Entscheidungsdatum: 15.06.2016
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Weiden i.d. OPf. vom 8. Oktober 2015
a) im Strafausspruch sowie im Ausspruch über die Einziehung des Betäubungsmittels – auch hinsichtlich des ehemaligen Mitangeklagten M. – und
b) hinsichtlich des Angeklagten H. im Ausspruch über den Vorwegvollzug der Maßregel
aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Das Landgericht hat die Angeklagte T. und den Angeklagten H. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge "mit" unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von jeweils sieben Jahren und drei Monaten, den Angeklagten N. wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge "mit" Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten und den Angeklagten M. wegen "Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge" zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Daneben hat es die Unterbringung des Angeklagten H. in einer Entziehungsanstalt, den Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe vor der Maßregel sowie die Einziehung des "sichergestellten Rauschgifts" und mehrerer Mobiltelefone angeordnet. Die Revisionen der Angeklagten rügen die Verletzung materiellen Rechts. Darüber hinaus beanstanden die Revisionen der Angeklagten T. und N. das Verfahren. Sie haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie gemäß § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
I.
Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
Am 3. September 2014 verbrachten die Angeklagten 418,34 g Methamphetamin mit einer Wirkstoffmenge von 254,2 g in dem vom Angeklagten H. geführten Pkw auf der Bundesautobahn A 6 über den ehemaligen Grenzübergang Waidhaus-Autobahn aus der Tschechischen Republik in das Bundesgebiet. Die Angeklagte T. befand sich auf dem Beifahrersitz, der Angeklagte N. und der ehemals Mitangeklagte M. saßen auf der Rückbank des Fahrzeugs. Die im Pkw befindlichen Betäubungsmittel waren in drei Druckverschlusstüten aufgeteilt, von denen eine mit einem Inhalt von 25,87 g in einer Packung Damenbinden im Koffer der Angeklagten T. aufbewahrt wurde und die beiden anderen mit 195,58 g und 196,89 g sich je in einem Schuh befanden, die in einer Einkaufstüte verstaut waren. Die Angeklagte T. hatte die Betäubungsmittel zuvor beschafft und in ihrem Koffer und den Schuhen versteckt und diese sodann in das Tatfahrzeug gelegt. Das im Eigentum der Schwester der Angeklagten T. stehende Tatfahrzeug hatte der Angeklagte N. in Kenntnis des beabsichtigten Methamphetamintransports zum Abfahrtsort nach Prag gebracht. Die Betäubungsmittel sollten – was sämtlichen Angeklagten bekannt war – über Deutschland nach Schweden transportiert und dort gewinnbringend weiterverkauft werden, wobei die Übergabe der Betäubungsmittel in Schweden durch den Mitangeklagten M. erfolgen sollte.
Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht hinsichtlich der Angeklagten H. und T. den Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG zu Grunde gelegt und das Vorliegen eines minder schweren Falles gemäß § 30 Abs. 2 BtMG verneint. Hinsichtlich des Angeklagten N. hat das Landgericht den Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert, ohne jedoch die Voraussetzungen eines minder schweren Falles ausdrücklich zu erörtern. Dabei hat das Landgericht zu Lasten der Angeklagten u.a. berücksichtigt, "dass es sich bei Metamphetamin gerichtsbekannterweise um eine extrem gefährliche und gesundheitsschädigende Droge mit hohem Suchtpotential handelt" bzw. auf "die gerichtsbekannt hohe Gefährlichkeit von Metamphetamin" abgestellt und diese Umstände im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne erneut strafschärfend berücksichtigt.
II.
Das Urteil hält rechtlicher Überprüfung nicht vollumfänglich stand.
1. Hinsichtlich der Zulässigkeit der Rechtsmittel bedarf lediglich die Revision des Angeklagten H. der Erörterung.
Der Angeklagte hat seine Revision durch Schreiben vom 13. Dezember 2015 – am 16. Dezember 2015 bei der gemeinsamen Einlaufstelle des Landgerichts, der Staatsanwaltschaft und des Amtsgerichts Weiden i.d. OPf. eingegangen – zurückgenommen. Seine Verteidigerin, Frau Rechtsanwältin To. , hat mit Schreiben vom 16. Dezember 2015 – am selben Tag bei der gemeinsamen Einlaufstelle eingegangen – die Rücknahme der Revision durch den Angeklagten für gegenstandslos erklärt. Nach Einholung dienstlicher Erklärungen durch den Senat im Freibeweisverfahren zur zeitlichen Abfolge des Eingangs der oben genannten Schreiben konnte letztlich nicht zweifelsfrei geklärt werden, welches der beiden Schreiben früher beim zuständigen Gericht eingegangen ist, sodass die Revision als zulässig anzusehen ist (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 2. September 1960 – 4 StR 311/60, NJW 1960, 2202; vom 3. Mai 1991 – 3 StR 70/91 und vom 19. Mai 1994 – 1 StR 132/94, NStZ 1994, 447).
2. Den von den Angeklagten T. und N. erhobenen Verfahrensrügen bleibt der Erfolg aus den zutreffenden Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts versagt.
3. Die Revisionen der Angeklagten haben auf die erhobenen Sachrügen jedoch den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, weil die Strafzumessung des Landgerichts und die Anordnung der Einziehung revisionsgerichtlicher Prüfung nicht standhalten.
a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Er allein ist aufgrund des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, in der Lage, die für die Strafzumessung bestimmenden entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319 mwN; vom 4. Februar 2004 – 5 StR 511/03, wistra 2004, 262 [263]; vom 29. Juni 2005 – 1 StR 149/05, NStZ 2006, 568; vom 7. Juni 2006 – 2 StR 42/06, wistra 2006, 343 [344]; vom 7. November 2007 – 1 StR 164/07, wistra 2008, 58 f. und vom 19. Januar 2012 – 3 StR 413/11, NStZ-RR 2012, 168; Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 349). Nur in diesem Rahmen kann eine "Verletzung des Gesetzes" im Sinne des § 337 Abs. 1 StPO vorliegen. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist dagegen ausgeschlossen (BGH, Urteile vom 29. Juni 2005 – 1 StR 149/05, NStZ 2006, 568 und vom 7. November 2007 – 1 StR 164/07, wistra 2008, 59; Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 349).
Vorliegend sind die Zumessungserwägungen des Landgerichts in sich fehlerhaft, weil es im Rahmen der konkreten Strafzumessung einzelnen Strafzumessungsgründen erkennbar ein zu hohes Gewicht beigemessen hat.
Grundsätzlich kommt im Rahmen der Strafzumessung der Art des Rauschgifts und seiner Gefährlichkeit eine eigenständige Bedeutung zu (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2000 – 4 StR 202/00, StV 2000, 613; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., Vor §§ 29 ff. BtMG Rn. 208), wobei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs diesbezüglich ein für die Strafzumessung maßgebliches Stufenverhältnis von sog. "harten" Drogen, wie Heroin, Fentanyl, Kokain und Crack (BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 – 4 StR 393/97, NStZ-RR 1998, 148; vgl. auch BGH, Beschluss vom 29. Juni 2000 – 4 StR 202/00, StV 2000, 613) über Amphetamin, das auf der Gefährlichkeitsskala einen mittleren Platz einnimmt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Juni 1990 – 2 StR 275/90, StV 1990, 494; vom 10. Februar 1993 – 2 StR 20/92, NStZ 1993, 287; vom 30. Oktober 1996 – 2 StR 508/96, StV 1997, 75 und vom 26. März 2014 – 2 StR 202/13, StV 2015, 353), bis hin zu sog. "weichen" Drogen, wie Cannabis (dazu BGH, Urteile vom 2. Dezember 1986 – 1 StR 599/86, StV 1987, 203 und vom 28. Januar 2009 – 5 StR 465/08), besteht (vgl. insgesamt Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., Vor §§ 29 ff. BtMG Rn. 114, 126, 209 ff. mwN).
Die straferschwerende Bewertung des Landgerichts, dass es sich bei Methamphetamin "gerichtsbekannterweise um eine extrem gefährliche und gesundheitsschädigende Droge mit hohem Suchtpotential handelt", sowie inhaltlich ähnliche Formulierungen begegnen im vorliegenden Fall durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der Senat besorgt deshalb, dass das Landgericht Methamphetamin als mindestens so gefährlich wie Heroin eingeschätzt und damit das in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannte vorgenannte Stufenverhältnis außer Acht gelassen hat. Zutreffend ist zwar, dass es sich bei dem Rauschgift Methamphetamin um ein durchaus gefährliches Betäubungsmittel mit hohem Suchtpotential handelt (so BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 – 1 StR 7/15, NStZ-RR 2015, 283). Dies bedeutet allerdings nicht ohne weiteres, dass es hinsichtlich seiner Gefährlichkeit mit "harten" Drogen, wie Heroin, Fentanyl, Kokain und Crack, gleichzusetzen ist (dazu auch BGH, Urteil vom 17. November 2011 – 3 StR 315/10, NJW 2012, 400 [401 aE]), zumal eine solche Annahme durch das Landgericht auch nicht näher belegt wurde.
b) Des Weiteren ist die unterbliebene Prüfung, ob hinsichtlich des Angeklagten N. die Voraussetzungen eines minder schweren Falles gemäß § 30 Abs. 2 BtMG vorliegen, hier rechtsfehlerhaft.
Hier lag unter den gegebenen Umständen die Annahme eines minder schweren Falles gerade für den Angeklagten N. infolge der fehlenden Vorstrafen, der sozialen Einordnung in der Tschechischen Republik, der finanziellen Unterstützung der Familie in Vietnam, der Sicherstellung des Betäubungsmittels, insbesondere aber infolge des Vorliegens des vertypten Milderungsgrundes der Beihilfe und vor allem seines untergeordneten Tatbeitrages sowie des vom Landgericht nicht festgestellten Eigeninteresses – auch in Anbetracht der Art und Menge des Betäubungsmittels – nicht fern und hätte infolgedessen der ausdrücklichen Erörterung durch das Landgericht bedurft.
4. Auch die Einziehungsanordnung des Landgerichts erweist sich im Hinblick auf das Betäubungsmittel als nicht frei von Rechtsfehlern. Die einzuziehenden Gegenstände sind im Urteilstenor konkret zu bezeichnen, um Klarheit über den Umfang der Einziehung für die Beteiligten und die Vollstreckungsbehörde zu schaffen und um eine ordnungsgemäße Vollstreckung zu ermöglichen (BGH, Urteile vom 6. Oktober 1955 – 3 StR 279/55, BGHSt 8, 205 [211 f.] und vom 15. März 1994 – 1 StR 179/93, NJW 1994, 1421). Die Anordnung der Einziehung des "sichergestellten Rauschgifts" ist zu unbestimmt und genügt den vorliegenden Anforderungen nicht. Vielmehr hätte es der Angabe von Art und Menge des einzuziehenden Betäubungsmittels im Urteilstenor bedurft (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 2007 – 1 StR 251/07, NStZ 2007, 713).
5. Gemäß § 357 StPO war die Aufhebung des Urteils aufgrund der fehlerhaften Zumessungserwägungen und Einziehungsanordnung auf den Mitangeklagten M. zu erstrecken, der seine Revision im Verlauf des Verfahrens vor dem Senat zurückgenommen hat (zur Revisionserstreckung bei Revisionsrücknahme vgl. BGH, Urteile vom 11. Februar 1958 – 1 StR 589/57, NJW 1958, 560; vom 14. Mai 1996 – 1 StR 51/96, NJW 1996, 2663 [2665] und vom 28. Oktober 2004 – 3 StR 301/03, BGHSt 49, 275 [276, 299]).
6. Die Anordnung des Vorwegvollzugs der Maßregel hinsichtlich des Angeklagten H. gemäß § 67 Abs. 2 Satz 4 StGB war infolge der Aufhebung des Urteils im Strafausspruch ebenfalls aufzuheben. Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB bleibt davon unberührt.
7. Im Übrigen waren die weitergehenden Revisionen der Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und bleiben bestehen.
III.
Im Hinblick auf die Bemessung einer gegen den Mitangeklagten M. zu verhängenden Jugendstrafe weist der Senat auf § 18 Abs. 2 JGG hin. Danach ist die Jugendstrafe so zu bemessen, dass die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist. Die Urteilsgründe müssen deshalb erkennen lassen, inwieweit dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt und bei der Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folge der Strafe für die weitere Entwicklung des Jugendlichen/Heranwachsenden abgewogen worden ist (dazu BGH, Urteil vom 19. Februar 2014 – 2 StR 413/13, NStZ 2014, 407; Beschlüsse vom 28. Februar 2012 – 3 StR 15/12, NStZ-RR 2012, 186 mwN; vom 17. Juli 2012 – 3 StR 238/12 und vom 8. Januar 2015 – 3 StR 581/14, NStZ-RR 2015, 154). Hieran fehlt es, wenn die Begründung wesentlich oder gar ausschließlich mit solchen Zumessungserwägungen vorgenommen wird, die auch bei Erwachsenen in Betracht kommen (BGH, Beschluss vom 14. Juli 1994 – 4 StR 367/94). Eine abschließende lediglich formelhafte Erwähnung der erzieherischen Erforderlichkeit der verhängten Jugendstrafe genügt den Erfordernissen des § 18 Abs. 2 JGG nicht (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Juli 2012 – 3 StR 238/12 und vom 8. Januar 2015 – 3 StR 581/14, NStZ-RR 2015, 154).
Raum |
|
Graf |
|
Jäger |
|
Ri'inBGH Dr. Fischer ist in |
|
|
|
|
Raum |
|
Bär |
|