Entscheidungsdatum: 31.05.2017
In der Berufungsinstanz neu sind alle Angriffs- und Verteidigungsmittel, die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz nicht vorgebracht worden sind oder die zunächst vorgebracht, dann aber fallen gelassen worden sind (vgl. § 399 ZPO). Hierzu gehört ein in der ersten Instanz angetretener Sachverständigen- oder Zeugenbeweis, der mangels Einzahlung des angeforderten Vorschusses gemäß §§ 402, 379 Satz 2 ZPO nicht erhoben worden ist, nicht ohne weiteres (in Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 5. Mai 1982, VIII ZR 152/81, NJW 1982, 2559 unter 3 a [zu § 528 Abs. 2 ZPO aF]).
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 14. März 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin kaufte von der Beklagten Anfang 2013 das Pferd K. zum Preis von 11.000 €. Nach der Übergabe bemängelte die Klägerin eine periodisch auftretende entzündliche Augenerkrankung. Die Beklagte bestritt den Mangel, bot der Klägerin aber an, sich im Austausch ein anderes Pferd aus ihrem Bestand auszusuchen. Die Klägerin suchte sich daraufhin Anfang 2014 ein anderes Pferd aus. Bei diesem zweiten Pferd ("N. ") bemängelte die Klägerin später "Spat" beziehungsweise Lahmheit infolge eines Röntgenbefundes mit klinischen Auswirkungen und erklärte - nach vergeblicher Fristsetzung zur Nacherfüllung - den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin die Zahlung von 17.217,97 € (Kaufpreis sowie entstandene Fütterungs- und sonstige Kosten) nebst Zinsen und vorgerichtlichen Kosten, Zug um Zug gegen Rückgabe des Pferdes N. , sowie die Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich künftiger Schäden.
Das Landgericht hat die Parteien darauf hingewiesen, dass es den Austausch der Pferde als Tauschvertrag nach § 480 BGB einordne, weshalb die Klägerin nicht die Rückzahlung des Kaufpreises, sondern allenfalls die Rückgabe des Pferdes K. sowie Ersatz der für das Pferd N. im Fall seiner Mangelhaftigkeit vergeblich getätigten Aufwendungen verlangen könne. Die Klägerin hat daraufhin mitgeteilt, sie habe kein Interesse, "statt des lahmen Pferdes N. das blinde Pferd K. zu erhalten" und werde unter diesen Umständen auch den für die Einholung eines Gutachtens über die Mangelhaftigkeit von N. geforderten Vorschuss nicht einzahlen.
Das Landgericht hat daraufhin das Sachverständigengutachten nicht eingeholt und die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises nicht zu. Zwar sei das Landgericht zu Unrecht von einem Tauschgeschäft ausgegangen. Denn die Vereinbarung der Parteien über den Austausch der Pferde sei rechtlich als Einräumung eines Nacherfüllungsanspruchs zu werten.
Gleichwohl habe die Klage keinen Erfolg, weil die Klägerin den Beweis der Mangelhaftigkeit des Pferdes N. nicht geführt habe. Die Aussage des Zeugen Dr. W. reiche hierzu, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt habe, nicht aus. Mit der weiteren Beweisführung zur Feststellung des von ihr behaupteten Mangels einer "Lahmheit" des Pferdes N. sei die Klägerin im Berufungsverfahren nach § 531 Abs. 1, § 296 Abs. 1, § 282 ZPO ausgeschlossen. Denn sie habe durch ihre Weigerung, den ihr mit Beweisbeschluss vom 20. April 2015 auferlegten Kostenvorschuss einzuzahlen, die gebotene Beweisführung vereitelt. Entschuldigungsgründe für die Unterlassung der Vorschusszahlung habe die Klägerin mit der Berufung nicht geltend gemacht und seien auch nicht ersichtlich. Die Durchführung der Beweisaufnahme sei der Klägerin auch zumutbar gewesen.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin auf Rückabwicklung des Kaufvertrages (§ 346 BGB iVm § 437 Nr. 2, §§ 440, 323 BGB) sowie auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen (§ 437 Nr. 3, § 284 BGB) nicht verneint werden.
Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Austausch der beiden Pferde nicht als Tauschvertrag im Sinne des § 480 BGB, sondern als eine einvernehmlich durchgeführte Nacherfüllung (Ersatzlieferung) zu werten ist. Nachdem die Klägerin die Beklagte im Hinblick auf die von ihr behaupteten Mängel des ersatzweise gelieferten Pferdes N. unter Fristsetzung vergeblich zur Nacherfüllung aufgefordert hatte, kam es deshalb für die Begründetheit des Rückabwicklungsbegehrens der Klägerin allein auf die Mangelhaftigkeit des ersatzweise gelieferten Pferdes N. an.
Insoweit hatte die Klägerin den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens in der Berufungsinstanz aufrechterhalten. Diesen Beweisantrag durfte das Berufungsgericht jedoch nicht - wie geschehen - nach § 531 Abs. 1, § 296 Abs. 1, § 282 ZPO zurückweisen.
1. Nach § 531 Abs. 1 ZPO bleiben Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug zu Recht zurückgewiesen worden sind, ausgeschlossen.
Hieran fehlt es. Zwar kann ein Antrag auf Vernehmung eines Zeugen oder auf Einholung eines Sachverständigengutachtens bei unterbliebener Einzahlung des angeforderten Auslagenvorschusses unter den Voraussetzungen des § 296 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen werden (BGH, Urteil vom 5. Mai 1982 - VIII ZR 152/81, NJW 1982, 2559 unter 2 b; Beschlüsse vom 27. November 1997 - III ZR 246/96, NJW 1998, 761 unter 1 b; vom 10. Mai 2016 - VIII ZR 97/15, GE 2016, 1207 Rn. 11).
Auf diese Weise ist das Landgericht aber gerade nicht verfahren, denn es hat den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Mangelhaftigkeit des Pferdes N. nicht zurückgewiesen, sondern in seinem Urteil lediglich ausgeführt, das Gutachten sei gemäß §§ 402, 379 Satz 2 ZPO nicht eingeholt worden, weil die angeforderte Vorschusszahlung unterblieben ist. Zudem hat das Landgericht weder die Vorschrift des § 296 ZPO zitiert, noch deren Voraussetzungen geprüft. In einem solchen Fall scheidet eine Zurückweisung durch das Berufungsgericht nach § 531 Abs. 1 ZPO von vornherein aus (vgl. BVerfGE 69, 145 [zu einer Zurückweisung nach §§ 296, 528 Abs. 3 ZPO aF]).
2. Das Berufungsgericht durfte die vom Landgericht unterlassene Zurückweisung auch nicht etwa selbst vornehmen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann das Rechtsmittelgericht weder eine von der Vorinstanz unterlassene Zurückweisung nachholen noch die Zurückweisung auf eine andere als die von der Vorinstanz angewendete Verspätungsalternative stützen (BGH, Urteile vom 4. Mai 2005 - XII ZR 23/03, NJW-RR 2005, 1007 unter 2 b bb; vom 22. Februar 2006 - IV ZR 56/05, BGHZ 166, 227 Rn. 12; vom 21. März 2013 - VII ZR 58/12, NJW-RR 2013, 655 Rn. 11). Unabhängig davon ist aber auch die Annahme des Berufungsgerichts, eine Zurückweisung des Antrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Mangelhaftigkeit des Pferdes N. hätte auf § 296 Abs. 1 ZPO gestützt werden können, von Rechtsfehlern beeinflusst.
Die vom Berufungsgericht allein in Betracht gezogene Vorschrift des § 296 Abs. 1 ZPO ist schon nicht einschlägig, weil sie sich nur auf die Versäumung bestimmter, ausdrücklich genannter Fristen bezieht, zu der eine Frist zur Einzahlung eines Auslagenvorschusses nicht gehört. Vielmehr hätte eine Zurückweisung (durch das Landgericht) nur unter den Voraussetzungen des § 296 Abs. 2 ZPO erfolgen können. Dies hätte allerdings unter anderem eine grobe Nachlässigkeit der Klägerin vorausgesetzt, an der es fehlte. Denn die Klägerin hatte die Einzahlung des Kostenvorschusses ausdrücklich mit dem Hinweis abgelehnt, sie habe kein Interesse daran, statt des "lahmen N. " den "blinden K. " zu erhalten. Dies bezog sich ersichtlich auf die - auch vom Berufungsgericht als rechtlich unzutreffend eingeordnete - Auffassung des Landgerichts, bei dem Austausch der Pferde handele es sich um einen Tauschvertrag nach § 480 BGB mit der Folge, dass die Klägerin auch bei Nachweis der Lahmheit des Pferdes N. ihr hauptsächliches Klageziel, nämlich die Rückzahlung des Kaufvertrages, nicht hätte erreichen können, sondern allenfalls die Rückgabe von K. und Ersatz der Verwendungen für N. . Dass die Klägerin angesichts dieser - vom Landgericht auch im Folgenden beibehaltenen (unzutreffenden) -Rechtsauffassung des Gerichts von der Einzahlung des geforderten Vorschusses abgesehen hat, begründet keine grobe Nachlässigkeit.
3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO), denn eine Nichtzulassung des Antrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Mangelhaftigkeit des Pferdes N. war auch nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO gerechtfertigt.
a) Allerdings sind nach dieser Vorschrift in der Berufungsinstanz neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur unter bestimmten (eingeschränkten) Voraussetzungen zuzulassen.
Neu sind dabei alle Angriffs- und Verteidigungsmittel, die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz nicht vorgebracht worden sind; dazu gehören auch solche, die die Partei zwar zunächst vorgebracht, dann aber fallen gelassen hat (vgl. § 399 ZPO).
Allerdings hat der Senat in einer älteren Entscheidung (Urteil vom 5. Mai 1982 - VIII ZR 152/81, NJW 1982, 2559 unter 3 a; ebenso MünchKommZPO/Rimmelspacher, 5. Aufl. § 520 Rn. 66; Hk-ZPO/Wöstmann, 7. Aufl., § 531 Rn. 6) angenommen, bei einem Zeugenbeweis, für den ein in der ersten Instanz angeforderter Kostenvorschuss nicht eingezahlt worden sei, handele es sich um ein in der Berufungsinstanz neues Angriffs- oder Verteidigungsmittel im Sinne des § 528 Abs. 2 ZPO aF, das deshalb bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift zurückgewiesen werden könne.
Hieran hält der Senat indes jedenfalls unter der Geltung des § 531 ZPO nicht fest. Neu ist ein Beweisantritt vielmehr nur dann, wenn er entweder in der ersten Instanz überhaupt nicht oder zwar zunächst gestellt, aber im Folgenden auf ihn verzichtet worden ist (§ 399 ZPO). Hieran fehlt es jedoch, denn die Klägerin hatte das Sachverständigengutachten bereits in der ersten Instanz beantragt und in der Folgezeit auch nicht darauf verzichtet. Die bloße Nichtzahlung eines geforderten Vorschusses kann grundsätzlich nicht als Verzicht auf das Beweismittel angesehen werden; zudem hat die Klägerin die unterbliebene Vorschusszahlung hier ausdrücklich mit dem Hinweis auf die vom Landgericht zum "Tausch" geäußerte (unrichtige) Rechtsauffassung begründet, so dass auch aus diesem Grund von einem Verzicht auf das Beweismittel keine Rede sein kann.
b) Im Übrigen wären selbst im Fall eines in der ersten Instanz erklärten Verzichts der Klägerin auf den Beweisantritt die Voraussetzungen einer Zulassung eines in der Berufungsinstanz erneut gestellten Beweisantrags nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO gegeben gewesen. Denn nach der (unrichtigen) Rechtsauffassung des Landgerichts waren die Mangelhaftigkeit des Pferdes N. und der darauf bezogene Beweisantritt für die von der Klägerin in erster Linie erstrebte Rückabwicklung des Kaufvertrages beziehungsweise die Rückzahlung des Kaufpreises unerheblich und hat dies das Prozessverhalten der Klägerin in der ersten Instanz beeinflusst.
III.
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die nicht entscheidungsreife Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei macht der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.
Dr. Milger |
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Dr. Hessel |
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Dr. Fetzer |
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Dr. Bünger |
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Hoffmann |
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