Entscheidungsdatum: 27.06.2017
1. Der Rechtsanwalt genügt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeberichts zu überprüfen, ob der Schriftsatz vollständig und an das richtige Gericht übermittelt worden ist.
2. Die Kontrolle des Sendeberichts darf sich grundsätzlich nicht darauf beschränken, die auf diesem ausgedruckte Faxnummer mit der zuvor aufgeschriebenen, etwa in den Schriftsatz eingefügten Faxnummer zu vergleichen. Vielmehr muss der Abgleich anhand einer zuverlässigen Quelle vorgenommen werden, aus der die Faxnummer des Gerichts hervorgeht, für das die Sendung bestimmt ist.
3. Der Rechtsanwalt hat seine organisatorischen Anweisungen klar und unmissverständlich zu formulieren.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 26. Juli 2016 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.
Beschwerdewert: 58.166 €
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Urteil ist der Klägerin am 3. März 2016 zugestellt worden. Hiergegen hat sie rechtzeitig Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung ist am 4. Juli 2016 abgelaufen. Mit Schriftsatz vom 4. Juli 2016 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Berufung begründet. Der an das Oberlandesgericht adressierte Schriftsatz ist am selben Tag per Telefax beim Landgericht und am 6. Juli 2016 beim Oberlandesgericht eingegangen. Nach einem Hinweis des Berufungsgerichts hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit am 13. Juli 2016 eingegangenem Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beantragt. Er hat ausgeführt, er habe die Berufungsbegründung diktiert und dabei die zutreffende Faxnummer des Oberlandesgerichts angegeben. Diese Faxnummer habe die zuständige Kanzleimitarbeiterin in den Entwurf der Berufungsbegründung übernommen. Bei der Übertragung des korrigierten Entwurfs auf den Briefbogen der Kanzlei habe die Mitarbeiterin - der allgemein erteilten Anweisung entsprechend - überprüfen wollen, ob die richtige Faxnummer angegeben sei, und habe in der Handakte geblättert. Hier sei sie auf ein Fristverlängerungsgesuch vom 26. April 2016 gestoßen, in dem eine andere Faxnummer - die des Landgerichts - enthalten gewesen sei. Sie habe daraufhin diese Faxnummer in die Berufungsbegründung übernommen. Es bestehe eine allgemeine Arbeitsanweisung in der Kanzlei, dass bei der Versendung fristwahrender Schriftsätze per Telefax ein Sendebericht zu erstellen sei und eine Überprüfung zu erfolgen habe, dass die richtige Faxnummer eingegeben und der Schriftsatz an das richtige Gericht vollständig übertragen worden sei.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe keinen Sachverhalt glaubhaft gemacht, nach dem die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht auf einem Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruhe. Die im Rahmen der Ausgangskontrolle gebotene Überprüfung des Sendeberichts dürfe sich nicht darauf beschränken, die auf diesem ausgedruckte Faxnummer mit der zuvor aufgeschriebenen zu vergleichen. Vielmehr müsse ein Abgleich anhand eines zuverlässigen Verzeichnisses oder einer anderen geeigneten Quelle erfolgen, um auch etwaige Fehler bei der Ermittlung der Faxnummer aufzudecken. Weder dem Vorbringen der Klägerin noch den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen sei indes zu entnehmen, dass sichergestellt und kontrolliert werde, dass die Sendung an den richtigen Adressaten unter Verwendung der korrekten Empfängernummer erfolge. Die erforderliche Kontrolle anhand einer zuverlässigen Quelle werde durch die vorgetragene allgemeine Arbeitsanweisung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht gewährleistet. Das in der Handakte enthaltene Fristverlängerungsgesuch vom 26. April 2016 könne nicht als zuverlässige Quelle angesehen werden. Denn zwischen dem in der Handakte befindlichen Ausdruck und dem bei Gericht eingereichten Originalschriftsatz könnten Unterschiede bestehen. So verhalte es sich im vorliegenden Fall. Das zur Akte gelangte Fristverlängerungsgesuch weise eine handschriftliche Korrektur der Faxnummer aus, die in der Handakte des Prozessbevollmächtigten nicht nachzuvollziehen sei.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung oder zur Fortbildung des Rechts auf noch erfordert sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Der angefochtene Beschluss verletzt die Klägerin weder in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) noch in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Er beruht auch nicht auf einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG). Der Klägerin wird insbesondere nicht der Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert.
1. Das Berufungsgericht hat der Klägerin die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht versagt, weil die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung auf einem Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruht, das ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist. Die Klägerin hat weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass ihr Prozessbevollmächtigter durch eine ordnungsgemäße Organisation der Ausgangskontrolle in seiner Kanzlei dafür Sorge getragen hat, dass Rechtsmittelfristen nicht versäumt werden.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt ein Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob der Schriftsatz vollständig und an das richtige Gericht übermittelt worden ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden. Dabei darf sich die Kontrolle des Sendeberichts grundsätzlich nicht darauf beschränken, die auf diesem ausgedruckte Faxnummer mit der zuvor aufgeschriebenen, etwa in den Schriftsatz eingefügten Faxnummer zu vergleichen. Vielmehr muss der Abgleich anhand einer zuverlässigen Quelle, etwa anhand eines geeigneten Verzeichnisses, vorgenommen werden, aus der die Faxnummer des Gerichts hervorgeht, für das die Sendung bestimmt ist. Denn diese Art der Ausgangskontrolle soll nicht nur Fehler bei der Eingabe, sondern auch bei der Ermittlung der Faxnummer und ihrer Übertragung in den Schriftsatz ausschließen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 10. September 2013 - VI ZB 61/12, VersR 2014, 1350 Rn. 7; vom 26. Juli 2016 - VI ZB 58/14, VersR 2017, 120 Rn. 8 ff.; BGH, Beschlüsse vom 24. Oktober 2013 - V ZB 154/12, NJW 2014, 1390 Rn. 8, 12; vom 1. Juni 2016 - XII ZB 382/15, NJW-RR 2016, 1199 Rn. 19 f.).
Dem Erfordernis, durch organisatorische Anweisungen sicherzustellen, dass Fehler bei der Ermittlung der Faxnummer erfasst werden, kann allerdings auch durch die Anweisung genügt werden, die im Sendebericht ausgedruckte Faxnummer mit der schriftlich niedergelegten zu vergleichen, wenn sichergestellt ist, dass diese ihrerseits zuvor aus einer zuverlässigen Quelle ermittelt worden ist. Dies setzt aber voraus, dass zusätzlich die generelle Anweisung besteht, die ermittelte Faxnummer vor der Versendung auf eine Zuordnung zu dem vom Rechtsanwalt bezeichneten Empfangsgericht zu überprüfen (vgl. Senatsbeschluss vom 10. September 2013 - VI ZB 61/12, VersR 2014, 1350 Rn. 7; BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2013 - V ZB 154/12, NJW 2014, 1390 Rn. 8). Der Sendebericht muss dann nicht mehr zusätzlich mit der zuverlässigen Ausgangsquelle verglichen werden. Infolge des vorangegangenen Abgleichs der auf den Schriftsatz übertragenen Faxnummer mit der zuverlässigen Ausgangsquelle ist die Nummer auf dem Schriftsatz nach diesem Abgleich selbst als ausreichend zuverlässige Quelle anzusehen (BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2013 - V ZB 154/12, NJW 2014, 1390 Rn. 8).
b) Die nach dieser Rechtsprechung geforderten Sorgfaltspflichten hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht erfüllt. Die von der Klägerin vorgetragene und durch die eidesstattliche Versicherung ihrer Prozessbevollmächtigten glaubhaft gemachte Anweisung, die richtige Eingabe der Faxnummer und die vollständige Übertragung des Schriftsatzes an das richtige Gericht nach der Versendung anhand des Sendeberichts zu überprüfen, genügt nicht, da in dieser Anweisung kein Abgleich der im Sendebericht angegebenen Faxnummer anhand einer zuverlässigen Quelle verlangt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2016 - IV ZB 38/15, juris Rn. 9). Einer derartigen Konkretisierung hätte es aber bedurft. Der Rechtsanwalt hat seine organisatorischen Anweisungen klar und unmissverständlich zu formulieren, weil nur so die Wichtigkeit der einzuhaltenden Schritte in der gebotenen Deutlichkeit hervorgehoben wird (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Juli 2016 - VI ZB 58/14, VersR 2017, 120 Rn. 9; BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2013 - V ZB 154/12, NJW 2014, 1390 Rn. 15).
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die Anweisung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht "selbstverständlich so zu verstehen, dass die Überprüfung, ob die Nummer des richtigen Gerichts eingegeben wurde, anhand einer zuverlässigen Quelle zu erfolgen" habe. Die Anweisung lässt vielmehr offen, wie die Eingabe der "richtigen Telefax-Nummer" und die vollständige Übermittlung an das "richtige Gericht" zu überprüfen ist. Ausweislich des Vorbringens der Klägerin und der von ihr vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der zuständigen Kanzleimitarbeiterin hat diese die erteilte Anweisung dementsprechend auch dahingehend verstanden, dass sie die richtige Ermittlung der Faxnummer durch einen Vergleich mit "der aus der Handakte ersichtlichen Telefax-Nummer" zu überprüfen habe. Eine derartige Kontrolle ist aber unzureichend. Den gebotenen Organisationsanforderungen genügt ein Abgleich der im Sendebericht angegebenen bzw. der in einen Schriftsatz übertragenen Faxnummer mit Angaben aus einem beliebigen Schreiben der Handakte nicht. Denn eine solche Handhabung führt dazu, dass durch nur geringen Mehraufwand vermeidbare Übertragungsfehler unentdeckt bleiben und damit die Gefahr entsteht, dass eine in der Praxis häufig auftretende Fehlerquelle nicht beherrscht wird (BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2013 - V ZB 154/12, NJW 2014, 1390 Rn. 12).
Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb geboten, weil der Prozessbevollmächtigte der Klägerin selbst die richtige Faxnummer des Oberlandesgerichts diktiert hatte und diese erst von der zuständigen Kanzleimitarbeiterin abgeändert wurde. Denn er hatte durch seine unzureichende allgemeine Anweisungen die Gefahr geschaffen, dass die von ihm angegebene Faxnummer nicht durch einen Abgleich anhand einer zuverlässigen Quelle, sondern anhand eines beliebigen Schreibens aus der Handakte kontrolliert und ggf. korrigiert wird. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Kanzleiangestellte die Faxnummer selbst nicht noch einmal habe prüfen müssen. Denn damit hätte diese gegen die in der Kanzlei bestehenden allgemeinen Anweisungen verstoßen. Nach dem Vortrag der Klägerin im Wiedereinsetzungsantrag entsprach es einer allgemeinen Anweisung in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten, "gerade bei Fristabläufen am gleichen Tag" zu überprüfen, ob "die richtige Faxnummer genannt ist".
c) Bei dieser Sachlage kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten der Klägerin zumindest mitursächlich für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist geworden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2016 - IV ZB 38/15, juris Rn. 10 f.).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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