Entscheidungsdatum: 21.11.2018
1. § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG räumt dem Beschwerdegericht auch in einem Betreuungsverfahren die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen. Dies setzt jedoch unter anderem voraus, dass die Anhörung bereits im ersten Rechtszug ohne Verletzung von zwingenden Verfahrensvorschriften vorgenommen worden ist (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 21. Juni 2017, XII ZB 45/17, FamRZ 2017, 1610).
2. Wird dem Betroffenen das im Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten nicht rechtzeitig vor dem Anhörungstermin überlassen, leidet die Anhörung an einem wesentlichen Verfahrensmangel (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 15. August 2018, XII ZB 10/18, FamRZ 2018, 1770).
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 15. Januar 2018 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Wert: 5.000 €
I.
Der Betroffene wendet sich gegen die Einrichtung seiner Betreuung.
Nachdem das Amtsgericht zunächst die Schwester des Betroffenen zur vorläufigen Betreuerin bestellt und einen vorläufigen Einwilligungsvorbehalt angeordnet hatte, hat es nach Einholung unter anderem eines Sachverständigengutachtens zur Betreuungsbedürftigkeit des Betroffenen und dessen Anhörung den Beteiligten zu 2 zum berufsmäßigen Betreuer des Betroffenen für den Aufgabenkreis "Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen und sonstigen Institutionen, Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post" bestellt. Darüber hinaus hat das Amtsgericht einen Einwilligungsvorbehalt für die Vermögenssorge angeordnet. Das Landgericht hat die Beschwerde des Betroffenen ohne erneute Anhörung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde, dass das Landgericht nicht von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen hätte absehen dürfen.
a) Nach § 278 Abs. 1 FamFG hat das Gericht den Betroffenen vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen. Die Pflicht zur persönlichen Anhörung des Betroffenen besteht nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren. Zwar räumt § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG dem Beschwerdegericht auch in einem Betreuungsverfahren die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen. Dies setzt jedoch unter anderem voraus, dass die Anhörung bereits im ersten Rechtszug ohne Verletzung von zwingenden Verfahrensvorschriften vorgenommen worden ist (Senatsbeschluss vom 21. Juni 2017 - XII ZB 45/17 - FamRZ 2017, 1610 Rn. 9 mwN; vgl. auch Senatsbeschluss vom 7. Februar 2018 - XII ZB 334/17 - FamRZ 2018, 707 Rn. 15 zur Unterbringung).
Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens als Entscheidungsgrundlage erfordert nach § 37 Abs. 2 FamFG, dass das Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat. Das setzt voraus, dass der Betroffene vor der Entscheidung nicht nur im Besitz des schriftlichen Sachverständigengutachtens ist, sondern auch ausreichend Zeit hatte, von dessen Inhalt Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern (Senatsbeschluss vom 6. April 2016 - XII ZB 397/15 - FamRZ 2016, 1148 Rn. 11 mwN). Wenn dem Betroffenen das Sachverständigengutachten nicht rechtzeitig vor dem Anhörungstermin überlassen worden ist, leidet die Anhörung an einem wesentlichen Verfahrensmangel (Senatsbeschluss vom 15. August 2018 - XII ZB 10/18 - FamRZ 2018, 1770 Rn. 14).
b) Gemessen hieran durfte das Landgericht nicht von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG absehen. Seine Anhörung durch das Amtsgericht ist mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet, weil dem Betroffenen das eingeholte Sachverständigengutachten zur Betreuungsbedürftigkeit nicht rechtzeitig vor dem Anhörungstermin überlassen worden ist.
Ausweislich des Anhörungsprotokolls des Amtsgerichts wurde dem Betroffenen erst bei der Anhörung vom 24. November 2017 das Sachverständigengutachten ausgehändigt. Was das Amtsgericht "nach Rücksprache" mit dem Sachverständigen dazu bewogen hat zu vermerken, das Gutachten dem Betroffenen (nur) zu übersenden, "wenn er dies beantragt", ist nicht ersichtlich. Im Übrigen hatte der Betroffene bereits am 14. August 2017 erfolglos um Übersendung des Sachverständigengutachtens gebeten. Weil er das Gutachten erst im Anhörungstermin ausgehändigt erhalten hat, hatte er keine ausreichende Möglichkeit mehr, etwaige Einwendungen hiergegen zu erheben. Demgemäß wurde das Gutachten, soweit aus dem Protokoll ersichtlich, in der Anhörung auch nicht erörtert.
Zwar hat das Landgericht im vorangegangenen Beschwerdeverfahren, das die einstweilige Betreuerbestellung zum Gegenstand hatte, die vorläufige Betreuerin am 22. September 2017 gebeten, das Gutachten mit dem Betroffenen zu besprechen. Selbst wenn die Betreuerin mit dem Betroffenen über das Gutachten gesprochen hätte, genügte dies allein indessen nicht, um dem Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör gerecht zu werden (vgl. Senatsbeschluss vom 7. Februar 2018 - XII ZB 334/17 - FamRZ 2018, 707 Rn. 13) und damit die Voraussetzungen für eine verfahrensordnungsgemäße Anhörung durch das Amtsgericht zu schaffen. Überdies hat die vorläufige Betreuerin in ihrer anschließenden Stellungnahme darauf hingewiesen, dass der Betroffene inzwischen jeden Kontakt mit ihr ablehne.
2. Die Zurückverweisung gibt dem Landgericht zugleich Gelegenheit, das Sachverständigengutachten einer inhaltlichen Überprüfung anhand der vom Senat aufgestellten Maßstäbe zu unterziehen (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Februar 2017 - XII ZB 510/16 - FamRZ 2017, 648 Rn. 15). Ferner wird es sich die Frage vorzulegen haben, ob die Bestellung des Betreuers für alle vom Amtsgericht innerhalb des Aufgabenkreises angeordneten Aufgabenbereiche erforderlich ist (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 11. Juli 2018 - XII ZB 399/17 - FamRZ 2018, 1601 Rn. 19 mwN). Während sich die Begründung der angefochtenen Entscheidung zur Vermögenssorge und zu Wohnungsangelegenheiten verhält, fehlt es im landgerichtlichen wie im amtsgerichtlichen Beschluss an einer Begründung zur Erforderlichkeit der übrigen Aufgabenbereiche.
Außerdem wird das Landgericht zu überprüfen haben, ob die Voraussetzungen für die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts nach § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 11. Juli 2018 - XII ZB 399/17 - FamRZ 2018, 1601 Rn. 22 mwN). Zu Recht wendet die Rechtsbeschwerde ein, dass sich das Landgericht nicht mit den Ausführungen des Betroffenen hierzu in seiner Beschwerdebegründung auseinandergesetzt hat.
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