Entscheidungsdatum: 21.09.2017
Wird der Entrichtungsschuldner von Kapitalertragsteuer im Wege des Nachforderungsbescheids in Anspruch genommen, ist wegen des materiell-rechtlichen Haftungscharakters des Nachforderungsanspruchs der Grundsatz der Akzessorietät der Entrichtungsschuld zur zugrunde liegenden Kapitalertragsteuerschuld des Gläubigers der Kapitalerträge zu beachten. § 174 Abs. 4 Satz 3 AO kann in diesem Fall sowohl zur Unbeachtlichkeit der Festsetzungsverjährung der Entrichtungsschuld als auch zur Unbeachtlichkeit der Festsetzungsverjährung der zugrunde liegenden Kapitalertragsteuerschuld als Primärschuld führen .
Soweit der Feststellungsantrag des Klägers nach Maßgabe der Entscheidungsgründe nicht die im Nachforderungsbescheid vom 13. November 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Februar 2013 festgesetzte Kapitalertragsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag zur Kapitalertragsteuer betrifft, wird die Revision des Klägers als unzulässig verworfen und die Feststellungsklage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen und die Feststellungsklage abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin ...gesellschaft mbH (GmbH), gegen die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) für den "Zeitraum [...].04" wegen einer nicht angemeldeten Sachausschüttung Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag nachfordert.
Die Gesellschafter der GmbH beschlossen am 26. August 2003 die Abspaltung einer Gesamtheit von Vermögenspositionen auf die neu gegründete M-GmbH (§ 123 Abs. 2 Nr. 2 des Umwandlungsgesetzes). Handelsrechtlicher Spaltungsstichtag war der 1. Januar 2003.
Das FA versagte die Fortführung der Buchwerte, da keine Teilbetriebe i.S. des § 15 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Umwandlungssteuergesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 15. Oktober 2002 (BGBl I 2002, 4133) --UmwStG a.F.-- vorlägen. Im Rahmen des gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2002 der GmbH geführten Klageverfahrens bestätigte der Bundesfinanzhof (BFH) das Fehlen von Teilbetrieben und führte zusätzlich aus, die auf die M-GmbH abgespaltenen Wirtschaftsgüter seien als Sachausschüttung an die Gesellschafter der GmbH anzusehen (BFH-Urteil vom 22. Juni 2010 I R 77/09, BFH/NV 2011, 10; nachfolgend Hessisches Finanzgericht --FG--, Urteil vom 20. Juni 2012 4 K 2302/10).
Noch vor Abschluss dieses Klageverfahrens erließ das FA am 1. Dezember 2009 für den "Zeitraum 2003" gegenüber der GmbH einen Bescheid über die Nachforderung der durch die Sachausschüttung entstandenen Kapitalertragsteuer in Höhe von 362.482 € zuzüglich Solidaritätszuschlag in Höhe von 19.936,51 €, d.h. insgesamt 382.418,51 €. Im Rahmen des hiergegen gerichteten Einspruchsverfahrens stellte sich heraus, dass die Abspaltung nicht --wie ursprünglich vom FA angenommen-- im Jahr 2003, sondern erst am ... 2004 in das Handelsregister eingetragen worden war. Daraufhin hob das FA den Nachforderungsbescheid vom 1. Dezember 2009 am 1. November 2012 auf und erließ am 13. November 2012 unter Berufung auf § 174 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) einen neuen Nachforderungsbescheid gegenüber der GmbH für den "Zeitraum [...].04".
Einspruch und Klage gegen diesen Bescheid blieben erfolglos. Das FG urteilte, die Voraussetzungen eines rechtmäßigen Nachforderungsbescheids i.S. des § 167 Abs. 1 Satz 1 AO lägen vor. Die Entscheidung vom 25. Februar 2014 4 K 519/13 ist nicht veröffentlicht.
Durch die misslungene Spaltung sei es zu einer Sachausschüttung und damit zu Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr (2004) geltenden Fassung (EStG) gekommen, die zum Zeitpunkt der Eintragung der Spaltung in das Handelsregister gemäß §§ 43 ff. EStG der Kapitalertragsteuer unterlegen hätte. Für die Berechnung der Bemessungsgrundlage seien unter der Annahme des Fehlens stiller Reserven die Buchwerte der nach der Spaltungsbilanz übertragenen Wirtschaftsgüter (ohne Berücksichtigung einer Reinvestitionsrücklage) maßgebend, d.h. 1.874.359,45 DM (gemeint sind offenbar €). Damit sei die vom FA angenommene Bemessungsgrundlage für die Kapitalertragsteuer in Höhe von 1.812.412 € jedenfalls nicht zu hoch.
Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG seien erfüllt. Ein fehlendes Verschulden habe die GmbH nicht nachgewiesen. Spätestens im Jahr 2009 habe die GmbH aufgrund des Revisionsverfahrens I R 77/09 die Verpflichtung zur Abführung der Kapitalertragsteuer ernsthaft in Betracht ziehen müssen. Dem Nachforderungsbescheid stehe auch nicht die Festsetzungsverjährung entgegen. Zwar sei die Festsetzungsfrist zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Nachforderungsbescheids vom 13. November 2012 abgelaufen gewesen. Dies sei aber gemäß § 174 Abs. 4 Satz 3 AO unbeachtlich. Ob die Einkünfte in den Einkommensteuerbescheiden der Empfänger der Sachausschüttung für das Jahr 2004 berücksichtigt worden seien oder ob diese Bescheide wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht mehr änderbar gewesen seien, könne dahingestellt bleiben, da § 191 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AO auf Nachforderungsbescheide i.S. des § 167 Abs. 1 Satz 1 AO keine Anwendung finde.
Nachdem das Amtsgericht ... (AG) während des beim BFH geführten Verfahrens über die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision (I B 20/14) mit Beschluss vom ... 2014 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet hatte, meldete das FA nach Angaben des Klägers |
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"nicht veranlagte Steuern vom Ertrag iHv |
7.634,25 € |
weitere |
354.441,25 € |
Säumniszuschläge |
28.986,00 € |
Soli |
19.936,51 € |
Säumniszuschläge zum Soli |
1.592,00 € |
insgesamt |
412.590,01 €" |
zur Insolvenztabelle an. Der Kläger hat diese Forderungen bestritten und das Verfahren aufgenommen. |
Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, die Inanspruchnahme der GmbH sei rechtswidrig, da ihr kein grobes Verschulden i.S. des § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG vorzuwerfen sei. Das FG lege einen unzutreffenden Maßstab an, wenn es für die Annahme des groben Verschuldens ausreichen lasse, die Verpflichtung zur Abführung der Kapitalertragsteuer sei "ernsthaft in Betracht" gekommen. Vielmehr scheide im Streitfall ein grobes Verschulden bereits deshalb aus, weil auch das FA und das FG im Verfahren 4 K 1552/07 (Vorinstanz zum BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 10) zunächst nicht von einer Sachausschüttung aufgrund der Abspaltung ausgegangen seien.
Darüber hinaus verletze das FG-Urteil § 191 Abs. 5 Satz 1 AO. Denn zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Nachforderungsbescheids vom 13. November 2012 sei bei den Empfängern der Sachausschüttung, die Schuldner der Kapitalertragsteuer seien, Festsetzungsverjährung eingetreten. § 191 Abs. 5 Satz 1 AO sei auf Nachforderungsbescheide i.S. des § 167 Abs. 1 Satz 1 AO anwendbar. Die entgegengesetzte Auffassung des FG stehe im Widerspruch zum BFH-Urteil vom 13. Dezember 2011 II R 52/09 (BFH/NV 2012, 695).
Unter Berücksichtigung der während des Verfahrens durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die Anmeldung der streitgegenständlichen Forderungen durch das FA zur Insolvenztabelle, den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers und die Aufnahme des Rechtsstreits geänderten Prozesssituation beantragt der Kläger sinngemäß,
die Vorentscheidung sowie den Bescheid vom 13. November 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Februar 2013 aufzuheben und festzustellen, dass der Widerspruch gegen die vom FA im Insolvenzverfahren des AG zur Tabelle angemeldeten Forderungen über Kapitalertragsteuer, Solidaritätszuschlag und Nebenleistungen berechtigt ist und diese Forderungen nicht bestehen.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
1. Die Revision und die Insolvenzfeststellungsklage sind teilweise unzulässig. Zwar durfte der Kläger den Rechtsstreit aufnehmen (s. nachfolgend unter a). Sein Antrag ist jedoch unzulässig, soweit sich der Widerspruch des Klägers auf Forderungen erstreckt, die nicht Gegenstand des Klageverfahrens beim FG waren (s. nachfolgend unter b). Insoweit ist die Revision als unzulässig zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
a) Die Aufnahme des nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Rechtsstreits (§ 155 FGO i.V.m. § 240 Satz 1 der Zivilprozessordnung) durch den Kläger war zulässig.
Die Anfechtungsklage der GmbH gegen den auf Zahlung gerichteten, noch nicht erfüllten Nachforderungsbescheid ist als Passivprozess einzuordnen, da es um die Pflicht zu einer Leistung aus der Masse geht (vgl. BFH-Beschluss vom 9. März 2016 III B 103/15, BFH/NV 2016, 1065).
Macht das Finanzamt --wie im Streitfall-- einen Steuer- oder Haftungsanspruch als Insolvenzforderung geltend und hat der Insolvenzverwalter im Prüfungstermin der angemeldeten Forderung widersprochen, ergibt sich die Befugnis zur Aufnahme des Rechtsstreits durch den Insolvenzverwalter aus § 87 der Insolvenzordnung (InsO) i.V.m. §§ 179 Abs. 2, 180 Abs. 2 InsO (vgl. BFH-Urteil vom 7. März 2006 VII R 11/05, BFHE 212, 11, BStBl II 2006, 573; BFH-Beschluss in BFH/NV 2016, 1065).
b) Die Revision und die Insolvenzfeststellungsklage sind unzulässig, soweit der Antrag des Klägers über die im angefochtenen Nachforderungsbescheid vom 13. November 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Februar 2013 festgesetzte Kapitalertragsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag hinausgeht. Der weiter gehende Antrag führt zu einer im Revisionsverfahren unzulässigen Klageänderung (§ 123 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Gemäß § 115 Abs. 1 FGO richtet sich die Revision nur gegen das Urteil des FG. Infolge der geänderten Prozesssituation nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Aufnahme der Klage durch den Kläger war zwar grundsätzlich die Umstellung auf einen Feststellungsantrag zulässig und geboten, da sich der Rechtsstreit von einer Anfechtungsklage in ein Insolvenzfeststellungsverfahren gewandelt hat (Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 251 AO Rz 53a; Koenig/ Fritsch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 251 Rz 34; vgl. auch BFH-Urteil vom 13. November 2007 VII R 61/06, BFHE 220, 289, BStBl II 2008, 790, zur Aufnahme durch das Finanzamt). Soweit sich der Feststellungsantrag des Klägers auf Forderungen bezieht, die vom FA zur Insolvenztabelle angemeldet worden sind, ohne zuvor Gegenstand der finanzgerichtlichen Anfechtungsklage gewesen zu sein, liegt aber eine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung vor (§ 123 Abs. 1 Satz 1 FGO), die auch die Insolvenzfeststellungsklage erfasst.
Dies betrifft die vom FA zur Insolvenztabelle angemeldeten Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 30.578 €. Diese Säumniszuschläge waren nicht Gegenstand der vom FG entschiedenen Anfechtungsklage. Trotzdem hat der Kläger seinen Feststellungsantrag auch auf "Nebenleistungen" und damit auf die angemeldeten Säumniszuschläge ausgedehnt (§ 3 Abs. 4 AO).
Dagegen ist der Feststellungsantrag des Klägers nicht zu beanstanden, soweit er auf "Kapitalertragsteuer" und "Solidaritätszuschlag" Bezug nimmt. Denn der zur Insolvenztabelle angemeldete Solidaritätszuschlag in Höhe von 19.936,51 € entspricht demjenigen Betrag, den das FA in dem beim FG angegriffenen Nachforderungsbescheid vom 13. November 2012 als Solidaritätszuschlag geltend gemacht hat. Hinsichtlich der Kapitalertragsteuer besteht zwar keine vollständige Identität zwischen Nachforderungsbetrag und angemeldeten Forderungen. Unter Berücksichtigung der Revisionsbegründung ist der Feststellungsantrag aber zu Gunsten des Klägers dahin auszulegen, dass die angemeldeten Forderungen für "nicht veranlagte Steuern vom Ertrag iHv 7.634,25 €" und "weitere 354.441,25 €" nur insoweit Gegenstand des Feststellungsantrags sind, als sie sich auf die im angegriffenen Nachforderungsbescheid geltend gemachte Kapitalertragsteuer beziehen.
2. Soweit die Revision und die Insolvenzfeststellungsklage zulässig sind, sind sie unbegründet. Die Revision ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO) und die Insolvenzfeststellungsklage abzuweisen.
Die vom FA zur Tabelle angemeldeten Forderungen über Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag zur Kapitalertragsteuer sind berechtigt, da der zugrunde liegende Nachforderungsbescheid vom 13. November 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Februar 2013 rechtmäßig ist. Das FA durfte die GmbH als Schuldnerin der Kapitalerträge und Entrichtungsschuldnerin der hierauf anfallenden Kapitalertragsteuer gemäß § 174 Abs. 4 AO i.V.m. § 167 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 AO und §§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 44 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 EStG in Anspruch nehmen.
a) Ist aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, den die Finanzbehörde aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen zu dessen Gunsten aufgehoben oder geändert hat, können nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO aus dem Sachverhalt durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids nachträglich die richtigen steuerlichen Folgen gezogen werden. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.
b) Der Anwendungsbereich des (nur) für Steuerbescheide geltenden § 174 Abs. 4 Satz 1 AO ist grundsätzlich eröffnet. Zwar sind allein die Gläubiger der Kapitalerträge Schuldner der Kapitalertragsteuer (§ 44 Abs. 1 Satz 1 EStG). Der an die GmbH als Schuldnerin der Kapitalerträge und Entrichtungsschuldnerin der Kapitalertragsteuer (§ 44 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 EStG) gerichtete Nachforderungsbescheid i.S. des § 167 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 AO ist aber trotzdem formal ein die Entrichtungsschuld betreffender Steuerbescheid i.S. des § 155 Abs. 1 Satz 1 AO und kein Haftungsbescheid i.S. des § 191 AO (BFH-Urteil vom 13. September 2000 I R 61/99, BFHE 193, 286, BStBl II 2001, 67; vgl. auch BFH-Urteil vom 8. April 2014 I R 51/12, BFHE 246, 7, BStBl II 2014, 982).
c) Das FG ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass der ursprüngliche Nachforderungsbescheid vom 1. Dezember 2009 aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ergangen ist. Das FA hat diesen Bescheid deshalb zu Recht im Rahmen des gegen ihn geführten Rechtsbehelfsverfahrens aufgehoben.
aa) Die irrige Beurteilung eines Sachverhalts i.S. des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO liegt vor, wenn sie sich nachträglich als unrichtig erweist. Dabei ist es unerheblich, ob der für die rechtsirrige Beurteilung ursächliche Fehler im Tatsächlichen oder im Rechtlichen liegt (BFH-Urteil vom 25. Oktober 2016 X R 31/14, BFHE 255, 399, BStBl II 2017, 287, Rz 15, m.w.N.). Der maßgebliche Sachverhalt, der sowohl dem Ausgangs- als auch dem Folgebescheid zugrunde liegen muss, bezieht sich dabei auf den einzelnen Lebensvorgang, an den das Gesetz die steuerlichen Folgen knüpft; er ist nicht auf einzelne steuererhebliche Tatsachen oder einzelne Merkmale beschränkt, sondern erfasst den einheitlichen, für die Besteuerung maßgeblichen Sachverhaltskomplex (Senatsurteil vom 2. Mai 2001 VIII R 44/00, BFHE 195, 14, BStBl II 2001, 562; vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 246, 7, BStBl II 2014, 982, m.w.N.).
bb) Nach diesen Grundsätzen lag in der ursprünglichen Annahme des FA, für das Jahr 2003 sei als Folge einer im Jahr 2003 in das Handelsregister eingetragenen Abspaltung Kapitalertragsteuer festzusetzen, eine irrige Beurteilung des zugrunde liegenden Sachverhalts. Denn tatsächlich wurde die Abspaltung erst am ... 2004 in das Handelsregister eingetragen. Die festzusetzende Kapitalertragsteuer war deshalb ebenfalls erst im Jahr 2004 entstanden.
(1) Da sowohl das bei der GmbH verbleibende Vermögen als auch das auf die M-GmbH abgespaltene Vermögen nicht die Voraussetzungen eines Teilbetriebs i.S. des § 15 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UmwStG a.F. erfüllten, führte die Abspaltung zu einer Sachausschüttung (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 10, m.w.N.). Diese Sachausschüttung war ein sonstiger Bezug i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, für den gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Kapitalertragsteuer anfiel. Dass die Sachausschüttung ganz oder teilweise eine nicht steuerbare Kapitalrückzahlung darstellen könnte (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 bzw. Nr. 2 Satz 2 EStG; vgl. auch BFH-Urteil vom 20. Oktober 2010 I R 117/08, BFHE 232, 15), ist weder vom Kläger vorgetragen noch aus den tatsächlichen Feststellungen des FG ersichtlich.
(2) Maßgeblicher Stichtag für das Entstehen der Kapitalertragsteuer war der Zeitpunkt der Eintragung der Spaltung in das Handelsregister am ... 2004.
Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 EStG entsteht die Kapitalertragsteuer in dem Zeitpunkt, in dem die Kapitalerträge dem Gläubiger zufließen. Im Fall der Sachausschüttung als Folge einer Abspaltung, die nicht die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UmwStG a.F. erfüllt, kommt es zum Zeitpunkt der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Abspaltung, d.h. mit Eintragung der Spaltung in das Handelsregister, zu einem tatsächlichen Zufluss beim Gläubiger der Kapitalerträge (BFH-Urteil vom 7. April 2010 I R 96/08, BFHE 229, 179, BStBl II 2011, 467). Die Sondervorschrift des § 44 Abs. 2 EStG, der für Dividenden auf den im Ausschüttungsbeschluss genannten Zeitpunkt abstellt, ist im Streitfall nicht anwendbar, da der Spaltungsbeschluss nicht mit einem Ausschüttungsbeschluss gleichgesetzt werden kann. Dies folgt bereits daraus, dass die Annahme einer Sachausschüttung als Folge einer nicht die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UmwStG a.F. erfüllenden Spaltung nicht von dem Ausweis eines ausschüttbaren Gewinns in der Spaltungsbilanz abhängt.
Darüber hinaus kommt im Streitfall auch keine Rückwirkung des Entstehens der Kapitalertragsteuerschuld auf den steuerlichen Übertragungsstichtag 31. Dezember 2002 gemäß § 2 Abs. 1 UmwStG a.F. in Betracht. Zwar ist diese Vorschrift auch bei Spaltungsvorgängen anwendbar, bei denen --wie im Streitfall-- nicht die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UmwStG a.F. erfüllt sind. Sie regelt nach Wortlaut und Zweck aber nur die Ermittlung des Einkommens und des Vermögens der übertragenden sowie der übernehmenden Körperschaft und nicht die Ebene der Gesellschafter (BFH-Urteil in BFHE 229, 179, BStBl II 2011, 467, m.w.N.). Damit hat sie keine Auswirkung auf den Zeitpunkt des Zuflusses beim Gläubiger der Kapitalerträge (§ 44 Abs. 1 Satz 2 EStG).
cc) Das FA hat seinen Irrtum über den Zeitpunkt der Eintragung der Spaltung in das Handelsregister und den daraus folgenden Irrtum über den Zeitpunkt der Entstehung der Kapitalertragsteuer im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens gegen den ursprünglichen Nachforderungsbescheid vom 1. Dezember 2009 erkannt und diesen zu Recht durch Bescheid vom 1. November 2012 aufgehoben. Der Rechtswidrigkeit des aufgehobenen Bescheids vom 1. Dezember 2009 stand auch nicht entgegen, dass die Kapitalertragsteuer sachverhaltsbezogen und nicht zeitraumbezogen festzusetzen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 246, 7, BStBl II 2014, 982, m.w.N.). Denn die sachverhaltsbezogene Festsetzung änderte nichts an der irrigen Beurteilung des Zeitpunkts des Entstehens der Kapitalertragsteuer, die zur Rechtswidrigkeit des Bescheids führte.
d) Durch Erlass des Nachforderungsbescheids vom 13. November 2012 hat das FA gemäß § 174 Abs. 4 Satz 1 AO aus demselben Sachverhaltskomplex --d.h. der durch den Spaltungsvorgang ausgelösten Sachausschüttung-- die zutreffenden kapitalertragsteuerlichen Folgerungen gezogen.
aa) Wie bereits dargelegt, ist zum Zeitpunkt der Eintragung der Spaltung in das Handelsregister am ... 2004 für die dadurch verursachte Sachausschüttung Kapitalertragsteuer entstanden.
bb) Die GmbH als Schuldnerin der Sachausschüttung und Entrichtungsschuldnerin der Kapitalertragsteuer hatte die Kapitalertragsteuer anzumelden, einzubehalten und abzuführen (§§ 44 Abs. 1 Sätze 3 bis 5, 45a EStG). Diese Verpflichtungen hat sie unstreitig nicht erfüllt. Das FA konnte die GmbH deshalb für die angefallene Kapitalertragsteuer im Wege des Nachforderungsbescheids in Anspruch nehmen.
§ 167 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 AO begründet nach ständiger Rechtsprechung ein Wahlrecht der Finanzbehörde, den Entrichtungsschuldner der Kapitalertragsteuer entweder durch Haftungsbescheid gemäß § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG oder durch Steuerbescheid (Nachforderungsbescheid) in Anspruch zu nehmen, sofern er seine Anmeldepflicht nicht erfüllt hat (BFH-Urteile in BFHE 193, 286, BStBl II 2001, 67; vom 20. August 2008 I R 29/07, BFHE 222, 500, BStBl II 2010, 142; vgl. auch BFH-Urteile vom 19. Dezember 2012 I R 81/11, BFH/NV 2013, 698; in BFH/NV 2012, 695). Die Wahl des Verfahrens muss nicht begründet werden (BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 698, m.w.N.).
cc) Der Rechtmäßigkeit des Nachforderungsbescheids vom 13. November 2012 steht auch keine Exkulpation gemäß § 44 Abs. 5 Satz 1 letzter Halbsatz EStG entgegen. Die Würdigung des FG, der GmbH sei eine Exkulpation nicht gelungen, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
(1) Um zu vermeiden, dass es durch die Wahl des Verwaltungsverfahrens zu einer "Eingriffsverschärfung" gegenüber dem Entrichtungsschuldner kommt, ist der materiell-rechtliche Kern der Nachforderung zu beachten: Der Erlass eines Nachforderungsbescheids ändert nichts daran, dass es sich materiell-rechtlich um die Geltendmachung eines Haftungsanspruchs handelt. Die Steuerfestsetzung gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 AO i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 AO erfasst damit denjenigen, der die Steuer als Entrichtungssteuerschuldner nicht angemeldet hat, gerade in seiner Funktion als Haftungsschuldner. Dies hat zur Folge, dass auch im Fall des Nachforderungsbescheids, d.h. bei Geltendmachung des Anspruchs auf Entrichtung der Kapitalertragsteuer durch Steuerbescheid statt durch Haftungsbescheid, die tatbestandlichen Erfordernisse des § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG zu beachten sind (grundlegend BFH-Urteil in BFHE 193, 286, BStBl II 2001, 67; vgl. auch BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 698).
Hierzu gehört insbesondere die Exkulpationsmöglichkeit des Steuerpflichtigen gemäß § 44 Abs. 5 Satz 1 letzter Halbsatz EStG (BFH-Urteile in BFHE 193, 286, BStBl II 2001, 67, und in BFHE 222, 500, BStBl II 2010, 142). Besondere Ermessenserwägungen sind dagegen nicht erforderlich (BFH-Urteil in BFHE 193, 286, BStBl II 2001, 67; vgl. auch BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 698, und BFH-Beschluss vom 18. März 2009 I B 210/08, BFH/NV 2009, 1237, jeweils m.w.N.).
(2) Die Exkulpation gemäß § 44 Abs. 5 Satz 1 letzter Halbsatz EStG setzt den Nachweis voraus, dass der Entrichtungsschuldner die ihm auferlegten Pflichten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. Ein solcher Nachweis ist im Streitfall nicht erbracht worden.
Ob --wie vom FG angenommen-- die Exkulpation auch dann zu versagen ist, wenn dem Steuerpflichtigen zwar nicht zum Zeitpunkt des Entstehens der Kapitalertragsteuer und der gesetzlichen Anmeldepflicht, sondern später --im Streitfall eventuell aufgrund der Hinweise im Revisionsverfahren gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2002-- grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann, braucht danach nicht abschließend entschieden zu werden. Ebenso ist der konkrete Maßstab der groben Fahrlässigkeit im Rahmen der Anmeldung, des Einbehalts und der Abführung von Kapitalertragsteuer nicht abschließend zu bestimmen (vgl. hierzu BFH-Urteile in BFHE 222, 500, BStBl II 2010, 142; vom 17. Februar 2010 I R 85/08, BFHE 229, 114, BStBl II 2011, 758; vom 3. November 2010 I R 98/09, BFHE 232, 22, BStBl II 2011, 417).
Denn im Streitfall fehlt bereits eine substantiierte Darlegung, weshalb die Vertreter der GmbH bzw. deren steuerliche Berater nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig handelten, als sie verkannten, dass die Abspaltung zu einer kapitalertragsteuerpflichtigen Sachausschüttung führte. Der pauschale Hinweis darauf, auch das FA habe im Rahmen der Betriebsprüfung und das FG im Rahmen des ersten Rechtsgangs im Klageverfahren gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2002 keine Sachausschüttung angenommen, reicht für eine Exkulpation nicht aus. Vielmehr hätte zumindest dargelegt werden müssen, dass ausreichende Vorkehrungen getroffen wurden, um sicherzustellen, die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UmwStG a.F. zu erfüllen und dadurch eine Sachausschüttung zu vermeiden.
dd) Der Rechtmäßigkeit des Nachforderungsbescheids vom 13. November 2012 steht im Ergebnis auch nicht entgegen, dass die der Entrichtungsschuld der GmbH zugrunde liegende Kapitalertragsteuerschuld der Gläubiger der Sachausschüttung im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids festsetzungsverjährt war.
(1) Nach Auffassung des Senats ist der für Haftungsansprüche geltende Grundsatz der Akzessorietät der Haftungsschuld zur zugrunde liegenden Steuerschuld (Primärschuld) auch bei Inanspruchnahme des Entrichtungsschuldners der Kapitalertragsteuer durch Nachforderungsbescheid zu beachten. Zwar gilt § 191 Abs. 5 AO, der Ausdruck dieser Akzessorietät ist (BFH-Beschluss vom 11. Juli 2001 VII R 29/99, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2002, 277), nur für Haftungs- und nicht für Steuerbescheide. Im Fall eines Nachforderungsbescheids für Kapitalertragsteuer ist der Grundsatz der Akzessorietät aber sinngemäß anzuwenden. Dies folgt --ebenso wie die Möglichkeit der Exkulpation-- aus dem materiell-rechtlichen Haftungscharakter des Nachforderungsanspruchs, der zur Berücksichtigung der tatbestandlichen Erfordernisse des § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG und damit auch des für diese Haftungsnorm geltenden Grundsatzes der Akzessorietät führt.
Im Übrigen ist auch für den Bereich anderer Abzugssteuern anerkannt, dass bei Erlass eines Nachforderungsbescheids die Steuerschuld, für die (materiell) gehaftet werden soll, entstanden sein muss und noch bestehen muss (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2012, 695, und vom 13. Dezember 2011 II R 26/10, BFHE 236, 212, BStBl II 2013, 596, zur Versicherungssteuer). Es sind keine Umstände erkennbar, die es abweichend von dieser Rechtsprechung rechtfertigen könnten, für die Nachforderung von Kapitalertragsteuer das Entstehen oder Erlöschen der Primärschuld im Zeitpunkt des Erlasses eines Nachforderungsbescheids als unbeachtlich anzusehen.
(2) Die zugrunde liegende Steuerschuld (Primärschuld), auf die es im Rahmen der Akzessorietät ankommt, ist vorliegend die Kapitalertragsteuerschuld der Gläubiger der Sachausschüttung. Die Steuer, für die im Wege des Nachforderungsbescheids materiell gehaftet wird, ist nicht die Einkommensteuer des Empfängers der Ausschüttung. Insofern ist die zur Lohnsteuer ergangene Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteil vom 6. März 2008 VI R 5/05, BFHE 220, 307, BStBl II 2008, 597; BFH-Beschluss vom 17. März 2016 VI R 3/15, BFH/NV 2016, 994) auf die Kapitalertragsteuer zu übertragen (im Ergebnis wohl auch Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 44 Rz F 62), und zwar auch für den im Streitfall maßgebenden Zeitraum vor Einführung der Abgeltungsteuer, die durch § 43 Abs. 5 EStG n.F. und § 32d Abs. 4 EStG n.F. zu einer grundsätzlichen Abkopplung der Kapitalertragsteuer von der Einkommensteuerveranlagung geführt hat (differenzierend dagegen Blümich/Lindberg, § 44 EStG Rz 31 f.).
Die hiergegen geäußerte Kritik, die Kapitalertragsteuer sei nur eine besondere Erhebungsform der Einkommensteuer und die isolierte Betrachtung der Kapitalertragsteuerschuld könne dazu führen, eine bestandskräftige Einkommensteuerfestsetzung durch ein vom Wesen her vorläufiges Verfahren zu unterlaufen (Blümich/Lindberg, § 44 EStG Rz 32; Geurts in Bordewin/Brandt, § 44 EStG Rz 84a), greift nach Auffassung des erkennenden Senats jedenfalls nicht in denjenigen Fällen durch, in denen es --wie im Streitfall-- um die Nachforderung von Kapitalertragsteuer gegenüber dem Entrichtungsschuldner geht. Der Ausschluss der Kapitalertragsteuernachforderung wegen Festsetzungsverjährung der Einkommensteuer würde hier dem Sinn und Zweck des Steuerabzugsverfahrens widersprechen, der --auch im Hinblick auf mögliche Pflichtverletzungen der Gläubiger der Kapitalerträge-- in der Gewährleistung einer materiell gesetzmäßigen Besteuerung liegt (BFH-Urteil vom 15. Dezember 2004 I R 42/04, BFH/NV 2005, 1073; zum Sinn und Zweck des Steuerabzugsverfahrens gemäß § 50a EStG vgl. auch BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 698).
(3) Die mit der Eintragung der Spaltung entstandene Kapitalertragsteuerschuld war zum Zeitpunkt des Erlasses des Nachforderungsbescheids vom 13. November 2012 festsetzungsverjährt.
Die Verletzung der Anmeldepflicht des § 45a Abs. 1 EStG durch die GmbH führte nicht nur für die Entrichtungsschuld der GmbH (§ 44 Abs. 1 Sätze 3 und 5 EStG), sondern auch für die Kapitalertragsteuerschuld der Gläubiger der Sachausschüttung (§ 44 Abs. 1 Satz 1 EStG) zu einer Anlaufhemmung gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO (BFH-Urteil vom 29. Januar 2003 I R 10/02, BFHE 202, 1, BStBl II 2003, 687, m.w.N.: Zweifel im BFH-Beschluss vom 14. Juli 1999 I B 151/98, BFHE 190, 1, BStBl II 2001, 556 damit überholt; zur parallelen Problematik bei der Lohnsteueranmeldung vgl. BFH-Urteile in BFHE 220, 307, BStBl II 2008, 597, und in BFHE 238, 408, BStBl II 2013, 190). Damit begann die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) im Streitfall mit Ablauf des Jahres 2007 und endete mit Ablauf des Jahres 2011, d.h. vor Erlass des Nachforderungsbescheids vom 13. November 2012.
(4) Eine Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist für die Primärschuld gemäß § 171 Abs. 15 AO bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung der Entrichtungsschuld kommt nicht in Betracht. Diese Regelung ist im Streitfall nicht anwendbar.
§ 171 Abs. 15 AO soll einen Gleichlauf der Festsetzungsfristen beim Entrichtungs- und beim Steuerschuldner gewährleisten (vgl. BTDrucks 17/10604, S. 35). Nach der Anwendungsvorschrift des Art. 97 § 10 Abs. 11 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung gilt die Regelung aber nur für alle am 30. Juni 2013 noch nicht abgelaufenen Festsetzungsfristen. Dies bedeutet, dass sowohl die Festsetzungsfrist für die Entrichtungsschuld als auch die Festsetzungsfrist für die Steuerschuld am 30. Juni 2013 noch nicht abgelaufen sein durften. Hinsichtlich der Kapitalertragsteuerschuld war im Streitfall jedoch zum Ablauf des Jahres 2011 und damit vor dem Stichtag 30. Juni 2013 Festsetzungsverjährung eingetreten. Diese bereits abgelaufene Festsetzungsfrist konnte durch Einführung des § 171 Abs. 15 AO nicht wieder aufleben (vgl. auch Senatsurteil vom 16. Dezember 2014 VIII R 30/12, BFHE 248, 325, BStBl II 2015, 858).
(5) Der Ablauf der Festsetzungsfrist der Primärschuld ist aber im Streitfall gemäß § 174 Abs. 4 Satz 3 AO unbeachtlich. Denn der Nachforderungsbescheid vom 13. November 2012 ist innerhalb eines Jahres nach Aufhebung des ursprünglichen Nachforderungsbescheids vom 1. Dezember 2009 ergangen. Zum Zeitpunkt des Erlasses dieses ursprünglichen Nachforderungsbescheids war noch keine Festsetzungsverjährung der Primärschuld eingetreten (§ 174 Abs. 4 Satz 4 AO).
Nach dem Sinn und Zweck des § 174 Abs. 4 Satz 3 AO, für den einheitlichen Sachverhaltskomplex i.S. des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO eine umfassende Korrektur ungeachtet der Festsetzungsverjährung zu ermöglichen, ist in der spezifischen Situation des Nachforderungsbescheids nicht nur die für die Entrichtungsschuld abgelaufene Festsetzungsfrist, sondern auch die Festsetzungsverjährung der zugrunde liegenden Kapitalertragsteuerschuld der Gläubiger der Kapitalerträge (Primärschuld) unbeachtlich. Die für Steuerbescheide geltende Vorschrift des § 174 Abs. 4 AO zielt zwar in erster Linie auf die Adressaten dieses Steuerbescheids und die für deren festgesetzte Steuer geltende "einfache" Festsetzungsfrist. Wenn aber --wie im Streitfall-- aufgrund des materiellen Haftungscharakters des Nachforderungsanspruchs und der daraus folgenden Akzessorietät zusätzlich zur Festsetzungsfrist der Entrichtungsschuld auch die Festsetzungsfrist der zugrunde liegenden Kapitalertragsteuerschuld (Primärschuld) zu beachten ist, erfordert es der Rechtsgedanke des § 174 Abs. 4 Satz 3 AO, dass auch der Eintritt dieser "zweiten" Festsetzungsverjährung unbeachtlich ist, wenn § 174 Abs. 4 Satz 4 AO nicht entgegensteht. Anderenfalls bliebe unberücksichtigt, dass der Nachforderungsbescheid trotz seines materiellen Haftungscharakters ein Steuerbescheid i.S. des § 155 Abs. 1 Satz 1 AO ist (s. unter II.2.b), auf den die Änderungsnormen der §§ 172 ff. AO uneingeschränkt Anwendung finden.
ee) Schließlich war der Nachforderungsbescheid vom 13. November 2012 auch nicht wegen einer zu diesem Zeitpunkt eingetretenen Festsetzungsverjährung der Entrichtungsschuld der GmbH rechtswidrig. Insoweit greift ebenfalls § 174 Abs. 4 Satz 3 AO.
Die Entrichtungsschuld der GmbH war --ebenso wie die Kapitalertragsteuerschuld der Gläubiger der Sachausschüttung-- zum Zeitpunkt des Erlasses des Nachforderungsbescheids vom 13. November 2012 festsetzungsverjährt. Die Festsetzungsfrist begann wegen der unterlassenen Anmeldung gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO zum Ende des Jahres 2007 und endete regulär nach Ablauf von vier Jahren (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) zum Ende des Jahres 2011. Da das FA den ursprünglichen Nachforderungsbescheid am 1. Dezember 2009 und damit vor Eintritt der Festsetzungsverjährung erlassen hatte, war es jedoch gemäß § 174 Abs. 4 Satz 3 AO befugt, innerhalb eines Jahres nach Aufhebung des ursprünglichen Nachforderungsbescheids vom 1. Dezember 2009 einen neuen Nachforderungsbescheid zu erlassen. Diese Frist hat es durch Erlass des neuen Nachforderungsbescheids vom 13. November 2012 gewahrt. Die zuvor eingetretene Festsetzungsverjährung der Entrichtungsschuld war daher unbeachtlich.