Entscheidungsdatum: 28.08.2013
In der Beschwerdesache
…
betreffend das Patent 196 02 760
wegen Wiedereinsetzung
hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 28. August 2013 durch den Vorsitzenden Richter Rauch, die Richterin Püschel und Richterin Dr. Kober-Dehm
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Auf eine Anmeldung vom 26. Januar 1996 wurde einem Rechtsvorgänger der Patentinhaberin im Jahr 1999 vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) das Patent 196 02 760 mit der Bezeichnung „Vorrichtung zur Abdichtung von Kabeln, Leitungen bzw. Rohren in Wanddurchbrüchen“ erteilt. Das Patent wurde im Register zweimal umgeschrieben, zunächst im Jahre 2003 auf die G… GmbH, sodann im Jahr 2006 auf die jetzige Inhaberin.
Ein an die inländischen Vertreter der Patentinhaberin gerichtetes Schreiben des DPMA vom 19. Juli 2011 enthielt den Hinweis, dass die 16. Jahresgebühr für das Patent nicht innerhalb der zuschlagfreien Zahlungsfrist von zwei Monaten nach Fälligkeit entrichtet worden sei, und dass das Patent erlösche, wenn die Gebühr nicht mit einem Verspätungszuschlag (insgesamt 1280,- €) bis zum 1. August 2011 gezahlt werde. Trotz dieses Hinweises ist die Gebührenzahlung bis zu diesem Zeitpunkt unterblieben.
Mit einem Schreiben vom 18. Oktober 2011, das beim DPMA zwei Tage später eingegangen ist, stellte die Patentinhaberin einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Zahlungsfrist, bei gleichzeitiger Nachzahlung der Gebühr samt Zuschlag.
Zur Begründung des Antrags wurde u. a. ausgeführt, dass zunächst die Firma G… GmbH der Rechtsnachfolger der ursprünglichen Anmelderin gewesen und sodann das Patent im Wege eines Unternehmenskaufes auf die jetzige Inhaberin übertragen worden sei. Als schwedische Ansprechpartner seien die Patentanwälte S… in M… benannt. Die bisherigen deutschen Vertreter hätten zunächst noch die Jahresgebührenüberwachung abgewickelt, seien aber seit 2008 dafür nicht mehr zuständig gewesen; anlässlich einer Anfrage für die 14. Jahresgebühr im November 2008 sei den Inlandsvertretern zudem mitgeteilt worden, dass auch die schwedischen Vertreter nunmehr nicht mehr für die Zahlung und Überwachung der Jahresgebühren zuständig seien. Seither führe die Patentinhaberin die Überwachung und Einzahlung der Gebühren selbstverantwortlich durch.
Die Gebührenmitteilung des DPMA vom 19. Juli 2011 hätten die Inlandsvertreter am 25. Juli 2011 erhalten und per Telefax vom selben Tag an die als Ansprechpartner benannten schwedischen Vertreter weitergeleitet. Einem Mitarbeiter der deutschen Tochtergesellschaft der Patentinhaberin, Herrn H…, der sich am 18. August 2011 nach dem Bestand des Patents erkundigt habe, sei mitgeteilt worden, dass nur die Patentinhaberin eine Aussage über die gezahlten Gebühren treffen könne, da die Inlandsvertreter nicht mehr für die Gebühren zuständig seien. Herr H… habe noch am selben Tag die Muttergesellschaft und Patentinhaberin um Nachprüfung der Gebührenzahlung gebeten. Der dortige Ansprechpartner habe ihm mitgeteilt, dass die für das IPR-Management zuständige Mitarbeiterin, Frau F…, am 28. August 2011 ihren Urlaub beende und der Sachverhalt erst dann aufklärbar sei. Die Gebührenmitteilung des DPMA sei dieser Mitarbeiterin auch erst nach deren Urlaub zur Kenntnis gelangt. Am 29. August 2011 sei dann festgestellt worden, dass die Gebührenzahlung auf Grund einer Verwechslung mit einem ebenfalls der deutschen Tochtergesellschaft zugeordneten Gebrauchsmuster unterblieben sei.
Zu der Verwechslung sei es gekommen, als die von der Patentinhaberin mit der Durchführung der Gebührenüberwachung und -zahlung beauftragte Firma mit E-Mail vom 14. Oktober 2010 nach den für Januar 2011 fälligen Gebühren angefragt habe. Im November 2010 habe die Patentinhaberin alle ihre Schutzrechte überprüft und danach 200 Rechte aufgegeben. Eines der Rechte, die aufgegeben werden sollten, sei das deutsche Gebrauchsmuster 20 2006 017 469 mit dem Kurztitel „Wedge“ gewesen. Versehentlich habe man aber das hier verfahrensgegenständliche Patent, das den Kurztitel „GK-Wedge“ trage und das gleiche Anwendungsgebiet wie das Gebrauchsmuster betreffe, zur Aufgabe bestätigt. Es habe sich dabei um eine unglückliche Verwechslung seitens der seit März 2008 für die Bearbeitung derartiger Vorgänge verantwortlichen Mitarbeiterin gehandelt.
Durch Beschluss der Patentabteilung 24 des DPMA vom 18. Mai 2012 wurde der Wiedereinsetzungsantrag – nach vorangegangenem Zwischenbescheid, zu dem die Patentinhaberin schriftlich Stellung genommen hatte – als unzulässig verworfen, weil die zweimonatige Antragsfrist nicht eingehalten worden sei. Diese Frist habe bereits am 25. 2011, als die inländischen sowie die schwedischen Vertreter der Patentinhaberin die Gebührenmitteilung des DPMA erhalten hätten, zu laufen begonnen. Die Antragstellung am 20. Oktober 2011 sei somit verspätet. Der Beschluss enthält am Ende außer dem Dienstsiegel die Angabe „Patentabteilung 24“, die maschinengeschriebene Wiedergabe des Namens der Bearbeiterin sowie den Hinweis: „Dieses Dokument wurde elektronisch signiert und ist ohne Unterschrift gültig.“ Die Signaturdatei in der elektronischen Akte des DPMA bezieht sich auf zwei identische Exemplare des Beschlusses vom 18. Mai 2012.
Hiergegen wendet sich die Patentinhaberin mit der Beschwerde, mit der sie beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben, sowie dem Antrag auf Wiedereinsetzung zur Zahlung der 16. Jahresgebühr mit Zuschlag stattzugeben.
Zur Begründung der Beschwerde wird ausgeführt, die Zahlung sei auf Grund der Verwechslung des verfahrensgegenständlichen Patents mit einem gleichlautenden Gebrauchsmuster unterblieben. Das Hindernis sei frühestens am 28. August 2011 entfallen, als die Sachbearbeiterin bei der Patentinhaberin, Frau F…, aus dem Urlaub zurückgekehrt sei. Erst durch sie habe der Sachverhalt geklärt werden können, da ihr die Verwechslung unterlaufen sei. Auf den Zugang der Zahlungserinnerung des DPMA könne für den Beginn der Antragsfrist nicht abgestellt werden, da die Patentinhaberin zum damaligen Zeitpunkt aufgrund der Verwechslung davon ausgegangen sei, es handle sich bei dem betroffenen Schutzrecht um dasjenige, das aufgegeben werden sollte.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.
1. Der Beschluss der Patentabteilung 24 des DPMA vom 18. Mai 2012 ist nicht deshalb aufzuheben, weil es in der elektronischen Verfahrensakte des DPMA an einer ordnungsgemäßen, vom zuständigen Mitglied der Patentabteilung unterzeichneten, d. h. elektronisch signierten Urschrift des Beschlusses fehlte (vgl. BPatG, Beschluss vom 10. Juni 2013 – 20 W (pat) 24/12; Beschluss vom 18. März 2013 – 19 W (pat) 16/12 – Elektrischer Winkelstecker; Beschluss vom 5. März 2013 – 20 W (pat) 28/12). Der im Rahmen der elektronischen Aktenführung erstellte Beschluss vom 18. Mai 2012 ist mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Zwar bezieht sich die Signaturdatei nicht nur auf ein Exemplar des Beschlusses, sondern umfasst ein weiteres, in der elektronischen Akte enthaltenes, identisches Exemplar. So wie es jedoch im Falle einer Papierakte unschädlich ist, wenn neben der Urschrift eines Beschlusses auch dessen Ausfertigung unterschrieben wird, steht bei der elektronischen Akte der Umstand, dass die Signaturdatei sich auf mehrere Exemplare des Beschlusses bezieht, der Wirksamkeit eines Beschlusses jedenfalls dann nicht entgegen, wenn – wie im Streitfall insbesondere wegen der Kürze des Beschlusses - ohne Zweifel festgestellt werden kann, dass alle signierten Beschlussexemplare übereinstimmen. Zur Vermeidung von Unsicherheiten in weniger übersichtlichen Fällen erschiene es allerdings als angebracht, wenn die elektronische Signatur ausschließlich das maßgebliche Beschlussexemplar – und damit nicht zugleich weitere Texte – erfasst.
2. Das Patentamt hat den Wiedereinsetzungsantrag zu Recht als unzulässig verworfen.
a) Der Wiedereinsetzungsantrag ist zwar gemäß § 123 Abs. 1 PatG statthaft, weil die Antragstellerin die 16. Jahresgebühr für ihr Patent nicht rechtzeitig gezahlt und dadurch einen Rechtsverlust erlitten hat. Diese Gebühr war - ausgehend vom Anmeldetag 26. Januar 1996 - gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 PatKostG am 31. Januar 2011 fällig geworden und hätte zuschlagfrei bis zum 31. März 2011 bzw. mit Verspätungszuschlag bis zum Montag, den 31. Juli 2011, bezahlt werden können (§ 7 Abs 1 PatKostG, § 222 Abs. 2 ZPO analog). Nachdem dies nicht geschehen ist, ist das Patent gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 3 PatG erloschen.
b) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist aber verspätet gestellt worden und daher nicht zulässig. Gemäß § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG muss die Wiedereinsetzung innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses schriftlich beantragt werden. Das Hindernis fällt weg, sobald der Säumige oder sein Vertreter bei Anwendung der ihm zuzumutenden Sorgfalt nicht mehr gehindert ist, die versäumte Handlung vorzunehmen oder wenn das Fortbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann. Das ist dann der Fall, sobald die Partei oder ihr Vertreter bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt die Versäumung hätte erkennen können (Schulte, PatG, 8. Aufl., § 123 Rn. 27 m. w. N.). Grundsätzlich steht hierbei zwar die Kenntnis des Vertreters der Kenntnis der Partei gleich (vgl. Schulte, a. a. O., § 123 Rn. 30). Dies gilt aber im Falle versäumter Jahresgebührenzahlungen nicht für den Vertreter, der nicht mit der Überwachung und Zahlung von Jahresgebühren beauftragt ist (vgl. Benkard, PatG, 10. Aufl., § 123 Rn. 54; BPatGE 13, 87, 91; zuletzt Senatsbeschlüsse vom 27. Oktober 2011, 10 W (pat) 28/07, juris Tz. 17, und vom 11. Oktober 2012, 10 W (pat) 16/10, juris Tz. 10). Da nach dem Vortrag im Wiedereinsetzungsantrag weder die Inlandsvertreter noch die schwedischen Vertreter mit der Gebührenüberwachung und -zahlung beauftragt waren, kann entgegen der im angefochtenen Beschluss vertretenen Auffassung nicht auf die durch Übermittlung der Gebührenmitteilung des DPMA am 25. Juli 2011 erlangte Kenntnis der Vertreter von der ablaufenden Zahlungsfrist für die 16. Jahresgebühr abgestellt werden. Diese haben ihrer anwaltlichen Sorgfaltspflicht genügt, indem sie die Gebührenmitteilung jeweils weitergeleitet haben.
Aber auch wenn beim Wegfall des Hindernisses auf die Patentinhaberin selbst abgestellt wird, ist die zweimonatige Antragsfrist für die Stellung des Wiedereinsetzungsantrages nicht eingehalten. Denn insoweit kann nicht erst auf den Tag abgestellt werden, an dem die für IPR-Management zuständige Mitarbeiterin der Patentinhaberin aus dem Urlaub zurückgekehrt ist bzw. nach ihrer Urlaubsrückkehr die Fristversäumnis festgestellt hat. Der Wegfall des Hindernisses tritt grundsätzlich nicht erst mit positiver Kenntnis von der Fristversäumung ein, sondern bereits dann, wenn die Säumnis bei Beachtung der zu erwartenden Sorgfalt hätte erkannt werden können (Schulte, a. a. O., § 123 Rn. 27 m. w. N.). Dies ist bei der Patentinhaberin für den Zeitpunkt anzunehmen, als sie begründeten Anlass hatte, die Zahlung der Patentjahresgebühr zu überprüfen, nämlich bereits mit Erhalt der Gebührenmitteilung des DPMA vom 19. Juli 2011, die die schwedischen Vertreter an sie weitergeleitet haben; darauf, dass die zuständige Mitarbeiterin diese erst nach ihrer Urlaubsrückkehr zur Kenntnis nahm, kommt es nicht an, denn nach der gebotenen Sorgfalt hätte im Unternehmen der Patentinhaberin die Bearbeitung wichtiger Eingangspost sicher gestellt werden müssen. Spätestens ist der Wegfall des Hindernisses aber am 18. August 2011 aufgrund der Nachfrage des Mitarbeiters ihrer deutschen Tochtergesellschaft anzunehmen. Der in Anlage 2 zum Wiedereinsetzungsantrag übersandte, damalige Registerauszug vom 18. August 2011 weist zwar das Patent als noch in Kraft befindlich aus, bei den fälligen Gebühren ist aber noch die am 31. Januar 2011 fällige 16. Jahresgebühr aufgeführt gewesen, deren Zahlungsfrist zu diesem Zeitpunkt schon abgelaufen war. Angesichts dieser Umstände war bereits zu diesem Zeitpunkt eine Überprüfung der Aufrechterhaltung des Schutzrechts zumutbar und geboten.
An diesem Tag war das Hindernis i. S. d. § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG somit spätestens weggefallen, weshalb die zweimonatige Antragsfrist am 18. Oktober 2011 endete und der am 20. Oktober 2011 gestellte Wiedereinsetzungsantrag verspätet war.
3. Weil der Antrag verspätet gestellt wurde, kann dahingestellt bleiben, ob die geltend gemachten Umstände geeignet wären, ein Verschulden der Patentinhaberin bzgl. der Fristversäumnis auszuschließen. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob diese Umstände ausreichend glaubhaft gemacht worden sind.