Entscheidungsdatum: 21.06.2017
Eine Anhörung des Betroffenen im Betreuungsverfahren, die stattgefunden hat, ohne dass der Verfahrenspfleger Gelegenheit hatte, an ihr teilzunehmen, ist verfahrensfehlerhaft (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 21. September 2016, XII ZB 57/16, FamRZ 2016, 2092).
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 4. Januar 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.
Beschwerdewert: 5.000 €
I.
Der 41jährige Betroffene leidet an einer paranoiden Schizophrenie. Für ihn war deshalb von November 2009 bis März 2011 eine Betreuung eingerichtet.
Am 14. November 2015 wurde der Betroffene nach dem Nordrhein-Westfälischen Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG NRW) untergebracht. Mit Beschluss vom 24. November 2015 richtete das Amtsgericht erneut eine Betreuung für den Betroffenen ein, die die Aufgabenkreise der Aufenthaltsbestimmung, Behörden- und Versicherungsangelegenheiten, Gesundheitsfürsorge, Integration in das Arbeitsleben und Wohnungsangelegenheiten umfasst. Die Beteiligte zu 2 wurde als Vereinsbetreuerin sowie die Beteiligte zu 3 als Ersatzbetreuerin bestellt, die Überprüfungsfrist wurde auf den 14. November 2016 bestimmt.
Am 27. Mai 2016 hat der Betroffene die Aufhebung der Betreuung beantragt. Daraufhin hat das Amtsgericht den Betroffenen angehört und nach Einholung eines neuen Gutachtens durch Beschluss vom 14. November 2016 die Betreuung auf die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitsfürsorge beschränkt, sie insoweit verlängert und eine erneute Überprüfungsfrist bis zum 14. November 2023 festgesetzt. Das Landgericht hat die Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen; dagegen richtet sich seine Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Bei fest-stehender Grunderkrankung sei die Betreuung in den bestehen gebliebenen Aufgabenkreisen erforderlich, um es der Betreuerin zu ermöglichen, gegebenenfalls auch im geschlossenen Bereich eines Krankenhauses eine adäquate psychiatrische Versorgung sicherzustellen, wobei beim Betroffenen Behandlungs- und Rehabilitationsmöglichkeiten bestünden, die umzusetzen seien, um einer Verfestigung des Wahnsystems und einer weiteren Chronifizierung der Erkrankung entgegenzuwirken. Es könne gegebenenfalls Aufgabe der Betreuerin sein, Behandlungs- und Rehabilitationsmöglichkeiten mit einem niedergelassenen Facharzt zu erörtern. Der Betroffene habe wegen fehlender Krankheitseinsicht keinen freien Willen. Er sei der Ansicht, Ärzte, welche bei ihm eine psychische Erkrankung festgestellt hätten, stünden selbst unter Kontrolle und Spionage.
Von einer erneuten persönlichen Anhörung des Betroffenen habe abgesehen werden können, da der Betroffene bereits vom Amtsgericht angehört worden sei. Die im Abhilfeverfahren bestellte Verfahrenspflegerin habe der Verlängerung der Betreuung in dem eingeschränkten Umfang ausdrücklich zugestimmt.
2. Die angefochtene Entscheidung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass das Landgericht den Betroffenen nicht persönlich angehört und dabei der Verfahrenspflegerin Gelegenheit gegeben hat, an der Anhörung teilzunehmen.
aa) Zwar räumt § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG auch in einem Betreuungsverfahren dem Beschwerdegericht die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen. Im Beschwerdeverfahren darf allerdings nicht von einer Wiederholung solcher Verfahrenshandlungen abgesehen werden, bei denen das Gericht des ersten Rechtszugs zwingende Verfahrensvorschriften verletzt hat. In diesem Fall muss das Beschwerdegericht den betreffenden Teil des Verfahrens nachholen (vgl. Senatsbeschluss vom 21. September 2016 - XII ZB 57/16 - FamRZ 2016, 2092 Rn. 13 mwN).
bb) Die Anhörung durch das Amtsgericht ist verfahrensfehlerhaft erfolgt, weil sie stattgefunden hat, ohne dass die erst nach dem Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung bestellte Verfahrenspflegerin Gelegenheit hatte, an ihr teilzunehmen.
Die Bestellung eines Verfahrenspflegers in einer Betreuungssache gemäß § 276 Abs. 1 Satz 1 FamFG soll die Wahrung der Belange des Betroffenen in dem Verfahren gewährleisten. Er soll, wenn es im Hinblick auf die einzurichtende Betreuung erforderlich ist, nicht allein stehen, sondern fachkundig beraten und vertreten werden. Der Verfahrenspfleger ist daher vom Gericht im selben Umfang wie der Betroffene an den Verfahrenshandlungen zu beteiligen. Dies gebietet es zumindest dann, wenn das Betreuungsgericht bereits vor der Anhörung des Betroffenen die Erforderlichkeit einer Verfahrenspflegerbestellung erkennen kann, den Verfahrenspfleger schon vor der abschließenden Anhörung des Betroffenen zu bestellen. Das Betreuungsgericht muss durch die rechtzeitige Bestellung eines Verfahrenspflegers und dessen Benachrichtigung vom Anhörungstermin sicherstellen, dass dieser an der Anhörung des Betroffenen teilnehmen kann. Außerdem steht dem Verfahrenspfleger ein eigenes Anhörungsrecht zu. Erfolgt die Anhörung dennoch ohne die Möglichkeit einer Beteiligung des Verfahrenspflegers, ist sie verfahrensfehlerhaft und verletzt den Betroffenen in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG. Insoweit ergibt sich für das Betreuungsverfahren keine andere Bewertung als bereits wiederholt für das Unterbringungsverfahren entschieden (vgl. dazu Senatsbeschlüsse vom 21. September 2016 - XII ZB 57/16 - FamRZ 2016, 2092 Rn. 10 mwN und vom 8. März 2017 - XII ZB 516/16 - FamRZ 2017, 911 Rn. 11).
b) Die Wahrung der Teilnahmemöglichkeiten der Verfahrenspflegerin an der Anhörung des Betroffenen war unabhängig davon geboten, ob für die Verfahrenspflegerbestellung als solche eine gesetzliche Notwendigkeit bestand.
Auch wenn die Bestellung eines Verfahrenspflegers nach den Maßstäben des § 276 Abs. 1 und 2 FamFG nicht erforderlich war, erlangt der Verfahrenspfleger mit dem Wirksamwerden seiner vom Gericht für erforderlich gehaltenen Bestellung eine vollwertige Beteiligtenstellung in dem Betreuungsverfahren. Seine ihm zugedachte Aufgabe kann er nur dann im Sinne seines gesetzlichen Auftrags erfüllen, wenn ihm die volle Beteiligung an allen maßgeblichen Verfahrenshandlungen einschließlich der Anhörung des Betroffenen zugestanden wird. Die gerichtliche Pflicht, dem einmal bestellten Verfahrenspfleger eine vollwertige Verfahrensbeteiligung zu gewährleisten, hängt nicht für jede einzelne Verfahrenshandlung von einer jeweils erneuten Inzidentprüfung der Erforderlichkeit seiner Bestellung ab. Das folgt bereits aus § 276 Abs. 3 FamFG, wonach der einmal bestellte Verfahrenspfleger seine Rechtsstellung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens oder der vorherigen förmlichen Aufhebung seiner Bestellung behält.
c) Deshalb hätte das Landgericht die Anhörung wiederholen und der Verfahrenspflegerin Gelegenheit einräumen müssen, daran teilzunehmen.
3. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, da er die noch erforderlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Dose |
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Klinkhammer |
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Schilling |
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Nedden-Boeger |
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Guhling |
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