Entscheidungsdatum: 11.10.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend das Patent 699 39 333 (EP 1 145 036)
wegen Wiedereinsetzung
hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) auf die mündliche Verhandlung vom 11. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden Richter Rauch sowie die Richterin Püschel und den Richter Eisenrauch
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Der Antragstellerin ist auf die europäische Anmeldung 99 965 231.6 vom 13. Dezember 1999 das Patent EP 1 145 036 mit Wirkung u. a. auch für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilt worden. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 13. August 2008 veröffentlicht. Der nationalisierte Teil des europäischen Patents hat beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) das Aktenzeichen 699 39 333.7-08 erhalten. Nachdem die Gebühr für das 10. Patentjahr am 31. Dezember 2008 fällig geworden war und diese Gebühr nicht innerhalb des "zuschlagsfreien" Zeitraums von 2 Monaten entrichtet wurde, hat das DPMA auf der Grundlage von § 7 Abs. 1 PatKostG mit Gebührenmitteilung ("Wichtige Mitteilung!") vom 15. Mai 2009 den deutschen Inlandsvertreter der Antragstellerin darüber informiert, dass die Aufrechterhaltung des Patents von der Zahlung einer Gebühr in Höhe von 350,00 € zuzüglich eines Verspätungszuschlags in Höhe von 50,00 € (insgesamt 400,00 €) bis zum 30. Juni 2009 abhänge. Da eine fristgerechte Zahlung nicht erfolgt war, hat das DPMA im Register vermerkt, dass das Patent mit Wirkung zum 1. Juli 2009 erloschen sei.
Mit Eingabe vom 8. Oktober 2009, eingegangen beim DPMA am selben Tag, hat die Antragstellerin durch ihren deutschen Inlandsvertreter die Wiedereinsetzung in die versäumte Zahlungsfrist beantragt und gleichzeitig mit beigefügter Einzugsermächtigung die in Rede stehende 10. Jahresgebühr (nebst dem Verspätungszuschlag) nachentrichtet. Die Antragstellerin trägt vor, sie sei ohne Verschulden daran gehindert gewesen, die Einzahlung der 10. Patentjahresgebühr vorzunehmen. Für die Zahlung der Jahresgebühr wäre an sich das Gebührenzahlungsinstitut C… zuständig gewesen, das von der Antragstellerin für derartige Dienstleistungen allgemein beauftragt worden sei. C… habe jedoch nicht handeln können, da die amerikanischen Vertreter der Antragstellerin, die US-Kanzlei W… mit Sitz in S…, es unterlassen hätten, die Antragstellerin über die Erteilung des europäischen Patents und dessen Validierung in Deutschland zu informieren. Die Antragstellerin habe allerdings keinen Anlass gehabt, an der Zuverlässigkeit ihrer amerikanischen Vertreter zu zweifeln. Darüber hinaus habe auch die später vom DPMA an den deutschen Inlandsvertreter abgesandte Gebührenmitteilung vom 15. Mai 2009 die Antragstellerin nie erreicht. Die Mitteilung sei zwar dem deutschen Inlandsvertreter am 22. Mai 2009 zugegangen und von diesem an die britischen Vertreter der Antragstellerin, die Kanzlei A… mit Sitz in L…, weitergeleitet worden. Diese hätten sich aber "nach britischer Berufspraxis aus Gründen der Haftung" zur Weiterleitung der Mitteilung an die Antragstellerin oder an ihre amerikanischen Vertreter außer Stande gesehen, da sie von der Antragstellerin ausdrücklich von der Jahresgebührenüberwachung und -einzahlung entbunden gewesen seien. Somit beruhe die Nichtzahlung der 10. Patent-jahresgebühr letztlich auf einer Häufung unglücklicher Umstände, die der Antragstellerin nicht als eigenes Verschulden zugerechnet werden könne.
Aufmerksam geworden auf mögliche Unregelmäßigkeiten bei Gebührenzahlungsvorgängen sei die Antragstellerin erst durch eine Mitteilung des niederländischen Patentamts über den Verlust ihres dort geführten, parallelen Patents. Sie habe sodann bei der Kanzlei A… um eine Überprüfung gebeten. Daraufhin habe sie von diesen Vertretern am 13. August 2009 die Information erhalten, dass auch der deutsche Teil ihres europäischen Patents wegen Nichtzahlung der 10. Patentjahresgebühr erloschen sei.
Das DPMA – Patentabteilung 55 - hat nach entsprechendem Zwischenbescheid mit Beschluss vom 4. Februar 2010 den Antrag auf Wiedereinsetzung als unzulässig verworfen. Grund für die Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung sei, dass die Antragstellerin die zweimonatige Antragsfrist nicht eingehalten habe. Ein "Wegfall des Hindernisses" im Sinne von § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG sei bereits am 22. Mai 2009 eingetreten, da an diesem Tag der deutsche Inlandsvertreter der Antragstellerin die Gebührenmitteilung des DPMA vom 15. Mai 2009 erhalten habe. Der beim DPMA eingetragene Inlandsvertreter sei für alle Verfahrenshandlungen zuständig. Dies ergebe sich aus § 25 Abs. 4 PatG, wonach eine Änderung des Inlandsvertreters gegenüber dem DPMA erst mit der Bestellung eines anderen Inlandsvertreters wirksam werde. Da der bisherige Inlandsvertreter im Register eingetragen geblieben sei, müsse sich die Antragstellerin auch dessen Wissen über die versäumte Zahlung der 10. Patentjahresgebühr zurechnen lassen. In der Sache selbst sei festzustellen, dass die Fristversäumung die Folge eines von den anwaltlichen Vertretern verschuldeten Organisationsmangels gewesen sei.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Schriftsätzlich hat sie beantragt,
den Beschluss der Patentabteilung 55 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. Februar 2010 aufzuheben und der beantragten Wiedereinsetzung stattzugeben.
Zur Begründung ihrer Beschwerde hat die Antragstellerin im Wesentlichen das Gleiche wie im patentamtlichen Verfahren vorgetragen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Die von der Antragstellerin vorgetragenen Tatsachen rechtfertigen keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
1. Der Wiedereinsetzungsantrag ist gemäß § 123 Abs. 1 PatG statthaft. Die Antragstellerin hat die Frist zur Zahlung einer nach § 17 Abs. 1 PatG zu entrichtenden Patentjahresgebühr versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erlitten. Gemäß Art. II § 7 IntPatÜG i. V. m. § 17 Abs. 1 PatG und § 3 Abs. 2 Satz 1 PatKostG war die 10. Patentjahresgebühr für das hier in Rede stehende, am 13. August 2008 veröffentlichte, nationalisierte europäische Patent am 31. Dezember 2008 fällig geworden. Diese Gebühr konnte gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 PatKostG bis zum 2. März. 2009 (der 28. Februar 2009 war ein Sonnabend, vgl. § 222 Abs. 2 ZPO) zuschlagfrei und bis zum 30. Juni 2009 mit Verspätungszuschlag entrichtet werden (§ 7 Abs. 1 Satz 2 PatKostG). Da eine Zahlung nicht erfolgte, ist das Patent nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 PatG erloschen.
2. Der Wiedereinsetzungsantrag ist auch zulässig und nicht etwa - wie die Patent-abteilung 55 im angefochtenen Beschluss meint - nach Ablauf der zweimonatigen Antragsfrist des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG gestellt worden. Ist die Frist zur Zahlung einer Patentjahresgebühr versäumt worden, so gilt grundsätzlich, dass die Kenntnis des Vertreters von der Fristversäumung der Kenntnis der Partei gleichsteht (vgl. Hofmeister in: Fitzner/Lutz/Bodewig, PatRKomm, 4. Aufl., PatG § 123 Rn. 29; Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 234 Rn. 5). In gegenteiliger Weise ist die Rechtslage aber dann zu beurteilen, wenn - wie hier - der Vertreter nicht mit der Überwachung und Zahlung von Jahresgebühren beauftragt ist (vgl. Benkard, PatG, 10. Aufl., § 123 Rn. 54; BPatGE 13, 87, 91 f.; Senatsbeschluss vom 27.10.2011 – 10 W (pat) 28/07 -). Vorliegend ist es daher wie die Antragstellerin zu Recht eingewandt hat für den Zeitpunkt des "Wegfalls des Hindernisses" unerheblich, wann der deutsche Inlandsvertreter oder die Anwälte der britischen Kanzlei A… bei Beachtung der zu erwartenden Sorgfalt Kenntnis von der Fristversäumung hätten haben können. Die Antragstellerin hat demgegenüber glaubhaft vorgetragen, dass sie nach dem offenkundig gewordenen Verlust ihres niederländischen Patents selbst Nachforschungen in Auftrag gegeben hatte und hierbei erst am 13. August 2009 durch die britischen Kanzlei A… Kenntnis von der Versäumung der hier in Rede stehenden Zahlungsfrist erhielt. Mit ihrem am 8. Oktober 2009 gestellten Wiedereinsetzungsantrag hat sie daher die zweimonatige Frist des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG ersichtlich eingehalten.
3. Die sachlichen Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung sind allerdings nicht gegeben. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 PatG darf eine Wiedereinsetzung nur gewährt werden, wenn der Antragsteller glaubhaft darlegt, dass er ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Daran fehlt es hier.
a) Die Nichtzahlung der 10. Patentjahresgebühr (nebst dem Verspätungszuschlag) beruht im Wesentlichen darauf, dass die anwaltlichen Vertreter der US-Kanzlei W… die Antragstellerin nicht darüber informiert hatten, dass die europäische Patentanmeldung 99 965 231.6 zwischenzeitlich zum Patent EP 1 145 036 geführt hatte und in Deutschland validiert worden war. Hierdurch war die Antragstellerin nicht in der Lage, dem von ihr mit der Gebührenzahlung allgemein beauftragten Gebührenzahlungsinstitut C… die für die Zahlung der Patentjahresgebühr notwendigen Informationen zu geben. Nach dem vorgetragenen Sachverhalt kann nicht ausgeschlossen werden, dass dem Unterlassen der Informationsweitergabe eine Sorgfaltspflichtverletzung innerhalb der US-Kanzlei W… zugrunde lag, die sich die Antragstellerin über § 85 Abs. 2 ZPO als eigenes Verschulden zurechnen lassen muss.
Wie in der Beschwerdebegründung ausgeführt ist, nahm die US-Kanzlei W… im entscheidenden Zeitraum für die Antragstellerin die Funktion einer "Schnittstelle" für ihre weltweiten Patentaktivitäten wahr. Zu den näheren Umständen, weshalb die Information über die erfolgte Patenterteilung nicht rechtzeitig den Weg zur Antragstellerin gefunden hatte, macht die Antragstellerin jedoch kaum Angaben. Es wird lediglich mitgeteilt, dass die britische Kanzlei A… mit einem Schreiben vom 18. November 2008 der US-Kanzlei W… die Validierung des europäischen Patent in Deutschland mitgeteilt hatte und dieses Schreiben von der US-Kanzlei W… nicht an die Antragstellerin weitergeleitet worden war. Den tatsächlichen Geschehensablauf hat die Antragstellerin offen gelassen, insbesondere hat sie nicht mitgeteilt, welche Personen innerhalb der US-Kanzlei W… durch welches konkrete Verhalten die Absendung des Schreiben vom 18. November 2008 an die Antragstellerin verhindert hatte. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass eine Wiedereinsetzung nur dann gewährt werden kann, wenn das Nichtverschulden des Säumigen glaubhaft gemacht ist. Die Unklarheit, ob vorliegend innerhalb der US-Kanzlei W… eine anwaltliche Person schuldhaft gehandelt hat, deren Verschulden sich die Antragstellerin in entsprechender Anwendung von § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss, geht daher zu ihren Lasten (vgl. BGH NJW 2008, 3501, 3502).
b) Darüber hinaus steht einer Wiedereinsetzung im Wege, dass die spätere Gebührenmitteilung des DPMA vom 15. Mai 2009, die in die Hände der britischen Kanzlei A… gelangt war, von dieser offenbar vorsätzlich zurückgehalten wurde. Die unterlassene Weiterleitung der Mitteilung stellt eine Sorgfaltspflichtverletzung der anwaltlichen Vertreter dar, die sich die Antragstellerin wiederum über § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Es mag zwar sein, dass "professionelle, qualifizierte Inlandsvertreter" im Vereinigten Königreich rechtlich nicht dazu verpflichtet sind, einem Patentinhaber oder seinem Vertreter irgendwelche Informationen in Bezug auf die Zahlung von Patentjahresgebühren zukommen zu lassen, wenn die Überwachung und Zahlung dieser Gebühren vom Mandatsvertrag ausgenommen wurde. Dies entspricht aber nicht der Rechtslage nach deutschem Recht, die nach der hier einschlägigen Rechtsanwendungsregel der "lex fori" zu berücksichtigen ist. Insoweit gilt nämlich, dass ein Anwalt, sei er auch ausdrücklich von der Jahresgebührenüberwachung und Einzahlung entbunden, dennoch verpflichtet bleibt, seinen Mandanten die ihm zur Kenntnis gelangten amtlichen Gebührenmitteilungen unverzüglich zuzuleiten; andernfalls genügt er seiner Sorgfaltspflicht nicht (vgl. BPatGE 13, 87, 93 f.; Senatsbeschlüsse vom 27.10.2011 - Az. 10 (pat) 28/07 - und vom 17.12.2009 Az. 10 W (pat) 47/06 -).
c) Da eine Wiedereinsetzung bereits nach dem vorgetragenen Sachverhalt ausgeschlossen ist, kommt es auf dessen Glaubhaftmachung nicht mehr an.