Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 24.06.2014


BGH 24.06.2014 - VI ZR 347/12

Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte: Schadensersatzanspruch eines deutschen Anlegers gegen eine in der Schweiz ansässige Vermögensverwaltung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
24.06.2014
Aktenzeichen:
VI ZR 347/12
Dokumenttyp:
Versäumnisurteil
Vorinstanz:
vorgehend OLG Köln, 13. Juli 2012, Az: 20 U 148/11, Teilurteilvorgehend LG Köln, 12. Mai 2011, Az: 14 O 839/10, Urteil
Zitierte Gesetze
Art 5 Nr 3 VollstrZustÜbk 2007
Art 5 Nr 1 EGV 44/2001
Art 5 Nr 3 EGV 44/2001
§ 32 KredWG
Art 166 S 1 Buchst c IntPRG CHE
Art 175 IntPRG CHE

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Teilurteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 13. Juli 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Vermögensverwaltungsvertrags.

2

Die Beklagte zu 1 ist eine in der Schweiz ansässige Vermögensverwaltung, die in Deutschland nicht über eine Erlaubnis gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG zur Erbringung von Finanzdienstleistungen verfügt. Diese war in erheblichem Umfang in Deutschland tätig und bediente sich zur Akquise deutscher Anleger auch zweier hier ansässiger Call-Center. Das Verfahren gegen sie ist unterbrochen. Der Beklagte zu 2 ist Verwaltungsrat der Beklagten zu 1 und in dieser Funktion deren gesetzliches Vertretungsorgan.

3

Der Kläger wurde nach einem vorausgegangen Anruf durch ein von der Beklagten zu 1 beauftragtes Call-Center am 19. Oktober 2005 unaufgefordert an seinem Arbeitsplatz in Deutschland von einem für die Beklagte zu 1 tätigen Vertriebsmitarbeiter aufgesucht und damit umworben, mit professioneller Hilfe der Beklagten zu 1 Kapital in der Schweiz anzulegen. Aufgrund der Information des Vertriebsmitarbeiters unterzeichnete er an diesem Tag einen Vermögensverwaltungsantrag in Höhe von 50.000 CHF. Er verpflichtete sich zur sofortigen Zahlung einer Auslandsbearbeitungsgebühr in Höhe von 1.700 €, die er an den Vertriebsmitarbeiter leistete. Die Anlagesumme sollte durch ein "Schweizer Vermögensaufbauprogramm" innerhalb von zehn Jahren aufgebaut werden.

4

Mit Schreiben vom 25. Oktober 2005 nahm die Beklagte zu 1 auf die bei ihr eingegangenen Unterlagen Bezug und teilte mit, dass sie sich freue, für den Kläger als schweizerische Vermögensverwaltung tätig zu sein. Am 9. Dezember 2005 unterzeichnete der Kläger einen Anlageauftrag in den Räumlichkeiten der Beklagten zu 1 in Zürich. Ferner unterschrieb er einen ihm von der Beklagten zu 1 präsentierten Antrag auf Abschluss einer Lebensversicherung. Darüber hinaus unterzeichnete der Kläger am 14. Februar 2006 einen Vermögensverwaltungsauftrag, diesmal wieder in Deutschland. Für den Kläger wurde ein Konto bei einer Schweizer Bank eingerichtet. Der vom Kläger gezahlte Betrag von 24.000 € sowie am 23. Januar 2008 gezahlte weitere 3.000 € wurden dem Konto gutgeschrieben.

5

Mit Anwaltsschreiben vom 11. Dezember 2008 kündigte der Kläger sämtliche Verträge mit der Beklagten zu 1 und erklärte diesbezüglich einen Widerruf. Mit Anwaltsschreiben vom 17. Februar 2010 kündigte er ferner die Vertragsbeziehungen mit der Schweizer Bank und die Lebensversicherung. Von dieser erhielt er umgerechnet 11.110,46 € zurück.

6

Das Bezirksgericht Zürich hat am 11. Oktober 2010 eine "definitive Nachlassstundung" von sechs Monaten bezüglich der Beklagten zu 1 gewährt, die bis zum 12. Dezember 2011 verlängert wurde. Den "Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung" vom 7. November 2011, dem der Kläger zugestimmt hatte, bestätigte das Bezirksgericht Zürich unter dem 11. Januar 2012. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

7

Das Landgericht hat die Beklagten zur Rückzahlung der restlichen Anlagebeträge sowie zur Zahlung entgangenen Gewinns und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, jeweils nebst Rechtshängigkeitszinsen, verurteilt. Die dagegen eingelegte Berufung des Beklagten zu 2 hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte zu 2 seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe

I.

8

Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 1 Fall 2 LugÜ II (Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 30. Oktober 2007, ABl. EU L 339 S. 3) bejaht. Auch wenn ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB, § 32 KWG verfolgt werde, sei Art. 15 Abs. 1 LugÜ II anwendbar, weil sich die Klage allgemein auf einen Vertrag beziehe und eine so enge Verbindung hierzu aufweise, dass sie von ihm nicht getrennt werden könne. Dies gelte auch hinsichtlich des Beklagten zu 2. Jedenfalls folge die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aus Art. 5 Nr. 3 LugÜ II, weil der Kläger eine im Inland begangene unerlaubte Handlung des Beklagten zu 2 schlüssig dargelegt habe. Die Anwendbarkeit deutschen Rechts folge aus Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB, da die schädigende Handlung - die Entgegennahme des Antrags durch einen Vertriebsbeauftragten der Beklagten zu 1 - im Inland stattgefunden habe.

9

Der Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten zu 2 ergebe sich aus § 823 Abs. 2 BGB, §§ 32, 54 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 KWG. Die Beklagte zu 1 habe gewerbsmäßig Finanzdienstleistungen in Form einer Finanzportfolioverwaltung gemäß § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG erbracht. Für diese erlaubnispflichtige Tätigkeit habe sie keine Erlaubnis besessen. Der Beklagte zu 2 müsse für die damit gegebene unerlaubte Handlung gemäß § 823 Abs. 2 BGB, § 32 KWG einstehen. Da er als Präsident des Verwaltungsrats leitendes und vertretungsbefugtes Organ der Beklagten zu 1 gewesen sei, habe es ihm oblegen, dafür Sorge zu tragen, dass das Tätigwerden der Gesellschaft in Deutschland mit den dort geltenden rechtlichen Regelungen in Einklang gestanden habe.

10

Dem Anspruch des Klägers gegen den Beklagten zu 2 stehe Art. 303 des Schweizer Gesetzes über die Schuldbetreibung und den Konkurs (SchKG) nicht entgegen. Auf die Rechtsbeziehungen zwischen dem Beklagten zu 2 und dem Kläger finde deutsches Recht Anwendung. Eine Anerkennung der Eröffnung eines ausländischen Insolvenzverfahrens einschließlich dessen Folgewirkungen gemäß § 343 Abs. 1 Satz 1 InsO komme nicht in Betracht, da Art. 303 Abs. 2 SchKG nicht das Insolvenzverfahren als solches betreffe, sondern lediglich die Auswirkungen auf Ansprüche gegen nicht am Insolvenzverfahren beteiligte Personen regle. Die Regelung sei mithin rein zivilrechtlicher Natur.

II.

11

Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

12

Über die Revision ist, da der Kläger im Revisionstermin trotz rechtzeitiger Ladung nicht vertreten war, auf Antrag des Beklagten durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil ist jedoch keine Folge der Säumnis, sondern beruht auf einer Sachprüfung (vgl. nur Senatsurteil vom 30. September 2003 - VI ZR 438/02, BGHZ 156, 216, 217 mwN).

13

1. Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die auch im Revisionsrechtszug von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. Senatsurteile vom 2. März 2010 - VI ZR 23/09, BGHZ 184, 313 Rn. 7; vom 31. Mai 2011 - VI ZR 154/10, BGHZ 190, 28 Rn. 16; jeweils mwN), für die gegen den Beklagten zu 2 gerichtete Klage bejaht.

14

a) Maßgebend ist insoweit das Lugano-Übereinkommen II. Gemäß Art. 63 Abs. 1 LugÜ II sind die Vorschriften dieses Übereinkommens auf Klagen anzuwenden, die erhoben worden sind, nachdem dieses Übereinkommen im Ursprungsstaat in Kraft getreten ist. Das Übereinkommen ist für die Europäische Gemeinschaft am 1. Januar 2010 in Kraft getreten (BGBl. I 2009 S. 2862; vgl. Senatsurteile vom 31. Mai 2011 - VI ZR 154/10, aaO Rn. 16; vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 14/11, WM 2012, 852 Rn. 15; vom 23. Oktober 2012 - VI ZR 260/11, BGHZ 195, 166 Rn. 7). Im Streitfall ging die Klage im Oktober 2010 bei Gericht ein.

15

Das Übereinkommen findet gemäß Art. 64 Abs. 2 Buchst. a LugÜ II mit Vorrang vor dem nationalen Prozessrecht Anwendung (vgl. Senatsurteil vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 14/11, aaO Rn. 16 mwN; vgl. auch zu Art. 54b Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 16. September 1988 (BGBl. II 1994 S. 2660, nachfolgend: LugÜ I) Senatsurteile vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 159/09, BGHZ 187, 156 Rn. 9; vom 31. Mai 2011 - VI ZR 154/10, aaO; jeweils mwN).

16

Die Unterzeichnerstaaten haben sich zu einer möglichst einheitlichen Auslegung der Bestimmungen verpflichtet (vgl. Präambel und Art. 1 Protokoll 2 nach Art. 75 LugÜ II über die einheitliche Auslegung des Übereinkommens und den ständigen Ausschuss, Abl. EU 2007 L 339 S. 27). Daher ist zu beachten, dass die im Übereinkommen verwendeten Begriffe grundsätzlich autonom, d.h. ohne Rückgriff auf die lex fori oder lex causae auszulegen sind, wobei in erster Linie die Systematik und die Zielsetzung des Übereinkommens zu berücksichtigen sind, um die einheitliche Anwendung des Übereinkommens in allen Vertragsstaaten zu gewährleisten; dies gilt insbesondere für die Begriffe des "Vertrags" in Art. 5 Nr. 1 Buchst. a LugÜ II und der "unerlaubten Handlung" in Art. 5 Nr. 3 LugÜ II (vgl. Senatsurteil vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 14/11, aaO Rn. 17 mwN; vgl. auch zum LugÜ I Senatsurteile vom 27. Mai 2008 - VI ZR 69/07, BGHZ 176, 342 Rn. 11; vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 159/09, aaO Rn. 13; vom 31. Mai 2011 - VI ZR 154/10, aaO Rn. 17, 31; jeweils mwN).

17

b) Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt, wie vom Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend gesehen, aus Art. 5 Nr. 3 LugÜ II.

18

aa) Danach ist eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte begründet, wenn der Kläger die erforderlichen Tatsachen für eine im Inland begangene unerlaubte oder dieser gleichgestellten Handlung des Beklagten schlüssig behauptet (vgl. zu Art. 5 Nr. 3 LugÜ I Senat, Urteile vom 27. Mai 2008 - VI ZR 69/07, aaO; vom 6. November 2007 - VI ZR 34/07, VersR 2008, 1129 Rn. 14; jeweils mwN; zu Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EG 2001 L 12 S. 1, nachfolgend: EuGVVO): BGH, Urteile vom 13. Juli 2010 - XI ZR 57/08, ZIP 2010, 2004 Rn. 19 und - XI ZR 28/09, WM 2010, 1590 Rn. 21; vom 12. Oktober 2010 - XI ZR 394/08, WM 2010, 2214 Rn. 21; vom 15. November 2011 - XI ZR 54/09, BKR 2012, 78 Rn. 21; vom 12. Dezember 2013 - I ZR 131/12, WRP 2014, 548 Rn. 17; jeweils mwN). Entgegen der Auffassung der Revision muss vom Kläger nicht eine unerlaubte Handlung im Sinne des deutschen Deliktsrechts schlüssig vorgetragen werden. Vielmehr kommt es auf den schlüssigen Vortrag einer unerlaubten Handlung im Sinne der autonom auszulegenden Vorschrift des Art. 5 Nr. 3 LugÜ II an (so zu Art. 5 Nr. 3 LugÜ I Senat, Urteil vom 6. November 2007 - VI ZR 34/07, aaO Rn. 20; vgl. zu Art. 5 Nr. 3 EuGVVO EuGH, Urteil vom 19. April 2012 - C-523/10, GRUR 2012, 654 Rn. 26 f. - Wintersteiger; BGH, Urteile vom 12. Dezember 2013 - I ZR 131/12, aaO; zu Art. 5 Nr. 3 des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil-und Handelssachen vom 27. September 1968 - BGBl. II 1972 S. 774, im Folgenden: EuGVÜ - bereits EuGH, vom 27. Oktober 1998 - C-51/97, Slg. 1998, I-6511 Rn. 22 ff. - Réunion Européenne u.a.).

19

bb) Für die Auslegung der Lugano Übereinkommen I und II gelten im Wesentlichen dieselben Auslegungsgrundsätze wie für die Auslegung des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (EuGVÜ) und der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO). Nach der gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (zukünftig: Gerichtshof) beziehen sich die Begriffe "unerlaubte Handlung" und "Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist" im gleichlautenden Art. 5 Nr. 3 EuGVVO auf jede Klage, mit der eine Schadenshaftung geltend gemacht wird und die nicht an einen Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 EuGVVO anknüpft (vgl. EuGH, Urteile vom 18. Juli 2013 - C-147/12, RIW 2013, 617 Rn. 32 - ÖFAB; vom 13. März 2014 - C-548/12, ZIP 2014, 843 Rn. 20 - Brogsitter; jeweils mwN; ebenso zu Art. 5 Nr. 3 LugÜ I Senat, Urteile vom 27. Mai 2008 - VI ZR 69/07, aaO; vom 31. Mai 2011 - VI ZR 154/10, aaO Rn. 32; jeweils mwN; zu Art. 5 Nr. 3 EuG-VVO Senat, Urteil vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, VersR 2012, 994 Rn. 13; BGH, Urteile vom 24. Oktober 2005 - II ZR 329/03, NJW 2006, 689 Rn. 6; vom 13. Juli 2010 - XI ZR 57/08, aaO Rn. 21 mwN, und - XI ZR 28/09, aaO Rn. 23 mwN; vom 12. Oktober 2010 - XI ZR 394/08, aaO Rn. 23 mwN; vom 15. November 2011 - XI ZR 54/09, aaO Rn. 23 mwN; vom 29. Januar 2013 - KZR 8/10, GRUR-RR 2013, 228 Rn. 12 mwN). Außerdem muss zwischen dem geltend gemachten Schaden und dem ihm zugrunde liegenden Ereignis ein ursächlicher Zusammenhang feststellbar sein (EuGH, Urteile vom 18. Juli 2013 - C-147/12, aaO Rn. 34; vom 16. Juli 2009 - C-189/08, Slg. 2009, I-6917 Rn. 28 - Zuid-Chemie; jeweils mwN).

20

cc) Eine derartige unerlaubte Handlung macht der Kläger geltend. Er nimmt den Beklagten zu 2 mit der Begründung in Anspruch, dieser habe als Organ seiner Vertragspartnerin - der Beklagten zu 1 - eine unerlaubte Handlung begangen, weil er wusste oder zumindest hätte wissen müssen, dass die von der Beklagten zu 1 angebotenen Finanzdienstleistungen in Deutschland erlaubnispflichtig waren. Er habe den rechtswidrigen Kundenfang in Deutschland bewusst mitverantwortet und durch den Einsatz von Call-Centern und Vertriebsbeauftragten in Deutschland forciert. Dadurch, namentlich durch ein persönliches Beratungsgespräch eines Vertriebsmitarbeiters der Beklagten zu 1 am Arbeitsplatz des Klägers, sei es in rechtswidriger Weise zum Vertragsabschluss mit dem Kläger gekommen.

21

dd) Im Streitfall knüpft die Klage nicht an einen Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 Buchst. a LugÜ II an.

22

(1) Zwar hat der erkennende Senat auf § 823 Abs. 2 BGB, § 32 KWG gestützte Schadensersatzansprüche gegen den Vertragspartner bereits als Ansprüche aus einem Vertrag im Sinne des Art. 15 Abs. 1 LugÜ II qualifiziert. Für die Begründung des Verbrauchergerichtsstands ist danach nicht die Geltendmachung eines vertraglichen Anspruchs im engeren Sinn erforderlich. Vielmehr genügt es, dass sich die Klage allgemein auf einen Vertrag bezieht und eine so enge Verbindung zu diesem Vertrag aufweist, dass sie von ihm nicht getrennt werden kann (vgl. zu Art. 13 Abs. 1 LugÜ I Senatsurteile vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 159/09, aaO Rn. 23; vom 31. Mai 2011 - VI ZR 154/10, aaO Rn. 32; zum LugÜ II Senatsurteil vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 14/11, aaO Rn. 22; jeweils mwN).

23

Die erforderliche enge Verbindung war in den vom Senat entschiedenen Fällen gegeben, weil der Kläger geltend machte, ihm sei ein Vermögensschaden durch das Handeln seines Vertragspartners, gegen den sich damals die Klage richtete, entstanden, da dieser den Vertrag aufgrund eines gesetzlichen Verbots nicht habe abschließen dürfen (vgl. Senatsurteile vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 159/09, aaO Rn. 24 ff. mwN; vom 31. Mai 2011 - VI ZR 154/10, aaO Rn. 33; vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 14/11, aaO Rn. 23).

24

(2) So liegt es hier aber nicht. Bei der vorliegenden Fallgestaltung fehlt es an einer engen Verbindung der Klage gegen den Beklagten zu 2 zu dem von der Beklagten zu 1 mit dem Kläger geschlossenen Vertrag. Denn der Beklagte zu 2 ist nicht Vertragspartner des Klägers. Werden gegen das Organ der Vertragspartnerin Ansprüche aus unerlaubter Handlung geltend gemacht, so bilden den Gegenstand des Verfahrens nicht ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 Buchst. a LugÜ II.

25

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum insoweit gleichlautenden Art. 5 Nr. 1 Buchst. a EuGVVO (hierzu EuGH, Urteile vom 14. März 2013 - C-419/11, RIW 2013, 292 Rn. 46 f. - Ceskä sporitelna; vom 18. Juli 2013 - C-147/12, aaO; jeweils mwN) kann der Begriff "Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag" nicht so verstanden werden, dass er eine Situation erfasst, in der es an einer von einer Partei gegenüber einer anderen freiwillig eingegangenen Verpflichtung fehlt. Demnach setzt die Anwendung der besonderen Zuständigkeitsregel, die für einen Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag vorgesehen ist, voraus, dass eine von einer Person gegenüber einer anderen freiwillig eingegangene rechtliche Verpflichtung bestimmt werden kann, auf die sich die betreffende Klage stützt (vgl. zu Art. 5 Nr. 1 LugÜ I Senatsurteil vom 27. Mai 2008 - VI ZR 69/07, aaO; zu Art. 5 Nr. 1 EuGVVO BGH, Urteile vom 22. April 2009 - VIII ZR 156/07, NJW 2009, 2606 Rn. 13; vom 29. November 2011 - XI ZR 172/11, NJW 2012, 455 Rn. 14; vom 29. Januar 2013 - KZR 8/10, aaO; jeweils mwN).

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Wird eine Klage gegen ein Organ einer Gesellschaft, mit dem dieses für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftbar gemacht werden soll, nicht auf eine von diesem freiwillig eingegangene Verpflichtung gestützt, sondern auf die Behauptung, das Organ sei seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen, dann handelt es sich beim Gegenstand der Klage folglich nicht um einen Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag (EuGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - C-147/12, aaO Rn. 36 ff.). Bei auf ein Fehlverhalten von Organmitgliedern gestützten Klagen liegt nämlich die erforderliche enge Verbindung nicht vor (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - C-147/12, aaO Rn. 39 ff.).

27

Damit fehlt es im vorliegenden Fall bei dem gegen den Beklagten zu 2 gerichteten Anspruch ebenfalls an einem Vertrag oder Ansprüchen aus einem Vertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 Buchst. a LugÜ II als Klagegegenstand. Denn der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gründet nicht auf ein Handeln des Beklagten zu 2 im Zusammenhang mit einer von ihm eingegangenen freiwilligen Verpflichtung, sondern auf einen behaupteten Verstoß gegen eine Verbotsnorm als Organ der Beklagten zu 1.

28

ee) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 5 Nr. 3 EuGVVO beruht die besondere Zuständigkeit am Ort der unerlaubten Handlung darauf, dass zwischen der Streitigkeit und anderen Gerichten als denen des Staates, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat, eine besonders enge Beziehung besteht, die aus Gründen der Nähe zum Streitgegenstand und der leichteren Beweisaufnahme eine Zuständigkeit dieser Gerichte rechtfertigt. Dabei ist der Begriff "Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist" in Art. 5 Nr. 3 EuGVVO so zu verstehen, dass er sowohl den Ort des ursächlichen Geschehens (Handlungsort) als auch den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs (Erfolgsort) meint. Beide Orte können unter dem Aspekt der gerichtlichen Zuständigkeit eine signifikante Verknüpfung begründen, da jeder von beiden je nach Lage des Falles für die Beweiserhebung und für die Gestaltung des Prozesses einen besonders sachgerechten Anhaltspunkt liefern kann (EuGH, Urteile vom 16. Juli 2009 - C-189/08, aaO Rn. 23 f. mwN; vom 25. Oktober 2011 - C-509/09 und C-161/10, Slg. 2011, I-10269 Rn. 40 f. mwN - eDate Advertising u.a.; vom 19. April 2012 - C-523/10, aaO Rn. 18 ff.; vom 25. Oktober 2012 - C-133/11, NJW 2013, 287 Rn. 37 ff. mwN - Folien Fischer und Fofitec; vom 16. Mai 2013 - C-228/11, WM 2013, 1257 Rn. 25 ff. mwN - Melzer; vom 18. Juli 2013 - C-147/12, aaO Rn. 49 ff.; vom 3. Oktober 2013 - C-170/12, NJW 2013, 3627 Rn. 26 f. - Pinckney; zu Art. 5 Nr. 3 LugÜ I Senat, Urteil vom 6. November 2007 - VI ZR 34/07, aaO Rn. 17, 24; zu Art. 5 Nr. 3 EuGVVO BGH, Urteile vom 13. Juli 2010 - XI ZR 57/08, aaO Rn. 19, 23, und - XI ZR 28/09, aaO Rn. 21, 25; vom 12. Oktober 2010 - XI ZR 394/08, aaO Rn. 21, 25; vom 15. November 2011 - XI ZR 54/09, aaO Rn. 21, 25; jeweils mwN).

29

Im vorliegenden Fall kann offenbleiben, ob der Handlungsort in Deutschland liegt, da jedenfalls der Erfolgsort in Deutschland belegen ist.

30

(1) Erfolgsort ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Ort, an dem aus einem Ereignis, das für die Auslösung einer Schadensersatzpflicht wegen unerlaubter Handlung oder wegen einer gleichgestellten Handlung in Betracht kommt, ein Schaden entstanden ist. Gemeint ist damit der Ort, an dem das auslösende Ereignis seine schädigende Wirkung entfaltet, d.h. der Ort, an dem sich der durch das Ereignis verursachte Schaden konkret zeigt (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2009 - C-189/08, aaO Rn. 27 mwN; vgl. auch Urteil vom 19. April 2012 - C-523/10, aaO Rn. 21; zu Art. 5 Nr. 3 LugÜ I vgl. Senatsurteil vom 6. November 2007 - VI ZR 34/07, aaO Rn. 17 mwN). Die Bestimmung des Erfolgsorts hat nach der Rechtsprechung zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ, die entsprechend für die Auslegung der nahezu gleichlautenden Bestimmung des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO (vgl. EuGH, Urteile vom 16. Juli 2009 - C-189/08, aaO Rn. 18 f. mwN; vom 25. Oktober 2011 - C-509/09 und C-161/10, aaO Rn. 39; vom 25. Oktober 2012 - C-133/11, aaO Rn. 31 f.; vom 18. Juli 2013 - C-147/12, aaO Rn. 28 f.) und damit auch von Art. 5 Nr. 3 LugÜ II herangezogen werden kann, losgelöst von nationalen Vorschriften über die außervertragliche zivilrechtliche Haftung zu erfolgen (so EuGH, Urteil vom 19. September 1995 - C-364/93, Slg. 1995, I-2719 Rn. 18 f. - Marinari; vgl. auch EuGH, Urteil vom 16. Mai 2013 - C-228/11, aaO Rn. 34 mwN).

31

(2) Der Begriff des Erfolgsortes im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO wird aufgrund des Ausnahmecharakters der Vorschrift in der Rechtsprechung des Gerichtshofs restriktiv ausgelegt. Der Schadenserfolg ist in diesem Zusammenhang an dem Ort verwirklicht, an dem das haftungsauslösende Ereignis den unmittelbar Betroffenen direkt schädigt. Die Wendung "Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist" kann also nicht so weit ausgelegt werden, dass sie jeden Ort erfasst, an dem die schädigenden Folgen eines Umstands spürbar werden können, der bereits an einem anderen Ort einen primären Schaden bzw. eine primäre Rechtsgutsverletzung verursacht hat; lediglich mittelbare Schadensfolgen stellen keinen Erfolgsort im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO dar (vgl. zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ EuGH, Urteile vom 11. Januar 1990 - C-220/88, Slg. 1990, I-49 Rn. 20 f. - Dumez France und Tracoba; vom 19. September 1995 - C-364/93, aaO Rn. 14 f.; vom 27. Oktober 1998 - C-51/97, aaO Rn. 30 f.; vom 10. Juni 2004 - C-168/02, Slg. 2004, I-6009, Rn. 19 - Kronhofer; ebenso zu Art. 5 Nr. 3 LugÜ I Senatsurteile vom 6. November 2007 - VI ZR 34/07, aaO Rn. 17 mwN; vom 27. Mai 2008 - VI ZR 69/07, aaO Rn. 16).

32

Die bloße Belegenheit des Vermögens des Geschädigten zum Zeitpunkt der Entstehung der Schadensersatzpflicht kann nach dieser Rechtsprechung für die Ermittlung des Erfolgsorts nicht maßgeblich sein, da es hier an einer Beziehung zu dem dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalt und damit an der erforderlichen Sachnähe fehlen kann (EuGH, Urteil vom 19. September 1995 - C-364/93, aaO Rn. 20). Auch bei Kapitalanlagedelikten kann der Erfolgsort demgemäß nicht schon deshalb am Klägerwohnsitz liegen, weil dort der Mittelpunkt von dessen Vermögen liegt, da dies dem Ziel der Rechtssicherheit für die Parteien hinsichtlich des Gerichtsstandes und der grundsätzlichen Zuständigkeit der Gerichte am Wohnsitz des Beklagten zuwiderliefe (vgl. EuGH, Urteil vom 10. Juni 2004 - C-168/02, aaO Rn. 20 f. - Kronhofer; BGH, Urteile vom 13. Juli 2010 - XI ZR 57/08, aaO Rn. 29, und - XI ZR 28/09, aaO Rn. 31; vom 12. Oktober 2010 - XI ZR 394/08, aaO Rn. 31; vom 15. November 2011 - XI ZR 54/09, aaO Rn. 31; ebenso zu Art. 5 Nr. 3 LugÜ I Senatsurteil vom 6. November 2007 - VI ZR 34/07, aaO Rn. 21).

33

(3) Dem vorstehend genannten Urteil des Gerichtshofs vom 10. Juni 2004 lag allerdings ein wesentlich anderer Sachverhalt als im vorliegenden Fall zugrunde, weil die unerlaubte Handlung erst nach Überweisung des Anlagekapitals von einem Konto am Wohnsitz des Anlegers auf ein im Ausland geführtes Konto verübt wurde (vgl. BGH, Urteile vom 13. Juli 2010 - XI ZR 57/08, aaO, und - XI ZR 28/09, aaO; vom 12. Oktober 2010 - XI ZR 394/08, aaO; vom 15. November 2011 - XI ZR 54/09, aaO; jeweils mwN). Dieser - einen besonderen Fall betreffenden - Entscheidung kann aber auch entnommen werden, dass unter anderen Umständen der Erfolgsort durchaus im Wohnsitzstaat des Klägers gelegen sein kann (vgl. BGH, Urteile vom 13. Juli 2010 - XI ZR 57/08, aaO, und - XI ZR 28/09, aaO; vom 12. Oktober 2010 - XI ZR 394/08, aaO; vom 15. November 2011 - XI ZR 54/09, aaO; jeweils mwN). So ist etwa bei einem Geschäftsmodell, das von vornherein bewusst darauf abzielt, uninformierte, leichtgläubige Menschen unter sittenwidriger Ausnutzung ihres Gewinnstrebens und ihres Leichtsinns als Geschäftspartner zu gewinnen und sich auf deren Kosten zu bereichern, und das auf Seiten des Anlegers einen Kenntnisrückstand voraussetzt, ohne den ein vernünftig denkender Anleger sich auf die Geldanlage nicht eingelassen hätte, bereits die durch den Anleger veranlasste Überweisung des Anlagekapitals der Deliktserfolg, so dass der den Gerichtsstand begründende Erfolgsort im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO dann der Ort der Minderung des Kontoguthabens ist (BGH, Urteile vom 13. Juli 2010 - XI ZR 57/08, aaO Rn. 30, und - XI ZR 28/09, aaO Rn. 32; vom 12. Oktober 2010 - XI ZR 394/08, aaO Rn. 32; vom 15. November 2011 - XI ZR 54/09, aaO Rn. 32; jeweils mwN; vgl. auch Beschluss des Senats vom 15. Februar 2011 - VI ZR 189/10, juris, mit dem er sich der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats angeschlossen hat).

34

(4) Im vorliegenden Fall ist - unabhängig vom Ort des Mittelpunkts des Vermögens des Klägers - von einem in Deutschland gelegenen Erfolgsort auszugehen.

35

(a) Bei reinen Vermögensdelikten ist in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Primärschaden mangels einer primären Rechtsgutsverletzung der Ort des ersten unmittelbar verletzten Interesses maßgeblich (vgl. PG/Pfeiffer, ZPO, 6. Aufl., Art. 5 EuGVO Rn. 12; Wagner in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rn. 161). Ist schon die Herbeiführung oder Anbahnung eines Rechtsgeschäfts rechtswidrig, so stellt der Ort den Erfolgsort dar, an dem dieses Fehlverhalten des Schädigers die erste Wirkung entfaltet hat (sog. "Handlungswirkungsort", vgl. Huber, IPrax 2009, 134, 137; Ten Wolde/Knot/Weller in Simons/Hausmann, Brüssel I-Verordnung, Art. 5 Nr. 3 Rn. 50).

36

(b) Dieser Ort liegt nach dem Vortrag des Klägers in Deutschland. Der Beklagte zu 2 war danach als gesetzliches Vertretungsorgan seiner Vertragspartnerin - der Beklagten zu 1 - für eine dort begangene unerlaubte Handlung maßgeblich verantwortlich, weil er wusste oder zumindest hätte wissen müssen, dass die von der Beklagten zu 1 angebotenen Finanzdienstleistungen erlaubnispflichtig waren. Er hat den rechtswidrigen Kundenfang in Deutschland bewusst mitverantwortet und durch den Einsatz von Call-Centern und Vertriebsbeauftragten forciert. Zudem hat der Kläger an seinem Arbeitsplatz in Köln den ersten - und später einen weiteren - Vermögensverwaltungsauftrag unterzeichnet, also die (Erst-)Anlageentscheidungen getroffen, die Grundlage für seine Geldanlagen waren (ähnlich OLG Hamm, Urteil vom 18. Juli 2013 - 6 U 215/11, juris Rn. 28). Darüber hinaus hat er in Köln die erste Barzahlung in Gestalt der sog. Auslandsbearbeitungsgebühr an den Vertriebsmitarbeiter der Beklagten zu 1 geleistet, wodurch bereits unmittelbar sein im Inland bele-genes Vermögen geschädigt wurde (vgl. OLG Dresden, IPRspr 2007, Nr. 140, 392, 395; OLG München, Urteil vom 30. Oktober 2013 - 20 U 603/12, juris Rn. 24; für einen Erfolgsort am Ort des Erstvermögensschadens bei aufsichtsrechtlich unzulässigem Vertrieb auch Engert/Groh, IPrax 2011, 458, 463 f.). Der Schwerpunkt der Interessenverletzung des Klägers liegt demnach in Deutschland als Ort der ersten Anlageentscheidung und des Eintritts des Erstvermögensschadens.

37

(5) Ein in Deutschland gelegener Erfolgsort wird den vom Gerichtshof angeführten Zielsetzungen der europäischen Zuständigkeitsvorschriften - und damit auch den Zielen der entsprechenden Bestimmungen der Lugano Übereinkommen - gerecht.

38

Die geforderte Nähe zum Streitgegenstand und die Möglichkeit einer leichteren Beweisaufnahme (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Juli 2009 - C-189/08, aaO mwN vom 16. Mai 2013 - C-228/11, aaO Rn. 27) liegen bei einer Zuständigkeit deutscher Gerichte vor, da im Zentrum des Rechtsstreits das ohne die erforderliche Erlaubnis zur Erbringung von Finanzdienstleistungen gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG erfolgte Handeln des Vertriebsbeauftragten in Deutschland und der vom Kläger dort unterschriebene Vermögensverwaltungsauftrag stehen. Auch der Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften für beide Parteien und der Gewährleistung von Rechtssicherheit (EuGH, Urteile vom 25. Oktober 2011 - C-509/09 und C-161/10, aaO Rn. 50 mwN; vom 19. April 2012 - C- 523/10, aaO Rn. 23; vom 25. Oktober 2012 - C-133/11, aaO Rn. 45 mwN; vom 18. Juli 2013 - C-147/12, aaO Rn. 52; vom 16. Januar 2014 - C-45/13, NJW 2014, 1166 Rn. 28 - Kainz) ist hierdurch Genüge getan. Denn der Ort, an dem durch die Erbringung unerlaubter Finanzdienstleistungen eine Auftragserteilung und eine (erste) Zahlung durch den Anleger vorgenommen wurden, wodurch das Interesse des Klägers zuerst unmittelbar verletzt worden ist, ist sowohl für den Kläger als auch für den Beklagten ersichtlich. Insbesondere führt ein in Deutschland gelegener Erfolgsort zur Zuständigkeit desjenigen Gerichts, das objektiv am besten in der Lage ist, die Begründetheit der geltend gemachten Verletzung zu beurteilen (vgl. EuGH, Urteile vom 3. Oktober 2013 - C-170/12, aaO Rn. 34 mwN; vom 16. Mai 2013 - C-228/11, aaO Rn. 28 mwN; vom 16. Januar 2014 - C-45/13, aaO Rn. 24). Denn der Kläger stützt seine Klage gerade auf die Verletzung einer inländischen Vorschrift des Finanzdienstleistungsaufsichtsrechts, die nach deutschem Deliktsrecht zu einer Schadensersatzverpflichtung auch des Beklagten zu 2 führen soll.

39

(6) Der erkennende Senat ist nicht gehalten, den Gerichtshof gemäß Art. 267 Abs. 1 und 3 AEUV um eine Vorabentscheidung zur Auslegung des Art. 5 Nr. 3 LugÜ II zu ersuchen. Für das LugÜ II besteht zwar eine Auslegungszuständigkeit des Gerichtshofs (Präambel zum Protokoll 2 nach Art. 75 LugÜ II über die einheitliche Auslegung des Übereinkommens und den ständigen Ausschuss; vgl. auch Senatsurteile vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 14/11, WM 2012, 852 Rn. 28 mwN; vom 23. Oktober 2012 - VI ZR 260/11, BGHZ 195, 166 Rn. 22). Die Vorlagepflicht letztinstanzlicher Gerichte der Mitgliedstaaten entfällt aber, wenn die betreffende gemeinschaftsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum mehr bleibt (vgl. EuGH, Urteile vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 13 ff. - C.I.L.F.I.T/Ministero della Sinita und vom 15. September 2005 - C-495/03, Slg. 2005, I-8191 Rn. 33 und ständig; Senat, Urteile vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 14/11, aaO mwN; vom 23. Oktober 2012 - VI ZR 260/11, aaO; vom 25. Februar 2014 - VI ZR 144/13, VersR 2014, 593 Rn. 23; BGH, Beschluss vom 22. März 2010 - NotZ 16/09, BGHZ 185, 30 Rn. 33). Dies ist hier der Fall. Insbesondere ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannt, dass die Entscheidung, ob finanzielle Verluste eines Klägers in seinem Heimatstaat eingetreten sind, den nationalen Gerichten obliegt (vgl. EuGH, Urteil vom 5. Februar 2004 - C-18/02, Slg. 2004, I-1417, Rn. 43 - DFDS Torline, zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ; zu Art 5 Nr. 3 LugÜ I Senatsurteil vom 6. November 2007 - VI ZR 34/07, VersR 2008, 1129 Rn. 22; zu Art. 5 Nr. 3 EuGVVO BGH, Urteil vom 12. Oktober 2010 - XI ZR 394/08, aaO Rn. 36).

40

2. a) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass sich der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch im Ansatz nach deutschem Recht beurteilt (Art. 40 Abs. 1 EGBGB). Dagegen wenden sich die Parteien nicht.

41

b) Die Beklagten können als Organe der M. AG an nicht erlaubter Finanzportfolioverwaltung (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG) mitgewirkt haben und deshalb persönlich wegen Verletzung eines Schutzgesetzes haften (§ 823 Abs. 2 i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2, Abs. 2 KWG, § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB).

42

aa) Handelt es sich bei dem Schutzgesetz um ein Strafgesetz, so kommt als Schadensersatzpflichtiger in Betracht, wer als Täter oder Teilnehmer gegen eine entsprechende Strafvorschrift verstoßen kann (BGH, Urteil vom 11. Juni 2013 - II ZR 389/12, NJW 2013, 3303 Rn. 13). Ein Verstoß gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG ist gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG strafbewehrt, wobei sich im Falle juristischer Personen die Verantwortlichkeit insbesondere nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB richtet, der darauf abstellt, dass jemand als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs handelt (vgl. Senatsurteile vom 11. Juli 2006 - VI ZR 339/04, VersR 2006, 1374 Rn. 25, - VI ZR 340/04, WM 2006, 1896 Rn. 23 und - VI ZR 341/04, EBE/BGH 2006, 302, 304; vom 19. März 2013 - VI ZR 56/12, BGHZ 197, 1 Rn. 30).

43

bb) Die Frage der Organstellung der Beklagten nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist, da es sich bei der Beklagten zu 1 um eine ausländische Gesellschaft handelt, nach dem Gesellschaftsstatut zu beurteilen (vgl. nur BGH, Urteil vom 11. Juni 2013 - II ZR 389/12, aaO Rn. 19).

44

Dem ist das Berufungsgericht nachgekommen. Es hat - von der Revision unangegriffen - den Inhalt des Schweizer Rechts dahingehend ermittelt, dass der Beklagte zu 2 als Präsident des Verwaltungsrates ein vertretungsbefugtes Organ der Beklagten zu 1 war.

45

cc) Allerdings tragen die Feststellungen des Berufungsgerichts eine Haftung des Beklagten zu 2 wegen der vom Kläger verlangten entgangenen Anlagezinsen nicht. Zwar enthält § 252 Satz 2 BGB für den Geschädigten eine die Regelung des § 287 ZPO ergänzende Beweiserleichterung, weshalb sich der Geschädigte auf die Behauptung und erforderlichenfalls den Nachweis der Anknüpfungstatsachen beschränken kann, bei deren Vorliegen die in § 252 Satz 2 BGB geregelte Vermutung eingreift (vgl. Senatsurteil vom 23. Februar 2010 - VI ZR 331/08, VersR 2010, 550 Rn. 13; BGH, Urteil vom 24. April 2012 - XI ZR 360/11, NJW 2012, 2266 Rn. 13; jeweils mwN). Für die Wahrscheinlichkeit einer Gewinnerzielung im Sinne von § 252 BGB aufgrund einer zeitnahen alternativen Investitionsentscheidung des Geschädigten und deren Umfang sind aber Feststellungen dazu nötig, für welche konkrete Form der Kapitalanlage sich der Anleger ohne das schädigende Ereignis entschieden hätte (vgl. zum Ganzen BGH, Urteil vom 24. April 2012 - XI ZR 360/11, aaO mwN). Solche Feststellungen enthält das Berufungsurteil nicht.

46

3. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht nicht geprüft, ob dem Schadensersatzanspruch des Klägers nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG ein Einwand nach Schweizer Recht entgegensteht. Es kommt in Betracht, dass der Anspruch nach Art. 303 Abs. 2 des Bundesgesetzes über Schuldbeitreibung und Konkurs (SchKG) untergegangen ist.

47

Diese Vorschrift bestimmt, dass ein Gläubiger, welcher dem Nachlassvertrag zugestimmt hat, seine Rechte gegen Mitschuldner und andere [nur dann] wahrt, sofern er ihnen mindestens zehn Tage vor der Gläubigerversammlung deren Ort und Zeit mitgeteilt und ihnen die Abtretung seiner Forderung gegen Zahlung angeboten hat.

48

a) Im Streitfall stimmte der Kläger dem vom Nachlassrichter beim Bezirksgericht Zürich bestätigten Nachlassvertrag vorbehaltlos zu. Ob der Kläger dadurch zugleich seine Schadensersatzansprüche gegen die (mit)-haftenden Beklagten verlor, bestimmt sich gemäß § 335 InsO nach Schweizer Recht (ebenso OLG Hamm, Urteil vom 18. Juli 2013 - 6 U 215/11, juris Rn. 31; OLG Brandenburg, Urteil vom 27. März 2014 - 12 U 182/12, juris Rn. 21; OLG München, Urteile vom 30. Oktober 2013 - 20 U 603/12, juris Rn. 28 ff., - 20 U 605/12, juris Rn. 50 ff., und - 20 U 1699/13, ZInsO 2014, 785, 787). Nach § 335 InsO unterliegen das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen, soweit nichts anderes bestimmt ist, dem Recht des Staats, in dem das Verfahren eröffnet worden ist.

49

b) Zwar findet grundsätzlich für alle Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer deliktischen Haftung - hier die Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG - das Deliktsstatut und damit deutsches Recht Anwendung (so bereits Senatsurteil vom 14. Juni 1960 - VI ZR 81/59, VersR 1960, 990, 991). Das Deliktsstatut umfasst im Regelfall alle Einreden und Einwendungen, die dem Anspruch entgegengehalten werden können, wie etwa eine Verjährung des Anspruchs (vgl. Senat, Urteil vom 31. Mai 1983 - VI ZR 182/81, VersR 1983, 858, 859), einen Verzicht (Senat, Urteil vom 10. Februar 2009 - VI ZR 28/08, VersR 2009, 558 Rn. 8, 15 ff.) oder eine Verwirkung (zum Ganzen MünchKommBGB/Junker, 5. Aufl., Art. 40 EGBGB, Rn. 100; BeckOK-EGBGB/Spickhoff, Art. 40 Rn. 10 (Stand: 1. Februar 2013); Staudinger/von Hoffmann, BGB Neubearb. 2001, Vorbem. zu Art. 40 EGBGB Rn. 46 f.). Im vorliegenden Fall ist aber, worauf die Revision zu Recht hinweist, gemäß § 335 InsO das Insolvenzstatut maßgeblich, da es sich bei einem etwaigen Untergang des Anspruchs gegen Mitschuldner nach Schweizer Recht um einen als insolvenzrechtlich zu qualifizierenden Erlöschensgrund handelt.

50

c) Die gerichtliche Bestätigung des Schweizer Nachlassvertrages wird gemäß § 343 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 InsO im Inland anerkannt.

51

aa) Der Senat hat bereits entschieden, dass es sich beim Schweizer Nachlassverfahren um ein ausländisches Insolvenzverfahren im Sinne des deutschen internationalen Insolvenzrechts handelt (Versäumnisurteil vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 14/11, aaO Rn. 32 ff. mwN). Die Eröffnung dieses ausländischen Insolvenzfahrens wird damit nach § 343 Abs. 1 Satz 1 InsO ebenso wie Sicherungsmaßnahmen nach dem Antrag zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Entscheidungen zur Durchführung oder Beendigung des Insolvenzverfahrens (§ 343 Abs. 2 InsO) im Inland anerkannt.

52

bb) Eine solche Entscheidung im Sinne des § 343 Abs. 2 InsO stellt auch die gerichtliche Bestätigung des Nachlassvertrags gemäß Art. 304 Abs. 2 SchKG dar, da hiermit - ähnlich wie im nationalen Recht nach § 254 Abs. 1 InsO - eine Forderungsmodifikation aufgrund des von den Gläubigern beschlossenen (Art. 302 Abs. 3 SchKG) und gegebenenfalls vom Gericht nach Art. 306 Abs. 2 SchKG geänderten Nachlassvertrags einhergeht (vgl. MünchKomm-InsO/Thole, 2. Aufl., § 343 Rn. 82 f.). Die Forderungsmodifikation ergibt sich daraus, dass der bestätigte Nachlassvertrag für alle Gläubiger - mit Ausnahme der Pfandgläubiger, soweit sie durch das Pfand gesichert sind, - verbindlich ist, deren Forderungen vor der Bekanntmachung der Nachlassstundung oder seither ohne Zustimmung des Sachwalters entstanden sind (Art. 310 Abs. 1 SchKG). Im Falle des Nachlassvertrags mit Vermögensabtretung verzichten die Gläubiger dabei insbesondere auf den Forderungsbetrag, der nicht durch die Liquidation oder den Erlös aus der Abtretung des Vermögens gedeckt ist (Art. 318 Abs. 1 Nr. 1 SchKG).

53

cc) Die für die Inlandswirkung eines ausländischen Insolvenzverfahrens erforderliche Voraussetzung, dass das ausländische Insolvenzverfahren eine extraterritoriale Geltung beansprucht, ist bei der Nachlassstundung ebenso wie beim Konkurs gegeben (Senatsurteil vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 14/11, aaO Rn. 37 mwN).

54

Zwar hat das Schweizerische Bundesgericht (Pra 66 (1977), 623, 625 f. = BGE 103 III 54) in der Vergangenheit die Auffassung vertreten, die Wirkungen eines in der Schweiz bestätigten Nachlassvertrags beschränkten sich grundsätzlich auf das Gebiet der Schweiz. Es hat allerdings schon damals - weitergehend als beim Konkurs - eine Erfassung ausländischer Vermögenswerte durch den Nachlassvertrag als zulässig erachtet und ist von einer auch im Ausland zu beachtenden Verfügungsbefugnis der Liquidatoren ausgegangen (Schweizerisches Bundesgericht, aaO, 626 f.). Soweit hierin eine (teilweise) Absage an eine extraterritoriale Geltung des Nachlassverfahrens zu sehen sein sollte, ist diese Auffassung durch die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichts überholt. Denn zwischenzeitlich hat es sogar für den Konkurs ausdrücklich festgestellt, dass er Auslandswirkung beansprucht (BGE 130 III 620, 629). Auch die Schweizer Literatur geht von dieser sog. aktiven Universalität aus (vgl. zum Konkurs und zur Nachlassstundung KUKO SchKG-Kren Kostkiewicz, Art. 197 Rn. 22 ff.; BSK IPRG-Berti, 2. Aufl., Vor Art. 166 ff. Rn. 2; Kren Kostkiewicz, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, Rn. 1152 ff.; Spühler/Dolge, SchKG II, 5. Aufl., Rn. 373, 408; Siehr, SJZ 95 (1999), 85, 88 ff.; ebenso Senatsurteil vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 14/11, aaO). Soweit teilweise die Auslandswirkung eines in der Schweiz bestätigten Nachlassvertrags von der Anerkennung durch das ausländische Recht abhängig gemacht wird (vgl. etwa Kren Kostkiewicz, aaO, Rn. 1153; Siehr, aaO, 88 f.), stellt dies den grundsätzlich bestehenden Anwendungswillen des Schweizer Insolvenzrechts nicht in Frage (vgl. Siehr, aaO, 89) und ist dies im Hinblick auf § 343 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 InsO unerheblich.

55

dd) Im Übrigen ergibt sich der Anspruch des Schweizer Nachlassverfahrens auf Auslandsgeltung auch aus dem am 1. Januar 1989 in Kraft getretenen schweizerischen Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG). Zwar regelt Art. 175 IPRG lediglich die Anerkennung ausländischer Nachlassverträge oder ähnlicher Verfahren in der Schweiz. Aus der nach Art. 175 Satz 2, Art. 166 Satz 1 Buchst. c IPRG erforderlichen Gegenseitigkeit ergibt sich aber, dass das Schweizer Nachlassverfahren auf extraterritoriale Geltung angelegt ist (ebenso Stadler, KTS 1995, 539, 555). Anderenfalls wäre die Vorschrift ohne Sinn. Dies gilt insbesondere auch für die schuldbefreiende Wirkung nach Versäumen der im Nachlassverfahren gesetzten Frist. So hat der Bundesgerichtshof die restschuldbeschränkende Wirkung eines Schweizer Konkursverfahrens anerkannt, weil eine gesetzlich vorgesehene Restschuldbeschränkung - wie ein vereinbarter Schuldnachlass - die beabsichtigte Wirkung nur erreichen kann, wenn sie gegenüber allen Gläubigern wirkt. Zugleich diene dies der Gläubigergleichbehandlung (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 1993 - IX ZR 254/92, BGHZ 122, 373, 378). Dieser Gedanke ist auf die schuldbefreiende Wirkung des Nachlassvertrages zu übertragen (Stadler, aaO, 556).

56

d) Nach § 335 InsO unterliegen auch die materiell-rechtlichen Folgewirkungen des Insolvenzverfahrens (BGH, Urteil vom 14. November 1996 - IX ZR 339/95, BGHZ 134, 79, 87) grundsätzlich dem Recht des Staates, in dem das Verfahren eröffnet worden ist (sog. "lex fori concursus", vgl. BGH, Beschluss vom 30. April 2013 - VII ZB 22/12, WM 2013, 1225 Rn. 33; LSZ-Smid, Internationales Insolvenzrecht, 2. Aufl., § 343 InsO Rn. 2; MünchKomm-InsO/Reinhart, aaO, § 335 Rn. 9; FK-InsO/Wenner/Schuster, 7. Aufl., § 343 Rn. 36). Hiervon werden alle materiell-rechtlichen Wirkungen des ausländischen Insolvenzverfahrens erfasst, sofern diese nach deutschem internationalen Privatrecht als insolvenzrechtlich zu qualifizieren sind (LSZ-Smid, aaO, § 335 InsO Rn. 6; MünchKomm-InsO/Reinhart, aaO Rn. 8, 11; FK-InsO/Wenner/Schuster, aaO, § 335 InsO Rn. 1; Kreft/Stephan, InsO, 7. Aufl., § 335 Rn. 9; Hess, InsO, 2. Aufl., § 335 Rn. 3; Braun/Tashiro, 5. Aufl., § 335 InsO Rn. 6 f.; Gottwald/Kolmann, Insolvenzrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 132 Rn. 2; Schluck-Amend in Pape/Uhländer, InsO, § 335 Rn. 12).

57

e) Der Verlust der Rechte gegen Mitverpflichtete gemäß Art. 303 Abs. 2 SchKG ist eine materiell-rechtliche Folgewirkung, die als insolvenzrechtlich zu qualifizieren und daher gemäß § 335 InsO nach Schweizer Recht zu beurteilen ist, das insoweit keine Rückverweisung vorsieht.

58

aa) Für die Qualifikation von Rechtsfragen, die sich an der Grenze zwischen Insolvenzrecht und anderen Rechtsgebieten befinden, ist zunächst die ausländische Rechtsvorschrift nach Sinn und Zweck zu erfassen, ihre Bedeutung vom Standpunkt des ausländischen Rechts her zu würdigen und mit der deutschen Einrichtung funktional zu vergleichen. Auf dieser Grundlage ist sie den aus den Begriffen der deutschen Rechtsordnung aufgebauten Merkmalen der deutschen Kollisionsnorm zuzuordnen (BGH, Urteile vom 19. Dezember 1958 - IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137, 139; vom 22. März 1967 - IV ZR 148/65, BGHZ 47, 324, 332; vom 21. September 1995 - VII ZR 248/94, NJW 1996, 54; MünchKomm-InsO/Reinhart, aaO, Vor §§ 335 ff. Rn. 37, 101; vgl. auch Gottwald/Kolmann, aaO, § 129 Rn. 24).

59

Für eine insolvenzrechtliche Qualifikation sprechen solche Wirkungen, die auf dem Insolvenzverfahren als Gesamtabwicklung der Vermögens- und Haftungsverhältnisse eines Schuldners in einer Mangelsituation zu Gunsten seiner grundsätzlich gleich zu behandelnden Gläubiger beruhen und für die Aufgabenerfüllung eines Insolvenzverfahrens wesentlich sind (Gottwald/ Kolmann, aaO, § 132 Rn. 9; LSZ-Smid, Internationales Insolvenzrecht, aaO). Einen weiteren Anhaltspunkt vermag der Umstand zu geben, ob die fragliche Norm auch außerhalb der Insolvenz gilt oder eine spezielle Regelung für den Fall der Insolvenz aufstellt (Braun/Tashiro, aaO Rn. 8). Anerkannt ist insbesondere, dass sich die Wirkungen eines Insolvenzplanes oder (Zwangs-) Vergleichs gemäß § 335 InsO nach der lex fori concursus richten (Münch-Komm-InsO/Reinhart, aaO, § 335 Rn. 116; Gottwald/Kolmann, aaO Rn. 103; FK-InsO/Wenner/Schuster, aaO Rn. 5).

60

bb) Art. 303 Abs. 2 SchKG regelt den Schutz von Mitschuldnern und das Schicksal der gegen diese bestehenden Forderungen. Der Schweizer Gesetzgeber erachtete es als ungerecht, wenn der Gläubiger dem Nachlassvertrag nur zustimmt, weil er den Mitschuldner für die ganze Schuld belangen kann, während der Mitschuldner sein Regressrecht nur bis zum Betrag der Nachlassdividende ausüben kann und somit letztlich den Forderungsbetrag trägt. Demzufolge sei es für den Gläubiger einfach, den Nachlassvertrag zu Lasten des Mitschuldners anzunehmen und ihm ein Opfer aufzuerlegen, zu welchem er sich selbst nicht bereit erklärt hatte (Schweizerisches Bundesgericht, Pra 85 (1996), 246, 247 = BGE 121 III 191; BSK SchKG II-Vollmar, 2. Aufl., Art. 303 Rn. 1). Das Schweizer Recht verlangt daher vom Gläubiger, dem Schuldner Ort und Zeit der Gläubigerversammlung rechtzeitig mitzuteilen und ihm das Angebot zu unterbreiten, seine Forderung gegen - volle (BSK SchKG II-Vollmar, aaO Rn. 13; KUKO SchKG-Hardmeier, Art. 303 Rn. 3) - Zahlung an diesen abzutreten. Damit erhalten die Mitverpflichteten vor der Gläubigerversammlung Gelegenheit zum Studium der Akten und durch das Angebot der Forderungsabtretung die Möglichkeit, selbst zum Gläubiger zu werden und über den Nachlassvertrag mitzuentscheiden (BSK SchKG II-Vollmar, aaO Rn. 11, 13; vgl. auch Jaeger/Walder/Kull/Kottmann, SchKG, 4. Aufl., Art. 303 Rn. 3). Kommt der Gläubiger seiner Verpflichtung nicht nach, verliert er alle seine Rechte gegenüber dem Mitschuldner (Schweizerisches Bundesgericht, aaO, 251; BSK SchKG II-Vollmar, aaO Rn. 10; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann, aaO Rn. 17; KUKO SchKG-Hardmeier, aaO Rn. 2; Kren Kostkiewicz/Walder, SchKG, 18. Aufl., Art. 303 Rn. 6). Diese Folge tritt ein, wenn der Nachlassvertrag zustande kommt und rechtskräftig wird (BSK SchKG II-Vollmar, aaO Rn. 5).

61

cc) Damit regelt das Schweizer Konkursrecht in Art. 303 Abs. 2 SchKG eine als insolvenzrechtlich zu qualifizierende Fragestellung (ebenso OLG München, Urteile vom 30. Oktober 2013 - 20 U 603/12, aaO, - 20 U 605/12, aaO, und - 20 U 1699/13, aaO, 788). Die Fragen der Einbeziehung von Mitverpflichteten in das Verfahren und der Folgerungen für die gegen sie gerichteten Forderungen der Gläubiger im Fall einer Insolvenz und eines sich anschließenden (Zwangs-)Vergleichs stellen sich aus autonomer Sicht typischerweise in dieser Mangelsituation und sind daher im Insolvenzrecht zu regeln. Darüber hinaus gilt Art. 303 Abs. 2 SchKG ausschließlich für den Fall des als insolvenzrechtlich zu qualifizierenden Nachlassverfahrens.

III.

62

Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dies gibt dem Berufungsgericht insbesondere Gelegenheit, die notwendigen Ermittlungen zum Schweizer Recht vorzunehmen und die hierzu erforderlichen Feststellungen zu treffen.

Rechtsbehelfsbelehrung

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Gegen dieses Versäumnisurteil kann innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen die mit der Zustellung des Versäumnisurteils beginnt, schriftlich Ein-spruch durch eine von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechts-anwalt unterzeichnete Einspruchsschrift beim Bundesgerichtshof, Herrenstra-ße 45a, 76133 Karlsruhe eingelegt werden.

Galke                       Wellner                              Pauge

               Stöhr                           von Pentz