Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 15.07.2016


BGH 15.07.2016 - V ZR 168/15

Beratungsvertrag über den finanzierten Erwerb einer Eigentumswohnung zu Kapitalanlagezwecken: Vermutung der Ursächlichkeit von Beratungsfehlern für den Kaufentschluss; Voraussetzungen für eine konkludent vereinbarte Haftungsfreizeichnung im Falle der Fehlberatung über voraussichtliche Zahlungslasten


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
15.07.2016
Aktenzeichen:
V ZR 168/15
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2016:150716UVZR168.15.0
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend OLG Zweibrücken, 23. Juni 2015, Az: 8 U 63/13vorgehend LG Zweibrücken, 8. November 2013, Az: 2 O 326/10
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. Die Vermutung der Ursächlichkeit eines Beratungsfehlers des Verkäufers für den Entschluss des Käufers zum Erwerb einer als Kapitalanlage angebotenen Immobilie (Kausalitätsvermutung) ist auch anzuwenden, wenn sich der Käufer bei richtiger Information in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte (Aufgabe der entgegenstehenden Rechtsprechung des Senats u.a. in den Urteilen vom 6. April 2001, V ZR 402/99, NJW 2001, 2021, 2022; vom 30. November 2007, V ZR 284/06, NJW 2008, 649 Rn. 10; vom 1. März 2013, V ZR 279/11, NJW 2013, 1873 Rn. 20 und vom 25. Oktober 2013, V ZR 9/13, Grundeigentum 2014, 118 Rn. 17).

2. Die Annahme einer nach durchgeführter Beratung des Käufers über die mit dem Erwerb einer Immobilie verbundenen Belastungen konkludent vereinbarten Haftungsfreizeichnung setzt konkrete Anhaltspunkte für einen Willen des Käufers voraus, auf Schadensersatzansprüche wegen eines Beratungsfehlers zu verzichten.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des 8. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 23. Juni 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungs-gericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Mit notariellem Vertrag vom 23. Oktober 2007 kaufte der Kläger von der Beklagten eine Eigentumswohnung zu einem Preis von 144.000 €. Der Vertragsschluss wurde durch eine GmbH herbeigeführt (im Folgenden: Vermittlerin), deren Geschäftsführer der Zeuge E.     E.    war. Die Finanzierung des Erwerbs erfolgte durch Aufnahme eines grundpfandrechtlich gesicherten Darlehens über 146.000 € und einen Bausparvertrag mit einer Bausparsumme in gleicher Höhe, die zur Tilgung des Darlehens eingesetzt werden sollte. Aus den Verträgen ergibt sich für den Kläger eine monatliche Belastung von 797,25 € (675,25 € Darlehenszinsen und 122 € Ansparleistung). Der Kläger hat zudem einen nicht umlegungsfähigen Hausgeldanteil von 63,93 € monatlich zu leisten. Diesen Ausgaben für die Wohnung stehen Mieteinkünfte von 560 € monatlich sowie eine Steuerersparnis von umgerechnet 74,69 € monatlich gegenüber.

2

Der Kläger behauptet, der Zeuge E.    habe ihn über die Belastung aus dem Erwerb der Wohnung falsch informiert, da dieser einen Überschuss der Einnahmen einschl. der Steuervorteile über die Ausgaben von etwa 50 € monatlich (640 € jährlich) errechnet habe. Das sei Grundlage für seinen Kaufentschluss gewesen.

3

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, 1. ihn von der Darlehensbelastung in Höhe von 146.000 € Zug um Zug gegen Rückübereignung der Wohnung freizustellen, 2. an ihn 11.173,21 € zzgl. Zinsen für verschiedene Aufwendungen (Vorfälligkeitsentschädigung, Grunderwerbsteuer, Vollstreckungskosten, Notarkosten, nicht umlagefähiger Hausgeldaufwand) zu zahlen, 3. die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz weiterer Vermögensschäden festzustellen und 4. an ihn vorgerichtliche Kosten von 3.127,92 € zzgl. Zinsen zu zahlen.

4

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung durch Beschluss zurückgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

I.

5

Das Berufungsgericht meint, der Klage müsse der Erfolg schon deshalb versagt bleiben, weil nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Falschberatung durch den Zeugen E.     für den Kaufentschluss des Klägers und die Inanspruchnahme der Finanzierung kausal geworden sei. Die Vermutung der Kausalität des Beratungsfehlers für den Kaufentschluss greife hier nicht ein, weil es die Möglichkeit eines Entscheidungskonflikts gegeben habe. Die Einkommensverhältnisse des Klägers und das mietfreie Wohnen im elterlichen Hause ließen den Erwerb der Wohnung zu den vereinbarten Finanzierungskonditionen durchaus zu. Das werde auch durch das nachvertragliche Zahlungsverhalten des Klägers belegt. Es liege daher nicht auf der Hand, dass der Kläger bei sachgerechter Beratung von einem Erwerb Abstand genommen hätte.

II.

6

Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

7

1. Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Verlangt der Käufer wegen schuldhafter Verletzung eines Beratungsvertrags nach § 311 Abs. 1, § 241 Abs. 1, § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB so gestellt zu werden, als hätte er von dem Vertragsschluss abgesehen (vgl. Senat, Urteil vom 27. November 1998 - V ZR 344/97, BGHZ 140, 111, 117; Urteil vom 14. März 2003 - V ZR 308/02, NJW 2003, 1811, 1814), setzt dies voraus, dass der Beratungsfehler für das Zustandekommen des Kaufvertrags ursächlich geworden ist.

8

2. Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht jedoch die Ursächlichkeit zwischen dem von ihm unterstellten Beratungsfehler und dem Vertragsschluss.

9

a) Liegt ein Beratungsfehler des Verkäufers vor - etwa durch ein fehlerhaftes Berechnungsbeispiel, in dem die mit dem Erwerb der Immobilie für den Käufer verbundenen Belastungen zu niedrig ausgewiesen worden sind - wird die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den Vertragsschluss zu Gunsten des Käufers vermutet (Senat, Urteil vom 6. April 2001 - V ZR 402/99, NJW 2001, 2021, 2022; Urteil vom 14. Januar 2005 - V ZR 260/03, WuM 2005, 205, 207; Urteil vom 20. Juli 2007 - V ZR 227/06, NJW-RR 2007, 1660 Rn. 18). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt, darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre, der Geschädigte also den Hinweis unbeachtet gelassen und auch bei wahrheitsgemäßen Tatsachenangaben den Vertrag so wie geschehen geschlossen hätte (Senat, Urteil vom 26. September 1997 - V ZR 29/96, NJW 1998, 302, 303; Urteil vom 6. April 2001 - V ZR 402/99, NJW 2001, 2021, 2022).

10

b) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats setzt die Kausalitätsvermutung allerdings voraus, dass es für den anderen Teil bei aufklärungsrichtigem Verhalten des Verkäufers vernünftigerweise nur eine bestimmte Reaktion auf die Aufklärung gibt und die Möglichkeit eines Entscheidungskonflikts ausscheidet (Senat, Urteil vom 6. April 2001 - V ZR 402/99, NJW 2001, 2021, 2022; Urteil vom 1. März 2013 - V ZR 279/11, NJW 2013, 1873 Rn. 20; Urteil vom 25. Oktober 2013 - V ZR 9/13, Grundeigentum 2014, 118 Rn. 17).

11

aa) In den bislang entschiedenen Fällen hat der Senat die Möglichkeit eines Entscheidungskonflikts verneint. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des jeweiligen Käufers bewegten sich im Zeitpunkt der Beratung nicht in einem Umfang, die es ihm vernünftigerweise ermöglicht hätten, noch mehr als geringfügige Belastungen aus dem Wohnungserwerb zu übernehmen (vgl. Senat, Urteil vom 6. April 2001 - V ZR 402/99, aaO; Urteil vom 25. Oktober 2013 - V ZR 9/13, aaO). Stellt sich die Belastung aus dem Erwerb nach den Verhältnissen des Käufers so dar, dass ihm wegen seiner anderen laufenden Verbindlichkeiten alsbald der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit droht (§ 18 Abs. 1 InsO) oder dass das ihm verbleibende Einkommen unter die Pfändungsfreigrenzen sinkt (§ 850c, § 850i ZPO), stellt sich das Unterlassen des Vertragsschlusses als alternativlos dar, weil der Käufer mit dem Erwerb seine wirtschaftliche Existenz aufs Spiel setzte.

12

bb) So verhält es sich hier jedoch nicht.

13

Bei aufklärungsrichtigem Verhalten wäre der Kläger darüber zu informieren gewesen, dass ihm bei einem zu 100 % finanzierten Erwerb monatliche Aufwendungen von ca. 225 € entstehen, die er laufend - bis zur Ablösung des Darlehens - aus seinem Nettoeinkommen von 2.300 €/mtl. aufzubringen haben wird. Dass der Kläger - wie von ihm vorgetragen - bei einer solchen Information in jedem Fall von dem Kauf Abstand genommen hätte, ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht völlig zweifelsfrei.

14

Dafür spricht allerdings, dass der Erwerb der Wohnung deshalb als besonders attraktiv dargestellt worden ist, weil der Kläger nach der Berechnung des Zeugen E.    ein Gewinn von ca. 50 € gemacht hätte. Bei einem Erwerb einer Wohnung zu Anlagezwecken bildet die Angabe des monatlichen Überschusses (Gewinnes) aus der Vermietung oder - wie es meistens der Fall sein wird - des monatlichen Zuschusses bis zur Kredittilgung das Kernstück der Beratung des Verkäufers (vgl. Senat, Urteil vom 31. Oktober 2003 - V ZR 423/02, BGHZ 156, 371, 377; Urteil vom 14. Januar 2005 - V ZR 260/03, WuM 2005, 205, 206). Führt der Kauf der Wohnung nicht - wie von dem Verkäufer vorgerechnet - zu laufenden Gewinnen, sondern zu Verlusten aus deren Vermietung, die aus dem übrigen Einkommen oder Vermögen des Käufers zu decken sind, liegt die Kausalität des Beratungsfehlers für den Kaufentschluss nahe.

15

Ein Entscheidungskonflikt des Klägers bei richtiger Beratung kann gleichwohl nicht ausgeschlossen werden. Da er die tatsächlichen monatlichen Belastungen von ca. 225 € monatlich nach seinen persönlichen Verhältnissen zu tragen vermag, hätte sich der Erwerb der Wohnung aus anderen Gründen als eine für ihn wirtschaftlich vernünftige Entscheidung darstellen können. Das hängt von seinen Anlagezielen ab. Der Kauf hätte sich trotz des Zuschussbetrags als sinnvoll darstellen können, wenn der Kläger nicht in erster Linie das Ziel verfolgt hätte, einen Gewinn aus der Vermietung der Wohnung zu erzielen, sondern wenn es ihm vor allem um spätere Einkünfte aus der Vermietung (im Alter) nach der Tilgung des zum Erwerb aufgenommenen Kredits oder um die Realisierung eines Gewinnes durch einen späteren Verkauf der Wohnung wegen einer von ihm erwarteten Wertsteigerung gegangen wäre. Vor diesem Hintergrund kann nicht festgestellt werden, dass bei aufklärungsrichtigem Verhalten kein Entscheidungskonflikt bestanden hätte.

16

c) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats greift die Kausalitätsvermutung nicht ein, wenn es für den anderen Teil vernünftigerweise mehrere Möglichkeiten der Reaktion auf die richtige Aufklärung gegeben hätte (vgl. Urteile vom 6. April 2001 - V ZR 402/99, NJW 2001, 2021, 2022; vom 30. November 2007 - V ZR 284/06, NJW 2008, 649 Rn. 10; vom 1. März 2013 - V ZR 279/11, NJW 2013, 1873 Rn. 20 und vom 25. Oktober 2013 - V ZR 9/13, Grundeigentum 2014, 118 Rn. 17). Daran wird jedoch nicht festgehalten.

17

aa) Der Senat hatte seine Auffassung unter Bezugnahme auf die frühere Rechtsprechung des für das Bankrecht zuständigen XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs begründet (vgl. Senat, Urteil vom 6. April 2001 - V ZR 402/99, NJW 2001, 2021, 2022), nach der die Kausalitätsvermutung in den Fällen eines Entscheidungskonflikts bei gehöriger Aufklärung nicht anzuwenden war (BGH, Urteil vom 10. Mai 1994 - XI ZR 115/93, NJW 1994, 2541, 2542; Urteil vom 11. März 1997 - XI ZR 92/96, NJW 1997, 2171, 2173). Diese Rechtsprechung hat der XI. Zivilsenat mittlerweile aufgegeben. Er vertritt nunmehr, dass sich der Ausschluss der Kausalitätsvermutung in den Fällen eines Entscheidungskonflikts nicht mit dem Zweck der Aufklärungs- und Beratungspflichten verträgt, dem Anleger eine sachgerechte Entscheidung über den Abschluss bestimmter Geschäfte zu ermöglichen. Dieser Zweck könne nur erreicht werden, wenn auch in solchen Fällen Unklarheiten, die durch die Aufklärungspflichtverletzung bedingt seien, zu Lasten des Aufklärungspflichtigen gingen, dieser also die Nichtursächlichkeit seiner Pflichtverletzung zu beweisen habe (BGH, Urteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 33 ff.; Beschluss vom 1. April 2014 - XI ZR 171/12, BKR 2014, 295 Rn. 9).

18

bb) Der II. Zivilsenat vertritt für die Fälle der Aufklärungspflichtverletzung durch fehlerhafte Prospektangaben in ständiger Rechtsprechung, dass bei einer unrichtigen oder unvollständigen Darstellung von für die Anlageentscheidung wesentlichen Umständen nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung dafür bestehe, dass die mangelhafte Prospektdarstellung für die Anlageentscheidung ursächlich war (BGH, Urteil vom 6. Oktober 1980 - II ZR 60/80, BGHZ 79, 337, 346; Urteil vom 2. Juni 2008 - II ZR 210/06, BGHZ 177, 25 Rn. 19; Urteil vom 31. Mai 2010 - II ZR 30/09, NJW 2010, 2506 Rn. 17; Urteil vom 11. Februar 2014 - II ZR 273/12, NZG 2014, 432 Rn. 10). Dies hat der II. Zivilsenat auch für unrichtige mündliche Informationen durch die Personen bejaht, die für entsprechende Angaben in einem Prospekt verantwortlich wären (BGH, Urteil vom 2. Juni 2008 - II ZR 210/06, BGHZ 177, 25 aaO). Durch unzutreffende oder unvollständige Information werde in das Recht des Anlegers eingegriffen, in eigener Entscheidung und Abwägung des Für und Wider zu entscheiden, ob er in das Projekt investieren wolle oder nicht (BGH, Urteil vom 5. Juli 1993 - II ZR 194/92, BGHZ 123, 106, 112 ff.; Urteil vom 31. Mai 2010 - II ZR 30/09, aaO; Urteil vom 11. Februar 2014 - II ZR 273/12, aaO). Die Kausalitätsvermutung zu widerlegen, sei daher Sache des Aufklärungspflichtigen (BGH, Urteil vom 22. März 2010 - II ZR 66/08, NZG 2010, 709 Rn. 23). Ob hierfür die Grundsätze des Anscheinsbeweises oder der Beweislastumkehr anzunehmen sind, hat der II. Zivilsenat offen gelassen (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 - II ZR 273/12, NZG 2014, 432 Rn. 11).

19

Der III. Zivilsenat geht für die Haftung der Anlagevermittler oder Anlageberater davon aus, dass für den Ursachenzusammenhang zwischen einer fehlerhaften Beratung und dem Anlageentschluss eine durch die Lebenserfahrung begründete tatsächliche Vermutung spreche, dass der Anlageinteressent bei richtiger Aufklärung von der Investition abgesehen hätte (BGH, Urteil vom 9. Februar 2006 - III ZR 20/05, NJW-RR 2006, 685 Rn. 22; Urteil vom 19. Juni 2008 - III ZR 159/07, BeckRS 2008, 13080 Rn. 8; Urteil vom 8. Juli 2010 - III ZR 249/09, BGHZ 186, 152 Rn. 20; Urteil vom 14. April 2011 - III ZR 27/10, NJW-RR 2011, 1139 Rn. 13; Urteil vom 23. Juni 2016 - III ZR 308/15, NJW 2016, 3024 Rn. 22). Die Kausalitätsvermutung habe der Aufklärungspflichtige durch konkreten Vortrag zu entkräften (BGH, Urteil vom 9. Februar 2006 - III ZR 20/05, aaO; Urteil vom 8. Juli 2010 - III ZR 249/09, aaO; Urteil vom 14. April 2011 - III ZR 27/10, aaO). Der III. Zivilsenat stützt diese Verteilung der Darlegungslast ebenfalls darauf, dass der Anlagevermittler oder Anlageberater durch unzutreffende oder unvollständige Informationen in das Recht des Anlegers eingreife, in Abwägung des Für und Wider über die Investition zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 9. Februar 2006 - III ZR 20/05, NJW-RR 2006, 685 Rn. 22).

20

cc) Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung geht der erkennende V. Zivilsenat nunmehr davon aus, dass die Vermutung der Ursächlichkeit eines Beratungsfehlers des Verkäufers für den Entschluss des Käufers zum Erwerb einer als Kapitalanlage angebotenen Immobilie (Kausalitätsvermutung) auch anzuwenden ist, wenn sich der Käufer bei richtiger Information in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte. In diesem Fall ist es Sache des Verkäufers, darzutun, dass die dem Käufer erteilten Fehlinformationen für dessen Entscheidung zum Kauf irrelevant gewesen sind, der Käufer sich also auch bei richtiger Aufklärung zum Erwerb entschlossen hätte.

21

Die Beratung durch den Verkäufer, der gewöhnlich nicht verpflichtet ist, den Käufer über die Wirtschaftlichkeit des Erwerbs und seinen Nutzen aufzuklären oder zu beraten (vgl. Senat, Urteil vom 13. Oktober 2006 - V ZR 66/06, NJW 2007, 1874 Rn. 13), insbesondere die durch die Vorlage eines Berechnungsbeispiels, dient vornehmlich dem Interesse des Verkäufers, die Vermittlung des Immobilienkaufs zu fördern (vgl. Senat, Urteil vom 27. November 1998 - V ZR 344/97, BGHZ 140, 111, 117; Urteil vom 14. März 2003 - V ZR 308/02, NJW 2003, 1811, 1812). Ist der Vertragsschluss nach einer solchen Beratung des Verkäufers erfolgt, ist nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass diese - wie beabsichtigt - gewirkt hat und damit für den Vertragsentschluss des Käufers ursächlich gewesen ist. Daran ändert es nichts, wenn dem Käufer bei richtiger Beratung mehrere Handlungsalternativen zur Verfügung gestanden hätten. Vielmehr hat der Verkäufer, der durch eine fehlerhafte Beratung in das Recht des Käufers eingewirkt hat, in eigener Entscheidung und Abwägung des Für und Wider über den Kauf zu befinden, die die tatsächliche Vermutung entkräftenden Umstände aufzuzeigen. Ob es sich bei der Kausalitätsvermutung um eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises oder um eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung (so der XI. Zivilsenat, Urteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 29) handelt, lässt der Senat - wie der II. Zivilsenat (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2012 - II ZR 273/12, NZG 2014, 432 Rn. 10) - offen.

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3. Zur Entkräftung der Vermutung geeignete Tatsachen sind weder von dem Berufungsgericht festgestellt noch von der Beklagten aufgezeigt worden. Die Kausalitätsvermutung ist auch nicht - wie von dem Berufungsgericht angenommen - deswegen entkräftet, weil der Kläger nach dem Erwerb die Lasten der Sache getragen und nach dem Erkennen des Beratungsfehlers mit der Inanspruchnahme des Verkäufers zugewartet hat. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist in diesem Punkt ebenfalls fehlerhaft, weil die tatrichterliche Würdigung insoweit auf Verstößen gegen die Denkgesetze beruht. Ein solcher Verstoß liegt unter anderem dann vor, wenn der Tatrichter Umständen Indizwirkungen zuerkennt, die sie nicht haben können oder wenn die Ambivalenz von Indiztatsachen nicht erkannt wird (Senat, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 257/03, BGHZ 158, 269, 273; BGH, Urteil vom 24. April 2001 - VI ZR 36/00, NJW 2001, 2880, 2882 - insoweit in BGHZ 147, 269 ff. nicht abgedruckt). So verhält es sich hier.

23

a) Die Tatsache, dass ein Erwerber die Lasten einer Immobilie getragen hat, besagt nichts darüber, dass der Kauf eine für ihn vernünftige Anlageentscheidung darstellte. Die weitere Bedienung des zum Erwerb aufgenommenen Darlehens war vielmehr - wie von der Revision zutreffend bemerkt - für den Kläger schon deshalb geboten, um eine Kreditkündigung und Vollstreckungsmaßnahmen zu vermeiden.

24

b) Rechtsfehlerhaft ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, die Vermutung der Kausalität des Beratungsfehlers für den Kaufentschluss sei schon deswegen entkräftet (bzw. im Sinne des § 292 ZPO widerlegt), weil der Kläger trotz Kenntnis von der monatlichen Zuzahlung von etwa 225 € mit der Inanspruchnahme der Beklagten zugewartet habe. Dabei verkennt das Berufungsgericht die Ambivalenz eines Zuwartens des falsch beratenen Käufers bis zu seiner Entscheidung, gegen den Verkäufer wegen dessen Falschberatung vorzugehen.

25

aa) Dass der Kläger erst im Jahr 2010 die Klage erhoben hat, lässt sich ohne Weiteres mit seinem Vortrag vereinbaren, dass er einen mit erheblichen Kosten und Risiken verbundenen Rechtsstreit zur Durchsetzung eines Anspruchs auf schadensersatzrechtliche Rückabwicklung jedenfalls solange gescheut habe, wie er keine Chancen dafür gesehen habe, die Falschberatung durch den Vermittler zu beweisen. Hiervon geht auch die Revisionserwiderung aus.

26

bb) Die Kausalitätsvermutung wird auch nicht durch die Tatsache entkräftet, dass der Kläger sich nicht unmittelbar nach Aufdeckung des Beratungsfehlers zu einem außergerichtlichen Vorgehen gegen die Vermittlerin oder die Beklagte entschlossen hat. Das Zuwarten des Klägers ist zwar ein Indiz dafür, dass die Belastung für ihn insofern tragbar war, als sie nicht zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führte. Ein solches Verhalten des Käufers rechtfertigt aber nicht den Schluss, dass der Beratungsfehler für seinen Kauf-entschluss irrelevant gewesen ist, er also auch bei richtiger Beratung gekauft hätte. Die gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts berücksichtigt nicht, dass sich die Situation für den Käufer bei einer Aufdeckung des Beratungsfehlers vor und nach dem Erwerb grundsätzlich anders darstellt. Wird der Fehler noch vor dem Vertragsschluss entdeckt, kann der Käufer ohne weitere wirtschaftliche Nachteile von dem Erwerb Abstand nehmen. Nach dem Erwerb muss der Käufer jedoch abwägen, ob ein Vorgehen gegen den Verkäufer unter Berücksichtigung der damit verbundenen Risiken für ihn sinnvoll ist oder ob es aus wirtschaftlichen Erwägungen zweckmäßiger erscheint, sich mit dem unvorteilhaften Kauf abzufinden. Der Käufer ist nicht im Interesse des Verkäufers gehalten, sofort nach der Entdeckung eines Beratungsfehlers die schadensersatzrechtliche Rückabwicklung des Kaufvertrags zu verlangen. Das Interesse des Verkäufers gegenüber einer verspäteten Inanspruchnahme wird - wie sonst auch - durch die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) geschützt.

III.

27

Das angegriffene Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Nach dem Vortrag des Klägers wäre die auf schadensersatzrechtliche Rückabwicklung gerichtete Klage begründet.

28

1. a) Bei Zugrundelegung des Klagevorbringens ist zwischen den Parteien ein Beratungsvertrag zustande gekommen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist das der Fall, wenn der Verkäufer im Zuge eingehender Vertragsverhandlungen, insbesondere auf Befragen, einen ausdrücklichen Rat erteilt. Gleiches gilt, wenn der Verkäufer dem Käufer als Ergebnis der Verhandlungen ein Berechnungsbeispiel über Kosten und finanzielle Vorteile des Erwerbs vorlegt, welches der Herbeiführung des Geschäftsabschlusses dienen soll (Senat, Urteil vom 31. Oktober 2003 - V ZR 423/02, BGHZ 156, 371, 374; Urteil vom 1. März 2013 - V ZR 279/11, NJW 2013, 1873 Rn. 7; Urteil vom 19. Dezember 2014 - V ZR 194/13, NJW 2015, 1510 Rn. 8).

29

b) Die Beratung durch die Vermittlerin ist der beklagten Verkäuferin nach § 164 Abs. 1 BGB zuzurechnen, da diese in deren Namen und mit deren Vollmacht handelte. Dass die Beratung eines Vermittlers auch im Namen des Verkäufers erfolgt, kann sich daraus ergeben, dass der Berater in den verwendeten Prospekten als Vertriebspartner des Verkäufers genannt ist, dass er von dem Verkäufer zur Verfügung gestellte Berechnungsbeispiele verwendet oder dass - wie hier - der Verkäufer auf einen Kontakt mit dem Kaufinteressenten verzichtet und es dem mit dem Vertrieb beauftragten Berater überlässt, die Vertragsverhandlungen bis zur Abschlussreife zu führen (Senat, Urteil vom 1. März 2013 - V ZR 279/11, NJW 2013, 1873 Rn. 12; Urteil vom 25. Oktober 2013 - V ZR 9/13, Grundeigentum 2014, 118 Rn. 8).

30

Die Vermittlerin handelte auch mit Vollmacht des Klägers. Dies gilt selbst dann, wenn der Vermittlerin im Innenverhältnis zu der Beklagten eine Beratung der Kaufinteressenten im Namen der Verkäuferin untersagt war. Ein Beratungsvertrag mit dem Verkäufer kann auch zustande kommen, wenn es an einer Innenvollmacht des Vermittlers fehlt oder wenn eine solche Vollmacht auf Grund von Beschränkungen im Innenverhältnis zwischen dem Verkäufer und dem Vermittler Beratungsverträge nicht umfasst. Aus den Umständen kann sich nämlich eine stillschweigend erteilte Außenvollmacht des Vermittlers (§ 167 Abs. 1 Fall 2 BGB) ergeben (Senat, Urteil vom 27. November 1998 - V ZR 344/97, BGHZ 140, 111, 136 f.; Urteil vom 19. Dezember 2014 - V ZR 194/13, NJW 2015, 1510 Rn. 11). Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob der Käufer den Umständen bei objektiver Betrachtung eine solche Vollmacht entnehmen darf und welchen Umfang sie danach aus seiner objektiven Sicht hat (Senat, Urteil vom 19. Dezember 2014 - V ZR 194/13, aaO). Vor diesem Hintergrund hat das erstinstanzliche Gericht rechtsfehlerfrei eine Außenvollmacht der Vermittlerin unter Hinweis darauf bejaht, dass die Beklagte keinen Kontakt zu dem Kläger hatte, sondern der Vermittlerin bei den Verhandlungen mit dem Kläger freie Hand gelassen, diese die Vertragsverhandlungen hat führen und den Vertrag in ihrer Vertretung hat abschließen lassen.

31

2. Die Beratung war nach den Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil schon deshalb fehlerhaft, weil dem Kläger ein im Berechnungsbeispiel nicht ausgewiesener, nicht umlagefähiger Aufwand von jährlich 1.400 € entsteht.

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3. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers wegen fehlerhafter Beratung ist - entgegen der von dem erstinstanzlichen Gericht vertretenen Rechtsansicht - nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Kläger ein undatiertes Protokoll über die Beratung unterzeichnet hat.

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a) Das Beratungsprotokoll enthält keinen Haftungsausschluss für Beratungsfehler. Eine dahingehende Auslegung, wie sie das Landgericht vorgenommen hat, hielte einer rechtlichen Prüfung durch das Revisionsgericht nicht stand, weil sie dem anerkannten Grundsatz widerspricht, dass in erster Linie der von den Parteien gewählte Wortlaut und der diesem zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen ist (Senat, Urteil vom 18. Dezember 2015 - V ZR 191/14, WM 2016, 361 Rn. 27; BGH, Urteil vom 10. Dezember 1992 - I ZR 186/90, BGHZ 121, 13, 16; Urteil vom 11. September 2000 - II ZR 34/99, NJW 2001, 144). Eine Haftungsfreizeichnung für Beratungsfehler des Vermittlers findet in dem Wortlaut der von dem Kläger unterzeichneten Erklärungen keine Stütze. Eine Erklärung einer Seite, dass nicht gehaftet werde, wenn die Angaben der Vermittlerin über den monatlichen Eigenaufwand sich im Nachhinein als falsch erweisen sollten, ist in dem Beratungsprotokoll nicht zu finden. Dieses enthält allein Bestätigungen des Klägers, von der Vermittlerin über die geplante Finanzierung aufgeklärt und über die Höhe der voraussichtlichen monatlichen Zahlung informiert worden zu sein.

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b) Das Landgericht hat zudem die Voraussetzungen einer konkludent vereinbarten Haftungsfreizeichnung verkannt. Die Annahme einer nach Beratung des Käufers über die mit dem Erwerb einer Immobilie verbundenen Belastungen konkludent vereinbarten Haftungsfreizeichnung setzt voraus, dass konkrete Anhaltspunkte für einen Willen des Käufers vorliegen, auf Schadensersatzansprüche wegen eines Beratungsfehlers zu verzichten. Daran fehlt es.

35

Der Senat hat bereits entschieden, dass eine nach erfolgter Beratung vereinbarte Freizeichnungsklausel grundsätzlich weder das Zustandekommen des Beratungsvertrags hindert noch die dem Grunde nach durch den Beratungsfehler bereits entstandene Schadensersatzpflicht wieder zu Fall bringt (vgl. Senat, Urteil vom 13. Oktober 2006 - V ZR 66/06, NJW 2007, 1874, 1875; Urteil vom 10. November 2006 - V ZR 73/06, juris Rn. 6). Eine erst in diesem Zeitpunkt vereinbarte Haftungsfreizeichnung stellt sich als Erlass künftig - hier mit dem Abschluss des Kaufvertrags - entstehender Schadensersatzansprüche des Käufers aus fehlerhafter Beratung dar. Erlassverträge nach § 397 BGB über noch nicht entstandene Ansprüche sind zwar möglich (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1956 - II ZR 68/55, BB 1956, 1086; Urteil vom 28. November 1963 - II ZR 41/62 BGHZ 40, 326, 330; Urteil vom 24. Mai 2007 - IX ZR 8/06, NJW 2007, 2556 Rn. 12). An die Feststellung des für eine solche Vereinbarung erforderlichen Erlasswillens sind aber strenge Anforderungen zu stellen; ein Verzichtswille darf nicht vermutet werden (Senat, Urteil vom 30. September 2005 - V ZR 197/04, BGHReport 2006, 4, 5; Urteil vom 8. Mai 2015 - V ZR 56/14, WM 2015, 1327 Rn. 26; BGH, Urteil vom 9. Februar 2009 - II ZR 292/07, BGHZ 179, 344 Rn. 29). Das gilt auch für die Annahme eines Verzichts auf künftige Ansprüche (BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 - IX ZR 8/06, NJW 2007, 2556 Rn. 12). Da bei Erklärungen, die als Verzicht, Erlass oder in ähnlicher Weise rechtsvernichtend gewertet werden sollen, das Gebot einer interessengerechten Auslegung beachtet werden muss und die der Erklärung zugrunde liegenden Umstände besondere Bedeutung haben (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 2002 - X ZR 91/00, NJW 2002, 1044, 1046), bedarf es konkreter Anhaltspunkte für die Feststellung des Willens des Käufers, durch eine nachträglich vereinbarte Haftungsfreistellung auf Ansprüche aus fehlerhafter Beratung zu verzichten. Umstände, die den Schluss auf einen solchen Willen des Klägers zuließen, mit der Unterzeichnung des Beratungsprotokolls auf Schadensersatzansprüche aus fehlerhafter Beratung zu verzichten, sind weder festgestellt noch vorgetragen.

IV.

36

Die Revision erweist sich daher als begründet; der angefochtene Beschluss ist aufzuheben (§ 522 Abs. 3, § 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Sache ist nach dem festgestellten Sachverhältnis nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO), weil das Landgericht es für möglich gehalten hat, dass die „Geschichte“ in großen Teilen von dem Zeugen E.     und dem Kläger konstruiert worden sei, um eine Haftung der Beklagten zu erreichen und das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - hierzu keine Feststellungen getroffen hat.

Stresemann                       Schmidt-Räntsch                       Czub

                       Kazele                                       Göbel