Entscheidungsdatum: 21.11.2018
Sieht das Gericht im Unterbringungsverfahren von der vollständigen schriftlichen Bekanntgabe eines Gutachtens an den anwaltlich nicht vertretenen Betroffenen ab, weil zu besorgen ist, dass die Bekanntgabe die Gesundheit des Betroffenen schädigen oder zumindest ernsthaft gefährden werde, muss ein Verfahrenspfleger bestellt, diesem das Gutachten übergeben werden und die Erwartung gerechtfertigt sein, dass der Verfahrenspfleger mit dem Betroffenen über das Gutachten spricht (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 16. Mai 2018, XII ZB 542/17, FamRZ 2018, 1196 und vom 22. Februar 2017, XII ZB 341/16, FamRZ 2017, 923).
Der Betroffenen wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn vom 25. Juli 2018 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt (§ 17 FamFG).
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der vorgenannte Beschluss aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
I.
Die Betroffene wendet sich gegen die Genehmigung ihrer Unterbringung.
Sie leidet nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen unter anderem an einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie. Die Betroffene war in der Vergangenheit krankheitsbedingt mehrfach geschlossen untergebracht.
Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung der Betroffenen hat das Amtsgericht die geschlossene Unterbringung der Betroffenen längstens bis zum 11. Juni 2019 genehmigt. Auf die Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht die Unterbringungsdauer bis zum 23. Mai 2019 verkürzt und die Beschwerde im Übrigen zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde, dass die Entscheidung verfahrensfehlerhaft ergangen ist, weil das Sachverständigengutachten der Betroffenen nicht ordnungsgemäß bekanntgegeben worden ist.
a) Nach § 321 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat vor einer Unterbringungsmaßnahme eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden. Die Verwertung des Sachverständigengutachtens als Grundlage einer Entscheidung in der Hauptsache setzt gemäß § 37 Abs. 2 FamFG voraus, dass das Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat. Insoweit ist das Gutachten mit seinem vollen Wortlaut im Hinblick auf die Verfahrensfähigkeit des Betroffenen (§ 316 FamFG) grundsätzlich auch ihm persönlich zur Verfügung zu stellen. Durch eine Bekanntgabe an einen Verfahrenspfleger kann allenfalls dann ein notwendiges Mindestmaß rechtlichen Gehörs sichergestellt werden, wenn das Betreuungsgericht von der vollständigen schriftlichen Bekanntgabe eines Gutachtens an den Betroffenen entsprechend § 325 Abs. 1 FamFG (vgl. auch § 288 Abs. 1 FamFG) absieht, weil zu besorgen ist, dass die Bekanntgabe die Gesundheit des Betroffenen schädigen oder zumindest ernsthaft gefährden werde, und die Erwartung gerechtfertigt ist, dass der Verfahrenspfleger mit dem Betroffenen über das Gutachten spricht (Senatsbeschlüsse vom 16. Mai 2018 - XII ZB 542/17 - FamRZ 2018, 1196 Rn. 8 f. und vom 22. Februar 2017 - XII ZB 341/16 - FamRZ 2017, 923 Rn. 11 mwN).
b) Diesen Anforderungen wird das instanzgerichtliche Verfahren nicht gerecht.
Das Landgericht hat in seiner Entscheidung maßgeblich auf das vom Amtsgericht eingeholte Sachverständigengutachten abgestellt. Den vorliegenden Gerichtsakten lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass das Gutachten den Verfahrensbeteiligten bekannt gegeben worden ist. In der amtsgerichtlichen Anhörung ist der Betroffenen selbst lediglich das "Ergebnis des Gutachtens" mitgeteilt worden.
Allerdings bestanden nach Dafürhalten des Sachverständigen "hinsichtlich der Einsicht und Lektüre des Gutachtens" durch die Betroffene Bedenken, so dass an sich zu erwägen gewesen wäre, einen Verfahrenspfleger zu bestellen und ihm das Gutachten zwecks Erörterung mit der Betroffenen zu übergeben. Zwar hat das Landgericht der Betroffenen erstmals im Beschwerdeverfahren einen Verfahrenspfleger bestellt. Ausweislich der Gerichtsakten ist aber auch ihm das Gutachten nicht übersandt worden. Demgemäß lässt sich seiner Stellungnahme nicht entnehmen, dass er Kenntnis von diesem Gutachten hatte. Nach alledem war die Erwartung nicht gerechtfertigt, dass der Verfahrenspfleger mit der Betroffenen über das Gutachten spricht.
2. Die Zurückverweisung eröffnet dem Landgericht die Möglichkeit, auch zu prüfen, ob gemäß § 329 Abs. 2 Satz 2 FamFG ein externer Sachverständiger hätte bestellt werden müssen. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass die Unterbringung nicht bereits im Zeitpunkt der Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz vier Jahre vollzogen sein muss. Ausreichend ist vielmehr, dass der mit der angefochtenen Entscheidung verlängerte Unterbringungszeitraum über das Fristende hinausreicht (Senatsbeschluss vom 23. November 2016 - XII ZB 458/16 - FamRZ 2017, 227 Rn. 14 mwN). Zudem weist der Senat darauf hin, dass ein anfechtbarer Beschluss gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG demjenigen förmlich zuzustellen ist, dessen erklärtem Willen er nicht entspricht (Senatsbeschluss vom 29. März 2017 - XII ZB 51/16 - FamRZ 2017, 1151 Rn. 8 mwN). Eine Aufgabe zur Post nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 FamFG reicht hierfür nicht aus.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
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