Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 08.04.2019


BGH 08.04.2019 - NotSt (Brfg) 5/18

Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
Senat für Notarsachen
Entscheidungsdatum:
08.04.2019
Aktenzeichen:
NotSt (Brfg) 5/18
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2019:080419BNOTST.BRFG.5.18.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend KG Berlin, 30. August 2018, Az: Not 19/17
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Zur disziplinarischen Ahndung der Mitwirkung an sogenannten Firmenbestattungen.

Tenor

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Senats für Notarsachen des Kammergerichts vom 30. August 2018 zuzulassen, wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 8.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der im Jahr 1950 geborene Kläger wurde 1981 als Rechtsanwalt zugelassen und 1991 zum Notar bestellt. Im Februar 2016 prüfte der Beklagte die Amtsgeschäfte des Klägers. Das führte zu Beanstandungen in dem Prüfbericht vom 24. Februar 2016 wie folgt:

"Seit März 2014 erschien regelmäßig der unter zwei verschiedenen Anschriften in London/England wohnhafte [N.] bei dem Notar, um in einer Vielzahl von Fällen gesellschaftsrechtliche Beurkundungen zu beauftragen. Inhalt der von dem Notar aufgenommenen Niederschriften ist ganz regelmäßig der Erwerb sämtlicher Anteile an über ganz Deutschland verteilten, Not leidenden Gesellschaften der unterschiedlichsten Wirtschaftsbereiche. In ebenso regelmäßig zugleich beurkundeten Gesellschafterversammlungen wurde der jeweilige Verkäufer sodann als Geschäftsführer abberufen, ihm Entlastung erteilt, [N.] zum neuen Geschäftsführer bestellt und - ohne den Sitz zu verlegen - eine neue Geschäftsanschrift beschlossen. Bei dieser neuen inländischen Geschäftsanschrift handelte es sich in allen Fällen um die [B. Straße, in [T.].

Während [N.] zunächst noch selbst die Geschäftsanteile erwarb, gründete er am 11. Mai 2015 zu der UR-Nr. 310/15 des Notars eine Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) unter der Firma [B.] mit der Geschäftsanschrift [B. Straße, T.    ] und dem Gegenstand der Eigen- und Fremdverwaltung von Kapitalgesellschaften und deren Abwicklung. Alleingesellschafter und Geschäftsführer wurde [N.]. ... fortan erwarb [N.] jeweils "als Geschäftsführer der [B.]" ... die Geschäftsanteile.

Jeder der Geschäftsanteilskauf- und -abtretungsverträge enthält folgende Regelung: Der Kaufpreis für den Geschäftsanteil beträgt -... Euro. Der Kaufpreis wird erst nach Abschluss der Sanierung der Gesellschaft bzw. einer positiven Jahresbilanz ... fällig. ... Sollte die Sanierung der Gesellschaft nicht erfolgreich sein, die Gesellschaft liquidiert werden oder Insolvenz angemeldet werden müssen, ist kein Kaufpreis an den Verkäufer zu zahlen. Die Übertragung erfolgt in diesem Fall unentgeltlich.

Nach dem vorgenannten Muster kam es allein in 2015 zu folgenden Geschäftsanteilskauf und -abtretungsverträgen mit [N.] bzw. ab 12. Mai 2015 durch ihn als Geschäftsführer der B. als Erwerber, wobei der Notar jeweils mit der nachfolgenden UR-Nr. die entsprechenden Registeranmeldungen beurkundete. [Es folgt eine Auflistung von 47 Beurkundungsvorgängen].

Im Jahr 2015 sind inhaltlich vergleichbare Verträge insbesondere mit denselben Regelungen zum Kaufpreis unter Beteiligung eines [L.] aus [D.] als Erwerber durch Beurkundungen des Notars geschlossen worden [es folgt eine Auflistung von 13 Beurkundungsvorgängen]."

2

Obwohl der Kläger in seiner Stellungnahme vom 2. Mai 2016 angekündigt hatte, seine Beurkundungstätigkeit für N. bis zur Klärung vorsorglich einzustellen, beurkundete er für ihn im Zeitraum von August 2016 bis zum 10. Oktober 2016 weitere vier Anteilskäufe mit inhaltlich den bisherigen entsprechenden Regelungen.

3

Am 17. November 2016 verstarb N. Ein gegen ihn von der Staatsanwaltschaft Kiel geführtes Ermittlungsverfahren wegen Bankrotts (§ 283 StGB) wurde, nachdem es zuvor noch zu einer Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des N. in der B. Straße sowie A.  A.    2, jeweils in T.     , gekommen war, aus diesem Grund eingestellt.

4

Mit Schreiben vom 27. März 2017 leitete der Beklagte gegen den Kläger wegen des Verdachts von Verstößen gegen § 14 Abs. 2 BNotO durch die Beurkundung sogenannter Firmenbestattungen ein Disziplinarverfahren ein. Gegenstand des Disziplinarverfahrens waren die bereits im Prüfbericht genannten 47 Beurkundungen für N. und dessen Gesellschaften sowie die vier weiteren danach von dem Kläger für N. vorgenommenen Beurkundungen, die bereits in dem Prüfbericht genannten 13 Beurkundungen unter Beteiligung des L. sowie neun weitere im Jahr 2016 für diesen durchgeführte Beurkundungen, jeweils den Erwerb von Geschäftsanteilen verschiedener Gesellschaften, u.a. eingetragen in den Handelsregistern Duisburg, Bad Oeynhausen, Stendal, Köln, Stuttgart und Siegen durch L. betreffend. Ferner waren Gegenstand des Verfahrens 16 Beurkundungsvorgänge für einen R. und dessen Gesellschaften, der S.              UG und der N. GmbH. In Bezug auf letztere enthält die Einleitungsverfügung folgende Ausführungen:

"Gemäß Ihrer Urkunde UR-Nr. [ ] vom 21. Januar 2016 hat [R.] als Vorstandsvorsitzender des [Vereins e.V.] die Firma der a. UG (haftungsbeschränkt), deren alleiniger Gesellschafter der Verein ist, in "S. UG"] umbenannt. Gemäß Satzung dieser UG mit Sitz in T. ist Gegenstand des Unternehmens: ... An- und Verkauf von Unternehmensbeteiligungen, ... Dienstleistungen rund um die Bestattung von Menschen, ... Planung, Errichtung und Betrieb eines Tierfriedhofs für Großtiere ... .

Mit Ihrer Urkunde UR.-Nr. [ ] vom 10. März 2016 erwarb die S. UG die N. GmbH, ... wobei der Kaufpreis von 9.500,-- Euro erst nach Abschluss der Sanierung der Gesellschaft bzw. einer positiven Jahresbilanz für 2017 zu zahlen war. Sollte die vorrangig beabsichtigte Sanierung der Gesellschaft nicht erfolgreich sein, die Gesellschaft liquidiert werden oder Insolvenz angemeldet werden müssen, sollte kein Kaufpreis an den Käufer zu zahlen sein. Gemäß UR.-Nr. [ ] wurde zum Handelsregister die Geschäftsanschrift [B.-Straße, T.  ] angemeldet. Die Geschäftsanschrift wurde mit Handelsregisteranmeldung vom ... in [A., T.], die Privatanschrift des [R.], geändert.

Die N. GmbH erwarb [hier folgt eine Auflistung von drei Beurkundungsvorgängen zum Erwerb von Anteilen verschiedener, u.a. in den Handelsregistern des AG Koblenz und des AG Hamburg eingetragener Gesellschaften mit beschränkter Haftung sämtlich aus dem Jahr 2016], wobei jeweils unterschiedliche Kaufpreise für die Geschäftsanteile ausgewiesen wurden und die Regelungen zur Zahlung der vorstehend dargestellten Regelung (...) entsprachen. Die Geschäftsadresse der [ ] GmbH wurde von [B. Straße] in A. geändert, während für die später erworbenen Gesellschaften sofort die Privatadresse des R. als neue Geschäftsanschrift angegeben wurde.

Die N. GmbH erwarb [hier folgt eine Auflistung von zehn Beurkundungsvorgängen zum Erwerb von Anteilen verschiedener Gesellschaften mit beschränkter Haftung ua einer M.T. GmbH aus Berlin sowie weiterer Gesellschaften aus Hilden, Berlin, Hamm, Nordharz, Stuttgart, Adendorf und Isernhagen sämtlich aus dem Jahr 2016]. Im Gegensatz zu den [vorgenannten Veräußerungen] an die N. GmbH wurden die letztgenannten Gesellschaften jeweils zur Liquidation verkauft, weshalb jeweils vereinbart wurde, dass der ausgewiesene Kaufpreis nur dann geschuldet ist, wenn die Liquidation der Gesellschaft einen Überschuss des Liquidationserlöses über die Ausgaben und Verbindlichkeiten nach Steuern in Höhe von 200 % des Kaufpreises erbringt.

Die so übertragene [M.T. GmbH] wurde mit UR.-Nr. [ ] am 13. Juni 2016 für 1,-- Euro von der N. GmbH an die [S. UG] verkauft. Mit [ ] vom 14. Juni 2016 verkaufte die [S. UG] die [M.T. GmbH] an [ ], den ehemaligen Geschäftsführer der [M.T. GmbH]."

5

Nach Stellungnahmen des Notars vom 2. Juni 2017 und vom 20. September 2017 erteilte der Beklagte dem Kläger mit Disziplinarverfügung vom 20. Oktober 2017 einen Verweis wegen Verstoßes gegen § 14 Abs. 2 BNotO und verhängte eine Geldbuße in Höhe von 3.500 €.

6

Das Kammergericht hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung hat es nicht zugelassen. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung, weil ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestünden (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

II.

7

1. Das Kammergericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Kläger habe seine Amtspflichten unter Verstoß gegen § 14 Abs. 2 BNotO und § 4 BeurkG schuldhaft verletzt. Nach der Rechtsprechung handle der Notar bereits dann unredlich, wenn er an Geschäften mitwirke, bei denen sich die Verfolgung unredlicher Ziele als möglich darstelle oder gar aufdränge. Einen solchen Vorwurf müsse sich der Kläger vorliegend machen lassen. Es hätten gewichtige Anhaltspunkte dafür bestanden, dass N., L. und R. mit den von ihnen bei dem Kläger veranlassten Beurkundungen an möglicherweise illegalen oder doch unredlichen Zwecken dienenden Firmenbestattungen mitgewirkt hätten. Unter einer Firmenbestattung verstehe man im Allgemeinen die Abwicklung einer insolventen oder insolvenzgefährdeten Gesellschaft mit beschränkter Haftung außerhalb der vorgesehenen gesetzlichen Vorschriften. Typischerweise würden die Anteile an einen Käufer veräußert, der zur Fortführung der Geschäfte weder geeignet noch willens sei, bei dem es sich in der Regel um eine - häufig im Ausland ansässige - vermögenslose Person oder Gesellschaft handle. Gleichzeitig würden die bisherigen Geschäftsführer abberufen und neue Geschäftsführer bestellt, die Firma werde geändert und der Sitz verlegt, die Geschäftsunterlagen planmäßig beiseitegeschafft und vernichtet.

8

Zwar müsse die Abwicklung von Kapitalgesellschaften nicht immer unredlich oder sogar illegal sein. Auch wiesen die hier in Rede stehenden Beurkundungen nicht alle dargestellten Indizien für eine Firmenbestattung auf. Die alleinige Zielsetzung früherer Gesellschafter bzw. Geschäftsführer, sich vom Makel einer Insolvenz befreien zu wollen, begründe möglicherweise den Vorwurf der Unredlichkeit auch noch nicht. Trete aber die Möglichkeit einer Gläubigerbenachteiligung hinzu, stehe der Vorwurf des unredlichen Handelns der Urkundsbeteiligten konkret im Raum. Dem hätte der Kläger im Rahmen seiner sich aus § 17 Abs. 1 BeurkG ergebenden Aufklärungspflicht effektiv nachgehen müssen. Die folgenden Anhaltspunkte hätten dem Kläger Anlass geben müssen, von weiteren Beurkundungen ohne genaue Prüfung abzusehen:

9

Eine Gläubigerbenachteiligung sei vorliegend zu befürchten gewesen. Der Kläger habe in den Jahren 2015 und 2016 in 51 Fällen die Übernahme sanierungsbedürftiger oder zu liquidierender Gesellschaften durch N., in 16 Fällen durch R. und in 22 Fällen durch L. beurkundet. Er bestreite nicht, dass es sich hierbei um von ihm für legal gehaltene Firmenbestattungen gehandelt habe, die immer nach dem gleichen Muster abgelaufen seien. Angesichts der Vielzahl der übernommenen Geschäftsführeraufgaben und der Verschiedenheit der Geschäftszweige der erworbenen Gesellschaften sei eine ordnungsgemäße Geschäftsführung unwahrscheinlich, wenn nicht sogar ausgeschlossen gewesen. Der Kläger habe gewusst, dass N. allenfalls eine Mitarbeiterin gehabt habe, hinsichtlich R. und L. trage er lediglich vor, diese seien für ihn erreichbar gewesen. Die Verbindung von N., R. und L. untereinander habe er gekannt. N. und R. hätten zeitweise unter der gleichen Anschrift gewohnt. Dort habe R. auch seine Geschäftsadresse gehabt. Zwei von R. erworbene Gesellschaften hätten ihren Sitz unter der Geschäftsadresse von N. gehabt, L. habe N. 2015 als Geschäftsführer der P.-GmbH abgelöst.

10

Dem Kläger sei bekannt gewesen, dass die Gesellschaften zu liquidieren oder sanierungsbedürftig und damit insolvenzgefährdet gewesen seien. Als ungewöhnlich hätte ihm auffallen müssen, dass die Kaufpreise jeweils von der erfolgreichen Sanierung bzw. Liquidation abhängig gewesen seien. Das lasse darauf schließen, dass den Käufern die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaften nicht hinreichend bekannt gewesen seien, um einen konkreten Kaufpreis festzulegen. Damit hätten sich Zweifel ergeben müssen, ob die dreiwöchige Insolvenzantragsfrist gewahrt werden könne. Hinzu komme, dass der Veräußerer dafür habe bezahlen müssen, dass die Gesellschaft von den Erwerbern übernommen worden sei. Das sei nicht mitbeurkundet worden.

11

Zumindest an der Seriosität von R. hätte der Kläger Zweifel haben müssen, nachdem er diesen im Jahr 2015 in einem Strafverfahren wegen Beihilfe zum Bankrott vertreten habe. Zwar begründe die Verurteilung des Geschäftspartners von R. ein geeignetes Indiz für die Unredlichkeit des R. nicht, schon weil der Kläger den Vertrag mit der dortigen Gesellschaft nicht beurkundet habe. Anders verhalte es sich aber mit der Kenntnis des Klägers über die erheblichen Vorstrafen des R. wegen Betrugs und Untreue, die ihm als dessen Verteidiger und aus der Strafakte entgegen seinem Vortrag, die drei Herren seien strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten, bekannt gewesen seien. Dem Kläger hätten umso mehr Zweifel an der Seriosität R.s kommen müssen, als dieser ausweislich des in der Strafakte befindlichen Insolvenzgutachtens mehrere eidesstattliche Versicherungen abgegeben habe, wie dem Kläger jedenfalls seit dem 12. Juni 2015 bekannt gewesen sei.

12

Auch der Fall M.T. GmbH hätte dem Kläger vor Augen führen müssen, dass R. keine redlichen Abwicklungsabsichten verfolge, sondern allein seinen finanziellen Vorteil im Auge gehabt habe. Anders sei es nicht zu erklären, dass die Gesellschaft einen Tag nach ihrer Veräußerung an die S. UG zu 1 € für 20.000 € an deren ehemaligen Geschäftsführer weiterveräußert worden sei. Beide Beurkundungen habe der Kläger vorgenommen. Ein Wertzuwachs binnen eines Tages dürfte sich ihm zumindest als unwahrscheinlich aufgedrängt haben.

13

Der Kläger habe seiner Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung nicht genügt. Das behaupte er zwar, allerdings ohne konkrete Maßnahmen zu schildern. Der zu einem nicht genannten Zeitpunkt erfolgte Gang mit N. zum Insolvenzgericht in Potsdam lasse nicht auf konkrete Ermittlungen zu den für ihn vorgenommenen Beurkundungen schließen. Auch die Übergabe eines entsprechenden Informationsschreibens an die Erwerber über die Pflichten im Falle einer Insolvenz sowie etwaige Versuche, die Gesellschafter zu erreichen, entlasteten den Kläger nicht von eigenen Nachforschungen. Konkrete Gespräche mit dem Steuerberater L.s gebe der Kläger nicht wieder, weder deren Anlass noch eine Begründung für den Schluss auf eine Rechtmäßigkeit der Firmenabwicklungen.

14

Der Kläger habe hinsichtlich der ihm vorgeworfenen Firmenbestattungen zumindest grob fahrlässig gehandelt, indem er die erforderliche Sorgfalt bei der Prüfung der von den Beteiligten verfolgten Zwecke verletzt und ganz naheliegende Überlegungen zu deren Unredlichkeit nicht angestellt habe. Nach Abwägung aller Umstände sei der Ausspruch eines Verweises bei gleichzeitiger Verhängung einer Geldbuße in Höhe von 3.500 € verhältnismäßig.

15

2. Der zulässige (§ 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO, § 64 Abs. 2 BDG, §§ 124, 124a Abs. 4, 5 VwGO) Antrag auf Zulassung der Berufung ist nicht begründet. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen entgegen der Ansicht des Klägers nicht. Weitere Gründe zur Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 VwGO) sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Zu Recht hat das Kammergericht ein zumindest fahrlässiges Dienstvergehen darin gesehen, dass der Kläger entgegen § 14 Abs. 2 BNotO, § 4 BeurkG pflichtwidrig Beurkundungen vorgenommen hat, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden sollten, § 95 BNotO.

16

a) Der Notar hat seine Amtstätigkeit zu versagen, wenn sie mit seinen Amtspflichten nicht vereinbar ist, insbesondere seine Mitwirkung bei Handlungen verlangt wird, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Ziele verfolgt werden, § 14 Abs. 2 BNotO, § 4 BeurkG (Senat, Beschluss vom 8. November 2013 - NotSt(B) 1/13, DNotZ 2014, 301 Rn. 11 mwN; Herrmann in Schippel/Bracker, BNotO, 9. Auflage, § 95 Rn. 15). Das gilt vor allem, wenn der Verdacht besteht, dass seine Tätigkeit der Begehung von Straftaten dienen könnte (Senat, Beschluss vom 23. November 2015 - NotSt(Brfg) 4/15, DNotZ 2016, 227 Rn. 17 mwN).

17

b) Das hat das Kammergericht hier zu Recht bejaht. Es bestanden vorliegend für den Kläger gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die in Rede stehenden Beurkundungen unredliche sogenannte Firmenbestattungen bewirkten, durch die Gläubigerbenachteiligungen bezweckt wurden. Zutreffend hat das Kammergericht angenommen, dass schon aufgrund der Anzahl der von jedem der drei Erwerber N., L. und R. übernommenen Gesellschaften mit jeweils unterschiedlichen Geschäftsfeldern eine ordnungsgemäße Geschäftsführung unwahrscheinlich, wenn nicht sogar ausgeschlossen erscheinen musste und die Gesamtumstände Zweifel daran begründeten, ob N., L. und R. zu einer geordneten Abwicklung der Gesellschaften außerhalb eines Insolvenzverfahrens (§§ 70 ff. GmbHG) willens und in der Lage sein würden sowie die ihnen nach der Insolvenzordnung obliegenden Pflichten (zB § 13 Abs. 1 Satz 3, §§ 15a, 20, 97 ff. InsO) einhalten könnten. Die dagegen vorgebrachten Einwände des Klägers greifen nicht durch.

18

aa) Der Kläger geht selbst davon aus, dass eine Fortführung des operativen Geschäfts der jeweils übernommenen Gesellschaft nicht beabsichtigt gewesen sei. Er macht geltend, es sei nach seiner Kenntnis regelmäßig nicht um Sanierungen, sondern um Abwicklungen und in vielen Fällen auch bloß um die rechtzeitige Stellung von Insolvenzanträgen gegangen. Bei der Tätigkeit von N., R. und L. habe es sich aber nicht um unrechtmäßige sogenannte Firmenbestattungen, sondern um eine zulässige und ordnungsgemäße Abwicklungs- und Verwertungstätigkeit gehandelt. Eine ordnungsgemäße Geschäftsführung könne auch darin bestehen, dem (vorherigen) Geschäftsführer bzw. Gesellschafter "mit geringem Arbeitsaufwand kurzerhand die Pflicht zur rechtzeitigen Stellung eines Insolvenzantrags abzunehmen". Das sei bei kleinen und kleinsten Unternehmen - wie hier - mit einem sehr überschaubaren Arbeitsaufwand verbunden. Bei der Annahme des Kammergerichts, der jeweilige Veräußerer habe die Erwerber dafür bezahlen müssen, dass ihm die Geschäftsanteile abgenommen wurden, handele es sich um eine bloße Unterstellung. Dem Kläger sei eine solche Zahlung in keinem Fall bekannt geworden. Er habe vielmehr den Eindruck gehabt, dass N., L. und R. jeweils versucht hätten, aus den übernommenen Unternehmen noch "etwas Geldwertes herauszuholen". Bei den hier in Rede stehenden Beurkundungsvorgängen seien Sitzverlegungen und Firmenänderungen gerade nicht erfolgt; auch weitere Indizien für eine unrechtmäßige Firmenbestattung - wie etwa der Einsatz "sozial deklassierter" Personen als Geschäftsführer und Erwerber von Geschäftsanteilen, Sitzverlegungen oder Verschmelzungen ins Ausland, fehlende Erreichbarkeit des Unternehmens und der Geschäftsführer, Beiseiteschaffen von Geschäftsunterlagen - fehlten.

19

bb) Damit zeigt der Kläger indes ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht auf. Gerade das von dem Kläger angenommene Geschäftsmodell der auch nach seinem eigenen Vortrag untereinander bekannten und teilweise kooperierenden Erwerber N., L. und R. hätte zu Rückfragen Anlass gegeben. Es lief erkennbar darauf hinaus, ein ordnungsgemäßes Abwicklungs- oder Insolvenzverfahren an dem Ort des Sitzes und dem Mittelpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit (vgl. § 3 Abs. 1 InsO) der jeweils übernommenen Gesellschaften zu erschweren.

20

(1) Es erschließt sich schon nicht, aus welchen Gründen N., L. und R. eine große Zahl sanierungsbedürftiger und bereits insolvenzreifer Gesellschaften zur Abwicklung hätten übernehmen sollen, wenn ihnen dadurch lediglich eine Arbeitsbelastung sowie das erhebliche Risiko entstand, dass sie ihren insolvenzrechtlichen Pflichten (§ 13 Abs. 1 Satz 3, §§ 15a, 20, 97 ff. InsO) mangels Kooperation der Verkäufer nicht genügen konnten, wie es in dem beigezogenen Strafverfahren gegen R. der Fall gewesen ist.

21

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang vorträgt, er habe den Eindruck gehabt, dass N., L. und R. versucht hätten, aus den übernommenen Unternehmen "noch etwas Geldwertes herauszuholen", ist das nicht plausibel. Handelte es sich tatsächlich um kleine und kleinste Unternehmen, die ihre Geschäftstätigkeit schon eingestellt hatten und bei denen - wie der Kläger vorträgt - N., L. und R. dem vorherigen Geschäftsführer bzw. Gesellschafter die nicht arbeitsaufwendige Stellung eines Insolvenzantrags abnehmen sollten, musste die Erzielung eines Erlöses aus dieser Geschäftstätigkeit von vornherein ausgeschlossen erscheinen.

22

Ein Erlös war mit redlichen Mitteln nur dann zu erzielen, wenn eine nicht insolvenzreife Gesellschaft unter Erzielung eines Liquidationsüberschusses ordnungsgemäß - mithin unter Befriedigung bzw. Sicherstellung der Gläubiger (§§ 70 ff. GmbHG) - liquidiert wurde. Dass die Tätigkeit von N., L. und R. (vorrangig) auf solche Abwicklungen gerichtet war, hat der Kläger nach seinem eigenen Vortrag aber nicht angenommen. Das liegt auch deshalb fern, weil - wie das Kammergericht zutreffend ausführt - sich aus den zu den Kaufpreisen getroffenen Regelungen ergibt, dass den Erwerbern die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaften nicht hinreichend bekannt waren; sie mussten, wie für den Kläger offensichtlich war, also zumindest damit rechnen, dass ihnen nur insolvenzreife Gesellschaften angedient werden. Aus diesem Grund konnte der Kläger auch nicht davon ausgehen, dass die Stellung eines Insolvenzantrags im Falle der verkauften Gesellschaften mit einem "überschaubaren Arbeitsaufwand" verbunden gewesen sei. Wenn den Erwerbern die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaften nicht hinreichend bekannt waren, ihnen insbesondere die Geschäftsunterlagen nicht vorlagen, gab es für eine solche Annahme keine tatsächliche Grundlage.

23

(2) Vor diesem Hintergrund musste sich dem Kläger aufdrängen, dass N., L. und R. zu einer geordneten Abwicklung der übernommenen Gesellschaften sowie zu einer Erfüllung ihrer insolvenzrechtlichen Pflichten nicht willens und in der Lage waren, sondern ihr Geschäftsmodell unredlich und darauf gerichtet war, ein ordnungsgemäßes Abwicklungs- oder Insolvenzverfahren an dem Ort, an dem die Gesellschaften ihren Sitz und den Mittelpunkt ihrer (bisherigen) wirtschaftlichen Tätigkeit hatten, zu erschweren und die Gläubiger zu benachteiligen.

24

Das ergibt sich schon daraus, dass N., L. und R. unter Verlegung der jeweiligen Geschäftsanschrift nach T.    Gesellschaften aus ganz Deutschland übernahmen. Den Gläubigern, dem zuständigen Insolvenzgericht (§ 3 Abs. 1 InsO) und den Insolvenzverwaltern stand folglich vor Ort kein für die Gesellschaft Verantwortlicher mehr als Ansprechpartner zur Verfügung. Zudem konnten der jeweilige vorherige Geschäftsführer einerseits und N., L. und R. andererseits darauf verweisen, dass sich die Geschäftsunterlagen bei dem jeweils anderen befänden bzw. bei der Versendung in Verlust geraten seien, ein Verzeichnis der Gläubiger und ihrer Forderungen daher nicht erstellt (§ 13 Abs. 1 Satz 3 InsO) und die nötigen Auskünfte (§ 20 Abs. 1, §§ 97 ff. InsO) nicht erteilt werden könnten. Kommt es in solchen Fällen zu einer Abweisung mangels Masse und wird die Gesellschaft im Handelsregister gelöscht, ist eine Realisierung von Ansprüchen gegen die eigentlich Verantwortlichen oft nicht mehr möglich (Ganter, MünchKommInsO, 3. Auflage 2013, § 3 Rn. 40).

25

(3) Dass ein solches Vorgehen geeignet ist, ein Insolvenzverfahren zum Nachteil der Gläubiger erheblich zu erschweren und zu verzögern, zeigen eindrucksvoll die Geschehnisse, die dem gegen R. geführten Strafverfahren, dessen Akten beigezogen sind, zugrunde lagen. Diese waren dem Kläger als dessen Verteidiger spätestens ab dem 12. Juni 2015 vollumfänglich bekannt. Dass R. in diesem Einzelfall, der nicht Gegenstand der Disziplinarverfügung ist, letztlich freigesprochen wurde, weil ihm eine Beihilfe zum Bankrott (§ 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB) des (verurteilten) ehemaligen Geschäftsführers nicht nachzuweisen war, vermag den Kläger nicht zu entlasten. Ein Verstoß gegen § 14 Abs. 2 BNotO setzt nicht voraus, dass das Verhalten des Notars oder auch der an den Beurkundungsvorgängen Beteiligten strafbar war (Senat, Beschluss vom 23. November 2015 - NotSt(Brfg) 4/15, DNotZ 2016, 227 Rn. 19 mwN).

26

Aus dem gleichen Grund verfängt auch die Rüge des Klägers nicht, eine Gläubigerbenachteiligung sei von dem Beklagten nicht positiv festgestellt worden sowie der Beklagte habe in keinem einzigen Fall festgestellt, dass die dreiwöchige Insolvenzantragspflicht nicht gewahrt worden sei. Solche Feststellungen musste der Beklagte nicht treffen. Es ist nicht maßgebend, ob einem Gläubiger der Gesellschaften, deren Anteilsübertragungen der Kläger beurkundet hat, Schaden durch seine Tätigkeit entstanden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 23. November 2015 aaO mwN). Es kommt allein darauf an, ob mit den beanstandeten Beurkundungen erkennbar unredliche Ziele verfolgt werden. Dafür bestanden hier aufgrund der Art und Weise des Vorgehens der Erwerber schon Anfang des Jahres 2015 die oben genannten erheblichen Verdachtsmomente, die der Kläger nicht hätte unbeachtet lassen dürfen, zumal ihm sodann aus dem Strafverfahren gegen R. im Juni 2015 bekannt wurde, dass dessen Abwicklungstätigkeit bereits in einem Fall Straftaten des ehemaligen Geschäftsführers zum Nachteil der dortigen Gläubiger ermöglicht hatte.

27

cc) Zu Recht macht der Kläger allerdings geltend, dass es in Bezug auf den Verkauf der Anteile der M.T. GmbH an die S. UG und sodann an deren ehemaligen Geschäftsführer auf der Grundlage der Feststellungen des Kammergerichts keine ausreichenden Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen § 14 Abs. 2 BNotO gebe. Das kann aber im Einzelnen dahinstehen. Unterstellt, dass der Kläger bei diesen beiden Beurkundungen nicht gegen § 14 Abs. 2 BNotO verstoßen hat, ist das nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zu begründen (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl., § 124 Rn. 7 f.). Auch bei den von dem Kläger für R. vorgenommenen (verbleibenden) 14 Beurkundungen handelte es sich um eine auffällige Anzahl, die - wie dargestellt - die Charakteristika einer unredlichen Firmenbestattung aufwiesen (vgl. Senat, Beschluss vom 23. November 2015 aaO Rn. 20). Angesichts der - insgesamt - verbleibenden 87 Verstöße gegen § 14 Abs. 2 BNotO fallen die beiden von dem Kammergericht seiner Entscheidung ggf. zu Unrecht zugrunde gelegten Verstöße für Art und Höhe der Disziplinarmaßnahme (§ 96 Abs. 1 BNotO) offensichtlich nicht ins Gewicht.

28

dd) Ohne Erfolg macht der Kläger schließlich geltend, er habe ausreichende Aufklärungstätigkeiten entfaltet und den Beteiligten ein Aufklärungsschreiben übergeben. So habe er sich im Rahmen der Verteidigung des R. von diesem dessen Tätigkeit im Einzelnen erläutern lassen. Er habe festgestellt, dass R. nicht vermögenslos sei, sondern von seiner Ehefrau unbelastete Immobilien geerbt habe, sowie dass N. eine Mitarbeiterin gehabt und nicht in einem Container gewohnt habe, wie von dem Beklagten behauptet. Er habe sich ferner von dem Steuerberater des L., mit dem dieser ständig zusammenarbeite, bestätigen lassen, dass es sich um ordnungsgemäße Abwicklungen handele. Er habe mit N., R. und L. korrespondiert und telefoniert. Diese seien zu den üblichen Geschäftszeiten für ihn regelmäßig erreichbar gewesen.

29

Von seiner Pflicht zur Aufklärung war der Kläger indes nicht deshalb entlastet, weil R. N. und L. sozial angepasst und geschäftlich gewandt wirkten (Senat, Beschluss vom 23. November 2015 - NotSt(Brfg) 4/15, DNotZ 2016, 227 Rn. 20). Soweit er Aufklärungsmaßnahmen behauptet, trägt er letztlich nur vor, dass ihm der Steuerberater bzw. R. versichert hätten, es handele sich um ordnungsgemäße Abwicklungen. Die oben angeführten erheblichen Verdachtsmomente wurden dadurch aber nicht ausgeräumt. Auch eine Belehrung über die Folgen einer Geschäftsanteilsübertragung zu unredlichen Zwecken vermag den Kläger nicht zu entlasten (vgl. Senat aaO Rn. 22).

30

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO i.V.m. § 77 Abs. 1 BDG, § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO i.V.m. § 78 Satz 2 BDG, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Herrmann     

        

Offenloch     

        

Roloff

        

Brose-Preuß      

        

Strzyz