Entscheidungsdatum: 02.09.2015
1. Wird der Unterhaltsschuldner erstinstanzlich zur Vorlage von Einkommensteuererklärungen verpflichtet, deren Nichtexistenz er behauptet, so ist zur Bemessung seiner Beschwer durch Auslegung zu ermitteln, ob das Amtsgericht ihn zu deren Erstellung verpflichten wollte oder ob es - gegebenenfalls irrig - von deren Existenz ausgegangen ist. Nur im ersten Fall erhöht der für die Erstellung erforderliche Aufwand an Zeit und Kosten den Beschwerdewert (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 27. November 1991, XII ZB 102/91, FamRZ 1992, 425 und an Senatsurteil vom 18. Oktober 1989, IVb ZR 86/88 - juris).
2. Hat die Auskunftsverpflichtung, gegen die sich der Unterhaltsschuldner zur Wehr setzt, keinen vollstreckbaren Inhalt oder ist sie auf eine unmögliche Leistung gerichtet, erhöht sich die Beschwer regelmäßig um die mit der Abwehr einer insoweit ungerechtfertigten Zwangsvollstreckung verbundenen Kosten (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 11. Juli 2012, XII ZB 354/11, FamRZ 2012, 1555).
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 15. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle vom 2. März 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Wert: bis 1.000 €
I.
Die Antragstellerin macht gegen ihren früheren Ehemann, den Antragsgegner, nachehelichen Unterhalt geltend und nimmt ihn im Rahmen eines Stufenantrags auf Auskunft über seine Einkünfte und auf Vorlage von Belegen in Anspruch.
Das Amtsgericht hat dem Antrag in vollem Umfang stattgegeben und dabei den Antragsgegner unter anderem verpflichtet, seine Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2011 und 2012 nebst allen gesetzlich vorgeschriebenen Anlagen hierzu vorzulegen.
Die Beschwerde des Antragsgegners hat das Beschwerdegericht als unzulässig verworfen, weil der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstands nicht erreicht sei. Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Sie ist gemäß § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i.V.m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der angefochtene Beschluss verletzt den Antragsgegner in seinem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip), das den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Senatsbeschluss vom 23. Januar 2013 - XII ZB 167/11 - FamRZ 2013, 1117 Rn. 4 mwN).
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
a) Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteige nicht den Betrag von 600 €. Er bemesse sich nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, der erforderlich sei, um die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft zu ermöglichen. Der Antragsgegner sei nicht verpflichtet, etwaige Belege erst zu erstellen. Soweit er eine Steuererklärung für die Jahre 2011 und 2012 bislang nicht abgegeben habe, sei er hierzu im vorliegenden Verfahren nicht verpflichtet. Die Kosten für die Erstellung einer solchen Steuererklärung könnten daher bei der Bemessung des Beschwerdewerts nicht berücksichtigt werden. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin ihn im Vollstreckungsverfahren zur Erstellung der Steuererklärungen drängen könnte und dadurch gesonderte Anwaltskosten entstehen könnten, seien nicht vorgetragen und angesichts der Möglichkeit, vom Finanzamt eine Bescheinigung über die Nichterstellung der Steuererklärungen beizubringen, auch anderweitig nicht ersichtlich.
b) Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
aa) Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde allerdings, das Beschwerdegericht habe übersehen, dass das Amtsgericht die Verpflichtung zur Vorlage der Steuererklärungen ausdrücklich tenoriert und der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren darauf auch hingewiesen habe.
Die behauptete Verletzung des Rechts des Antragsgegners auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Das Beschwerdegericht hat die entsprechende Tenorierung nicht nur zitiert, sondern sich mit ihr auch auseinandergesetzt, und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass der Antragsgegner durch die Entscheidung des Amtsgerichts gleichwohl nicht zur Erstellung der Steuererklärungen verpflichtet werde. Der Einwand ist mithin zur Kenntnis genommen und berücksichtigt. Dies genügt Art. 103 Abs. 1 GG. Ein Recht darauf, dass das Gericht einer bestimmten Rechtsauffassung folgt, vermittelt der Anspruch auf rechtliches Gehör hingegen nicht.
bb) Die Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts, der gemäß § 61 Abs. 1 FamFG erforderliche Wert des Beschwerdegegenstands sei nicht erreicht, ist gleichwohl rechtlich zu beanstanden.
(1) Der amtsgerichtliche Beschlusstenor enthält die Verpflichtung zur Vorlage von Einkommensteuererklärungen, für die der Antragsgegner geltend gemacht hat, sie seien noch nicht erstellt. Zur Bemessung der Beschwer ist daher durch Auslegung zu ermitteln, ob das Amtsgericht den Unterhaltsschuldner bei Nichtexistenz der Erklärungen zu deren Erstellung verpflichten wollte oder ob es - gegebenenfalls irrig - von deren Existenz ausgegangen ist. Nur im ersten Fall erhöht der für die Erstellung erforderliche Aufwand an Zeit und Kosten (vgl. dazu etwa Senatsbeschluss vom 11. März 2015 - XII ZB 317/14 - FamRZ 2015, 838 Rn. 13 ff.) den Beschwerdewert. Im zweiten Fall hat er hingegen außer Betracht zu bleiben; werterhöhend kann sich dann lediglich auswirken, wenn der Verpflichtete gewärtigen muss, auf die Erfüllung der insoweit unmöglichen Leistung in Anspruch genommen zu werden und sich hiergegen zur Wehr setzen zu müssen (vgl. Senatsbeschluss vom 27. November 1991 - XII ZB 102/91 - FamRZ 1992, 425, 426 und Senatsurteil vom 18. Oktober 1989 - IVb ZR 86/88 - juris Rn. 7).
(2) Das Beschwerdegericht ist, wie sich aus der Bezugnahme auf den Senatsbeschluss vom 27. November 1991 ergibt, vom zweiten Fall ausgegangen. Es hat den Beschluss des Amtsgerichts dahin ausgelegt, dass der Antragsgegner nicht zur Erstellung von noch nicht existenten Einkommensteuererklärungen verpflichtet werden sollte, sondern das Amtsgericht vielmehr von deren Existenz ausgegangen ist. Die Rechtsbeschwerde erinnert insoweit nichts. Für die Richtigkeit der Annahme des Oberlandesgerichts spricht im Übrigen, dass das Vorhandensein der entsprechenden Steuererklärungen in der ersten Instanz nicht streitig war. Für das Amtsgericht bestand daher weder Veranlassung dazu, die Existenz der vorzulegenden Schriftstücke in Zweifel zu ziehen, noch ein Grund dafür, den Antragsgegner zu deren Erstellung zu verpflichten.
Nachdem der Antragsgegner durch den amtsgerichtlichen Beschluss nicht verpflichtet worden ist, noch nicht existente Steuererklärungen anzufertigen, sind auch keine darauf bezogenen Kosten bei der Bemessung des Beschwerdewerts zu berücksichtigen. Dahinstehen kann demnach auch, dass weder in der Rechtsbeschwerde noch in dem Schriftsatz des Antragsgegnervertreters an das Oberlandesgericht vom 12. Dezember 2014 ausreichende Umstände bezeichnet sind, weshalb insoweit abweichend vom Regelfall (vgl. dazu etwa Senatsbeschluss vom 11. März 2015 - XII ZB 317/14 - FamRZ 2015, 838 Rn. 14) auf die durch die Hinzuziehung eines Steuerberaters entstehenden Kosten abzustellen sein soll. Die hierzu angeführte Trennung der Eheleute bedingt dies für sich genommen ebenso wenig wie die weiter genannten "Verfahren rund um das gemeinsame Kind".
(3) Zu Unrecht hat es das Beschwerdegericht jedoch abgelehnt, Kosten für die (teilweise) Abwehr der Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Beschluss bei der Bemessung des Werts der Beschwer zu berücksichtigen. Zwar kann die vom Beschwerdegericht vorgenommene Schätzung wegen des ihm hierbei eingeräumten Ermessensspielraums im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob das Gericht die gesetzlichen Grenzen überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (st. Rspr., vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 11. März 2015 - XII ZB 317/14 - FamRZ 2015, 838 Rn. 11 und vom 2. April 2014 - XII ZB 486/12 - FamRZ 2014, 1012 Rn. 11 f.). Dies ist hier aber der Fall.
Hat die Auskunftsverpflichtung, gegen die sich der Unterhaltsschuldner zur Wehr setzt, keinen vollstreckbaren Inhalt oder ist sie auf eine unmögliche Leistung gerichtet, erhöht sich die Beschwer nach der ständigen Rechtsprechung des Senats um die mit der Abwehr einer insoweit ungerechtfertigten Zwangsvollstreckung verbundenen Kosten. Denn im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung muss der Unterhaltsschuldner gewärtigen, dass er in vollem Umfang aus dem erstinstanzlichen Titel in Anspruch genommen wird und sich hiergegen zur Wehr setzen muss (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Juli 2012 - XII ZB 354/11 - FamRZ 2012, 1555 Rn. 17; Senatsurteile vom 10. Dezember 2008 - XII ZR 108/05 - FamRZ 2009, 495 Rn. 12 ff.; vom 11. Juli 2001 - XII ZR 14/00 - FamRZ 2002, 666, 667 und vom 18. Dezember 1991 - XII ZR 79/91 - FamRZ 1992, 535, 536; Senatsbeschlüsse vom 24. Juni 1992 - XII ZB 56/92 - FamRZ 1993, 45, 46 und vom 27. November 1991 - XII ZB 102/91 - FamRZ 1992, 425, 426).
Wie das Beschwerdegericht noch zutreffend gesehen hat, ist die Beschlussformel des Amtsgerichts bei Zugrundelegung der Auslegung des Beschwerdegerichts und des Vorbringens des Antragsgegners auf eine unmögliche Leistung gerichtet, soweit sie die Einkommensteuererklärungen 2011 und 2012 anbelangt. Für seine Annahme, der Antragsgegner müsse insoweit keine Vollstreckung gewärtigen, fehlt es aber an einer tragfähigen Grundlage. Insbesondere bedurfte es hierfür keiner vom Antragsgegner vorzutragender Anhaltspunkte. Die Gefahr, aus einem Vollstreckungstitel in Anspruch genommen zu werden, folgt grundsätzlich aus der Existenz des Titels selbst. Die vom Beschwerdegericht angeführte Bescheinigung des Finanzamts über die Nichteinreichung der Steuererklärungen führt nicht dazu, dass dem Antragsgegner in einem Vollstreckungsverfahren keine Rechtsanwaltskosten entstehen würden. Denn mit einer solchen Bescheinigung wäre allenfalls belegbar, dass die Steuererklärungen bislang nicht erstellt sind. Dem Antragsgegner könnte jedoch nicht versagt werden, sich eines Rechtsanwalts zu bedienen, um geltend zu machen, dass der Auskunftstitel bei zutreffender Auslegung nicht die Verpflichtung enthält, noch nicht existente Steuererklärungen zu erstellen. Nur dann aber könnte er insoweit mit dem Einwand der Unmöglichkeit durchdringen.
(4) Nachdem das Beschwerdegericht den Verfahrenswert ohne nähere Begründung schon ohne Berücksichtigung und damit auch ohne Ermittlung der Kosten einer (teilweisen) Vollstreckungsabwehr auf 500 € festgesetzt hat, ist nicht gänzlich auszuschließen, dass es bei einer neuerlichen Wertbemessung zu einem 600 € übersteigenden Beschwerdewert gelangt. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
Dose Klinkhammer Nedden-Boeger
Botur Guhling