Entscheidungsdatum: 05.03.2013
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 10 2008 004 423
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hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) in der Sitzung vom 5. März 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Phys. Dr. Mayer, die Richterin Kopacek sowie die Richter Dipl.-Ing. Gottstein und Dipl.-Ing. Albertshofer
beschlossen:
1. Der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts wird anheimgegeben, dem Beschwerdeverfahren beizutreten.
2. Für den Fall des Beitritts erhält die Präsidentin Gelegenheit bis spätestens 12. April 2013 Ausführungen in der Sache zu machen.
I.
Gegen das mit Beschluss vom 31. August 2010 erteilte und unter der Nummer 10 2008 004 423 am 20. Januar 2011 veröffentlichte Patent „Anordnung zur Erfassung von Berührungen auf einer Trägerplatte und Verfahren zur Herstellung eines Sensors“ ist von der Einsprechenden I, der I… B… Glas GmbH, und der Einsprechenden II, der R… GmbH & Co. KG, Einspruch erhoben worden. Beide Einsprechende haben im Verfahren vor der Patentabteilung 1.56 jeweils beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Am 14. Juni 2012 hat die von den Einsprechenden sowie der Patentinhaberin hilfsweise beantragte Anhörung vor der Patentabteilung 1.56 des Deutschen Patent- und Markenamts stattgefunden. Die Patentinhaberin hat beantragt, das Streitpatent im Umfang eines in der Anhörung eingereichten Hauptantrags, hilfsweise im Umfang eines in der Anhörung eingereichten Hilfsantrags aufrecht zu erhalten. Die Patentabteilung 1.56 hat am Ende der Anhörung am 14. Juni 2012 durch Beschluss das Patent im Umfang des Hilfsantrages beschränkt aufrechterhalten. Mit Datum vom 9. August 2012 wurde der Beschluss schriftlich erstellt und begründet.
Gegen den Beschluss der Patentabteilung 1.56, der der Einsprechenden zu I am 16. August 2012 zugestellt worden ist, hat diese mit Schriftsatz vom 5. September 2012, dem DPMA mit Telefax vom gleichen Tag zugegangen, Beschwerde eingelegt; der Schriftsatz ist im Original am 7. September 2012 eingegangen. Sie beantragt, den Beschluss der Patentabteilung aufzuheben und das Streitpatent aufgrund mangelnder Patentfähigkeit in vollem Umfang zu widerrufen. Der Beschwerdeschriftsatz ist dem BPatG am 26. September 2012 als Telefax und im Original als Papierdokument übermittelt worden.
Die Einsprechende zu II hat gegen den Beschluss der Patentabteilung 1.56 keine Beschwerde eingelegt.
Im vorliegend anhängigen Beschwerdeverfahren ist dem BPatG die Verfahrensakte des DPMA ausschließlich in elektronischer Form übermittelt worden.
Der Senat hat durch richterlichen Hinweis an die Verfahrensbeteiligten vom 9. Januar 2013 die vielfältigen, sich in Zusammenhang mit der ausschließlich elektronischen Übermittlung der Verfahrensakte des DPMA ergebenden Problemstellungen aufgezeigt, wobei die beabsichtigte Vorgehensweise des Senats, eine Zurückverweisung der Sache an das DPMA gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung auszusprechen, angekündigt wurde. Zudem sind die Verfahrensbeteiligten von der Absicht des Senats, der Präsidentin den Beitritt zum vorliegenden Verfahren anheimzugeben, unterrichtet worden.
Die Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit erhalten, sich auf den richterlichen Hinweis innerhalb einer ihnen vom Senat gesetzten Frist von sechs Wochen ab Zugang des Hinweises zu äußern. Die Einsprechende hat im Schriftsatz vom 22. Februar 2013 ihr Einverständnis zur Anheimgabe des Beitritts der Präsidentin des DPMA erklärt, die Patentinhaberin hat der Anheimgabe im Telefonat vom 4. März 2013 zugestimmt.
II.
Der Senat erachtet es als angemessen, der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts gemäß § 77 S. 1 PatG anheimzugeben, dem Beschwerdeverfahren beizutreten. Im vorliegenden Einspruchsbeschwerdeverfahren ist über Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu befinden, wobei die Beschwerdeentscheidung über den Einzelfall hinaus allgemeine Auswirkungen für eine Vielzahl von Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt haben könnte. Die aufgezeigten Probleme treten auch in anderen, dem Senat vorgelegten elektronischen Amtsakten auf.
1. Aufgrund der nach vorläufiger Auffassung des Senats gegebenen schwerwiegenden Verfahrensmängel erwägt der Senat vorliegend eine Aufhebung des Beschlusses der Patentabteilung 1.56 vom 14. Juni 2012 und eine Zurückverweisung der Sache an das DPMA gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
2. Das Beschwerdeverfahren 20 W (pat) 28/12 ist im 20. Senat eines der ersten Verfahren, bei dem wesentliche Dokumente im DPMA im Rahmen eines ausschließlich elektronischen Verfahrens erzeugt wurden und in dem die Amtsakte des DPMA dem BPatG nicht mehr in Papierform, sondern ausschließlich in elektronischer Form übermittelt wurde. Hierdurch ergeben sich rechtliche Fragestellungen, die noch nicht abschließend geklärt sind.
Die rechtlichen Grundlagen für die elektronische Führung der Amtsakte des DPMA ergeben sich insbesondere aus § 125a PatG, aus der Verordnung über die elektronische Aktenführung bei dem Patentamt, dem Patentgericht und dem Bundesgerichtshof (EAPatV) sowie über die Verweisung in § 2 EAPatV aus der Zivilprozessordnung.
3. Der Senat erachtet es nach vorläufiger Auffassung als rechtlich problematisch, dass sich in der übermittelten elektronischen Amtsakte des DPMA kein elektronisches Dokument befindet, das als ordnungsgemäße, von den zuständigen Mitgliedern der Patentabteilung unterzeichnete, d. h. elektronisch signierte Urschrift des mit der erforderlichen Begründung versehenen Beschlusses der Patentabteilung 1.56 vom 14. Juni 2012 angesehen werden kann.
3.1. § 5 Abs. 2 EAPatV sieht vor, dass ein elektronisches Dokument des Patentamts unterzeichnet wird, indem der Name der unterzeichnenden Person eingefügt und eine fortgeschrittene elektronische Signatur an das Dokument angebracht wird (§ 5 Abs. 2 EAPatV). Dieses Unterschriftserfordernis gilt auch für die Beschlüsse des DPMA. Das DPMA sieht statt der fortgeschrittenen elektronischen Signatur die qualifizierte Signatur vor, was rechtlich unbedenklich erscheint.
3.2. In der elektronischen Amtsakte befinden sich im Überblick über alle elektronischen Aktenbestandteile (vgl. § 4 Abs. 2 EAPatV) viermal die Titel „Beschluss Aufrechterhaltung“ (einmal mit der Datumsangabe 9. August 2012 und dreimal mit der Datumsangabe 10. August 2012) und dreimal die Titel „Beschluss Aufrechterhaltung – Signiert“ (jeweils mit der Datumsangabe 9. August 2012). Von den hier aufrufbaren sieben Dateien, die jeweils als ein elektronisches Dokument anzusehen sind, enthalten sechs Dateien Beschlusstexte mit teilweise verschiedener Adressierung, wobei anscheinend für jeden Verfahrensbeteiligten eine eigene Datei bestimmt ist. Jede dieser sechs Dateien enthält zwei Beschlusstexte mit offensichtlich unterschiedlichen Angaben unterhalb der Namensleiste der zuständigen Prüfer neben der Abbildung des Dienstsiegels, zwei Anlagenverzeichnisse, zwei Rechtsmittelbelehrungen und zwei Niederschriften über die Anhörung, im folgenden auch Datei-Dokumente genannt, d. h. mehrere herkömmlich in Papier als Dokumente angesehene Schriftstücke sind zu einer einzigen Datei als elektronischem Dokument zusammengefasst.
3.3. Zu jeder der drei Dateien unter dem Titel „Beschluss Aufrechterhaltung – Signiert“ (im folgenden Beschluss-Dateien bezeichnet) sind in der Amtsakte jeweils drei Signaturdateien enthalten. Zwei der drei Beschluss-Dateien sind ordnungsgemäß elektronisch signiert, in einem Fall finden sich nur zwei verschiedene Signaturen, wobei eine Signatur doppelt verwandt wurde und die Signatur des dritten Prüfers fehlt. Zwar kann bei einem wirksam verkündeten Beschluss wie dem vorliegenden eine fehlende Unterschrift nachgeholt bzw. eine falsche entsprechend § 319 ZPO berichtigt werden, nach der Rechtsprechung des BGH kann dies jedoch nur innerhalb von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung erfolgen (vgl. BGH NJW 2006, 1881 (Nr. 14)). Da hier die Fünf-Monats-Frist seit der Verkündung des Beschlusses am 14. Juni 2012 längst abgelaufen ist, wäre allein dadurch aufgrund der BGH-Entscheidung von einem Begründungsmangel auszugehen, der für sich gesehen bereits die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das DPMA rechtfertigen würde (§ 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG).
Die vorliegend in der elektronischen Amtsakte befindlichen Signaturen beziehen sich jeweils auf eine Beschluss-Datei, welche sechs Datei-Dokumente mit insgesamt 60 Seiten umfasst, und nicht auf ein einzelnes Datei-Dokument (insbesondere den ersten Beschlusstext) in der Beschluss-Datei, auch wenn die Aufschrift auf einzelnen Datei-Dokumenten, insbesondere den Beschlusstexten, jeweils den Anschein erweckt, als sei lediglich dieses Datei-Dokument signiert. Zu den Dateien unter dem Titel „Beschluss Aufrechterhaltung“ sind keine Signaturdateien in der Amtsakte enthalten.
Es erscheint problematisch, dass in allen vorliegenden signierten elektronischen Dokumenten die Signatur nicht, wie in § 5 EAPatV gefordert, an das elektronische Dokument (= Datei) selbst „angebracht“ worden ist, als es unterzeichnet wurde. Vielmehr wurde offensichtlich pro Signatur eine eigenständige Signaturdatei erstellt. Das bedeutet, dass die vom DPMA vorgelegten Dateien mit Datei-Dokumenten, bei denen am Ende der Dokumenttexte darauf hingewiesen wird, dass diese signiert seien, lediglich signiert worden sein könnten. Die Beschluss-Datei unter dem Titel „Beschluss Aufrechterhaltung – Signiert“ mit zwei verschiedenen Signaturen, wobei eine Signatur doppelt verwandt worden ist, könnte somit auch ordnungsgemäß mit einer dritten, von den beiden anderen sich unterscheidenden Signatur versehen worden sein. Es kann aber der einzelnen, dem BPatG vom DPMA elektronisch übermittelten Datei (als elektronischem Dokument), die das zu unterzeichnende Dokument darstellen soll, technisch nicht unmittelbar entnommen werden, ob diese Datei signiert worden ist bzw. mit wie vielen Signaturen diese Datei versehen worden ist. Um diesen Problemen vorzubeugen, schreibt § 5 EAPatV vor, die Signatur am elektronischen Dokument, also an der Datei, „anzubringen“, wie dies bei sogenannten Inline-Signaturen der Fall ist, bei der die Signaturen unmittelbar mit der Datei als dem elektronischen Dokument verbunden sind; dies hat das DPMA nicht umgesetzt.
3.4. Alle 13 Beschlusstexte und 14 Niederschriften über die Anhörung in der Amtsakte enthalten jeweils auf der letzten Seite die Aufschrift: „Dieses Dokument wurde elektronisch signiert und ist ohne Unterschrift gültig.“ Nach § 5 EAPatV wird ein elektronisches Dokument des Patentamts „unterzeichnet“ und somit unterschrieben, indem eine „elektronische Signatur an das Dokument angebracht“ wird. Es kann sich somit bei Datei-Dokumenten, die den Vermerk „ohne Unterschrift gültig“ tragen, auch nicht um eine „unterschriebene“ Urschrift handeln. Um (für den Ausdruck vorbereitete) Ausfertigungen im Sinne des § 6 EAPatV kann es sich auch nicht handeln, denn diese müssten in diesem Fall den Hinweis tragen, dass „die Ausfertigung nicht unterschrieben wird“.
3.5. In der elektronischen Amtsakte findet sich neben den vorgenannten sechs Dateien eine Datei mit dem Titel „Beschluss Aufrechterhaltung“, die lediglich einen einzigen Beschlusstext als Datei-Dokument enthält, zu dem das DPMA jedoch keine Signaturdateien übermittelt hat, und das somit auch nicht als elektronisch signiert angesehen werden kann (obwohl am Ende des Datei-Dokuments angezeigt wird: „Dieses Dokument ist elektronisch signiert ….“). Es kann daher ebenfalls nicht als Urschrift gelten. Dass die übrigen 12 Beschlusstexte in der Amtsakte mit diesem einzelnen Beschlusstext bzw. untereinander identisch sein sollen, ergibt sich aus der Amtsakte nicht.
Der Senat wird gemäß § 8 Abs. 1 EAPatV davon ausgehen müssen, dass das DPMA alle zur elektronischen Amtsakte gehörenden Dateien dem BPatG vorgelegt hat, d. h. dass gegebenenfalls vorhandene, aber nicht übermittelte Signaturdateien nicht Inhalt der elektronischen Amtsakte sind, auch wenn einzelne Datei-Dokumente durch ihren Aufdruck auf Signaturen hinweisen sollten.
3.6. Nicht unterschriebene Beschlüsse sind lediglich Entwürfe und daher unwirksam, es sei denn, der Beschluss war ordnungsgemäß verkündet (Schulte, PatG, § 47 Rn. 9 m. w. N.). Dies ist zwar vorliegend der Fall, da der Beschluss in der Anhörung vom 14. Juni 2012 verkündet wurde (§ 59 Abs. 4 i. V. m. § 47 Abs. 1 Satz 2 PatG). Jedoch liegt ein Verstoß gegen § 59 Abs. 4 und § 61 Abs. 1 i. V. m. § 47 Abs. 1 Satz 1 PatG vor, wonach die Beschlüsse des DPMA zu begründen, schriftlich auszufertigen und den Beteiligten von Amts wegen zuzustellen sind. Die schriftliche Ausfertigung des Beschlusses setzt eine Beschluss-Urschrift voraus, die analog § 315 Abs. 1 ZPO von den Mitgliedern der Patentabteilung, die an der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterschreiben ist. Die mündlich verkündete Entscheidung vom 14. Juni 2012 enthielt zunächst keine Begründung (vgl. die Niederschriften über die Anhörung in der mündlichen Verhandlung), diese wäre daher schriftlich im Beschluss in Form einer (signierten) Urschrift niederzulegen. Für den Ausdruck vorbereitete „Ausfertigungen“ können die Urschrift nicht ersetzen. Die elektronische Akte enthält zwar neben diesen vermutlich für die Parteien bestimmten, zum Ausdrucken vorbereiteten mehrfachen „Ausfertigungen“ eine weitere Datei; diese besteht jedoch – wie festgestellt - lediglich aus einem einzigen Beschlusstext als Datei-Dokument, zu dem keine Signaturdateien zur Verfügung stehen, so dass diese mangels Signatur der zuständigen Prüfer nicht als Urschrift des zu begründenden Beschlusses gewertet werden kann.
3.7. Von einer nicht ordnungsgemäßen Urschrift können zudem keine wirksamen Ausfertigungen gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 PatG i. V. m. §§ 298 und 299 ZPO und § 6 EAPatV erteilt werden. Eine Ausfertigung ist die amtliche Abschrift eines Beschlusses, die an die Stelle der Urschrift tritt. Die Urschrift hat bei den Akten zu verbleiben und muss mit der Ausfertigung übereinstimmen. Insbesondere muss die Ausfertigung die Namen und gegebenenfalls die Dienstbezeichnung der Personen, die den Beschluss, Bescheid oder die Mitteilung unterzeichnet haben (§ 20 DPMAV) bzw. den Namen der Personen, die eine elektronische Signatur angebracht haben (§ 6 Nr. 1 EAPatV), hier die Namensangaben der zuständigen Mitglieder der Patentabteilung, enthalten (vgl. hierzu Schulte, PatG § 47 Rn. 12). Dies ist vorliegend nicht gewährleistet, zumal die verschiedenen anscheinend zum Ausdrucken vorbereiteten „Ausfertigungen“ für die Beteiligten auch offensichtlich von der (nicht signierten) „Urschrift“ abweichen.
3.8. Welche Dokumente die Verfahrensbeteiligten tatsächlich als Ausfertigungen erhalten haben und welche gemäß § 6 EAPatV geforderten Angaben auf dem Ausdruck angebracht worden sind, ist aus der Amtsakte nicht ersichtlich. Die Angaben, die die aufbereiteten Datei-Dokumente in der Amtsakte zeigen, erscheinen jedenfalls nicht geeignet, die Anforderungen des § 6 EAPatV zu erfüllen. Denn einerseits sind auf einem Beschlusstext drei verschiedene Namen aufgebracht, obwohl nur zwei verschiedene Signaturen vorliegen, und somit falsche Angaben zu einer Person gemacht, die die elektronische Signatur angebracht hat, andererseits ist nicht nur dieses eine Datei-Dokument (= erster Beschlusstext) mit einer Signatur versehen worden, sondern das gesamte Dokumentenkonvolut (= Beschluss-Datei). Im Übrigen fehlt - wie bereits ausgeführt - der Hinweis „Die Ausfertigung wird nicht unterschrieben.“ (§ 6 Nr. 3 EAPatV).
3.9. Die Ausfertigung eines elektronischen Dokuments bedeutet, dass das elektronische Dokument in ein Papierdokument umgewandelt, d. h. ausgedruckt wird (vgl. § 2 EAPatV i. V. m. §§ 317 Abs. 3, 298 ZPO). § 6 EAPatV, der die „Ausfertigung“ eines elektronischen Dokuments betrifft, sieht vor, dass der Name der Person, die eine Signatur angebracht hat, und der Tag, an dem die Signatur angebracht wurde, sowie der Hinweis, dass die Ausfertigung nicht unterschrieben wird, auf dem Gesamtdokument angebracht wird. Der Ausdruck enthält nur in diesem Fall die erforderlichen Angaben.
Das “Ergebnis“ der Signaturprüfung kann nicht vorab auf einem Datei-Dokument angebracht werden, wie es die Amtsakte des DPMA vermuten lässt. Gerade bei komplexen elektronischen Systemen, die nach dem Stand der Technik nie fehlerlos sein können, sind die rechtlich relevanten Verfahrensschritte zum Zeitpunkt des Medientransfers (Umwandlung der elektronischen Datei in ein oder mehrere Papierdokumente) entsprechend den rechtlichen Vorgaben zu überprüfen und das Ergebnis zu dokumentieren.
In diesem Zusammenhang ist zu bezweifeln, dass es Aufgabe des Senats sein sollte, die inhaltliche und formale Identität der 13 Beschlussfassungen mit dem 22 Seiten umfassenden Beschluss in der Amtsakte zu überprüfen. Auf die Fehlerproblematik bei einem komplexen Computersystem wurde vorstehend hingewiesen. Die vorliegenden Signaturfehler, die offensichtlich aufgrund fehlender Prüfroutinen aufgetreten sind, bestätigen diese Sicht. Durch das Vorliegen einer in den Akten enthaltenen Urschrift, von der Ausfertigungen erteilt werden, soll gerade gewährleistet sein, dass sich alle Verfahrensbeteiligten insbesondere auf die gleiche Begründung beziehen.
Wie festgestellt erscheint es als zwingende unabdingbare Voraussetzung, dass die Datei mit einem einzigen Beschlussdokument als solche unmittelbar elektronisch signiert wird, anstatt eine Zusammenfassung einer Vielzahl von Datei-Dokumenten mit einer Signatur zu versehen, da im Rahmen der Ausfertigung nicht mehr unmittelbar ersichtlich ist, welche Datei-Dokumente in Wirklichkeit signiert worden sind. Im vorliegenden Fall wird sogar der Eindruck erweckt, dass nur das erste Datei-Dokument (= erster Beschlusstext) der Beschluss-Datei signiert worden ist. Die Anforderungen an Aktenwahrheit und –klarheit erscheinen hier nicht erfüllt. Ebenso kann nicht argumentiert werden, dass „Ausfertigungen“ für die Beteiligten jeweils ordnungsgemäß signiert sind (was in einem Fall indes ohnehin nicht zutrifft) und daher zumindest die erste Beschluss-Datei, die ordnungsgemäß mit elektronischen Signaturen im System hinterlegt ist, gleichsam als „Urschrift“ fungieren könne. Dies scheitert bereits daran, dass es sich aufgrund der Adressierung an jeweils nur einen der Beteiligten allenfalls um eine (zum Ausdruck vorbereitete) „Ausfertigung“ des Beschlusses und eben nicht um die (erst für alle Verfahrensbeteiligten auszufertigende) Urschrift des Dokuments handelt. Eine rechtliche Notwendigkeit, zum Ausdrucken vorbereitete „Ausfertigungen“ elektronisch zu signieren, sieht die EAPatV nicht vor, da - wie bereits ausgeführt – der Ausdruck gerade nicht zu unterschreiben ist (§ 6 Nr. 3 EAPatV).
Die vorstehend dargelegten schwerwiegenden Verfahrensmängel rechtfertigen nach Auffassung des Senats eine Zurückverweisung der Sache an das DPMA gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG.
4. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass die in den Dateien jeweils enthaltene Niederschrift über die Anhörung im Einspruchsverfahren vor der Patentabteilung nicht den Anforderungen des § 160a ZPO, der insoweit auch auf die Protokolle bzw. Niederschriften des DPMA Anwendung findet (vgl. § 46 Abs. 2 Satz 2 PatG), entspricht. § 160a Abs. 2 ZPO sieht zwar vor, dass ein Protokoll nachträglich hergestellt werden kann. Jedoch sind die vorläufigen Aufzeichnungen, zu denen neben gebräuchlicher Kurzschrift, verständliche Abkürzungen oder Ton- oder Datenträger zählen (§ 160a Abs. 1 ZPO), nach § 160a Abs. 3 Satz 1 ZPO zu den Prozessakten zu nehmen. Nach § 160a Abs. 3 Satz 3 können diese vorläufigen Aufzeichnungen auch auf einer zentralen Datenspeichereinrichtung gespeichert werden, sofern das Gericht (Amt) über eine solche verfügt. Zu den Akten genommen werden muss jedoch immer das Originalprotokoll, wie es in der Anhörung erstellt wurde. Daran fehlt es vorliegend, da offenbar eine Übertragung der handschriftlichen Aufzeichnungen vom 14. Juni 2012 ausweislich des sich auf Seite 2, 3 und 4 der Niederschrift unten rechts befindlichen Datums am 20. Juni 2012 stattgefunden hat und diese Übertragung die ursprüngliche Mitschrift, die nicht zu den Akten genommen wurde, gleichsam ersetzt. Diese Vorgehensweise ist nach § 160a ZPO nicht vorgesehen und hätte große Auswirkungen auf die Beweiskraft des Protokolls, z. B. falls ein Beteiligter eine korrekte Wiedergabe der Anträge rügt. Auch fehlt es vorliegend an der in § 160a Abs. 2 ZPO vorgesehenen unverzüglichen Herstellung des Protokolls, da dieses erst am 20. Juni 2012 und damit sechs Tage nach dem Anhörungstermin am 14. Juni 2012 hergestellt worden ist. Zudem fehlt es an der Feststellung der Richtigkeit der Übertragung am Ende des Protokolls („Für die Richtigkeit...“).
5. Sowohl die Beschwerdeführerin (Einsprechende I) als auch die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) haben der Ankündigung, der Präsidentin des DPMA den Beitritt anheimzugeben, zugestimmt. Eine Zustellung des richterlichen Hinweises an die Einsprechende zu II, die ihrerseits keine Beschwerde gegen den Beschluss der Patentabteilung vom 14. Juni 2011 eingelegt hatte, war nicht veranlasst, da vor dem BPatG nur der Patentinhaber und die Einsprechenden, die Beschwerde eingelegt haben, Beteiligte sind (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 8. Aufl., § 59 Rn. 152).