Entscheidungsdatum: 10.03.2015
1. Freiwillige Zahlungen von Notaren an Notarassessoren für deren Vertretungstätigkeit sind keine Trinkgelder i.S. des § 3 Nr. 51 EStG, sondern steuerpflichtiger Arbeitslohn .
2. Die rechtliche Ausgestaltung des Notarberufs schließt es aus, freiwillige Zahlungen von Notaren an Notarassessoren für deren Vertretung als Trinkgelder i.S. des § 3 Nr. 51 EStG anzusehen. Es liegt insbesondere kein Kunden- oder kundenähnliches Verhältnis vor, wie es der Begriff des Trinkgelds, der auch § 3 Nr. 51 EStG zugrunde liegt, voraussetzt .
3. Notarassessoren gehören nicht zu der typischen Berufsgruppe, in der Arbeitnehmertrinkgelder traditionell einen flankierenden Bestandteil der Entlohnung darstellen .
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 28. August 2013 3 K 525/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.
I. Streitig ist die steuerliche Behandlung von Zuwendungen, die eine Notarassessorin von verschiedenen Notaren für ihre Vertretungstätigkeit erhielt.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten und wurden im Streitjahr (2009) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin war in dieser Zeit als Notarassessorin in Mecklenburg-Vorpommern tätig.
Die Klägerin übernahm im Streitjahr die Vertretung verschiedener Notare. Die vertretenen Notare hatten dafür gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 der Abgabensatzung der Ländernotarkasse ein Entgelt an die Ländernotarkasse zu entrichten. Unabhängig von diesem Entgelt wandten die vertretenen Notare der Klägerin für deren Vertretungstätigkeit Geldbeträge in Höhe von insgesamt 1.000 € zu, ohne dass die Klägerin einen Anspruch hierauf hatte.
Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte die Klägerin diese Zahlungen als steuerfreies Trinkgeld.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) behandelte den Betrag als steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Die dagegen nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 23 veröffentlichten Gründen ab.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragen,
das angefochtene Urteil des FG Mecklenburg-Vorpommern vom 28. August 2013 3 K 525/11 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 27. Dezember 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. November 2011 dahingehend abzuändern, dass die streitgegenständlichen Zahlungen in Höhe von 1.000 € als steuerfreies Trinkgeld behandelt werden.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass es sich bei den Zahlungen der vertretenen Notare an die Klägerin nicht um steuerfreies Trinkgeld i.S. des § 3 Nr. 51 des Einkommensteuergesetzes (EStG) handelt.
1. Zum Arbeitslohn gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats alle Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Dies gilt auch für die Zuwendung eines Dritten, wenn diese ein Entgelt "für" eine Leistung bildet, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll. Voraussetzung ist, dass sie sich für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellt und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht (Senatsurteile vom 18. Dezember 2008 VI R 49/06, BFHE 224, 103, BStBl II 2009, 820, und vom 3. Mai 2007 VI R 37/05, BFHE 218, 122, BStBl II 2007, 712, m.w.N.).
Danach waren die von den vertretenen Notaren an die Klägerin geleisteten Zahlungen --wie das FG zutreffend geurteilt hat-- Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG.
2. Dieser Arbeitslohn war nicht gemäß § 3 Nr. 51 EStG steuerfrei.
a) Nach § 3 Nr. 51 EStG sind ohne betragsmäßige Begrenzung Trinkgelder steuerfrei, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von Dritten freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht, zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist.
Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist Trinkgeld i.S. des § 3 Nr. 51 EStG eine dem dienstleistenden Arbeitnehmer vom Kunden oder Gast gewährte zusätzliche Vergütung, die eine gewisse persönliche Beziehung zwischen dem Arbeitnehmer und dem Dritten voraussetzt. Trinkgeld ist eine freiwillige und typischerweise persönliche Zuwendung an den Bedachten als eine Art honorierende Anerkennung seiner dem Leistenden gegenüber erwiesenen Mühewaltung in Form eines kleineren Geldgeschenkes (Senatsurteile vom 19. Juli 1963 VI 73/62 U, BFHE 77, 433, BStBl III 1963, 479; in BFHE 218, 122, BStBl II 2007, 712, und in BFHE 224, 103, BStBl II 2009, 820; so auch die in der Literatur vertretene Auffassung, vgl. Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 3 Nr. 51 EStG Rz 2; v. Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 51 Rz B 51/51; Blümich/Erhard, § 3 Nr. 51 EStG Rz 3). Zum Begriff des Trinkgelds gehört es demnach, dass in einem nicht unbedingt rechtlichen, jedenfalls aber tatsächlichen Sinne Geldfluss und honorierte Leistung korrespondierend einander gegenüberstehen, weil die durch die Zuwendung "belohnte" Dienstleistung dem Leistenden unmittelbar zugutekommt. Faktisch steht der Trinkgeldempfänger damit in einer doppelten Leistungsbeziehung und erhält korrespondierend dazu auch doppeltes Entgelt, nämlich das Arbeitsentgelt seitens seines Arbeitgebers und das Trinkgeld seitens des Kunden (Senatsurteil in BFHE 218, 122, BStBl II 2007, 712).
Der Trinkgeldbegriff ist durch den allgemeinen Sprachgebrauch geprägt (Senatsurteil in BFHE 224, 103, BStBl II 2009, 820) und erfasst insbesondere Zuwendungen an Arbeitnehmer, bei denen Trinkgelder traditionell einen flankierenden Bestandteil der Entlohnung darstellen (BTDrucks 14/9029, 3).
b) Nach diesen Grundsätzen sind die von den vertretenen Notaren an die Klägerin geleisteten, freiwilligen Zahlungen in Höhe von insgesamt 1.000 € keine steuerfreien Trinkgelder i.S. des § 3 Nr. 51 EStG, sondern steuerpflichtiger Arbeitslohn. Die rechtliche Ausgestaltung des Notarberufs schließt es aus, die Zahlungen der Notare an die Klägerin als Notarassessorin für die Vertretung als Trinkgelder i.S. des § 3 Nr. 51 EStG anzusehen. Zu den Notaren besteht insbesondere kein Kunden- oder kundenähnliches Verhältnis, wie es der Typus-Begriff des Trinkgelds, der auch § 3 Nr. 51 EStG zugrunde liegt, voraussetzt.
aa) Der Notar steht nach geltendem Recht als Träger eines öffentlichen Amtes (§ 1 der Bundesnotarordnung --BNotO--) nach seinen Aufgaben, seinen Amtsbefugnissen und seiner Rechtsstellung dem Beamten oder dem Richter nahe und erfüllt staatliche Aufgaben (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 2. April 1963 2 BvL 22/60, BVerfGE 16, 6; vom 5. Mai 1964 1 BvL 8/62, BVerfGE 17, 371, und vom 19. Juni 2012 1 BvR 3017/09, BVerfGE 131, 130). Denn der Notar beurkundet Rechtsvorgänge und wird auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege tätig (§ 1 BNotO), nimmt also eine staatliche Aufgabe wahr, die materiell zum Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit gehört (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 16, 6, und in BVerfGE 131, 130, jeweils m.w.N.). Dem entspricht die rechtliche Ausgestaltung des Amtsverhältnisses des Notars, für das in weitem Umfang Vorschriften gelten, die denen des Beamtenrechts nachgebildet sind. Der Beruf des Notars ist sowohl nach der Eigenart der ihm übertragenen Aufgaben wie nach der positiven Ausgestaltung des Berufsrechts dem öffentlichen Dienst sehr nahe gerückt (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 17, 371, und vom 18. Juni 1986 1 BvR 787/80, BVerfGE 73, 280).
bb) Dem Notar kann für die Zeit seiner Abwesenheit oder Verhinderung durch die Aufsichtsbehörde (§ 92 Nr. 1 BNotO, Präsident des Landgerichts über die Notare und Notarassessoren des Landgerichtsbezirks) gemäß § 39 Abs. 1 BNotO auf seinen Antrag ein Vertreter bestellt werden. Auf diesen Vertreter sind gemäß § 39 Abs. 4 BNotO die für den Notar geltenden Vorschriften grundsätzlich entsprechend anzuwenden. Auch der Vertreter ist mithin wie der Notar selbst Inhaber eines öffentlichen Amtes; er hat grundsätzlich dieselben Rechte und Pflichten wie der Notar (Lerch in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 7. Aufl., § 7 Rz 38; Baumann in Eylmann/Vaasen, BNotO, 3. Aufl. 2011, § 7 Rz 35, 36 und 47).
cc) Zwischen den Notaren, zu deren Vertreterin die Klägerin durch die Aufsichtsbehörde bestellt worden war, und der Aufsichtsbehörde bestand angesichts der vorbezeichneten rechtlichen Rahmenbedingungen für Amt und Funktion des Notars kein trinkgeldtypisches kundenähnliches Dienstleistungs- oder sonstiges Hauptvertragsverhältnis, zu dessen Erfüllung sich die Aufsichtsbehörde der Klägerin bedient hätte.
Der Hauptzweck der Vertretung, an dem sich auch die Ermessensausübung der Aufsichtsbehörde bei der Bestellung eines Vertreters für den Notar zu orientieren hat, besteht darin, den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege gerecht zu werden, die durch den mehr oder minder lange oder oft eintretenden Ausfall des Notars für die Ausübung seines Amtes im Ganzen gestört wird (Beschluss des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 9. Januar 1995 NotZ 6/93, Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 1995, 1081). Dagegen hat sie jedenfalls nicht in erster Linie den Zweck, die Praxis des Notars vor einem Rückgang zu schützen (BGH-Beschluss vom 8. November 1976 NotZ 4/76, BGHZ 67, 296, 298). Vielmehr obliegt den Aufsichtsbehörden (§ 92 BNotO) gemäß § 93 Abs. 1 BNotO die Dienstaufsicht über die Notare und Notarassessoren aufgrund der staatlichen Justizhoheit (Lerch in Arndt/Lerch/ Sandkühler, a.a.O., § 93 Rz 2; Baumann in Eylmann/Vaasen, a.a.O., § 93 Rz 3; Lemke in Schippel/Bracker, BNotO, 8. Aufl., § 93 Rz 1). All das spricht gegen ein kundenähnliches Dienstleistungs- und Hauptvertragsverhältnis zwischen den Notaren und der Aufsichtsbehörde.
dd) Ebenso wenig lässt sich das Verhältnis der Notare zur Notarkammer Mecklenburg-Vorpommern und zur Ländernotarkasse als kundenähnliches Dienstleistungs- und Hauptvertragsverhältnis charakterisieren. Die Notare sind gemäß § 65 BNotO Zwangsmitglieder der Notarkammer (vgl. Lerch in Arndt/Lerch/Sandkühler, a.a.O., § 65 Rz 11) als einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 66 Abs. 1 Satz 1 BNotO), deren Aufgaben insbesondere in § 67 BNotO gesetzlich geregelt sind. Zu diesen Aufgaben gehört es nicht, den Kammermitgliedern im Sinne einer Dienstleistung Notarassessoren, deren Ausbildung die Notarkammer aufgrund der von der Landesjustizverwaltung vorgegebenen Ausbildungsordnung gestaltet, zu Vertretungszwecken zur Verfügung zu stellen. Die Zuständigkeit der Ländernotarkasse beschränkt sich --soweit es für den Streitfall von Bedeutung ist-- auf die Zahlung der Bezüge der Klägerin an Stelle der Notarkammer (§ 113 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 6 BNotO).
3. Das Urteil des FG stimmt mit diesen Rechtsgrundsätzen überein. Es hat zu Recht entschieden, dass die von den vertretenen Notaren an die Klägerin geleisteten Zahlungen in Höhe von insgesamt 1.000 € im streitigen Veranlagungszeitraum keine steuerfreien Trinkgelder i.S. des § 3 Nr. 51 EStG sind. Die Revision war daher zurückzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 2 FGO.