Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 12.05.2011


BGH 12.05.2011 - IX ZR 91/08

Haftung des Steuerberaters: Wegfall der Hinweispflicht auf den Regressanspruch und dessen Verjährung; Verjährungshemmung bei Verhandlungen bzw. einem Stillhalteabkommen


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
12.05.2011
Aktenzeichen:
IX ZR 91/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Koblenz, 22. April 2008, Az: 11 U 1396/07, Urteilvorgehend LG Koblenz, 17. Oktober 2007, Az: 15 O 340/06
Zitierte Gesetze
Art 229 § 6 Abs 1 S 2 BGBEG
Art 229 § 12 Abs 1 Nr 13 BGBEG

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 22. April 2008 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens für den Kläger wird auf 42.145,37 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die Rechtsgrundsätze, nach denen das Berufungsgericht den Streitfall entschieden hat, sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt und ohne Abweichung im Grundsätzlichen angewendet worden. Die gerügten Gehörsverletzungen und Verstöße gegen die Begründungspflicht liegen nicht vor.

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1. Bestimmt sich bei einem Steuerberater die Verjährung des Schadensersatzanspruchs aus einer Fehlberatung nach den Übergangsvorschriften des Art. 229 § 12 Abs. 1 Nr. 13, § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB weiter nach § 68 StBerG a.F., so gilt dies auch für den verjährungsrechtlichen Sekundäranspruch (BGH, Urteil vom 13. November 2008 - IX ZR 69/07, WM 2009, 283 Rn. 8, zur Anwaltshaftung). Im Rahmen der Sekundärhaftung eines Steuerberaters besteht eine Pflicht, den Mandanten auf die Möglichkeit der eigenen Haftung und deren Verjährung hinzuweisen, nicht mehr, sobald dieser rechtzeitig vor Ablauf der Verjährung wegen der Haftungsfrage anwaltlich beraten wird oder auf anderem Wege von dem Schadensersatzanspruch und dessen Verjährung Kenntnis erhält. Allerdings muss feststehen, dass der Mandant über einen möglichen Regressanspruch und dessen Verjährung rechtzeitig unterrichtet wurde; die Hinweispflicht des Steuerberaters entfällt nicht schon dann, wenn dieser von einer solchen Aufklärung ausgeht, dies aber nicht sicher weiß. Der geschädigte Auftraggeber muss den Ursachenzusammenhang zwischen seinem Schaden in Gestalt der Primärverjährung und der Pflichtverletzung seines steuerlichen Beraters beweisen (siehe zur Sekundärhaftung insoweit BGH, Urteil vom 11. Mai 1995 - IX ZR 140/94, BGHZ 129, 386, 392 mwN; st. Rspr.).

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Die Beschwerde rügt einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG und § 547 Nr. 6 ZPO, weil das Berufungsgericht es unterlassen habe festzustellen, dass der Kläger in der Haftungsfrage des Beklagten Ende 2001 anwaltlichen Rechtsrat auch stellvertretend für seine Ehefrau eingeholt habe, andererseits aber die dem Kläger erst 2006 abgetretenen Ansprüche seiner Ehefrau ebenfalls als verjährt angesehen habe. Der Kläger habe als Zessionar die Primärverjährung der abgetretenen Ansprüche seiner Ehefrau nicht mehr rechtzeitig hemmen können; seine Kenntnis habe daher einem Sekundäranspruch seiner Ehefrau nicht entgegengewirkt.

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Diese Verfahrensrügen gehen fehl. Übergangenen Sachvortrag des Klägers legt die Beschwerde nicht dar. Das Berufungsgericht entbehrt auch nicht der in § 547 Nr. 6 vorausgesetzten Gründe. Einzelne Feststellungs- oder Subsumtionslücken innerhalb der Anspruchsprüfung lösen den absoluten Revisionsgrund noch nicht aus. Erst dann, wenn Begründungslücken die Anspruchshöhe oder einzelne selbständige Angriffs- oder Verteidigungsmittel insgesamt betreffen, führt der Mangel zur Aufhebung.

5

Im Streitfall hatte das Berufungsgericht nicht einmal Anlass, sich mit einem verjährungsrechtlichen Sekundäranspruch des Klägers aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau auseinanderzusetzen, weil ein solcher Anspruch erst mit der Beschwerdebegründung erhoben worden ist. In den Tatsacheninstanzen hat dazu jeder Sachvortrag gefehlt. Es trifft nicht zu, wie die Beschwerde meint, dass mit dem Sachvortrag dazu ausschließlich der Beklagte belastet gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 1995, aaO).

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2. Die Beschwerde hält ferner die Obersätze des Berufungsurteils im Hinblick auf das Senatsurteil vom 13. April 2006 (IX ZR 208/02, WM 2006, 1450 Rn. 8 ff) für zu ungenau. Der in der Haftungsfrage eingeschaltete Rechtsberater müsse, um der Sekundärhaftung des ersten Beraters den Boden zu entziehen, ausdrücklich und primär zu diesem Zweck beauftragt worden sein. Das trifft nicht zu. Die vom Senat aufgezeigte Abgrenzung unterscheidet zwischen Rechtsanwälten, die in der Regressfrage beauftragt worden sind, wie hier seitens des Klägers, und solchen, die aus anderen Gründen tätig werden. Wenn die vom Kläger 2001 beauftragten Rechtsanwälte neben der Haftungsfrage auch die Aussichten eines Einspruchsverfahrens prüfen sollten, dessen Durchführung dann der Beklagte übernommen hat, ist dies infolgedessen unerheblich. Es liegt in diesem Punkt weder eine Abweichung des Berufungsurteils von Obersätzen des Bundesgerichtshofes vor noch hat die Rechtssache insoweit grundsätzliche Bedeutung.

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3. Haltlos ist der Vorwurf der Beschwerde, das Berufungsgericht habe unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht zur Kenntnis genommen, dass die Klage (zum Teil) auf die abgetretenen Schadensersatzansprüche der Ehefrau des Klägers gestützt ist. Auf Seite 8 Mitte des Berufungsurteils heißt es ausdrücklich, dass "der Anspruch des Klägers  u n d  s e i n e r  E h e f r a u  (Hervorhebung nicht im Original) … bereits zuvor (vor dem 15. Dezember 2004) verjährt" waren.

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4. Den Begriff von Verhandlungen im Sinne des § 203 Abs. 1 BGB hat der Bundesgerichtshof bereits in mehreren Entscheidungen ausgelegt. Der Gläubiger muss dafür lediglich klarstellen, dass er einen Anspruch geltend machen und worauf er ihn stützen will. Anschließend genügt jeder ernsthafte Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen, sofern der Schuldner nicht sofort und erkennbar Leistung ablehnt. Verhandlungen schweben schon dann, wenn eine der Parteien Erklärungen abgibt, die der jeweils anderen Seite die Annahme gestatten, der Erklärende lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs oder dessen Umfang ein (BGH, Urteil vom 1. Februar 2007 - IX ZR 180/04, WM 2007, 801 Rn. 32 mwN; vom 14. Juli 2009 - XI ZR 18/08, BGHZ 182, 76 Rn. 16 mwN). Dem entsprechen die Ausführungen des Berufungsgerichts, in denen die Beschwerde zu Unrecht einen nicht geschriebenen abweichenden Obersatz sehen will. Die Subsumtion des Berufungsgerichts unter § 203 BGB ist innerhalb der Nichtzulassungsbeschwerde kein Angriffsgegenstand.

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5. Soweit die Beschwerde beanstandet, das Berufungsgericht habe das Verhalten der Parteien nach dem Schadenseintritt im Hinblick auf § 202 Abs. 1 BGB unrichtig gewürdigt; hierunter fielen alle Sachverhalte, in denen nach altem Recht dem Schuldner die Berufung auf die Verjährungseinrede nach § 242 BGB versagt worden sei, wird damit das Gesetz überdehnt. Zu den Voraussetzungen eines nach § 202 Abs. 1 BGB allein erheblichen Stillhalteabkommens in der Steuerberaterhaftung hat sich der Senat zuletzt in seinem Urteil vom 15. Juli 2010 (IX ZR 180/09, WM 2010, 1620 Rn. 15) geäußert. Ein verjährungshemmendes Stillhalteabkommen ist danach nur anzunehmen, wenn der Schuldner aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung berechtigt sein soll, vorübergehend die Leistung zu verweigern, und der Gläubiger sich umgekehrt der Möglichkeit begeben hat, seine Ansprüche jederzeit weiterzuverfolgen. Es ist nicht erkennbar, dass das Berufungsgericht von diesem Rechtsgrundsatz abgewichen ist. Verstöße gegen Verfahrensgrundrechte oder gegen § 547 Nr. 6 ZPO, welche die Beschwerde auch in diesem Zusammenhang geltend macht, liegen offensichtlich nicht vor.

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6. Die Beschwerde meint letztlich, dem Beklagten müsse die Verjährungseinrede versagt werden, weil gegen ihn der verjährungsrechtliche Sekundäranspruch aufgrund besonderer Umstände trotz Heranziehung eines anwaltlichen Beraters in der Regressfrage durch den Geschädigten dennoch durchgreife. Der Beklagte habe nämlich erkannt oder erkennen können, dass der Kläger über die Verjährung der Steuerberaterhaftung anwaltlich falsch beraten worden sei und damit in die "Verjährungsfalle" hineinlaufe. Auf diesen Gesichtspunkt sei das Berufungsgericht unter Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG, § 547 Nr. 6 ZPO ebenfalls nicht eingegangen.

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Auch diese Zulassungsrüge ist unbegründet. Die Beschwerde legt nicht dar, dass sich der Kläger bereits in den Tatsacheninstanzen auf eine solche erweiterte Hinweispflicht des ersten Beraters bezogen und hierzu Tatsachen vorgetragen habe. Unter diesen Voraussetzungen können die erhobenen Verfahrensrügen nicht durchgreifen. Ein Bedürfnis nach weiterer grundsätzlicher Klärung des verjährungsrechtlichen Sekundäranspruchs als auslaufendes Recht bei einer vom Berater erkannten anderweitigen Fehlberatung des geschädigten Auftraggebers in der Frage seiner Haftung und ihrer Verjährung ist gleichfalls nicht dargelegt.

12

Von weiterer Begründung der Entscheidung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO abgesehen.

Kayser                             Vill                                    Lohmann

                   Pape                             Möhring