Entscheidungsdatum: 30.01.2018
Mit gerichtlichem Schreiben vom 18. Januar 2018 wurde Oberst i.G. G. als ehrenamtlicher Richter für die Sitzung des Senats am 31. Januar 2018 - unter anderem - in dem Verfahren des Herrn Major S. (BVerwG 1 WB 13.17) herangezogen. Mit LotusNotes-Schreiben vom 26. Januar 2018 teilte Oberst i.G. G. Folgendes mit:
"Ich war von Mai 2015 bis Juni 2016 Referatsleiter im Kommando ... Damit war ich als Referatsleiter im Kommando ... zuständig für alle ... inklusive der Ausbildung. Zur Ausbildung gehört auch die fliegerische Grundlagenausbildung im ENJJPT.
Natürlich war ich nicht allein verantwortlich, sondern im Kommando ... waren über mir auf dem Dienstweg verantwortlich der Unterabteilungsleiter, der Abteilungsleiter, der Chef des Stabes, der Stellvertretende und der Inspekteur ..., denen ich entweder Vorschläge unterbreitet habe oder in deren Namen ich eigenverantwortlich entschieden habe.
Bei der Einführung der SAZV galt es zahlreiche neuauftretende Fragezeichen zu lösen. Dazu wurde im Kommando ... ein General zentral mit allen Fragen und der Einführung der SAZV beauftragt, Herr Brigadegeneral K.
Brigadegeneral ... war der zentrale Ansprechpartner nach außen aus dem Kommando ... heraus für diese Fragen, u.a. auch für die Kommunikation hinsichtlich der Einführung der SAZV mit dem ENJJPT.
Für Fachfragen, also auch zur Einführung SAZV im ENJJPT, ließ Brigadegeneral ... sich von meinem Referat zuarbeiten (da er nicht das fliegerische Fachwissen über die Organisation des ENJJPT haben konnte). Mein hauptverantwortlicher Referent war Oberstleutnant Sch., der im Auftrag Kommando ... dann Brigadegeneral K. hauptsächlich geschrieben hat.
Zusammenfassend kann ich also festhalten, dass ich mit der Materie Einführung SAZV im ENJJPT in meinem Referat befasst war, nach meiner heutigen Erinnerung aber die diesbezügliche Kommunikation aus dem Kommando hinaus über General K. gelaufen ist und der diesbezügliche Schriftverkehr zu General K. über meinen Referenten lief. Bei diesem Schriftverkehr ging es dann nicht um die SAZV, sondern um rein fliegerische Fachfragen, also wie ist der Dienstbetrieb organisiert, wie viele Flugstunden werden geflogen, wie oft und wieviel müssen die Fluglehrer arbeiten, wie ist die internationale Zusammenarbeit dort im ENJJPT geregelt und so weiter, damit General K. mit seinem fehlenden fliegerischen Fachwissen die Anwendung der SAZV dort inhaltlich einordnen konnte."
Das Gericht hat dem Antragsteller, dem Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - und dem Bundeswehrdisziplinaranwalt Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - und der Antragsteller halten die Selbstanzeige für begründet.
Oberst i.G. G. hat mit seinem Schreiben vom 26. Januar 2018 von einem Verhältnis Anzeige gemacht, das seine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt.
Über die Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen ist in Antragsverfahren vor den Wehrdienstgerichten nach den gemäß § 23a Abs. 2 WBO entsprechend anwendbaren Vorschriften des § 54 VwGO i.V.m. §§ 41 bis 49 ZPO zu entscheiden.
1. Nach dem im Schreiben vom 26. Januar 2018 mitgeteilten Sachverhalt sind in der Person des Oberst i.G. G. keine gesetzlichen Ausschließungsgründe nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 41 ZPO, nach § 54 Abs. 2 VwGO oder nach der ebenfalls zu berücksichtigenden Vorschrift des § 77 WDO (i.V.m. § 80 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 3 WDO) gegeben.
Oberst i.G. G. hat insbesondere nicht bei dem dem gerichtlichen Antragsverfahren vorausgegangenen Verwaltungsverfahren im Sinne des § 54 Abs. 2 VwGO mitgewirkt. "Mitgewirkt" an dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren hat nicht nur derjenige, der die angefochtene Entscheidung getroffen hat; es kann, je nach den Umständen, etwa auch eine beratende Tätigkeit oder eine Beteiligung als Verhandlungsführer genügen. Maßgebend für das Vorliegen einer "Mitwirkung" im Sinne von § 54 Abs. 2 VwGO ist vor allem das Maß des Einflusses, den der (ehrenamtliche) Richter schon während des Verwaltungsverfahrens in amtlicher Eigenschaft auf die angefochtene Entscheidung genommen hat (BVerwG, Beschlüsse vom 11. August 2008 - 1 WB 39.08, 1 WB 40.08, 1 WB 41.08, 1 WB 44.08 und 1 WB 45.08 - Rn. 6 und vom 21. Juni 2012 - 1 WB 42.11 - Rn. 7 jeweils m.w.N.).
Zwar ist danach im Rahmen des § 54 Abs. 2 VwGO eine weite Auslegung des Gesetzes geboten. Denn die Vorschrift will ganz allgemein das Vertrauen in die Unparteilichkeit der Verwaltungsgerichte schützen. Es soll deshalb kraft Gesetzes ausgeschlossen sein, dass ein Richter den Rechtsstreit entscheidet, dessen Mitwirkung dem Einwand ausgesetzt sein könnte, er habe sich bereits in der Sache festgelegt und könne seine richterliche Entscheidung nicht mehr mit der gebotenen Objektivität treffen, weil er vor der Übernahme des Richteramts an der im Verwaltungsverfahren getroffenen Entscheidung mitgewirkt bzw. auf sie bestimmenden Einfluss genommen hat (grundlegend: BVerwG, Urteil vom 8. Februar 1977 - 5 C 71.75 - BVerwGE 52, 47 <48>; vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 54 Rn. 8). Andererseits ist der Anwendungsbereich des § 54 Abs. 2 VwGO dadurch beschränkt, dass eine Einflussnahme oder Mitwirkung im konkreten Verfahren des betroffenen Antragstellers stattgefunden haben muss. Maßgeblich ist insoweit, ob der in Rede stehende (ehrenamtliche) Richter auf Art und/oder Umfang oder auf den Inhalt der im konkreten Verfahren ergangenen Entscheidung Einfluss genommen hat (BVerwG, Beschluss vom 21. Juni 2012 - 1 WB 42.11 - Rn. 8 m.w.N.).
Unter Beachtung dieser gesetzlichen Vorgaben hat Oberst i.G. G. auf das konkrete Verfahren des Antragstellers, insbesondere auf die verfahrensauslösende angefochtene Weisung des Stellvertreters des Beauftragten Veränderungsmanagement im Kommando ... (Brigadegeneral K. vom 18. Dezember 2015 keinen Einfluss genommen. Nach seiner Darstellung im Schreiben vom 26. Januar 2018 ist er in seiner Funktion als Referatsleiter im Kommando ... für die fachliche Beratung des Brigadegeneral K. zuständig gewesen, der seinerzeit im Kommando ... zentral mit allen Fragen und der Einführung der SAZV beauftragt war. Auf der Arbeitsebene wurde diese fachliche Beratung durch seinen Referenten Oberstleutnant Sch. durchgeführt. Aus der Äußerung des Oberst i.G. G. geht hingegen nicht hervor, dass er in bestimmender Form Einfluss auf den konkreten Inhalt der im Verfahren strittigen Weisung des Brigadegeneral K. genommen hat. Oberst i.G. G. hat diese Weisung nicht erwähnt und im Übrigen ausgeführt, dass es bei dem Schriftverkehr zwischen seinem Referenten und General K. nicht um die Soldatenarbeitszeitverordnung gegangen sei, sondern um rein fliegerische Fachfragen zum Dienstbetrieb, zu dessen Organisation, zur Zahl der Flugstunden, zum Umfang des Einsatzes der Fluglehrer und zur internationalen Zusammenarbeit im ENJJPT.
2. Oberst i.G. G. hat aber eine Konstellation angezeigt, die seine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit im Sinne des § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 und § 48 ZPO rechtfertigt. Er wirkt deshalb am Verfahren nicht mit.
Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen in die Unparteilichkeit eines (ehrenamtlichen) Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Die Voraussetzungen für die Annahme eines solchen Grundes sind erfüllt, wenn ein Beteiligter die auf objektiv feststellbaren Tatsachen beruhende, subjektiv vernünftigerweise mögliche Besorgnis haben kann, der Richter werde in seiner Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden oder habe sich in der Sache bereits festgelegt; insoweit genügt schon der "böse Schein" (BVerwG, Beschlüsse vom 6. März 2008 - BVerwG 1 WB 41.07 - und vom 21. Juni 2012 - 1 WB 42.11 - Rn. 11).
Derartige Umstände lassen sich der Mitteilung des Oberst i.G. G. vom 26. Januar 2018 insofern entnehmen, als er als Leiter des zuständigen Referats im Kommando ... dafür verantwortlich war, Brigadegeneral K. zur Thematik der strittigen Weisung vom 18. Dezember 2015 umfassend in fachlicher Hinsicht zu beraten. Dabei ist unerheblich, dass diese Beratung über seinen Referenten Oberstleutnant Sch. abgewickelt wurde, da Oberst i.G. G. die Aufsicht darüber führte. Auch hat er dargelegt, dass die fachliche Beratung seines Referates Grundlage für die "nach außen" gehenden Äußerungen des Brigadegeneral K. zur Frage der Einführung der Soldatenarbeitszeitverordnung im ENJJPT gewesen sei.
Diese Umstände sind objektiv geeignet, einem Beteiligten bei vernünftiger Würdigung aller Aspekte Anlass zu geben, an der Unvoreingenommenheit dieses ehrenamtlichen Richters im vorliegenden Verfahren zu zweifeln. Denn die Erläuterungen des Oberst i.G. G. können zum einen den Schluss nahelegen, dass eine präjudizierende fachliche Wirkung seines Referates auf die strittige Weisung nicht mit der notwendigen Sicherheit auszuschließen ist. Zum anderen ist nicht auszuschließen, dass Oberst i.G. G. bei der gerichtlichen Kontrolle der strittigen Weisung von einem festgefügten Meinungsbild insbesondere zu Inhalt und Umfang der Arbeit der Fluglehrer im ENJJPT ausgehen könnte, das eine unvoreingenommene Auseinandersetzung mit den Argumenten des Antragstellers in Frage stellt. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob Oberst i.G. G. tatsächlich in seiner Unparteilichkeit beeinträchtigt ist.