Entscheidungsdatum: 19.01.2012
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 6. Mai 2011 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Nach den Feststellungen fügte der Angeklagte bei zwei Gelegenheiten aus Verärgerung und Überforderung dem zwei Jahre alten Sohn seiner Lebensgefährtin am Rücken mit einer heißen Flüssigkeit eine großflächige Verbrühung sowie weitere schwerwiegende, schmerzhafte Verletzungen zu, an deren Folgen das Kind verstarb.
Gegen das Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision. Sie beanstandet mit der Sachrüge Rechtsfehler bei der Strafzumessung und hält insbesondere die verhängte Strafe für unvertretbar milde. Das Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, bleibt ohne Erfolg.
1. Die Strafkammer hat einen minder schweren Fall der Körperverletzung mit Todesfolge abgelehnt und ist vom Regelstrafrahmen des § 227 Abs. 1 StGB ausgegangen. Innerhalb des Strafrahmens von drei bis 15 Jahren Freiheitsstrafe hat es zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er noch jung sowie nur geringfügig vorbestraft ist, im Tatzeitraum innerlich angespannt und mit seiner Lebenssituation überfordert war, spontan handelte, erstmals Untersuchungshaft verbüßt und sich für ihn die Haftsituation vergleichsweise hart darstellt. Zu seinen Lasten hat sie das hohe Maß der in multipler Form angewendeten Gewalt, die sich gegen ein ihm wehrlos ausgeliefertes Opfer richtete, die Misshandlungen an besonders schmerzempfindlichen Körperregionen, die über eine Woche lang andauernden Schmerzen sowie die Verwirklichung von zwei Straftatbeständen gewertet.
2. Die dem Tatgericht obliegende Strafzumessung hält sachlich rechtlicher Überprüfung stand. Revisionsrechtlich beachtliche Rechtsfehler in dem Sinne, dass die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen, bestimmende Strafzumessungstatsachen übergangen wurden oder sich die verhängte Freiheitsstrafe von ihrer Bestimmung eines gerechten Schuldausgleichs offenkundig löst (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; BGH, Beschluss vom 11. Januar 2011 - 3 StR 441/10, NStZ 2011, 270; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 337 Rn. 34), liegen nicht vor.
Den Umstand, dass der Angeklagte das Kleinkind mehrfach mit direktem Vorsatz grob und mit roher Gewalt misshandelte, hat das Landgericht ausdrücklich bei der Strafzumessung straferschwerend gewichtet. Dasselbe gilt für die ihm zugefügten intensiven körperlichen Schmerzen. Es ist nicht zu besorgen, dass es die seelischen Qualen sowie die psychischen Belastungen, die das Tatopfer in den letzten Wochen vor seinem Tod erleiden musste, und die Tatfolgen für dessen Familie dabei unberücksichtigt gelassen hat, zumal diese Gesichtspunkte in mehreren Urteilspassagen angesprochen sind. Dass in den Strafzumessungsgründen eine Erwägung nicht ausdrücklich wiederholt wird, lässt nicht ohne weiteres den Schluss zu, das Tatgericht habe sie bei der Zumessung der Strafe übersehen (BGH, Beschluss vom 2. März 1989 - 1 StR 7/89, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 18). Den Versuch des Angeklagten, Tatspuren zu beseitigen, durfte die Strafkammer nicht zu seinen Lasten werten (Fischer, StGB, 59. Aufl., § 46 Rn. 49 mwN), sein Verteidigungsverhalten (vgl. Fischer, aaO Rn. 52, 53) musste sie nicht zwingend als bestimmenden Strafzumessungsgrund ausdrücklich in die Strafzumessung einstellen. Mit der Formulierung "Strafmildernd war … zu berücksichtigen, dass er erstmals Untersuchungshaft verbüßt und dass sich für ihn die Haftsituation vor dem Hintergrund des Tatvorwurfs und der damit verbundenen Reaktionen von Mitgefangenen härter gestaltet als bei anderen Gefangenen." hat sie ohne durchgreifenden Rechtsfehler eine besondere Haftempfindlichkeit zum Ausdruck gebracht und nicht lediglich den Vollzug von Untersuchungshaft an sich strafmildernd berücksichtigt (BGH, Urteil vom 14. Juni 2006 - 2 StR 34/06, NStZ 2006, 620 f.; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 46 Rn. 70-73). Entgegen der Meinung der Staatsanwaltschaft ist die verhängte Freiheitsstrafe von neun Jahren angesichts der Strafzumessungstatsachen nicht offenkundig so unvertretbar milde, dass sie sich von ihrer Bestimmung löst, einen gerechten Schuldausgleich herbeizuführen, und somit außerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Beurteilungsspielraums liegt.
Becker Pfister von Lienen
Hubert Schäfer