Entscheidungsdatum: 18.05.2011
1. Die Entlassung des bisherigen Betreuers gemäß § 1908b Abs. 1 BGB wird nicht von den §§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 271 Nr. 1 FamFG erfasst. Deshalb ist die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts in einem solchen Verfahren ohne Zulassung nicht statthaft (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 9. Februar 2011, XII ZB 364/10, FamRZ 2011, 632) .
2. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens kann grundsätzlich nur der Verfahrensgegenstand sein, über den im ersten Rechtszug entschieden worden ist (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 5. Januar 2011, XII ZB 240/10, FamRZ 2011, 367) .
Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Ulm (Donau) vom 6. Dezember 2010 wird auf ihre Kosten verworfen.
Verfahrenswert: 3.000 €
I.
Für die Betroffene wurden mit Beschluss des Notariats E. vom 6. Mai 2009 eine Betreuung eingerichtet und zur berufsmäßigen Betreuerin die weitere Beteiligte zu 1 bestellt. Die hiergegen von der Betroffenen eingelegte Beschwerde wies das Beschwerdegericht mit rechtskräftigem Beschluss vom 19. März 2010 zurück.
Mit mehreren Eingaben in der Folgezeit hat die Betroffene beantragt, die Berufsbetreuerin zu entlassen und an deren Stelle ihren Bruder zum Betreuer zu bestellen. Diesen Antrag hat das Notariat E. mit Beschluss vom 6. August 2010 abgelehnt. Hiergegen hat die Betroffene Beschwerde eingelegt und beim Beschwerdegericht außerdem beantragt, die bestehende Betreuung aufzuheben.
Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde mit Ausführungen zum Fortbestand der Betreuungsbedürftigkeit zurückgewiesen und im übrigen dargelegt, dass die Betroffene in ihrer Anhörung zum Ausdruck gebracht habe, dass die ursprünglich von ihr erstrebte Betreuung durch ihren Bruder nicht mehr gewollt sei. Gegen diese Entscheidung richtet sich die nicht zugelassene Rechtsbeschwerde der Betroffenen, mit der sie die Aufhebung der Betreuung und den Betreuerwechsel weiter verfolgt.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, da sie gemäß § 70 FamFG i.V.m. Artikel 111 Abs. 1 FGG-RG unstatthaft ist.
Nach § 70 Abs. 1 FamFG ist die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat. Nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG ist die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts auch ohne Zulassung u.a. in Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers sowie zur Aufhebung einer Betreuung statthaft.
Hier hat das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde weder zugelassen noch liegen die Voraussetzungen für eine zulassungsfreie Rechtsbeschwerde vor.
1. Die Regelung des § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG, die eine Rechtsbeschwerde auch ohne Zulassung erlaubt, knüpft an die gleich lautende Definition des Begriffs der Betreuungssachen in § 271 Nr. 1 und 2 FamFG an. Die dort genannten Verfahrensgegenstände sind von besonderer Bedeutung, weil durch sie regelmäßig in gravierendem Maße in höchstpersönliche Rechte der Beteiligten eingegriffen wird. Dies wollte der Gesetzgeber mit der Differenzierung in § 271 FamFG deutlich machen. Da er mit der Regelung des § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG gerade für Betreuungssachen mit besonders hoher Eingriffsintensität in höchstpersönliche Rechte der Beteiligten einen zulassungsfreien Zugang zum Bundesgerichtshof schaffen wollte, folgt aus der Verknüpfung der beiden Vorschriften, dass eine Rechtsbeschwerde ohne Zulassung durch das Beschwerdegericht in allen Verfahren statthaft ist, die von § 271 Nr. 1 und 2 FamFG erfasst werden (Senatsbeschlüsse vom 9. Februar 2011 - XII ZB 364/10 - FamRZ 2011, 632 Rn. 7 und vom 15. September 2010 - XII ZB 166/10 - FamRZ 2010, 1897 Rn. 8 mwN).
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers im Sinne der §§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 271 Nr. 1 FamFG sind Verfahren nach § 1896 BGB. Dabei kann es sich sowohl um ein Erstverfahren als auch um ein Verlängerungsverfahren handeln, für das § 295 Abs. 1 FamFG eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über die erstmalige Anordnung dieser Maßnahme, also der §§ 1896 ff. BGB, anordnet (vgl. Senatsbeschluss vom 15. September 2010 - XII ZB 166/10 - FamRZ 2010, 1897 Rn. 9). Die besonders hohe Eingriffsintensität ergibt sich bei diesen Verfahren daraus, dass mit der Bestellung des Betreuers zugleich die Anordnung der Betreuung selbst einhergeht. Denn § 1896 BGB unterscheidet nicht zwischen Anordnung der Betreuung und Bestellung eines Betreuers; vielmehr ist eine Einheitsentscheidung zu treffen (Senatsbeschlüsse vom 9. Februar 2011 - XII ZB 364/10 - FamRZ 2011, 632 Rn. 8 und vom 15. September 2010 - XII ZB 166/10 - FamRZ 2010, 1897 Rn. 10).
Demgegenüber bezieht sich die hier in Rede stehende Norm des § 1908 b Abs. 1, 3 BGB, die die Rechtsgrundlage für die Entlassung des Betreuers darstellt, nur auf diejenigen Fälle, in denen bei fortbestehender Betreuung eine isolierte Entscheidung über die Beendigung des Amtes des bisherigen Betreuers getroffen werden soll (Senatsbeschluss vom 15. September 2010 - XII ZB 166/10 - FamRZ 2010, 1897 Rn. 17). Die Entlassung des bisherigen Betreuers berührt also nicht den Fortbestand der Betreuung als solche (Palandt/Diederichsen BGB 70. Aufl. § 1908 b Rn. 1). Dieses Verfahren wird deshalb auch nicht von den §§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 271 Nr. 1 FamFG erfasst; vielmehr fällt es unter die Auffangnorm des § 271 Nr. 3 FamFG (Senatsbeschluss vom 9. Februar 2011 - XII ZB 364/10 - FamRZ 2011, 632 Rn. 9 mwN).
Da die Entlassung des Betreuers gemäß § 1908 b BGB nicht die Aufhebung der Betreuung nach sich zieht, kommt auch eine zulassungsfreie Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 2. Alt. FamFG nicht in Betracht.
2. Die Aufhebung der Betreuung ist auch nicht dadurch zum Gegenstand der Rechtsbeschwerde geworden, dass die Betroffene sie in der Beschwerdeinstanz beantragt hat und der angefochtene Beschluss Ausführungen zum Fortbestand der Betreuungsbedürftigkeit enthält.
Denn Gegenstand des Beschwerdeverfahrens kann grundsätzlich nur der Verfahrensgegenstand sein, über den im ersten Rechtszug entschieden worden ist. Das ergibt sich aus dem Wesen des Rechtsmittelverfahrens, das notwendigerweise keine andere Angelegenheit betreffen darf als diejenige, die Gegenstand der angefochtenen Entscheidung gewesen ist (Senatsbeschluss vom 5. Januar 2011 - XII ZB 240/10 - FamRZ 2011, 367 Rn. 7 mwN).
Verfahrensgegenstand im ersten Rechtszug war hier allein der Antrag, die Berufsbetreuerin zu entlassen und an ihrer Stelle den Bruder der Betroffenen zum Betreuer zu bestellen (§ 1908 b Abs. 1, 3 BGB). Nur darüber hat das Betreuungsgericht im ersten Rechtszug entschieden und nur dieser Gegenstand ist in der Beschwerdeinstanz angefallen. Die weiteren Eingaben der Betroffenen an das Beschwerdegericht, mit denen sie zusätzlich eine Aufhebung der Betreuung verfolgt hat, vermochten den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nicht zu erweitern.
Hahne Weber-Monecke Klinkhammer
Schilling Nedden-Boeger