Entscheidungsdatum: 23.08.2016
Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird zurückgewiesen.
I. Der Antragsteller, ein Rechtsanwalt, hat gegen einen Beschluss des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 24. Mai 2016, mit dem seine Beschwerde gegen die Bestellung des Beteiligten zu 2 zum Aufsichtsratsmitglied der Beteiligten zu 1 durch das Registergericht zurückgewiesen wurde, Anhörungsrüge erhoben und gleichzeitig die an dem angefochtenen Beschluss beteiligten Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. In einem weiteren Schreiben hat er außerdem einen der drei nach dem Geschäftsverteilungsplan als Vertreter vorgesehenen Richter abgelehnt, der an einem früheren Beschluss in dem Verfahren mitgewirkt hat. Die abgelehnten Richter haben dienstliche Erklärungen abgegeben, nach denen sie sich nicht für befangen halten. Eine weitere nach dem Geschäftsverteilungsplan als Vertreterin vorgesehene Richterin hat angezeigt, dass ihr Ehemann Partner der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 und 2 sei und sie daher an der Bearbeitung der Sache verhindert sein könnte. In seiner Stellungnahme zu den dienstlichen Äußerungen der Richter hat der Antragsteller seine Ablehnungsgesuche aufrechterhalten und darüber hinaus auch die weitere Vertreterin aufgrund ihrer Anzeige wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Oberlandesgericht Braunschweig hat bisher weder über die Ablehnungsgesuche noch über die Anhörungsrüge entschieden.
Der Antragsteller ist der Auffassung, das Oberlandesgericht sei im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an der Ausübung des Richteramts verhindert. Es könne weder über die Befangenheitsanträge noch über die Anhörungsrüge entscheiden. Die Regelung im Geschäftsverteilungsplan, wonach der Vorsitzende Richter sowie der erste und zweite Beisitzer dem 1. Zivilsenat jeweils zu ¼ zugewiesen seien, sei unwirksam, weil damit der gesetzliche Richter nicht eindeutig bestimmt werde, und außerdem der Senatsvorsitzende nach der Rechtsprechung mindestens 75 % der Aufgaben eines Senats selbst wahrnehmen müsse. Unabhängig hiervon ergebe sich die Verhinderung auch daraus, dass das Oberlandesgericht Braunschweig durch das Ausscheiden der abgelehnten Richter beschlussunfähig sei.
Der Antragsteller beantragt, das zuständige Gericht zu bestimmen.
II. Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts bleibt erfolglos.
1. Bei dem Hauptsacheverfahren handelt es sich um eine Handelsregistersache nach § 374 Nr. 1 FamFG, so dass für die begehrte Gerichtsstandsbestimmung § 5 FamFG gilt. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine originäre Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs - die nach § 5 Abs. 2 FamFG grundsätzlich nicht begründet ist - in den Fällen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 FamFG ausnahmsweise in Betracht kommt, wenn das an sich zuständige Gericht im Sinne dieser Vorschrift ein Oberlandesgericht ist (so MünchKomm/Pabst, FamFG, 2. Aufl., § 5 Rn. 18; BeckOK FamFG/Burschel, 19. Edition, Stand: 15. April 2016, § 5 Rn. 16; aA Saenger/Kemper, ZPO, 6. Aufl., § 5 FamFG Rn. 5). Ebenfalls offen bleiben kann, ob der Antrag, wie dies bei einem Antrag nach der § 5 Abs. 1 Nr. 1 FamFG entsprechenden Vorschrift des § 36 Abs. 1 Nr. 1 ZPO angenommen wird, ohne Bestellung eines beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt gestellt werden kann (Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 37 Rn. 1) oder ob dies im Hinblick auf § 10 Abs. 4 Satz 1 FamFG, der Ausnahmen nur für Verfahren über die Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen und Verfahren über die Verfahrenskostenhilfe vorsieht, nicht zulässig ist. Denn es fehlt jedenfalls an den weiteren Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 FamFG.
2. Eine Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 FamFG setzt voraus, dass das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung der Gerichtsbarkeit rechtlich oder tatsächlich verhindert ist. Dies ist nicht der Fall.
a) Die im Geschäftsverteilungsplan des Oberlandesgerichts Braunschweig vorgesehene Besetzung des 1. Zivilsenats führt nicht dazu, dass das Oberlandesgericht an der Ausübung der Gerichtsbarkeit verhindert wäre. Unabhängig davon, ob ein Mangel des Geschäftsverteilungsplans überhaupt zu einer solchen Verhinderung führen könnte, legt die Regelung entgegen der Annahme des Antragstellers nicht nur ein Viertel der Besetzung des 1. Zivilsenats fest, sondern ist dahin zu verstehen, dass dem Senat der Präsident des Oberlandesgerichts als Vorsitzender und zwei weitere Richter als Beisitzer jeweils mit einem Viertel ihrer Arbeitskraft zugewiesen und mit diesem Anteil den gesamten Geschäftsbereich des Senats abdecken. Eine solche Regelung ist nicht zu beanstanden. Die Zuweisung von Richtern zu einem Senat mit nur einem Teil ihrer Arbeitskraft erfolgt dann, wenn der Geschäftsumfang des betreffenden Senats so bemessen ist, dass er eine Zuweisung von Richtern mit ihrer vollen Arbeitskraft nicht trägt. Dementsprechend verstößt auch die Zuweisung des Präsidenten als Vorsitzenden mit einem Viertel seiner Arbeitskraft nicht gegen die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze über die Wahrnehmung der Aufgaben des Vorsitzenden eines Senats. Danach muss der Vorsitzende eines Senats mindestens 75% der Aufgaben als Vorsitzender des Senats selbst wahrnehmen, weil er nur dann den gesetzlich geforderten, richtunggebenden Einfluss auf die Rechtsprechung seines Senats ausüben kann (BGH, Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 19. Juni 1962 - GSZ 1/61, BGHZ 37, 210, 215 f.; Beschluss vom 20. November 1967 - GSZ 1/67, BGHZ 49, 64). Dies ist bei einem entsprechenden Geschäftsumfang auch dann der Fall, wenn der Vorsitzende dem Senat mit nur einem Viertel seiner Arbeitskraft zugewiesen ist.
b) Eine die Bestimmung des zuständigen Gerichts erfordernde rechtliche Verhinderung an der Ausübung der Gerichtsbarkeit liegt vor, wenn sämtliche Richter eines Gerichts kraft Gesetzes nach § 6 Abs. 1 Satz 1 FamFG i.V.m. § 41 ZPO von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen oder erfolgreich gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 FamFG i.V.m. § 42 ZPO wegen Befangenheit abgelehnt worden sind. Im Falle eines Kollegialgerichts setzt dies voraus, dass auch unter Berücksichtigung der Vertretungsregelungen des Geschäftsverteilungsplans eine ordnungsgemäße Besetzung des Spruchkörpers nicht mehr in Betracht kommt (MünchKomm/Pabst, FamFG, 2. Aufl., § 5 Rn. 6 f.; BeckOK FamFG/Burschel, 19. Edition, Stand: 15. April 2016, § 5 Rn. 4 f.).
Dies ist nicht der Fall. Dass der Antragsteller die an dem angefochtenen Beschluss beteiligten Mitglieder des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts sowie zwei der drei nach dem Geschäftsverteilungsplan vorgesehen Vertreter wegen Befangenheit abgelehnt hat, reicht nicht aus, um die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 FamFG herbeizuführen. Erforderlich wäre, dass seinen Ablehnungsgesuchen gegen alle abgelehnten Richter stattgegeben worden ist (BGH, Beschluss vom 19. März 2012 - X ARZ 122/12, juris).
Meier-Beck Gröning Grabinski
Hoffmann Kober-Dehm