finde sich in § 25 PatG keine Regelung, dass die Inlandsvertreter-Vollmacht schriftlich vorgelegt werden müsse; eine Vorschrift über den Nachweis der Vollmacht enthielten allein § 97 Abs. 5 und 6 PatG. Eine andere Rechtsauslegung würde auch zu einem Wertungswiderspruch in Bezug auf die im Wortlaut fast übereinstimmende Regelung des § 88 Abs. 2 ZPO führen, der § 97 Abs. 6 Satz 2 PatG nachgebildet sei und wonach selbst dann die Vorlage einer schriftlichen Prozessvollmacht für einen Rechtsanwalt nicht erforderlich sei, wenn der Vertretene – etwa im Verfahren vor dem Landgericht – nicht postulationsfähig sei. Es sei nicht einzusehen, warum im Verfahren vor dem Bundespatentgericht strengere Voraussetzungen gelten sollten als im Zivilprozess mit Anwaltszwang (BPatG a. a. O.).
Dieser Ansicht kann sich der erkennende Senat nicht anschließen. Vielmehr ist nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des Senats bei Erforderlichkeit eines Inlandsvertreters nach § 25 Abs. 1 PatG auch dann eine entsprechende Inlandsvertreter-Vollmacht (im Original) vorzulegen, wenn ein Rechts- oder Patentanwalt am Verfahren beteiligt ist. Denn als in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachtende Verfahrensvoraussetzung unterliegt die Vollmacht i. S. d. § 25 Abs. 1 PatG nicht wie allgemeine Verfahrensvollmachten der eingeschränkten Prüfung nach § 97 Abs. 6 Satz 2 PatG, vielmehr geht § 25 Abs. 1 PatG als lex specialis der allgemeineren Regelung des § 97 Abs. 6 Satz 2 PatG vor (BPatG, Beschluss vom 18. Januar 2016 – 20 W (pat) 52/13; BPatG, Beschluss vom 20. Mai 2015 – 20 W (pat) 13/11; vgl. auch BPatG, Beschluss vom 11. Januar 2011 – 21 W (pat) 1/07; BPatG, Beschluss vom 27. Oktober 2011 – 21 W (pat) 6/07; BPatG, Beschluss vom 8. Oktober 2014 - 29 W (pat) 542/12 [zu den gleichlautenden Vorschriften der § 96 Abs. 1, § 81 Abs. 6 MarkenG]); Schulte a. a. O., § 97 Rn. 5; Busse/Baumgärtner, Patentgesetz, 7. Aufl., § 25 Rn. 28; Engels/Morawek GRUR 2012, 674 und GRUR 2013, 550). Dies wird im Übrigen auch durch die Regelung in § 97 Abs. 1 Satz 2 PatG klargestellt, wonach § 25 PatG unberührt bleibt. Da der Hinweis auf § 25 PatG gleich zu Beginn des § 97 PatG erfolgt, wird deutlich, dass die Regelungen zum Inlandsvertreter von den weiteren Absätzen des § 97 PatG ebenfalls nicht berührt werden (BPatG, Beschluss vom 18. Januar 2016 – 20 W (pat) 52/13; BPatG, Beschluss vom 20. Mai 2015 – 20 W (pat) 13/11).
Eine Anwendung des in § 97 Abs. 6 Satz 2 PatG zum Ausdruck kommenden o. g. Rechtsgedankens verbietet sich nach Auffassung des Senats auch aufgrund der Wertung des Gesetzgebers, die aus der im Jahre 2001 vorgenommenen Neufassung des § 25 PatG hervorgeht. So lautete die relevante Regelung in § 25 PatG in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung:
„Wer im Inland weder Wohnsitz noch Niederlassung hat, kann an einem in diesem Gesetz geregelten Verfahren vor dem Patentamt oder dem Patentgericht nur teilnehmen und die Rechte aus einem Patent nur geltend machen, wenn er im Inland einen Patentanwalt oder einen Rechtsanwalt als Vertreter bestellt hat. Dieser ist im Verfahren vor dem Patentamt oder dem Patentgericht und in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die das Patent betreffen, zur Vertretung befugt; er kann auch Strafanträge stellen. …“.
Durch diese Formulierung konnte der – nach Auffassung des Gesetzgebers unzutreffende – Eindruck entstehen, dass ein Inlandsvertreter stets berechtigt sei, in allen genannten gerichtlichen Verfahren als Vertreter aufzutreten, mithin z. B. auch bei Verfahren, bei denen Vertretungszwang herrscht (vgl. Gesetzesbegründung in Bundestags-Drucksache 14/6203 vom 31. Mai 2001, Seite 61, rechte Spalte vorletzter Absatz). Die Befugnis zur Vertretung in Verfahren vor dem Patentamt oder dem Patentgericht und in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die das Patent betreffen, und zur Stellung von Strafanträgen wäre dann unmittelbar Ausfluss der Bevollmächtigung als solcher gewesen.
Durch Art. 7 Nr. 9 des Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3656) wurde die Vorschrift des § 25 PatG dahingehend geändert, dass sie nun in der hier relevanten Passage lautet:
„(1) Wer im Inland weder Wohnsitz, Sitz noch Niederlassung hat, kann an einem in diesem Gesetz geregelten Verfahren vor dem Patentamt oder dem Patentgericht nur teilnehmen und die Rechte aus einem Patent nur geltend machen, wenn er im Inland einen Rechtsanwalt oder Patentanwalt als Vertreter bestellt hat, der zur Vertretung im Verfahren vor dem Patentamt, dem Patentgericht und in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die das Patent betreffen, sowie zur Stellung von Strafanträgen bevollmächtigt ist.“
Damit wurde klargestellt, dass es für die Wirksamkeit der Bestellung eines Inlandsvertreters auf den in § 25 Abs. 1 PatG konkret genannten Umfang der rechtsgeschäftlichen Vollmacht ankommt. An die Bevollmächtigung sind also - anders als bei der allgemeinen Prozessvollmacht vor dem Bundespatentgericht (§ 97 PatG) - besondere Anforderungen zu stellen. Aus diesem Grund muss die wirksame Bestellung als Inlandsvertreter durch Einreichung einer entsprechenden schriftlichen Vollmacht im Original nachgewiesen werden, auch wenn dies nicht unmittelbar aus § 25 PatG hervorgeht. Nur so kann das Bundespatentgericht bei Erforderlichkeit eines Inlandsvertreters auch feststellen, ob die zwingende Verfahrensvoraussetzung des § 25 Abs. 1 PatG erfüllt ist. Eine Anwendung des Rechtsgedankens des § 97 Abs. 6 Satz 2 PatG auf die Inlandsvertreter-Vollmacht würde zu dieser gesetzgeberischen Wertung im Widerspruch stehen und ist daher nach Ansicht des Senats abzulehnen (BPatG, Beschluss vom 18. Januar 2016 – 20 W (pat) 52/13; BPatG, Beschluss vom 20. Mai 2015 – 20 W (pat) 13/11).
Der unterlassene Nachweis der Bestellung eines Inlandsvertreters führt zur Unzulässigkeit der Beschwerde, die daher gemäß § 79 Abs. 2 PatG zu verwerfen war.
Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage kann vorliegend ferner dahingestellt bleiben, ob der elektronisch erstellte und signierte Beschluss des DPMA möglicherweise an Wirksamkeitsmängeln leidet (vgl. BPatG, Beschluss vom 12. Mai 2014 – 20 W (pat) 28/12 – u. a. im Hinblick auf das Erfordernis einer signierten Urschrift in der elektronischen Akte).
III.
Die Rechtsbeschwerde war zur Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 100 Abs. 2 Nr. 2 PatG). Denn der erkennende Senat weicht aus o. g. Gründen hinsichtlich der Frage der Anwendbarkeit der Regelung des § 97 Abs. 6 Satz 2 PatG auf eine Inlandsvertreter-Vollmacht nach § 25 Abs. 1 PatG von der Entscheidung des 23. Senats (Beschluss vom 20. März 2014 -23 W (pat) 9/10), in der dies bejaht wurde, ab. Eine höchstrichterliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs hierzu liegt noch nicht vor. Die in den o. g. Beschwerdeverfahren 20 W (pat) 13/11 und 20 W (pat) 52/13 vom erkennenden Senat aus dem gleichen Grund jeweils zugelassene Rechtsbeschwerde wurde nicht bzw. bislang nicht eingelegt.