Entscheidungsdatum: 05.04.2013
I.
Die Klägerin begehrt mit dem diesem Zwischenverfahren zugrundeliegenden Verfahren auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes (IFG) Einsicht in Unterlagen der beklagten Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, die im Rahmen der Aufsicht über ein Wertpapierhandelsunternehmen angefallen sind; über dessen Vermögen ist mittlerweile das Insolvenzverfahren eröffnet worden.
Mit Beschluss vom 17. August 2011 forderte der Verwaltungsgerichtshof als Gericht der Hauptsache die Beklagte auf, im Einzelnen benannte Unterlagen vorzulegen. Versagungsgründe nach § 3 Nr. 1 Buchst. d und Nr. 2 IFG lägen nicht vor. Die Beklagte könne auch nicht geltend machen, dass die Erfüllung des Anspruchs wegen Aussonderung, Anonymisierung oder Unkenntlichmachung geheimhaltungsbedürftiger Informationen zu einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand i.S.v. § 7 Abs. 2 IFG führen würde. Entscheidungserheblich komme es darauf an, ob die Beklagte sich zu Recht auf den Weigerungsgrund nach § 3 Nr. 4 IFG i.V.m. § 9 KWG berufen könne. Diese Vorschrift erfasse über die beispielhaft genannten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse hinaus auch personenbezogene Daten und enthalte somit eine § 5 und § 6 Satz 2 IFG verdrängende Spezialregelung.
Daraufhin gab der Beigeladene zu 2 als oberste Aufsichtsbehörde unter dem 24. Oktober 2011 eine Sperrerklärung bezüglich des weit überwiegenden Teils der angeforderten Unterlagen ab. Die Geheimhaltungsbedürftigkeit der gesperrten Akten gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ergebe sich primär aus § 9 Abs. 1 KWG als gesetzlicher Geheimhaltungsvorschrift und außerdem aus dem Wesen der begehrten Information selbst. Bei den in den angeforderten Unterlagen enthaltenen betriebsinternen Vorgängen, deren Kenntnis die Beklagte im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit erlangt habe, handele es sich um schützenswerte unternehmensbezogene Informationen. Die Geheimhaltungsbedürftigkeit folge ferner aus den sonst drohenden nachteiligen Auswirkungen auf die Kontroll- und Aufsichtsaufgaben der Beklagten im Sinne des § 3 Nr. 1 Buchst. d IFG. Darüber hinaus enthielten die begehrten Informationen auch Daten Dritter und Angaben über die Geschäftstätigkeiten und das Handelsverhalten von und über Dritte sowie Informationen zu einer eventuellen strafrechtlichen Relevanz des Verhaltens der damaligen Geschäftsleiter; eine öffentliche Preisgabe griffe erheblich in deren Persönlichkeitsrechte ein. Ferner genössen Unterlagen über das Unternehmen den Schutz des geistigen Eigentums. Die Abwägung im Rahmen der Ermessensentscheidung führe nicht zur Freigabe der Akten. Die Vorlage sei zu verweigern, damit nicht über das prozessuale Einsichtsrecht nach § 100 Abs. 1 VwGO die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen und zwingende gesetzliche Verschwiegenheitspflichten sowie gesetzlich anerkannte Geheimhaltungsinteressen irreversibel verletzt würden. Dem öffentlichen Interesse an einer transparenten Rechtsfindung und dem Interesse der Klägerin an Gewährung effektiven Rechtsschutzes werde hinreichend im in-camera-Verfahren Rechnung getragen. Schließlich sei auch ein besonderes, die grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteressen überwiegendes Informationsinteresse der Klägerin nicht erkennbar.
Mit Beschluss vom 9. März 2012 hat der Fachsenat des Verwaltungsgerichtshofs auf Antrag der Klägerin festgestellt, dass die Verweigerung der Vorlage im Einzelnen bezeichneter Unterlagen wegen des Schutzes personenbezogener Daten insgesamt rechtmäßig sei. Bezüglich weiterer Unterlagen sei die Verweigerung der Nennung von Daten Dritter rechtmäßig; sie sei durch Schwärzung zu gewährleisten. Im Übrigen hat er festgestellt, dass die Verweigerung der Vorlage der begehrten Unterlagen rechtswidrig sei. Zur Begründung hat er ausgeführt: In der Sperrerklärung seien nur teilweise Tatbestandsmerkmale, die die Verweigerung der Vorlage zuließen, in der erforderlichen Weise substantiiert dargelegt. Die Unterlagen seien nicht gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 VwGO nach einem Gesetz geheim zu halten. Die in § 9 Abs. 1 KWG angeordnete Verschwiegenheitspflicht erfülle diese Voraussetzung nicht. Zu Unrecht berufe sich die Sperrerklärung auf den Weigerungsgrund des § 3 Nr. 1 Buchst. d IFG. Zwar könne dem Wohl des Bundes dann ein Nachteil im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO erwachsen, wenn durch die Offenlegung von Informationen eine wirksame Beaufsichtigung von Finanzdienstleistungen behindert wäre. Ein solcher Zusammenhang werde allerdings in der Sperrerklärung nicht nachvollziehbar belegt. Personenbezogene Informationen über Dritte und Geschäftsgeheimnisse seien zwar grundsätzlich ihrem Wesen nach geheim zu halten. Allerdings werde ein insbesondere nach Eintritt der Insolvenz fortbestehendes Interesse an der Geheimhaltung betriebsinterner Vorgänge nicht dargelegt. Die Durchsicht der Unterlagen ergebe indessen, dass darin schützenswerte Daten Dritter enthalten seien, die jedenfalls zu schwärzen seien. Auch wenn man die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Vorlageverweigerung insgesamt bejahen würde, wäre die Sperrerklärung rechtswidrig, da die Ermessenserwägungen nicht tragfähig seien. Diese seien erkennbar auf die fachgesetzlichen Weigerungsgründe und die prozessualen Folgen der §§ 99, 100 VwGO für das Hauptsacheverfahren ausgerichtet und verkennten die Eigenständigkeit der in § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO geforderten Ermessensausübung. Dieser Fehler wirke sich allerdings nicht aus, soweit die im Tenor genannten Unterlagen mit schützenswerten Daten Dritter betroffen seien. Insoweit sei nämlich das Ergebnis der Ermessensausübung durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtlich zwingend vorgegeben. Die schützenswerten Daten Dritter seien durch das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. Demgegenüber stütze die Klägerin ihr Auskunftsbegehren lediglich auf einfaches Gesetzesrecht.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Klägerin. Die Beklagte und der Beigeladene zu 2 haben ihre Beschwerden zurückgenommen.
II.
Nach der Rücknahme der Beschwerden der Beklagten und des Beigeladenen zu 2 wird das Verfahren insoweit eingestellt (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO in entspr. Anwendung).
Die zulässige Beschwerde der Klägerin ist nur zum Teil begründet. Auf den zulässigen Antrag nach § 99 Abs. 2 VwGO hat der Verwaltungsgerichtshof bei den von der Sperrerklärung erfassten Unterlagen, die im Beschwerdeverfahren noch streitgegenständlich sind, zum überwiegenden Teil zu Recht nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO geheimhaltungsbedürftige Inhalte festgestellt. Er hat daraus aber nicht immer die zutreffenden rechtlichen Folgerungen gezogen. Bezüglich anderer Aktenteile sind schon die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Geheimnisschutz nicht dargetan.
Der Verwaltungsgerichtshof ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats zutreffend davon ausgegangen, dass die Weigerung, die angeforderten Unterlagen vorzulegen, nicht auf § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 VwGO i.V.m. mit § 9 Abs. 1 KWG gestützt werden kann (Beschlüsse vom 23. Juni 2011 - BVerwG 20 F 21.10 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 64 Rn. 10 ff., vom 5. Oktober 2011 - BVerwG 20 F 24.10 - juris Rn. 8, vom 12. April 2012 - BVerwG 20 F 2.11 - juris Rn. 8 f. und vom 27. August 2012 - BVerwG 20 F 3.12 - juris Rn. 7 f.). Schutzwürdigen Belangen Betroffener ist vielmehr im Rahmen des Weigerungsgrundes der wesensmäßigen Geheimhaltungsbedürftigkeit (§ 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO) Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03 u.a. - BVerfGE 115, 205 <243 f.>), den die Sperrerklärung ebenfalls in Anspruch nimmt. Hierzu zählen neben Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen auch die durch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten personenbezogenen Daten Dritter (stRspr, vgl. etwa Beschlüsse vom 10. Januar 2012 - BVerwG 20 F 1.11 - AfP 2012, 298 Rn. 25 und vom 6. April 2011 - BVerwG 20 F 20.10 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 63 Rn. 12). Hierunter sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person zu verstehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1 <42>; siehe auch § 3 Abs. 1 BDSG).
Die Einsicht durch den Senat in die vorgelegten Akten hat ergeben, dass der Verwaltungsgerichtshof das Vorliegen solcher Daten in den Unterlagen mit dem übergreifenden Hinweis auf "schutzwürdige Daten Dritter" zum überwiegenden Teil zu Recht festgestellt hat. Allerdings kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass daraus bezüglich aller Unterlagen, die im ersten Block des Entscheidungsausspruchs des Verwaltungsgerichtshofs aufgeführt sind, bereits die Rechtmäßigkeit der Vorlageverweigerung folgt. Dies gilt nur hinsichtlich folgender Unterlagen:
Aktenband VII 7 (111228) 100 Bd. 1: Bl. 174-175, 176-178,
Aktenband VII 7 (111228) 100 Bd. 2: Bl. 165-166,
Aktenband VII 7 (111228) 110 Bd. 1: Bl. 17-31, 85, 98
Aktenband VII 7 (111228) 110 Bd. 2: Bl. 19, 112, 147-150,
Aktenband BA 38 (111228) 110 Bd. 3: Bl. 9-14, 46-49, 56, 67-70, 222, 239,
Aktenband BA 38 (111228) 110 Bd. 4: Bl. 7-16, 137-139,
Aktenband BA 38 (111228) 110 Bd. 5: Bl. 112, 115-120, 125-126,
Aktenband BA 38 (111228) 110 Bd. 6: Bl. 87, 149,
Aktenband BA 38 (111228) 110 Bd. 7: Bl. 79-90, 113-115,
Aktenband BA 38 (111228) 110 Bd. 8: Bl. 40-46, 161-162, 202-206, 211-217,
Aktenband BA 35-K 5100-111228/001 Bd. 1: Bl. 38-147, 185,
Aktenband BA 35-K 5100-111228/001 Bd. 2: Bl. 1-10,
Aktenband BA 35-K 5100-111228/001 Bd. 4: Bl. 59,
Aktenband VII 7 (111228) 118 Bd. 1: Bl. 11,12,18,19.
Denn hier könnte der Schutz der geheim zu haltenden personenbezogenen Daten nur um den Preis der Offenlegung eines letztlich inhaltsleeren und nichtssagenden Restbestandes geleistet werden. Eine Schwärzung, die aber lediglich Seiten ohne Informationsgehalt und demnach nichts "Verwertbares" übrig lässt oder zu einer Verfälschung des Aussagegehalts und damit zu Missverständnissen führt, muss nicht in Erwägung gezogen werden.
Demgegenüber ist der Beigeladene zu 2 bei den übrigen Unterlagen, in denen personenbezogene Daten enthalten sind, gehalten, zu überprüfen, ob mit einer Schwärzung den schutzwürdigen Interessen der betroffenen Dritten hinreichend Rechnung getragen wird. Zu Unrecht nimmt der Verwaltungsgerichtshof Schreiben Dritter, die sich in Akten befinden, von vornherein von dieser Überprüfung aus. Schriftstücke, die bei der Behörde eingegangen sind und sich auf einen Verwaltungsvorgang beziehen, sind Teil der entsprechenden Verwaltungsakten. Ungeachtet der Urheberschaft unterliegen sie hinsichtlich der Frage, wie der Schutz personenbezogener Daten Dritter zu gewährleisten ist, den gleichen Grundsätzen wie Schriftstücke, die von der Verwaltung selbst stammen. Demnach ist auch bei Schreiben Dritter zu prüfen, ob bereits eine Anonymisierung im Weg der Schwärzung von Namen und Adresse ausreicht, oder weitere individualisierbare Angaben im Schreiben unkenntlich zu machen sind. Dies ist zuvörderst Aufgabe der obersten Aufsichtsbehörde, die insofern bei Abgabe einer Sperrerklärung unter Würdigung entgegenstehender Rechtspositionen eine Ermessensentscheidung zu treffen hat (Beschlüsse vom 6. April 2011 a.a.O. Rn. 22 und vom 8. März 2010 - BVerwG 20 F 11.09 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 56 Rn. 13). Auch hinsichtlich der im zweiten Block im Entscheidungsausspruch des Verwaltungsgerichtshofs aufgeführten Unterlagen ist der Beigeladene zu 2 dieser Aufgabe bei Abgabe der Sperrerklärung nicht nachgekommen. Diese erweist sich deswegen auch insoweit als rechtswidrig. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs ist es nicht Aufgabe des Fachsenats, die Rechtmäßigkeit einer möglichen Ausgestaltung der Sperrerklärung vorab festzustellen. Denn die Sperrerklärung wird im Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO in der Gestalt überprüft, die sie von der obersten Aufsichtsbehörde erhalten hat.
Soweit die Akten Daten juristischer Personen enthalten, ist der Schutz personenbezogener Daten, der sich allein auf natürliche Personen bezieht, nicht einschlägig. Ein Geheimnisschutz kann sich insoweit aus dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ergeben. Insoweit fehlt es indessen an einer substantiierten Darlegung, inwieweit diese Voraussetzung im Bezug auf den jeweiligen Aktenbestandteil vorliegt.