Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 20.12.2011


BGH 20.12.2011 - VI ZR 14/11

Grenzüberschreitende Insolvenz: Unterbrechung des inländischen Zivilverfahrens durch Gewährung einer Nachlassstundung nach schweizerischem Konkursrecht


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
20.12.2011
Aktenzeichen:
VI ZR 14/11
Dokumenttyp:
Versäumnisurteil
Vorinstanz:
vorgehend OLG München, 22. Dezember 2010, Az: 20 U 3526/10vorgehend LG Landshut, 31. Mai 2010, Az: 23 O 2478/09
Zitierte Gesetze
Art 295 Abs 1 S 1 SchKG CHE

Leitsätze

Durch die Gewährung einer Nachlassstundung nach Art. 295 Abs. 1 Satz 1 des Schweizer Bundesgesetzes über Schuldbeitreibung und Konkurs wird ein inländischer Rechtsstreit nicht unterbrochen.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Zwischenurteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 22. Dezember 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt von der beklagten Aktiengesellschaft mit Sitz in Zürich Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Vermögensverwaltungsvertrags.

2

Anfang 2003 rief ein Vertriebsbeauftragter der Beklagten den in Deutschland ansässigen Kläger unaufgefordert an und traf sich mit ihm am 20. März 2003 in Moosburg in Bayern. Der Kläger unterschrieb einen Anlageauftrag in Form einer Einmalanlage über 70.000 CHF "unter Anerkennung der AGB" der Beklagten "aufgrund des erteilten Vermögensverwaltungsauftrags". Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten sehen Zürich als Gerichtsstand und Schweizer Recht als anwendbares Recht vor. Mit Schreiben vom 27. März 2003 teilte die Beklagte mit, dass sie sich freue, für den Kläger als schweizerische Vermögensverwaltung tätig zu sein. Sie lud den Kläger "für die Realisierung der Vermögensanlage" nach Zürich ein, um die Anlage auf seine "persönlichen Bedürfnisse und Möglichkeiten" abzustimmen.

3

Am 7. April 2003 unterzeichneten der Kläger und ein Vertreter der Beklagten bei einem Gespräch in Zürich, bei dem auch die Anlagestrategie festgelegt wurde, einen Vermögensverwaltungsauftrag sowie einen Anlageauftrag über 248.000 CHF, auf dem vermerkt ist: "ersetzt Anlageauftrag vom 20. März 2003". In dem Vermögensverwaltungsauftrag ist erneut als Gerichtsstand Zürich und die Anwendbarkeit schweizerischen Rechts vorgesehen. Am 16. Mai 2003 erteilte der Kläger einen weiteren Auftrag für eine Einmalanlage von 50.000 CHF.

4

Im Jahr 2006 ließ sich der Kläger von der Beklagten sein Kapital auszahlen. Er wäre keine vertraglichen Beziehungen zur Beklagten eingegangen, wenn er gewusst hätte, dass die Beklagte keine Erlaubnis zur Vermögensverwaltung nach § 32 KWG besitzt. Er hätte stattdessen sein Kapital anderweitig angelegt und hierfür einen Zinssatz von jährlich 5 % erlöst.

5

Mit Verfügung vom 11. Oktober 2010 gewährte das Bezirksgericht Zürich der Beklagten eine definitive Nachlassstundung, die es zuletzt bis zum 12. Dezember 2011 verlängerte. Die Gläubigerversammlung nahm einen Nachlassvertrag an. Das Bezirksgericht Zürich hat Termin zur Verhandlung über die Bestätigung des Nachlassvertrages bestimmt auf den 11. Januar 2012.

6

Der Kläger hat von der Beklagten zunächst 36.019,94 € Schadensersatz verlangt. Das Landgericht hat sich als international nicht zuständig angesehen und die Klage deshalb als unzulässig abgewiesen. Der Kläger hat im Berufungsrechtszug die Klage teilweise zurückgenommen und noch 34.812,44 € verlangt. Das Berufungsgericht hat durch Zwischenurteil festgestellt, dass der Rechtsstreit seit 11. Oktober 2010 unterbrochen sei. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren aus der Berufungsinstanz weiter; hilfsweise beantragt er festzustellen, dass der Rechtsstreit nicht unterbrochen ist.

Entscheidungsgründe

I.

7

Das Berufungsgericht bejaht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Es bestehe der internationale Gerichtsstand für Verbrauchersachen nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b, Art. 14 Abs. 1 Fall 2 des Luganer Übereinkommens vom 16. September 1988 (BGBl. II 1994, S. 2658, im Folgenden: LugÜ I). Der Kläger habe im Inland die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen, indem er beim Besuch des Vertriebsbeauftragten am 20. März 2003 in Moosburg alles getan habe, um den Vertragsschluss sowie die getätigte Anlage herbeizuführen. Der Kläger habe einen Vermögensverwaltungsauftrag, der Grundlage des Anlageauftrags sein sollte, zumindest mündlich erteilt. Der am 7. April 2003 in Zürich unterschriebene Vermögensverwaltungsvertrag sei eine Konkretisierung des Vermögensverwaltungsvertrages vom 20. März 2003 und keine Neubegründung des Schuldverhältnisses. Ebenso sei der am 7. April 2003 in Zürich erteilte Anlageauftrag, der den Anlageauftrag vom 20. März 2003 "ersetzen" sollte, eine Änderung des früheren Anlageauftrags, die ihre Grundlage im Vermögensverwaltungsvertrag habe, und keine Novation. Auch soweit der Kläger seinen Schadensersatzanspruch auf § 823 Abs. 2 BGB, § 32 Abs. 1 KWG stützte, mache er einen Anspruch "aus einem Vertrag" im Sinne von Art. 13 Abs. 1 LugÜ I geltend. Es reiche aus, dass sich der Schadensersatzanspruch allgemein auf einen Vertrag beziehe und die auf einer gesetzlichen Grundlage beruhende Klage eine so enge Verbindung zu dem Vertrag aufweise, dass sie von ihm nicht getrennt werden könne. Dies sei bei dem hier geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen Verstoßes gegen die Erlaubnispflicht des § 32 KWG, die sich an den Finanzdienstleister als Vertragsschließenden richte, der Fall. Der Gerichtsstand für Verbrauchersachen sei nicht wirksam durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten abbedungen worden, weil Art. 15 Nr. 1 LugÜ I Gerichtsstandvereinbarungen erst nach Entstehung der Streitigkeit zulasse.

8

Das Berufungsgericht hält den Rechtsstreit durch die definitive Nachlassstundung gemäß § 352 Abs. 1 Satz 1 InsO für unterbrochen. Das Nachlassverfahren nach Art. 293 ff. des Schweizerischen Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) sei als Insolvenzverfahren im Sinne von § 352 Abs. 1, § 343 Abs. 1 InsO zu qualifizieren. Die Unterbrechungswirkung trete unabhängig davon ein, dass der Insolvenzschuldner nach dem Recht des Insolvenzeröffnungsstaats seine Verfügungs- und Prozessführungsbefugnis verliere. Auch der Umstand, dass die Gewährung der Nachlassstundung nach schweizerischem Recht zu keiner Unterbrechung von Prozessen führe, sei unerheblich. Der Wortlaut der §§ 352, 343 InsO lasse nicht erkennen, dass die Unterbrechungswirkung im Inland davon abhänge, dass eine solche Wirkung auch im Staat der Insolvenzeröffnung eintrete. Die Bedeutung des § 352 InsO bestehe gerade darin, dass die Unterbrechungswirkung eines inländischen Rechtsstreits unabhängig vom Recht des Insolvenzeröffnungsstaats eintrete. Die Unterbrechung diene - ebenso wie die Unterbrechung nach § 240 ZPO im Fall der Eigenverwaltung nach § 270 InsO - auch bei ausländischen Insolvenzverfahren der Ermöglichung eines störungsfreien Ablaufs des Verfahrens. So habe auch im Streitfall die Unterbrechung den Sinn, im Nachlassverfahren dem Schuldner unter Aufsicht und eventuell Mitwirkung des Sachwalters eine Prüfungs- und Überlegungsfrist einzuräumen, wie er sich im betroffenen Rechtsstreit verhält.

II.

9

Über die Revision des Klägers ist, da die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung im Termin nicht vertreten war, durch Versäumnisurteil zu entscheiden, das aber inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer sachlichen Prüfung des Antrags beruht (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81).

10

Die Revision ist statthaft und auch ansonsten zulässig. Ein Zwischenurteil, das die Unterbrechung des Rechtsstreits feststellt, hat die Wirkung, dass der Kläger auf unbestimmte Zeit - während der Dauer der Nachlassstundung in der Schweiz - seine Ansprüche gegen die Beklagte in dem anhängigen Rechtsstreit nicht weiterverfolgen kann. Ein solches Urteil ist wie ein Endurteil anfechtbar, da es die rechtssuchende Partei in vergleichbarer Weise beschwert (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Juni 2004 - IX ZR 281/03, ZIP 2004, 2024; vom 21. Oktober 2004 - IX ZB 205/03, ZIP 2004, 2399, 2400 und vom 10. November 2005 - IX ZB 204/04, WM 2006, 202, 203; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 240 Rn. 3).

11

Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht Stand.

12

1. Es ist allerdings nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Unterbrechungswirkung durch Zwischenurteil festgestellt hat. Entgegen der Auffassung der Revision steht der Umstand, dass die Parteien zuletzt übereinstimmend der Ansicht waren, dass keine Unterbrechung eingetreten sei und deshalb kein Zwischenstreit, wie ihn § 303 ZPO voraussetzt, bestanden habe, einer solchen Entscheidung nicht entgegen. Denn die Frage der Unterbrechung eines Rechtsstreits betrifft eine von Amts wegen zu prüfende Prozessvoraussetzung (vgl. Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., vor § 239 Rn. 5). Sie wirkt unabhängig vom Vortrag der Parteien und den von ihnen geäußerten Rechtsansichten. Anderenfalls wäre es den Parteien verwehrt, die Auffassung des Gerichts, ein Rechtsstreit sei unterbrochen, zur Überprüfung durch die höhere Instanz zu stellen.

13

Das von der Revision herangezogene Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. Oktober 1981 - II ZR 129/80, BGHZ 82, 209 vermag keine abweichende Beurteilung zu rechtfertigen. Dort wurde die Zulässigkeit des Zwischenurteils bejaht, weil die Frage der Unterbrechung unter den dortigen Parteien im Streit stand (BGH, Urteil vom 28. Oktober 1981 - II ZR 129/80, BGHZ 82, 209, 218). Daraus lässt sich jedoch nicht der Umkehrschluss ziehen, dass ein Zwischenurteil unzulässig ist, wenn die Parteien über eine Unterbrechung nicht streiten.

14

2. Die Revision wendet sich nicht gegen die zutreffende Annahme des Berufungsgerichts, dass die deutschen Gerichte international zuständig seien, was auch im Revisionsrechtszug von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. Senatsurteil vom 2. März 2010 - VI ZR 23/09, BGHZ 184, 313 Rn. 7).

15

a) Zwar bestimmt sich die internationale Zuständigkeit nicht nach dem Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 16. September 1988 (LugÜ I). Vielmehr ist bereits das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 30. Oktober 2007 (LugÜ II), anwendbar. Gemäß Art. 63 Abs. 1 LugÜ II sind die Vorschriften dieses Übereinkommens auf Klagen anzuwenden, die erhoben worden sind, nachdem dieses Übereinkommen im Ursprungsstaat in Kraft getreten ist. Das Übereinkommen ist für die Europäische Gemeinschaft am 1. Januar 2010 in Kraft getreten (BGBl. I 2009 S. 2862; vgl. Senatsurteil vom 31. Mai 2011 - VI ZR 154/10, NJW 2011, 2809 Rn. 16). Im Streitfall wurde Klage am 17. Januar 2010 erhoben.

16

Das Übereinkommen findet gemäß Art. 64 Abs. 2 Buchst. a LugÜ II mit Vorrang vor dem nationalen Prozessrecht Anwendung (vgl. zu Art. 54b Abs. 2 Buchst. a LugÜ I Senatsurteile vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 159/09, BGHZ 187, 156 Rn. 9; vom 31. Mai 2011 - VI ZR 154/10, NJW 2011, 2809 Rn. 16; BGH, Urteil vom 21. November 1996 - IX ZR 264/95, BGHZ 134, 127, 133).

17

Für die Auslegung gelten dieselben Auslegungsgrundsätze wie für die Auslegung des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (EuGVÜ), der EuGVVO und des LugÜ I, da sich die Unterzeichnerstaaten zu einer möglichst einheitlichen Auslegung der Bestimmungen verpflichtet haben (vgl. Art. 1 Protokoll 2 nach Art. 75 LugÜ II über die einheitliche Auslegung des Übereinkommens und den ständigen Ausschuss; vgl. zum LugÜ I Senatsurteile vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 159/09, BGHZ 187, 156 Rn. 10; vgl. EuGH, Gutachten vom 7. Februar 2006 - 1/03, Slg. 2006 S. I-1145 Rn. 19). Dabei ist zu beachten, dass die im Übereinkommen verwendeten Begriffe grundsätzlich autonom, d.h. ohne Rückgriff auf die lex fori oder lex causae auszulegen sind, wobei in erster Linie die Systematik und die Zielsetzung des Übereinkommens zu berücksichtigen sind, um die einheitliche Anwendung des Übereinkommens in allen Vertragsstaaten zu gewährleisten (vgl. Senatsurteile vom 27. Mai 2008 - VI ZR 69/07, BGHZ 176, 342 Rn. 11; vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 159/09, BGHZ 187, 156 Rn. 10; vom 31. Mai 2011 - VI ZR 154/10 Rn. 17; vgl. zum EuGVÜ: EuGH, Urteile vom 11. Juli 2002 - Rs. C-96/00, Slg. 2002 S. I-6367, Gabriel Rn. 37; vom 20. Januar 2005 - Rs. C-27/02, Slg. 2005 S. I-499, Engler, Rn. 33; zur EuGVVO: EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2010 - Rs. C-585/08, NJW 2011, 505 Rn. 55).

18

b) Für das vom Kläger verfolgte Schadensersatzbegehren aus § 823 Abs. 2 BGB, § 32 KWG ergibt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte aus Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 1 Fall 2 LugÜ II (Zuständigkeit für Verbrauchersachen).

19

aa) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist nicht durch eine Gerichtsstandsvereinbarung ausgeschlossen. Dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten Zürich als Gerichtsstand vorsehen, schließt die internationale Zuständigkeit der Gerichte im Wohnsitzstaat des Verbrauchs hier nicht wirksam aus. Denn gemäß Art. 17 LugÜ II (früher Art. 15 LugÜ I) kann von den Vorschriften über die Zuständigkeit bei Verbrauchersachen im Wege der Vereinbarung nur dann abgewichen werden, wenn die Vereinbarung nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen wird, dem Verbraucher lediglich zusätzliche Klagemöglichkeiten eröffnet oder die Gerichte des Staats für zuständig erklärt, in dem beide Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. So liegt der Streitfall nicht.

20

bb) Die Voraussetzungen der Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 1 Fall 2 LugÜ II sind hier erfüllt. Danach kann ein Verbraucher eine Klage vor den Gerichten des Vertragsstaats erheben, in dessen Hoheitsgebiet er seinen Wohnsitz hat, wenn der andere Vertragspartner im Wohnsitzstaat des Verbrauchers eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgend einem Wege auf diesen Staat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.

21

(1) Der Kläger schloss den Vermögensverwaltungsvertrag mit der Beklagten als Verbraucher im Sinne von Art. 15 Abs. 1 LugÜ II ab. Unter einem Verbraucher ist dabei eine Person zu verstehen, die zu einem Zweck tätig wird, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Der Vertrag diente der Anlage und Verwaltung des privaten Vermögens des Klägers und kann deshalb nicht seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden (vgl. Senatsurteil vom 31. Mai 2011 - VI ZR 154/10, NJW 2011, 2809 Rn. 22).

22

(2) Der auf § 823 Abs. 2 BGB, § 32 KWG gestützte Anspruch ist als Anspruch aus einem solchen Vertrag zwischen Verbraucher und seinem Vertragspartner zu qualifizieren. Art. 15 Abs. 1 LugÜ II, der Art. 15 Abs. 1 EuGVVO nachgebildet ist, ist anwendbar, wenn der mit der Klage geltend gemachte Anspruch mit einem Verbrauchervertrag in Verbindung steht; der Vertrag muss im Gegensatz zur Rechtslage nach Art. 13 Abs. 1 EuGVÜ bzw. Art. 13 Abs. 1 LugÜ I keine synallagmatischen Verpflichtungen mehr begründen (EuGH, Urteil vom 14. Mai 2009 - Rs. C-180/06, Slg. 2009 S. I-3961, Ilsinger, Rn. 51 f.). Für die Begründung des Verbrauchergerichtsstands gemäß Art. 15 Abs. 1 LugÜ II ist nicht die Geltendmachung eines vertraglichen Anspruchs im engeren Sinn erforderlich. Vielmehr genügt es, dass sich die Klage allgemein auf einen Vertrag bezieht und eine so enge Verbindung zu diesem Vertrag aufweist, dass sie von ihm nicht getrennt werden kann (vgl. zu Art. 13 LugÜ I Senatsurteile vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 159/09, BGHZ 187, 156 Rn. 23; vom 31. Mai 2011 - VI ZR 154/10, NJW 2011, 2809 Rn. 32).

23

Im Streitfall weist der geltend gemachte Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB, § 32 KWG die für die Begründung des Verbrauchergerichtsstands erforderliche enge Verbindung zu dem mit der Beklagten geschlossenen Vertrag auf. Der Kläger macht geltend, ihm sei dadurch ein Vermögensschaden entstanden, dass er sich auf einen Vertrag mit der Beklagten eingelassen habe, den er nicht geschlossen hätte, wenn er gewusst hätte, dass der Vertrag gegen ein ihn schützendes gesetzliches Verbot verstoße. Das Klagebegehren kann vom Vertrag nicht getrennt werden.

24

(3) Ob die Beklagte ihre berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in Deutschland ausgeübt hat, kann offen bleiben, denn sie hat ihre Tätigkeit zumindest auf irgendeinem Wege auf Deutschland ausgerichtet. Kernstück der Neuregelung in Art. 15 Abs. 1 Buchst. c EuGVVO, dem Art. 15 Abs. 1 Buchst. c LugÜ II nachgebildet ist, ist der Begriff des Ausrichtens einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers. Der Gewerbetreibende richtet seine Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers aus, wenn er seinen Willen zum Ausdruck bringt, Geschäftsbeziehungen zu Verbrauchern in diesem Staat herzustellen (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2010 - Rs. C-585/08, NJW 2011, 505 Rn. 75; BGH, Urteil vom 29. November 2011 - XI ZR 172/11, z.V.b. WM 2012, 36, Rn. 21, zu Art. 15 EuGVVO). Erfasst werden sollte unter anderem die gezielt auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers gerichtete Werbung. Deshalb kommt es - anders als nach bisherigem Recht (Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b EuGVÜ bzw. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b LugÜ I) - auf den Ort des Vertragsschlusses oder der Vornahme der dafür erforderlichen Rechtshandlungen nicht an (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2010 - Rs. C-585/08, NJW 2011, 505 Rn. 60; Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 15 Rn. 35). Denn nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. c EuGVVO bzw. Art. 15 Abs. 1 Buchst. c LugÜ II wird die notwendige Verbindung zum Staat des Verbrauchers schon dadurch geschaffen, dass dessen Vertragspartner seine Tätigkeit auf diesen Staat ausrichtet (BGH, Beschluss vom 17. September 2008 - III ZR 71/08, NJW 2009, 298 Rn. 8). Weiter setzt das "Ausrichten" der gewerblichen Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers voraus, dass der Verbraucher dort zum Vertragsschluss zumindest motiviert worden ist, auch wenn der Vertragsschluss selbst nicht in dem Wohnsitzstaat erfolgt (BGH, Beschluss vom 17. September 2008 - III ZR 71/08, NJW 2009, 298 Rn. 11).

25

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts rief ein Vertriebsbeauftragter der Beklagten den Kläger unaufgefordert an und besuchte ihn am 20. März 2003 in Deutschland. Hierin kommt der Wille der Beklagten, Kunden in Deutschland zu gewinnen, zum Ausdruck. Diese Tätigkeit war auch die entscheidende Ursache für den Entschluss des Klägers, vertragliche Beziehungen mit der Beklagten einzugehen. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob am 7. April 2004 in Zürich ein neuer Vertrag geschlossen wurde. Jedenfalls war die vorangegangene Tätigkeit des Vertriebsbeauftragten der Beklagten in Deutschland ursächlich dafür, dass sich der Beklagte am 7. April 2004 in die Schweiz begab und dort einen Vertrag mit der Beklagten unterzeichnete.

26

(4) Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag fällt in den Bereich der von der Beklagten auf Deutschland ausgerichteten Tätigkeit. Art. 15 Abs. 1 Buchst. c LugÜ II kommt nur zur Anwendung, wenn der konkret geschlossene Vertrag in den Bereich der Tätigkeit fällt, die der Vertragspartner in dem Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausübt oder auf diesen ausrichtet (Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 15 Rn. 39).

27

Davon ist im Streitfall auszugehen. Die Beklagte wurde in Deutschland aktiv, um Vermögensverwaltungsverträge zu schließen oder zumindest anzubahnen.

28

c) Für das Luganer Übereinkommen II besteht - im Gegensatz zum Luganer Übereinkommen I (vgl. dazu Senatsurteile vom 27. Mai 2008 - VI ZR 69/07, BGHZ 176, 342 Rn. 9; vom 31. Mai 2011 - VI ZR 154/10 Rn. 17; EuGH, Gutachten vom 7. Februar 2006 - 1/03, Slg. 2006 S. I-1145 Rn. 19) - eine Auslegungszuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs (Präambel zum Protokoll 2 nach Art. 75 LugÜ II über die einheitliche Auslegung des Übereinkommens und den ständigen Ausschuss, ABl. EU 2007, L 339, S. 27; Rauscher/Staudinger, 2011, Einl. LugÜ II Rn. 29; Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., Art. 1 EUGVVO Rn. 17). Eine Vorlage an diesen nach Art. 267 Abs. 2, 3 AEUV ist aber hier nicht geboten, weil die richtige Anwendung des Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 1 Fall 2 LugÜ II, das Teil des Gemeinschaftsrechts ist, derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum mehr bleibt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 2007 - NotZ 23/07, BGHZ 174, 273 Rn. 34; Urteil vom 13. Januar 2011 - III ZR 146/10, NJW 2011, 1509 Rn. 35).

29

3. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, der Rechtsstreit sei infolge der Nachlassstundung unterbrochen. Denn die Annahme einer Unterbrechungswirkung im Inland ist nicht gerechtfertigt, wenn das ausländische Insolvenzverfahren, wie hier, nach dem Recht des Insolvenzeröffnungsstaates keinerlei Wirkungen auf einen anhängigen Rechtsstreit entfaltet.

30

Für die Entscheidung des Zwischenstreits über die Unterbrechung sind die prozessualen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung über das eingelegte Rechtsmittel maßgeblich (vgl. BAG, Urteil vom 27. Februar 2007 - 3 AZR 618/06, ZIP 2007, 2047 Rn. 8). Die Nachlassstundung dauert derzeit noch an. Mit Verfügung vom 11. Oktober 2010 hat das Bezirksgericht Zürich der Beklagten eine definitive Nachlassstundung gewährt, die es zuletzt bis zum 12. Dezember 2011 verlängert hat. Die Gläubigerversammlung hat einen Nachlassvertrag angenommen. Das Bezirksgericht Zürich hat Termin zur Verhandlung über die Bestätigung des Nachlassvertrages auf den 11. Januar 2012 bestimmt. Auch nach Ablauf der Frist wirkt die Nachlassstundung noch bis zur Publikation des Entscheids über die Bestätigung des Nachlassvertrages fort (Art. 308 Abs. 2 SchKG), wenn der Sachwalter vor Ablauf der Frist die Akten mit seinem Gutachten dem Nachlassgericht vorlegt (Schweizerisches Bundesgericht, Urteil vom 25. Oktober 1958, BGE 84 III 117, 118 f.; Hunkeler/Hardmeier, SchKG, 2008, Art. 295 Rn. 11; Jaeger, SchKG, 4. Aufl., Art. 295 Rn. 6; Vollmar in Staehelin/Bauer/Staehelin, SchKG, 1998, Art. 297 Rn. 4).

31

a) Die Frage, ob eine Nachlassstundung nach schweizerischem Recht zur Unterbrechung eines inländischen Rechtsstreits führt, bestimmt sich nach §§ 343, 352 Abs. 1 Satz 1 InsO und nicht nach der Übereinkunft zwischen dem schweizerischen Kanton Zürich u. a. und dem Königreich Bayern über gleichmäßige Behandlung der gegenseitigen Staatsangehörigen in Konkursfällen vom 11. Mai / 27. Juni 1834. Diese Übereinkunft gilt zwar für das Gebiet des heutigen Freistaats Bayern und der beteiligten Kantone bis heute (vgl. Blaschczok, ZIP 1983, 141; Bürgi, Festschrift 100 Jahre SchKG, 1989, S. 175, 181 f.; Graf, Die Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheidungen, 2003, S. 171 f.; Wenner in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8. Aufl., § 20 Rn. 19). Die Übereinkunft enthält aber keine für die Entscheidung der Streitfrage maßgeblichen Regelungen. Die im Übereinkommen geregelten Konkursfälle umfassen nicht die hier in Rede stehende Nachlassstundung.

32

b) Zutreffend hat das Berufungsgericht das Nachlassverfahren als Insolvenzverfahren im Sinne von §§ 343, 352 Abs. 1 Satz 1 InsO qualifiziert.

33

aa) Der Eintritt der Unterbrechung (§ 352 Abs. 1 Satz 1 InsO) bzw. die Anerkennung des ausländischen Verfahrens nach § 343 InsO setzen voraus, dass ein "Insolvenzverfahren" vorliegt. Als ein solches Verfahren werden Auslandsverfahren nicht völlig schrankenlos anerkannt, sondern nur, wenn damit in etwa die gleichen Ziele verfolgt werden wie mit den in der Insolvenzordnung vorgesehenen Verfahren (BGH, Urteil vom 13. Oktober 2009 - X ZR 79/06, ZIP 2009, 2217 Rn. 8; vgl. BAG, Urteil vom 27. Februar 2007 - 3 AZR 618/06, ZIP 2007, 2047 Rn. 19; BT-Drucks. 15/16, S. 21). Den in § 1 InsO formulierten Zielen des Insolvenzverfahrens dienen neben Verfahren, die in erster Linie auf alsbaldige Liquidation des Schuldnervermögens angelegt sind, auch solche, durch die - wie bereits im früheren deutschen Vergleichsverfahren - der Bestand eines Unternehmens trotz bestehender Insolvenzgründe erhalten werden soll, sofern mit diesem Verfahren auch das Ziel der Befriedigung der Gläubiger verfolgt wird (BGH, Urteil vom 13. Oktober 2009 - X ZR 79/06, ZIP 2009, 2217 Rn. 8; BAG, Urteil vom 27. Februar 2007 - 3 AZR 618/06, ZIP 2007, 2047 Rn. 20; Anders in Prütting/Gehrlein, ZPO, 3. Aufl., § 240 Rn. 4; vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 236; vgl. BGH, Urteil vom 14. November 1996 - IX ZR 339/95, BGHZ 134, 79, 82 ff.). In der Insolvenzordnung ist diese Zielsetzung durch Anerkennung solcher Verfahren als Insolvenzverfahren verwirklicht, bei denen die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger nicht nur in der Weise bewirkt wird, dass das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt wird, sondern auch dadurch, dass in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 InsO; BGH, Urteil vom 13. Oktober 2009 - X ZR 79/06, ZIP 2009, 2217 Rn. 8).

34

bb) Das in Art. 293 ff. des Schweizerischen Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) geregelte Nachlassverfahren bezweckt die gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger und entfaltet Wirkungen, wie sie für ein Insolvenzverfahren typisch sind.

35

Das Nachlassverfahren ist in der schweizerischen Rechtsordnung ein Sanierungsverfahren, das darauf abzielt, das Vermögen des Schuldners bestmöglich zu erhalten und dadurch die Gläubiger besser zu stellen als im Konkursverfahren (vgl. Hunkeler/Hardmeier, SchKG, 2008, Art. 293 Rn. 2; Vollmar in Staehelin/Bauer/Staehelin, SchKG, 1998, Art. 293 Rn. 1).

36

Die Bewilligung der Nachlassstundung, durch die das Verfahren eröffnet wird, hat ähnliche Wirkungen wie die Konkurseröffnung und der Pfändungsvollzug (vgl. Spühler/Dolge, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht II, 5. Aufl., Rn. 404 ff.): Es sind unverzüglich die zur Erhaltung des schuldnerischen Vermögens notwendigen Anordnungen zu treffen (Art. 293 Abs. 3 SchKG); es muss ein Sachwalter bestimmt werden, der die Handlungen des Schuldners, insbesondere die Fortführung der Geschäftstätigkeit, falls und soweit sie dem Schuldner überhaupt überlassen wird, überwacht (Art. 295 Abs. 1, Abs. 2, Art. 298 Abs. 1 SchKG); eine Betreibung (Zwangsvollstreckung) gegen den Schuldner kann weder eingeleitet noch fortgesetzt werden, Verjährungs- und Verwirkungsfristen stehen still, der Zinsenlauf für alle nicht pfandgesicherten Forderungen hört auf, und für die Verrechnung gelten die Vorschriften des Konkursverfahrens, wobei an die Stelle der Konkurseröffnung die Bekanntmachung der Nachlassstundung tritt (Art. 297 SchKG); weder darf Anlagevermögen vom Schuldner veräußert oder belastet, noch dürfen Pfänder bestellt, Bürgschaften eingegangen oder unentgeltliche Verfügungen getroffen werden (Art. 298 Abs. 2 SchKG); für die Berechnung der Frist zur Anfechtung von Rechtshandlungen ist nach Art. 331 Abs. 2 SchKG anstelle der Konkurseröffnung oder der Pfändung die Bewilligung der Nachlassstundung maßgeblich (Schweizerisches Bundesgericht, Urteil vom 15. Dezember 1998, BGE 125 III 154, 157 f.; Jaeger, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 4. Aufl., Art. 297 Rn. 7).

37

c) Voraussetzung für die Inlandswirkung eines ausländischen Insolvenzverfahrens ist, dass das ausländische Insolvenzverfahren eine extraterritoriale Geltung beansprucht (BT-Drucks. 12/2443, S. 241; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl., Rn. 3512a; Graf, Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheidungen, 2003, S. 286 ff.). Nach schweizerischem Recht hat die Nachlassstundung ebenso wie der Konkurs Auslandswirkung (Spühler/Dolge, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht II, 5. Aufl., Rn. 408).

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d) Die in § 343 Abs. 1 Satz 2 InsO genannten Hindernisse für eine Anerkennung liegen nicht vor.

39

Die schweizerischen Gerichte sind nach deutschem Recht für Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten zuständig (vgl. § 343 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO). In Ermangelung vorrangiger Kollisionsnormen ist zu fragen, ob unter gleichsam "spiegelbildlicher" Zugrundelegung deutscher Zuständigkeitsnormen ein Gericht des Staats, in dem die Entscheidung ergangen ist, international zuständig wäre (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 1992 - IX ZR 229/91, BGHZ 120, 334, 337 mwN; Kemper/Paulus in Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 343 Rn. 11 (Stand August 2008); Lüer in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 13. Aufl., § 343 Rn. 7). Grundsätzlich verteilen die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht nur die Rechtsprechungsaufgaben auf die einzelnen deutschen Gerichte nach örtlichen Gesichtspunkten, sondern legen mittelbar auch den Umfang der internationalen Zuständigkeit fest (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2009 - X ZR 79/06, ZIP 2009, 2217 Rn. 20; BAG, Urteil vom 27. Februar 2007 - 3 AZR 618/06, ZIP 2007, 2047 Rn. 24). Die internationale Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte für Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten ergibt sich hier entsprechend § 3 InsO, denn sie hat ihren Sitz in der Schweiz.

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e) Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Unterbrechung des Rechtsstreits sei nicht davon abhängig, dass nach dem ausländischen Recht die Verfügungs- und Prozessführungsbefugnis vom Schuldner auf eine dritte Person übergeht, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Eine Ansicht macht zwar eine Unterbrechung von einem solchen Übergang der Prozessführungsbefugnis abhängig (FK-InsO/Wenner/Schuster, 5. Aufl., § 352 Rn. 6; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl., Rn. 3529; MünchKommBGB/Kindler, 5. Aufl., § 352 InsO Rn. 13; MünchKommZPO/Gehrlein, 3. Aufl., § 240 Rn. 11; Saenger/Wöstmann, ZPO, 4. Aufl., § 240 Rn. 5; Wenner in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8. Aufl., § 20 Rn. 238). Nach überwiegender Ansicht soll aber ein in Deutschland geführter Rechtsstreit auch dann unterbrochen werden, wenn nach dem Recht des Staats der Insolvenzeröffnung ein Wechsel der Prozessführungsbefugnis nicht erfolgt (BT-Drucks. 12/2443, S. 244; BGH, Urteil vom 13. Oktober 2009 - X ZR 79/06, ZIP 2009, 2217 Rn. 13; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 20. Februar 2007 - 5 U 24/05, ZIP 2007, 932, 934; Dahl in Andres/Leithaus, InsO, 2. Aufl., § 352 Rn. 3; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, 7. Aufl., Rn. 2680; Gottwald/Kolmann, Insolvenzrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 133 Rn. 53; Holzer in Wimmer/Dauernheim/Wagner/Gietl, Handbuch des Fachanwalts Insolvenzrecht, 2010, Kapitel 11 Rn. 96; Kolmann, Kooperationsmodelle im Internationalen Insolvenzrecht, 2001, S. 191 ff.; Kreft/Stephan, InsO, 6. Aufl., § 352 Rn. 5; Ludwig, Neuregelungen des deutschen Internationalen Insolvenzverfahrensrechts, 2004, S. 102 f.; Musielak/Stadler, ZPO, 8. Aufl., § 240 Rn. 4; Stephan in Heidelberger Kommentar zur InsO, 4. Aufl., § 352 Rn. 5; vgl. OLG Köln, Beschluss vom 17. Oktober 2007 - 16 W 24/07, ZIP 2007, 2287, 2288). Diese Ansicht trifft zu.

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Schon der Wortlaut des § 352 Abs. 1 Satz 1 InsO setzt einen Wechsel der Prozessführungsbefugnis nicht voraus. Auch nach dem Willen des Gesetzgebers erfordert die Unterbrechung nach § 352 Abs. 1 Satz 1 InsO keinen Wechsel der Prozessführungsbefugnis im Insolvenzeröffnungsstaat. Die Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Insolvenzrechts vom 14. März 2003 (BGBl. I S. 345) eingeführt. Der Gesetzgeber lehnte sich dabei eng an die im Regierungsentwurf zur Insolvenzordnung vorgesehenen Regelungen zum internationalen Insolvenzrecht an (BT-Drucks. 15/16, S. 13 f.). In der Gesetzesbegründung zu § 391 des Entwurfs, der hinsichtlich der hier relevanten Frage dem geltenden § 352 Abs. 1 Satz 1 InsO entspricht, wird ausdrücklich ausgeführt, dass die Unterbrechung des inländischen Verfahrens auch eintrete, wenn die ausländische Rechtsordnung dem Schuldner die Befugnis zur Fortführung eines anhängigen Prozesses belässt (BT-Drucks. 12/2443, S. 244).

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Dass es auf einen Wechsel der Prozessführungsbefugnis nicht ankommt, wird weiter dadurch bestätigt, dass eine Unterbrechung nach § 240 ZPO nicht zwingend einen Wechsel der Verfügungs- und Prozessführungsbefugnis voraussetzt. So wird ein Prozess auch im Fall der Eigenverwaltung gemäß § 270 InsO unterbrochen (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - V ZB 93/06, ZIP 2007, 249 Rn. 6 ff.). Die durch die Unterbrechung bewirkte Überlegungsfrist benötigt auch ein Insolvenzschuldner, der sein Vermögen selbst verwaltet. Denn er darf sein bisheriges Prozessverhalten nicht ohne weiteres beibehalten; vielmehr hat er nach der Insolvenzeröffnung ausschließlich die Interessen seiner Gläubiger zu wahren und eigene Interessen zurückzustellen; zudem kann eine Abstimmung mit dem Sachwalter (vgl. § 274 Abs. 2, § 279 InsO) erforderlich werden (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - V ZB 93/06, ZIP 2007, 249 Rn. 8).

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f) Soweit das Berufungsgericht allerdings eine Unterbrechung des vorliegenden Rechtsstreits selbst dann annehmen will, wenn das ausländische Insolvenzverfahren, wie hier, nach dem Recht des Insolvenzeröffnungsstaats weder einen Übergang der Prozessführungsbefugnis vorsieht noch eine Unterbrechungswirkung beansprucht oder sich in sonstiger Weise auf den Fortgang anhängiger Prozesse auswirkt, kann dem nicht gefolgt werden.

44

Die Frage, ob im Inland eine Unterbrechungswirkung angenommen werden kann, wenn das ausländische Insolvenzrecht eine solche nicht kennt, wird unterschiedlich beantwortet. Eine Ansicht lehnt eine Unterbrechung des in Deutschland geführten Rechtsstreits dann ab, wenn das ausländische Recht eine Unterbrechung nicht vorsieht (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 240 Rn. 3a; Musielak/Stadler, ZPO, 8. Aufl., § 240 Rn. 4). Nach der Gegenansicht soll es auf die Frage, ob das ausländische Insolvenzverfahren eine solche Wirkung hat, generell nicht ankommen (Braun/Liersch, InsO, 4. Aufl., § 352 Rn. 2; FK-InsO/Wenner/Schuster, 5. Aufl., § 352 Rn. 6; Gottwald/Kohlmann, Insolvenzrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 133 Rn. 53; Liersch, NZI 2003, 302, 308; Ludwig, Neuregelungen des deutschen Internationalen Insolvenzverfahrensrechts, 2004, S. 101 f.; Pannen in Blersch/Goetsch/Haas, InsO, § 352 Rn. 4 (Stand April 2008); Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 240 Rn. 6).

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Die Frage kann im Streitfall letztlich offen bleiben. Zwar kann es nicht entscheidend darauf ankommen, ob das ausländische Prozessrecht seinerseits gerade eine automatische Unterbrechungswirkung wie § 240 ZPO vorsieht, denn die Unterbrechung des Verfahrens ist keine Frage des Insolvenzrechts, sondern des Prozessrechts und wird deswegen grundsätzlich durch das Recht des jeweiligen Prozessgerichts beantwortet (BGH, Beschluss vom 26. November 1997 - IX ZR 309/96, ZIP 1998, 659, 660; Ludwig, Neuregelungen des deutschen Internationalen Insolvenzverfahrensrechts, 2004, S. 101). So kann eine Unterbrechungswirkung oft die unvermeidliche Folge eines Übergangs der Prozessführungsbefugnis sein, auch wenn das ausländische Insolvenzrecht keine automatische Unterbrechungswirkung vorsieht (BGH, Beschluss vom 26. November 1997 - IX ZR 309/96, ZIP 1998, 659, 660). Im Streitfall liegt nach dem ausländischen Recht jedoch auch kein Übergang der Prozessführungsbefugnis vor. Die Bewilligung der Nachlassstundung hat in der Schweiz keinen Einfluss auf die Fortsetzung von Zivilprozessen (vgl. Hunkeler/Hardmeier, SchKG, 2008, Art. 297 Rn. 7; Jaeger, SchKG, 4. Aufl., Art. 297 Rn. 24; Vollmar in Staehelin/Bauer/Staehelin, SchKG, 1998, Art. 297 Rn. 10). Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Schweizer Nachlassstundung im Ausland eine Unterbrechungswirkung beansprucht (vgl. zur Auslandswirkung fremden Insolvenzrechts BGH, Urteil vom 27. Mai 1993 - IX ZR 254/92, BGHZ 122, 373, 376). Jedenfalls in den Fällen, in denen wie hier nach dem Recht des Insolvenzeröffnungsstaats das Insolvenzverfahren keinerlei Einfluss auf anhängige Rechtsstreitigkeiten haben soll, ist die Annahme einer Unterbrechung in Deutschland nicht gerechtfertigt.

46

g) Schließlich erfordern auch die Interessen der Parteien im nationalen Zivilprozess keine Unterbrechung. § 352 Abs. 1 InsO soll wie § 240 ZPO dem infolge der Insolvenzeröffnung eintretenden Wechsel der Prozessführungsbefugnis Rechnung tragen und sowohl dem Insolvenzverwalter als auch den Parteien Gelegenheit geben, sich auf die durch die Insolvenz veränderte rechtliche und wirtschaftliche Lage einzustellen (BGH, Beschluss vom 26. November 1997 - IX ZR 309/96, ZIP 1998, 659, 660, Kempter/Paulus in Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 352 Rn. 1 (Stand August 2008)). Soweit, wie hier, ein Wechsel in der Prozessführungsbefugnis nicht erfolgt, beschränkt sich das Interesse der Parteien darauf, sich auf die infolge der Insolvenz des Schuldners geänderte Situation einzustellen. Diesem Interesse muss aber nicht zwingend durch eine Unterbrechung, die unabhängig vom Willen der Parteien eintritt, Rechnung getragen werden. Eine ausreichende Überlegungszeit kann regelmäßig auch durch die Gewährung von Fristverlängerungen (§ 224 Abs. 2 ZPO) und Terminsverlegungen (§ 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO) erreicht werden.

Galke                                                  Wellner                                                  Pauge

                           Stöhr                                                  von Pentz