Entscheidungsdatum: 27.02.2019
Zur Verwertbarkeit eines Sachverständigengutachtens in einem Betreuungsverfahren und zum Absehen von der persönlichen Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 14. August 2018 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Wert: 5.000 €
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der sich dieser gegen die Bestellung eines Vereinsbetreuers für den Aufgabenkreis Vermögenssorge nebst Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts wendet, hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Wie die Rechtsbeschwerde im Ergebnis zutreffend rügt, verletzt die Beschwerdeentscheidung grundlegende verfahrensrechtliche Anforderungen und hält schon deshalb einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde allerdings geltend, das vom Landgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Gutachten des Sachverständigen Dr. B. vom 21. September 2017 sei entgegen § 37 Abs. 2 FamFG dem Betroffenen nicht im Wortlaut bekanntgegeben worden (vgl. zu diesem Erfordernis etwa Senatsbeschluss vom 26. September 2018 - XII ZB 395/18 - FamRZ 2019, 139 Rn. 7 mwN). Denn die Rechtsbeschwerde verschweigt, dass das Gutachten dem damaligen Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen übersandt worden ist, der hierzu im Übrigen auch schriftlich Stellung genommen hat. Die Bekanntgabe des Gutachtens an den Verfahrensbevollmächtigten als den rechtsgeschäftlichen Vertreter des Betroffenen wirkt aber für und gegen diesen (vgl. Senatsbeschluss vom 28. März 2018 - XII ZB 168/17 - FamRZ 2018, 954 Rn. 10 mwN).
Zutreffend rügt die Rechtsbeschwerde dagegen zum einen, dass dieses Gutachten ohne die gemäß § 280 Abs. 2 Satz 1 FamFG erforderliche Untersuchung des Betroffenen erstellt worden und daher grundsätzlich nicht verwertbar ist (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Juli 2018 - XII ZB 399/17 - FamRZ 2018, 1601 Rn. 9 ff. mwN). Zu Recht macht die Rechtsbeschwerde zum anderen geltend, dass das vom Landgericht im Beschwerdeverfahren eingeholte und ebenfalls verwertete Gutachten des Sachverständigen S. vom 7. August 2018 dem Betroffenen nicht vor der Beschwerdeentscheidung zur Verfügung gestellt worden ist. Eine Übersendung ergibt sich weder aus den Feststellungen des Beschwerdegerichts noch lässt sie sich den Gerichtsakten entnehmen. Von der Bekanntgabe konnte auch nicht entsprechend § 288 Abs. 1 FamFG abgesehen werden, weil das Gutachten keinerlei Hinweis enthielt, dass der Betroffene von einer solchen Gesundheitsnachteile zu befürchten hätte.
Damit fehlte es an einem hier gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 FamFG erforderlichen, für die Beschwerdeentscheidung verwertbaren Sachverständigengutachten.
b) Verfahrensfehlerhaft hat das Landgericht zudem unter Verstoß gegen §§ 278 Abs. 1 Satz 1, 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG ohne persönliche Anhörung des Betroffenen entschieden.
Das Amtsgericht hatte den Betroffenen zuletzt am 2. Mai 2017 persönlich angehört und dann die Betreuung aufgehoben. Diese Entscheidung hatte das Landgericht in einem ersten Beschwerdeverfahren - nach Einholung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. B. und ohne persönliche Anhörung des Betroffenen - aufgehoben und das Amtsgericht angewiesen, eine Betreuung anzuordnen. Dem ist das Amtsgericht ohne neuerliche Anhörung des Betroffenen nachgekommen.
Unabhängig von der Frage, ob bei dieser Sachlage überhaupt die von § 278 Abs. 1 Satz 1 FamFG vor Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts angeordnete persönliche Anhörung des Betroffenen durch das Amtsgericht erfolgt ist, durfte das Landgericht nicht von einer (erneuten) persönlichen Anhörung absehen. Zwar eröffnet § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG dem Beschwerdegericht auch in einem Betreuungsverfahren diese Möglichkeit. Ein solches Vorgehen setzt jedoch unter anderem voraus, dass die Anhörung bereits im ersten Rechtszug ohne Verletzung von zwingenden Verfahrensvorschriften vorgenommen worden ist (Senatsbeschluss vom 21. November 2018 - XII ZB 57/18 - juris Rn. 5 mwN). Ein Absehen von der Anhörung im Beschwerdeverfahren scheidet zudem dann aus, wenn das Beschwerdegericht eine neue, nach der amtsgerichtlichen Entscheidung datierende Tatsachengrundlage heranzieht (Senatsbeschluss vom 10. Oktober 2018 - XII ZB 230/18 - FamRZ 2019, 140 Rn. 6 mwN).
Beides ist hier der Fall. Das Amtsgericht hatte den Betroffenen zu einem Zeitpunkt angehört, als das Sachverständigengutachten des Dr. B. noch nicht erstattet war. Diese Anhörung konnte mithin weder die Funktion erfüllen, dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu dem Sachverständigengutachten und den sich daraus ergebenden neuen Umständen zu äußern (vgl. Senatsbeschluss vom 21. November 2018 - XII ZB 57/18 - juris Rn. 6 mwN), noch hat das Amtsgericht die im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht (§ 26 FamFG) gebotene kritische Überprüfung des Gutachtens anhand des in einer Anhörung gewonnenen persönlichen Eindrucks vorgenommen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 12. Oktober 2016 - XII ZB 246/16 - FamRZ 2017, 142 Rn. 11 und vom 6. November 2013 - XII ZB 650/12 - FamRZ 2014, 293 Rn. 13 mwN). Mit dem Gutachten des Sachverständigen S. hat sich das Landgericht zudem auf eine neue Tatsachengrundlage gestützt. Daher war eine Anhörung im Beschwerdeverfahren zwingend geboten. Nicht ausreichend ist, dass das Landgericht einen Anhörungstermin anberaumt hat, zu dem der Betroffene nicht erschienen ist.
Einer der von der Senatsrechtsprechung anerkannten Ausnahmefälle, in denen das Betreuungsgericht das Verfahren nach § 34 Abs. 3 FamFG auch ohne persönliche Anhörung des Betroffenen beenden kann (vgl. Senatsbeschlüsse vom 26. November 2014 - XII ZB 405/14 - FamRZ 2015, 485 Rn. 5 und vom 2. Juli 2014 - XII ZB 120/14 - FamRZ 2014, 1543 Rn. 11 ff.), liegt hier nicht vor. Es ist weder vom Landgericht festgestellt noch anderweitig ersichtlich, dass die gemäß § 278 Abs. 5 bis 7 FamFG zu Gebote stehende Vorführung des Betroffenen unverhältnismäßig wäre und außerdem alle zwanglosen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, den Betroffenen anzuhören bzw. sich von ihm einen persönlichen Eindruck zu verschaffen.
2. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen, damit dieses in einer den verfahrensrechtlichen Vorgaben entsprechenden Weise die erforderlichen Feststellungen treffen kann. Der Senat macht dabei von der Möglichkeit des § 74 Abs. 6 Satz 3 FamFG Gebrauch.
Für das weitere Verfahren weist der Senat zum einen darauf hin, dass gemäß § 1896 Abs. 1a BGB ein Betreuer nicht gegen den freien Willen des Betroffenen bestellt werden darf. Für die mithin notwendige Feststellung, dass es dem Betroffenen an einem freien Willen fehlt, ist nicht ausreichend, wenn der Betroffene - wie in der Beschwerdeentscheidung ausgeführt - "in seiner freien Willensbildung erheblich beeinträchtigt" ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 31. Oktober 2018 - XII ZB 552/17 - FamRZ 2019, 239 Rn. 6 und vom 7. März 2018 - XII ZB 540/17 - FamRZ 2018, 848 Rn. 7 mwN). Allerdings ist die von der Rechtsbeschwerde aufgestellte Behauptung unzutreffend, das Gutachten des Sachverständigen S. enthalte nicht die erforderlichen Feststellungen zum Ausschluss einer freien Willensbildung beim Betroffenen. Vielmehr hat der Sachverständige dargelegt, dass der Betroffene keinerlei Krankheits- und Behandlungseinsicht habe und sein freier Wille aufgehoben sei.
Zum anderen wird das Landgericht gegebenenfalls auch darauf Bedacht zu nehmen haben, dass es für die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts (§ 1903 Abs. 1 BGB) ausreichender tatrichterlicher Feststellungen bedarf (vgl. dazu etwa Senatsbeschlüsse vom 15. August 2018 - XII ZB 10/18 - FamRZ 2018, 1770 Rn. 25 ff. und vom 27. April 2016 - XII ZB 7/16 - FamRZ 2016, 1070 Rn. 15 ff.), die bislang nicht getroffen sind.
3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
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