Entscheidungsdatum: 15.07.2010
Zum Abschluss eines stillschweigenden Stillhalteabkommens in der Steuerberaterhaftung.
Die Revision gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 24. September 2009 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin, die auf Grund des notariellen Spaltungs- und Übernahmevertrages vom 12. Juli 1999 Betriebsvermögen der U. GmbH (fortan U.) übernommen hatte, macht gegenüber der beklagten Wirtschaftsprüfer-, Steuerberater- und Anwaltssozietät (Beklagte zu 1, künftig Beklagte) und deren drei Gesellschaftern (Beklagte zu 2 bis 4) Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Beratung geltend.
Die U., die von der Beklagten in allen steuerlichen Angelegenheiten beraten wurde, fasste in ihrer Gesellschafterversammlung am 15. Dezember 1994 einen von der Beklagten ausgearbeiteten Gewinnverteilungsbeschluss. Danach sollte eine Körperschaftssteuerminderung auf der Grundlage einer offenen Ausschüttung in Höhe von 81.008.000 DM aus dem mit Körperschaftssteuer belasteten Eigenkapital der Gesellschaft zum 31. Dezember 1993 geltend gemacht werden. Nachdem das zuständige Finanzamt die begehrte Körperschaftssteuerminderung nicht anerkannt hatte, schlossen die U. und die Beklagte am 21. Mai/20. Juni 1995 eine schriftliche Vereinbarung. Danach erklärte die U., sie werde die Beklagte im Hinblick auf etwaige Beratungsfehler nur in Höhe der zu Gunsten der Beklagten bestehenden Haftpflichtversicherungssumme von 5.000.000 DM in Anspruch nehmen. Auf darüber hinausgehende Ersatzansprüche werde verzichtet. Mit Schreiben vom 13. Mai 1998 teilte die Beklagte der U. mit, sie verzichte hinsichtlich der im Raum stehenden Ersatzansprüche wegen fehlerhafter Beratung auf die Einrede der Verjährung mit folgender Maßgabe: Die Verzichtserklärung gelte für die Zeit bis einen Monat nach rechtskräftigem Abschluss des Rechtsmittelverfahrens gegen die Körperschaftssteuerveranlagung 1993.
Die gegen den ablehnenden Bescheid des Finanzamts eingelegten Rechtsmittel, bei der die U. von der Beklagten vertreten wurde, blieben letztinstanzlich ohne Erfolg. Mit Gerichtsbescheid vom 22. August 2006 wies der Bundesfinanzhof die Klage der U. ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Gewinnverteilungsbeschluss vom 15. Dezember 1994 sei nichtig. Im Hinblick auf den - auch von der Beklagten erstellten - Jahresabschluss 1993 hätte zwei Wochen ab der Beschlussfassung vom 15. Dezember 1994 ein hinsichtlich der Änderungen uneingeschränkter Bestätigungsvermerk erteilt werden müssen.
Mit ihrer am 25. Juli 2007 eingegangenen Klage nimmt die Klägerin die Beklagten wegen fehlerhafter Beratung auf Zahlung der Haftpflichtsumme sowie von außergerichtlichen Anwaltskosten in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage wegen eingetretener Verjährung abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.
I.
Das Rechtsmittel erstreckt sich in zulässiger Weise auch auf den Beklagten zu 4. Der Umstand, dass der Beklagte zu 4 in der Revisionsbegründung - im Gegensatz zur Revisionsschrift, in der er ausdrücklich genannt wird - nicht angeführt wird, ist unschädlich. Denn dort heißt es, dass "die Klägerin ihre Klage in vollem Umfang weiter" verfolge. Auch sonst bietet die Revisionsbegründung keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass sich die bisher geltend gemachte Haftung des Beklagten zu 4 erledigt haben könnte. Eine Beschränkung der Revision auf die Beklagten zu 1 bis 3 liegt mithin nicht vor.
II.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die von den Beklagten erhobene Einrede der Verjährung sei begründet. Die Verjährung der geltend gemachten Ansprüche wegen fehlerhafter Beratung richte sich nach § 68 StBerG, weil der Schwerpunkt der von der Beklagten erbrachten Beratung auf steuerrechtlichem Gebiet liege. Es könne offen bleiben, ob für den Verjährungsbeginn der Bescheid vom 16. Mai 1995 oder der Körperschaftssteuerbescheid vom 30. Juli 1997 maßgeblich sei, weil auch im zweiten Fall die Verjährungsfrist lange vor Klageerhebung, nämlich am 2. August 2000, geendet habe. Ansprüche aus dem Gesichtspunkt der Sekundärhaftung seien spätestens am 2. August 2003 verjährt gewesen. Der Verzicht auf die Einrede der Verjährung komme nicht zum Tragen, weil die vereinbarte Frist nicht eingehalten sei.
Ein verjährungshemmendes Stillhalteabkommen sei zwischen den Parteien nicht zu Stande gekommen. Die Klägerin habe die von ihr geltend gemachte Abrede im Anschluss an die schriftliche Vereinbarung vom 21. Mai/20. Juni 1995 nicht nachzuweisen vermocht. Die diesbezügliche Beweiswürdigung des Landgerichts sei nicht zu beanstanden. Gegen eine konkludente Einigung spreche nicht nur die eingeschränkte schriftliche Vereinbarung über eine Haftungsbegrenzung, sondern auch der Umstand, dass die Parteien nach diesem Gespräch bis zur Verzichtserklärung der Beklagten vom 13. Mai 1998 weiterverhandelt hätten. Die Umstände, dass die Beklagte der Bitte der U., den möglichen Schadensfall dem Haftpflichtversicherer zu melden, nachgekommen sei, die Beklagte eine Begrenzung der Haftung auf ihre Versicherungssumme angestrebt habe, sich die U. hierauf eingelassen habe und vereinbart worden sei, dass die Beklagte gegen den ablehnenden Bescheid des Finanzamtes Rechtsmittel im Namen der U. durchführe, ergeben weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit rechtsgeschäftliche Willenserklärungen, die als Stillhalteabkommen ausgelegt werden könnten.
Die Einrede der Verjährung sei keine unzulässige Rechtsausübung. Ein grober Verstoß gegen Treu und Glauben liege nicht vor. Der Umstand, dass das von der Beklagten geführte finanzgerichtliche Verfahren erst etwa acht Jahre nach Abgabe der Verjährungsverzichtserklärung der Beklagten geendet habe, führe zu keiner zusätzlichen Aufklärungsverpflichtung der Beklagten. Nach Ablauf der Verjährung für Sekundäransprüche sei es allein Aufgabe der Klägerin gewesen, rechtzeitig verjährungshemmende Maßnahmen zu treffen.
III.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand.
1. Nach dem hier noch anwendbaren (Art. 229 § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13, § 6 EGBGB) § 68 StBerG verjährt der Anspruch der Auftraggeberin auf Schadensersatz aus dem zwischen ihr und dem Steuerberater bestehenden Vertragsverhältnis in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist.
a) Wenn der Steuerberater einen fehlerhaften Rat in einer Steuersache erteilt und dieser sich in einem für den Mandanten nachteiligen Steuerbescheid niedergeschlagen hat, ist nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine als Schaden anzusehende Verschlechterung der Vermögenslage des Mandanten grundsätzlich erst mit der Bekanntgabe des Bescheids eingetreten. Das gilt für alle Schadensfälle in Steuersachen, gleichgültig, ob die Schadensursache dazu führt, dass gegen den Mandanten ein Leistungsbescheid der Finanzbehörde ergeht oder ein Steuervorteil durch einen Feststellungs-(Grundlagen-) Bescheid versagt wird (BGHZ 119, 69, 72 f; 129, 368, 388; BGH, Urt. v. 18. Dezember 1997 - IX ZR 180/96, WM 1998, 779, 780; v. 23. Januar 2003 - IX ZR 180/01, WM 2003, 936, 939; v. 12. Februar 2004 - IX ZR 246/02, WM 2004, 2034, 2037; v. 3. November 2005 - IX ZR 208/04, WM 2006, 590, 591; v. 13. Dezember 2007 - IX ZR 130/06, WM 2008, 611, 612 Rn. 11).
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Berufungsgericht zutreffend für den Beginn der Verjährungsfrist auf den Erlass der von ihm angeführten Bescheide vom 16. Mai 1995 und vom 30. Juli 1997 abgestellt. Danach endete die Primärverjährung spätestens zum 2. August 2000, die vom Berufungsgericht in Betracht gezogenen Sekundärverjährung zum 2. August 2003 (vgl. Zugehör in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl. Rn. 1406).
2. Im Rahmen revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme konnte das Berufungsgericht davon ausgehen, dass der von der Klägerin geltend gemachte Abschluss eines Stillhalteabkommens nicht hinreichend nachgewiesen ist.
a) Ein verjährungshemmendes (§§ 202 Abs. 1, 205 BGB a.F.) Stillhalteabkommen ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur anzunehmen, wenn der Schuldner aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung berechtigt sein soll, vorübergehend die Leistung zu verweigern, und der Gläubiger sich umgekehrt der Möglichkeit begeben hat, seine Ansprüche jederzeit weiterzuverfolgen (BGH, Urt. v. 14. November 1991 - IX ZR 31/91, NJW 1992, 836; v. 5. November 1992 - IX ZR 200/91, NJW 1993, 1320, 1323; v. 23. April 1998 - III ZR 7/97, NJW 1998, 2274, 2277; v. 16. Dezember 1998 - VIII ZR 197/97, NJW 1999, 1022, 1023; v. 27. Januar 1999 - XII ZR 113/97, NJW 1999, 1101, 1103; v. 6. Juli 2000 - IX ZR 134/09, WM 2000, 1812, 1813.). Eine solche Vereinbarung kann auch „stillschweigend“ durch schlüssiges Verhalten getroffen werden (BGH, Urt. v. 9. September 1999 - IX ZR 334/97, WM 1999, 2358, 2359; v. 6. Juli 2000 - IX ZR 134/09, aaO; Zugehör in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, aaO Rn. 1414). Hierfür muss aber ein äußeres Verhalten festgestellt werden, welches als Ausdruck einer solchen einvernehmlichen Entschließung ausgelegt werden kann (BGH, Urt. v. 14. November 1991 - IX ZR 31/91, aaO; v. 6. Juli 2000 - IX ZR 134/09, aaO; Mennemeyer in Fahrendorf/Mennemeyer/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts 8. Aufl. Rn. 1335).
b) Diese Rechtsgrundsätze hat das Berufungsgericht beachtet. Entgegen der Ansicht der Revision kann dem Berufungsgericht bei seiner Würdigung der einzelnen Umstände weder ein Verstoß gegen § 286 Abs. 1 ZPO noch eine Verletzung der Auslegungsgrundsätze nach §§ 133, 157 BGB angelastet werden.
Die von der Revision für ein äußeres Verhalten angeführte Einigung der Parteien über die Prozessvertretung der U. durch die Beklagte sowie der Abschluss der Haftungsbegrenzungsvereinbarung sind Umstände, die das Berufungsgericht ausdrücklich angesprochen hat. Es konnte im Rahmen zulässiger tatrichterlicher Würdigung der angeführten Verhaltensweisen und Absprachen den Schluss ziehen, dass die von der Klägerin geltend gemachte konkludente Einigung hieraus nicht zwingend abgeleitet werden kann. Der Umstand, dass die U. mit der Haftungsbegrenzungsvereinbarung vom 21. Mai/20. Juni 1995 ein deutliches Entgegenkommen gegenüber der Beklagten gezeigt hat, wurde vom Berufungsgericht berücksichtigt. Er zwingt entgegen der Ansicht der Revision unter dem Gesichtspunkt der Denkgesetze und des allgemeinen Erfahrungssatzes keineswegs dazu, als Gegenleistung eine konkludente Bereitschaft zum Abschluss eines Stillhalteabkommens mit verjährungsrechtlicher Relevanz anzunehmen. Das Berufungsgericht durfte im Rahmen der Würdigung des maßgeblichen Prozessstoffes auch das spätere Verhalten der Parteien, insbesondere bei Abgabe der Verzichtserklärung vom 13. Mai 1998, zur Ermittlung des Inhalts der im Mai/Juni 1995 abgegebenen Erklärungen mit einbeziehen (vgl. BGH, Urt. v. 6. Juli 2000 - IX ZR 134/09, aaO, S. 1814). Daher ist seine Annahme, dass nach der Lebenserfahrung die Beklagte, hätte sie tatsächlich die von der Klägerin geltend gemachte Stillhalteabrede getroffen, hierauf im Jahre 1998 Bezug genommen und nicht unabhängig davon und ohne das Abkommen zu erwähnen, eine schriftliche Verjährungsverzichtserklärung abgegeben hätte, nicht von der Hand zu weisen. Die verbleibenden Zweifel an der Richtigkeit des Vorbringens der Klägerin gehen zu deren Lasten, weil der Mandant, der unter Berufung auf verjährungshemmende Umstände die Verjährungseinrede des Rechtsanwalts abwehren will, hierfür die Darlegungs- und Beweislast trägt (BGH, Urt. v. 5. November 1992 - IX ZR 200/91, WM 1993, 610, 615; v. 20. Juni 1996 - IX ZR 106/95, WM 1996, 1832, 1833).
3. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Beklagten unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) nicht gehindert sind, die Einrede der Verjährung zu erheben.
a) Die Verjährungseinrede des Rechtsanwalts oder Steuerberaters gegenüber einem Schadensersatzanspruch des Mandanten ist unbeachtlich, wenn sie gegen das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) verstößt (BGHZ 94, 380, 391 f; BGH, Urt. v. 29. Februar 1996 - IX ZR 180/95, WM 1996, 1106, 1108). Der Zweck der Verjährungsregelung verlangt, an diesen Einwand strenge Anforderungen zu stellen, so dass dieser einen groben Verstoß gegen Treu und Glauben voraussetzt (BGH, Urt. v. 1. Oktober 1987 - IX ZR 202/86, WM 1988, 127, 128; v. 29. Februar 1996 - IX ZR 180/95, aaO; v. 21. Juni 2001 - IX ZR 73/00, WM 2001, 1677, 1679). Dies kann der Fall sein, wenn der Schuldner, sei es auch nur unabsichtlich, den Gläubiger von der rechtzeitigen Einklagung der Regressforderung abgehalten hat, etwa indem er den Gläubiger nach objektiven Maßstäben zur Annahme veranlasst hat, der Anspruch werde auch ohne Rechtsstreit erfüllt oder nur mit Einwendungen in der Sache bekämpft (BGH, Urt. v. 29. Februar 1996 - IX ZR 180/95, aaO; v. 21. Juni 2001 - IX ZR 73/00, WM 2001, 1677, 1679). Ein solcher Vertrauenstatbestand kann vorliegen, wenn der haftpflichtige Anwalt den geschädigten Mandanten vor Eintritt der Verjährung bewogen hat, im Hinblick auf den Regressanspruch den Ausgang eines anderen Verfahrens abzuwarten (BGH, Urt. v. 29. Februar 1996 - IX ZR 180/95, aaO). Die Verjährungseinrede ist aber nicht allein deswegen ein Rechtsmissbrauch, weil der Anwalt zum geltend gemachten Schadensersatzanspruch geschwiegen hat oder der Mandant der Ansicht war, er könne mit der Klageerhebung noch zuwarten (BGH, Urt. v. 1. Oktober 1987 - IX ZR 202/86, aaO, WM 1988, 127, 128; Zugehör in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, aaO, Rn. 1437).
b) Die Voraussetzungen eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens hat das Berufungsgericht zu Recht verneint. Ein grober Verstoß gegen Treu und Glauben kann der Beklagten nicht angelastet werden. Ein Ausnahmetatbestand im Sinne der angeführten Rechtsprechung liegt nicht vor.
4. Eine gesonderte Hinweispflicht der Beklagten auf die Notwendigkeit einer unverzüglichen Klageerhebung nach Abschluss des von der Beklagten geführten finanzgerichtlichen Verfahrens bestand nicht. Aus der Übernahme des Einspruchs- und Prozessmandats folgte entgegen der Ansicht der Revision keine gesonderte Hinweispflicht. Die Beklagte durfte davon ausgehen, dass die Klägerin über die Verjährungsproblematik im Bilde und deshalb nicht belehrungsbedürftig war. Soweit das Berufungsgericht dieses Ergebnis im Hinblick auf eine zu vermeidende "Tertiärhaftung" begründet hat, ist dies zwar rechtlich unzutreffend, hier aber nicht tragend.
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