Entscheidungsdatum: 16.11.2010
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 102 43 935.4-42
…
hat der 21. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. November 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Winterfeldt sowie der Richter Baumgärtner, Dipl.-Ing. Bernhart und Dipl.-Phys. Dr. Müller
beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 01 L des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Juli 2006 wird als unzulässig verworfen.
I.
Mit Telefax vom 20. September 2002 hat die Anmelderin, ein Unternehmen mit Sitz in der S…, Antrag auf Erteilung eines Patents mit der Bezeichnung "Drehmoment-Erfassung bei einem Extruder" gestellt. Unterzeichnet war der Antrag von Patentassessor Dr. F…, Mitarbeiter der B… GmbH aus B…, unter Bezugnahme auf seine allgemeine Vollmacht 199/96. Mit Beschluss vom 10. Juli 2006 hat die Prüfungsstelle für Klasse G 01 L die Anmeldung wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss hat die Anmelderin mit einem auf dem Briefkopf der B… B… GmbH abgefassten und von Dr. F… unterzeichneten Schreiben Beschwerde eingelegt, mit der sie ihren Erteilungsantrag mit neuen Ansprüchen und überarbeiteten Unterlagen weiterverfolgt.
Auf einen Hinweis des Gerichts, dass der auf Dr. F… lautenden Vollmacht vom 27. Oktober 2006 nicht zu entnehmen sei, ob dieser als Inlandsvertreter bestellt sei, wurde seitens der B… GmbH eine Kopie der Bestätigung des Deutschen Patent- und Markenamts am 11. April 1996 eingereicht, in der die Hinterlegung der allgemeinen Vollmacht von Dr. F… für die Anmelderin und das Aktenzeichen 199/96 AV mitgeteilt wurden. In einem Zusatz zur Ladung zur mündlichen Verhandlung am 16. November 2010 wurde die Anmelderin darauf hingewiesen, dass sie als in der S… ansässiges Unternehmen einen Inlandsvertreter benötige, der im gesetzlich bestimmten Umfang bevollmächtigt sein müsse, was durch eine entsprechende schriftliche Vollmachturkunde nachzuweisen sei. Die Anmelderin ist der Aufforderung, bis spätestens zum Termin zur mündlichen Verhandlung diesen Nachweis zu erbringen oder zu belegen, dass sie in Deutschland einen Sitz oder eine Niederlassung habe, nicht nachgekommen. Sie hat vielmehr mit Schreiben vom 27. Juli 2010 mitgeteilt, dass seitens der Anmelderin eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung nicht beabsichtigt sei.
In der Patentamtsakte befindet sich eine Umschreibungsmeldung, wonach aufgrund eines Vermerks in der Leitakte 43 26 836.6 vom 18. Mai 2009 eine Änderung des Inlandsvertreters auch in der Amtsakte zur vorliegenden Anmeldung auf die im Rubrum genannten Verfahrensbevollmächtigten erfolgt ist.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist nicht zulässig, da die Anmelderin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung weder die Bestellung eines Inlandsvertreters noch das Bestehen einer inländischen Niederlassung nachgewiesen hat.
Gemäß § 25 Abs. 1 PatG muss ein Anmelder, der im Inland weder einen Sitz noch eine Niederlassung hat, einen im Umfang dieser Vorschrift bevollmächtigten Rechts- oder Patentanwalt als Inlandsvertreter bestellen, um am weiteren Verfahren vor u. a. dem Deutschen Patent- und Markenamt oder dem Bundespatentgericht teilnehmen zu können.
1. Dass die Anmelderin im Inland eine Niederlassung im Sinne von § 21 ZPO unterhält, also einen Ort, an dem sie in Deutschland ihr Gewerbe ausübt, hat sie weder vorgetragen, noch ist dies aus der Akte oder aus sonstigen dem Gericht verfügbaren Quellen erkennbar. Aus der Darstellung der B… Firmengruppe bei Wikipedia vom 27. Oktober 2010 und dem von dort aus erreichbaren Internet-Handelsregisterauszug des Kantons G… ist vielmehr davon auszugehen, dass sowohl die Anmelderin als auch die B… GmbH in B… Töchter der B1… AG aus U… sind. Die Firmenadresse der B1… AG stimmt mit der der Anmelderin überein. Die B1… AG ist aber laut Handelsregisterauszug "c/o B… AG, B…straße in U…", ansässig, also bei der Anmelderin. Diese identische Adresse von Anmelderin und B… AG reicht nicht für die Annahme aus, dass die B… GmbH in B… eine Niederlassung gerade der Anmelderin ist.
2. Dementsprechend hätte die Anmelderin einen Rechts- oder Patentanwalt als Inlandsvertreter bestellen müssen. Die Bestellung des Inlandsvertreters erfolgt durch eine Bevollmächtigung mindestens in dem in § 25 Abs. 1 PatG umschriebenen Umfang. Eine Vollmacht, die den gesetzlichen Mindestumfang unterschreitet, erfüllt nicht die Voraussetzungen des Abs. 1 und steht der Nichtbestellung eines Inlandsvertreters eines Zustellungsbevollmächtigten in ihren Rechtsfolgen gleich. Es handelt sich um eine verfahrensrechtliche Voraussetzung für den sachlichen Fortgang des Verfahrens. Ihr Fehlen stellt ein (behebbares) Verfahrenshindernis dar. Dabei sind die vor Einsetzung eines Inlandsvertreters (bzw. vor Einsetzung eines neuen Inlandsvertreters nach Wegfall des früheren) vorgenommenen Verfahrenshandlungen nicht unwirksam (vgl. BGH GRUR 1969, 437 – Inlandsvertreter), sondern nur mit einem behebbaren Mangel behaftet. Der Wegfall des Inlandsvertreters berührt die Wirksamkeit der zuvor von ihm vorgenommenen Verfahrenshandlungen nicht.
Für das vorliegende Beschwerdeverfahren ist aber weder der Nachweis einer Bevollmächtigung von Herrn Patentassessor Dr. F… als Inlandsvertreter noch einer entsprechenden Bevollmächtigung der jetzigen Verfahrensbevollmächtigten erfolgt, so dass das Verfahrenshindernis nicht behoben worden ist, weshalb die Anmelderin am Beschwerdeverfahren nicht teilnehmen kann und die Beschwerde aus diesem Grund zu verwerfen ist.
2.1. Zunächst ist festzustellen, dass sich aus den Amtsakten nicht ergibt, ob in der Person von Herrn Patentassessor Dr. F… die Voraussetzungen des § 155 PAO vorliegen. Zwar bestätigt die Mitteilung des Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. April 1996 die Hinterlegung der allgemeinen Vollmacht von Dr. F… für die Anmelderin; über den Inhalt dieser Vollmacht aus dem Jahr 1996 ergibt sich aber nichts Weiteres aus der Akte. Selbst wenn man grundsätzlich unterstellt, dass diese allgemeine Vollmacht den Umfang des § 25 Abs. 1 PatG abdeckte und nach dem oben Gesagten auch davon ausgegangen werden kann, dass die Anmelderin und die B… B… GmbH Konzernunternehmen i. S. v. §§ 155 Abs. 1 Nr. 1, 18 AktG sind, so ist jedoch nicht abschließend feststellbar, dass ein Dienstverhältnis von Herrn Dr. F… bei der B… B… GmbH (weiter) besteht. In der zu den Gerichtsakten gereichten Vollmacht vom 27. Oktober 2006 wird Herr Dr. Fr… jedenfalls als Mitarbeiter der Anmelderin benannt. Darauf kommt es aber letztlich nicht an, da sich die Anmelderin im Verfahren vor dem Bundespatentgericht nicht auf eine allgemeine Vollmacht beziehen könnte (vgl. Rudloff-Schäffer in Schulte, PatG, 8. Aufl. 2008, § 25 Rn. 34). Vielmehr hätte eine Vollmachtsurkunde für Dr. F... im Original zu den Akten gereicht werden müssen ( Rudloff-Schäffer a. a. O.). Dies ist jedoch nicht geschehen.
Die erwähnte Vollmacht vom 27. Oktober 2006 ermächtigte Herrn Dr. F… lediglich zur Vertretung vor dem Bundespatentgericht und erfüllt somit nicht die Erfordernisse des § 25 Abs. 1 PatG.
2.2. Auch für die jetzigen Verfahrensbevollmächtigten liegt kein Nachweis für eine Bevollmächtigung im Umfang des § 25 Abs. 1 PatG vor. § 97 Abs. 6 S. 2 PatG ist auf den Inlandsvertreter nicht anwendbar. Das Gesetz spricht vom Bevollmächtigten und nicht vom Vertreter oder vom Inlandsvertreter. § 97 Abs. 6 S. 2 PatG bezieht sich nur auf die allgemeine Prozessvollmacht, nicht auf die als Verfahrensvoraussetzung ausgestaltete und damit jederzeit von Amts wegen zu prüfende Bestellung des Inlandsvertreters, von der es abhängt, ob der Beteiligte ohne (Wohn-)Sitz oder Niederlassung im Inland am Verfahren überhaupt teilnehmen kann (vgl. auch Busse-Schwendy, Patentgesetz, 6. Aufl. 2003, Rn. 29 zu § 25; Bühring, GebrMG 7. Aufl. 2007, § 28 Rn. 34).
Eine ausdrückliche Vertretungsübernahme durch die Kanzlei R…, Partner im Beschwerdeverfahren unter Vorlage einer entsprechenden Vollmacht ist nicht erfolgt, insbesondere keine Anzeige gem. § 25 Abs. 4 PatG. Ihre Eintragung als Verfahrensbevollmächtigte im Beschwerderegister beruht ersichtlich auf der Umschreibungsmeldung in der Amtsakte vom 18. Mai 2009, wonach in der Leitakte 43 26 836.6 vom 18. Mai 2009 eine Änderung des Inlandsvertreters vermerkt ist.
Diese Umschreibungsmeldung wirkt nicht konstitutiv, ebenso wenig der Registereintrag, unbeschadet etwaiger nach § 30 Abs. 3 S. 2 i. V. m. Abs. 1 S. 1 PatG bestehender Verpflichtungen eines eingetragenen Vertreters. In keinem Fall ersetzt die Eintragung den Nachweis der Bevollmächtigung im gesetzlich erforderlich Umfang. Dies umso weniger, als weder den vorliegenden Akten noch der so genannten Leitakte zu entnehmen ist, dass oder in welchen der betroffenen Verfahren eine Übernahme der Vertretung nach § 25 PatG erfolgen sollte. In der Leitakte findet sich lediglich eine E-Mail einer Mitarbeiterin der Kanzlei der jetzigen Verfahrensbevollmächtigten vom 18. Mai 2009, die darum bittet, "uns bei allen gelisteten Schutzrechten schnellstmöglich als Vertreter einzutragen." Die verfahrensgegenständliche Anmeldung befindet sich zwar auf dieser Liste. Es kann aber nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass damit in allen Fällen eine Bestellung als Inlandsvertreter verbunden sein sollte, da die Liste auch Patente inländischer Patentinhaber enthält. Insofern hätte es bei allen Verfahren mit Anmeldern oder Schutzrechtsinhabern ohne (Wohn-)Sitz in Deutschland einer verfahrensbezogenen Einzelvollmacht gemäß § 25 PatG bedurft.
Der Inhalt der im vorliegenden Fall im Register enthaltene Eintragung "Vertreter: angegeben am 18. Mai 2009 PAe R… & Partner GbR" könnte darüber hinaus auch aus formalen Gründen keine Wirksamkeit entfalten. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist nicht als Vertreter und daher auch nicht als Inlandsvertreter zugelassen. Dies sind nur Anwalts-Gesellschaften mbH, Aktiengesellschaften und registrierte Partnerschaften.