Entscheidungsdatum: 19.12.2017
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten zu 1) gegen den Beschluss des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 1. Juni 2017 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert beträgt 5.563,34 €.
I.
Die Klägerin, eine Bank, nimmt die Beklagte zu 1) (im Folgenden: Beklagte) auf Erstattung einer Fehlüberweisung in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 31. Januar 2017 stattgegeben. Das Urteil ist den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 2. Februar 2017 zugestellt worden. Hiergegen hat sie rechtzeitig Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 3. April 2017 haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten die Berufung begründet. Der an das Oberlandesgericht adressierte Schriftsatz ist am selben Tag, einem Montag, per Telefax beim Amtsgericht - Registergericht - und am 4. April 2017 beim Oberlandesgericht eingegangen. Nach einem Hinweis des Berufungsgerichts haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit am 18. April 2017 eingegangenem Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beantragt. Sie haben dies damit begründet, dass die Berufungsbegründungsschrift am 3. April 2017 fertiggestellt und unterzeichnet worden sei. Wegen der noch am selben Tag ablaufenden Begründungfrist sei ihre ansonsten äußerst zuverlässige und gewissenhafte Anwaltsgehilfin H. angewiesen worden, die Berufungsbegründung per Telefax zu versenden. Frau H. habe sodann auf der Berufungsbegründung den Zusatz "Zur Fristwahrung vorab per Telefax: 089/5597-3560 (2747)" aufgebracht. Diese Nummer habe sie einem in der Handakte befindlichen Schreiben des Oberlandesgerichts entnommen, sich dabei aber verlesen oder anschließend verschrieben. Die in dem Schreiben genannte richtige Faxnummer laute nämlich am Ende 3570. Eine Überprüfung des Sendeberichts sei durchgeführt worden und habe keine Beanstandungen ergeben.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Fristversäumung durch die Prozessbevollmächtigten der Beklagten schuldhaft erfolgt sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dürfe sich die Kontrolle des Sendeberichts nicht darauf beschränken, die auf diesem ausgedruckte Faxnummer mit der zuvor aufgeschriebenen zu vergleichen. Vielmehr müsse ein Abgleich anhand einer zuverlässigen Quelle vorgenommen werden, um auch Fehler bei der vorherigen Ermittlung der Nummer aufdecken zu können. Im Wiedereinsetzungsantrag sei nichts dazu vorgetragen worden, ob der Bürokraft der Prozessbevollmächtigten eine entsprechende allgemeine oder spezielle Weisung erteilt worden sei. Damit bleibe offen, ob eine diesbezügliche Anweisung bestanden habe, so dass die Beklagte ein eigenes Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten aufgrund unzureichender Büroorganisation nicht ausgeräumt habe. Dass Frau H. eine entsprechende Überprüfung der Faxnummer auch ohne Anweisung vorgenommen habe, sei ebenfalls nicht vorgetragen worden.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.
II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO), aber unzulässig.
Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) nicht erforderlich. Es liegt weder eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor noch verletzt die Entscheidung des Berufungsgerichts den Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip).
2. Das Berufungsgericht hat der Beklagten zu Recht die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beruht auf einem Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten, das ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt ein Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob der Schriftsatz vollständig und an das richtige Gericht übermittelt worden ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden. Dabei darf sich die Kontrolle des Sendeberichts grundsätzlich nicht darauf beschränken, die auf diesem ausgedruckte Faxnummer mit der zuvor aufgeschriebenen, etwa in den Schriftsatz eingefügten Faxnummer zu vergleichen. Vielmehr muss der Abgleich anhand einer zuverlässigen Quelle, etwa anhand eines geeigneten Verzeichnisses, vorgenommen werden, aus der die Faxnummer des Gerichts hervorgeht, für das die Sendung bestimmt ist. Denn diese Art der Ausgangskontrolle soll nicht nur Fehler bei der Eingabe, sondern auch bei der Ermittlung der Faxnummer und ihrer Übertragung in den Schriftsatz ausschließen (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 10. September 2013 - VI ZB 61/12, NJW-RR 2013, 1467 Rn. 7, vom 24. Oktober 2013 - V ZB 154/12, NJW 2014, 1390 Rn. 8 und 12, vom 1. Juni 2016 - XII ZB 382/15, NJW-RR 2016, 1199 Rn. 19 f. und vom 27. Juni 2017 - VI ZB 32/16, NJW-RR 2017, 1139 Rn. 6). Soweit die Rechtsbeschwerde dem Beschluss des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 13. Februar 2007 (VI ZB 70/06, NJW 2007, 1690 Rn. 7 ff.) etwas anderes entnehmen möchte, sind die dortigen Ausführungen überholt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. September 2013 - VI ZB 61/12, aaO Rn. 7 aE).
Dem Erfordernis, durch organisatorische Anweisungen sicherzustellen, dass Fehler bei der Ermittlung der Faxnummer erfasst werden, kann allerdings auch durch die Anweisung genügt werden, die im Sendebericht ausgedruckte Faxnummer mit der schriftlich niedergelegten zu vergleichen, wenn sichergestellt ist, dass diese ihrerseits zuvor aus einer zuverlässigen Quelle ermittelt worden ist. Dies setzt aber voraus, dass zusätzlich die generelle Anweisung besteht, die ermittelte Faxnummer vor der Versendung auf eine Zuordnung zu dem vom Rechtsanwalt bezeichneten Empfangsgericht zu überprüfen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. September 2013 - VI ZB 61/12, NJW-RR 2013, 1467 Rn. 7, vom 24. Oktober 2013 - V ZB 154/12, NJW 2014, 1390 Rn. 8 und vom 27. Juni 2017 - VI ZB 32/16, NJW-RR 2017, 1139 Rn. 7). Der Sendebericht muss dann nicht mehr zusätzlich mit der zuverlässigen Ausgangsquelle verglichen werden. Infolge des vorangegangenen Abgleichs der auf den Schriftsatz übertragenen Faxnummer mit der zuverlässigen Ausgangsquelle ist die Nummer auf dem Schriftsatz nach diesem Abgleich selbst als ausreichend zuverlässige Quelle anzusehen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juni 2017 - VI ZB 32/16, aaO Rn. 7 mwN).
b) Die nach dieser Rechtsprechung geforderten Sorgfaltspflichten haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht erfüllt. Die von der Beklagten vorgetragene und durch die eidesstattlichen Versicherungen ihrer Prozessbevollmächtigten und der Büroangestellten H. glaubhaft gemachte Anweisung, die richtige Eingabe der Faxnummer und die vollständige Übertragung des Schriftsatzes an das richtige Gericht nach der Versendung anhand des Sendeberichts zu überprüfen, genügt nicht, da damit kein Abgleich der im Sendebericht angegebenen Faxnummer anhand einer zuverlässigen Quelle verlangt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juni 2017 - VI ZB 32/16, NJW-RR 2017, 1139 Rn. 8 mwN). Einer derartigen Konkretisierung hätte es aber bedurft. Der Rechtsanwalt hat seine organisatorischen Anweisungen klar und unmissverständlich zu formulieren, weil nur so die Wichtigkeit der einzuhaltenden Schritte in der gebotenen Deutlichkeit hervorgehoben wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Oktober 2013 - V ZB 154/12, NJW 2014, 1390 Rn. 15 und vom 27. Juni 2017 - VI ZB 32/16, aaO).
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde genügt es nicht, dass die Mitarbeiterin H. "der festen Meinung war, dass (die Berufungsbegründung) bei der gewählten Nummer das OLG München erreicht hat" und sie deshalb die "gegebenenfalls gebotene erneute Überprüfung der gewählten Telefaxnummer anhand des vorliegenden Verzeichnisses bzw. Schreibens des Berufungsgerichts" unterlassen hat. Dies wahrt die anwaltliche Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nicht, weil diese bei einer Faxübersendung - wie dargelegt - nur durch eine nochmalige Überprüfung der Faxnummer entweder vor der Versendung oder mit dem Sendebericht anhand einer zuverlässigen Quelle erfüllt werden kann. Vor diesem Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Organisationsverschulden der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zumindest mitursächlich für den Fehler der Kanzleikraft geworden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Januar 2011 - III ZB 55/10, NJW 2011, 859 Rn. 15 und vom 27. Juni 2017 - VI ZB 32/16, NJW-RR 2017, 1139 Rn. 11 mwN).
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