Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 14.11.2013


BGH 14.11.2013 - IX ZR 215/12

Steuerberaterhaftung: Ausschluss der Verjährungseinrede für Schadensersatzansprüche wegen Einkommensteuerbelastung infolge eines nicht eingelegten Einspruchs gegen einen Feststellungsbescheid


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
14.11.2013
Aktenzeichen:
IX ZR 215/12
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend OLG Hamm, 6. Juli 2012, Az: 25 U 2/12, Urteilvorgehend LG Münster, 14. Dezember 2011, Az: 110 O 28/11, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Hat ein Steuerberater durch Übersendung einer Abschrift eines auftragswidrig nicht eingelegten Einspruchs den Anschein erweckt, der Steuerbescheid, der angefochten werden sollte, sei nicht in Bestandskraft erwachsen, kann er sich bis zur Aufdeckung seines Fehlers und des eingetretenen Schadens auch dann nicht auf die eingetretene Verjährung des gegen ihn gerichteten Haftungsanspruchs berufen, wenn ihm ein vorsätzliches Handeln nicht nachgewiesen werden kann.

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 6. Juli 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Kläger nehmen die Beklagten wegen fehlerhafter Steuerberatung auf Schadensersatz in Anspruch. Zunächst hatte die Beklagte zu 1, eine Steuerberatergesellschaft, die Kläger steuerlich beraten. Mit Wirkung zum 31. Dezember 2003 stellte sie ihre Geschäftstätigkeit ein. Mit Wirkung zum 1. April 2004 gründete die Beklagte zu 3, eine ehemalige Angestellte der Beklagten zu 1, gemeinsam mit der Beklagten zu 4 die Beklagte zu 2. Die Parteien streiten über die Fragen, ob der Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1 verjährt ist und ob auch Ansprüche gegen die Beklagten zu 2 bis 4 bestehen.

2

Die Kläger, die sich zu einer Grundstücksgemeinschaft zusammengeschlossen und ein Grundstück veräußert hatten, beauftragten die Beklagte zu 1, Einspruch gegen einen Feststellungsbescheid einzulegen, mit welchem das zuständige Finanzamt den Veräußerungsgewinn ("Spekulationsgewinn") auf 373.012 DM (190.718,01 €) festgesetzt hatte. Im Einspruchsschreiben rügte die Beklagte zu 1 die Verfassungswidrigkeit des für die Besteuerung des Veräußerungsgewinns maßgeblichen Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2001 und beantragte die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides. Die Kläger erhielten eine Abschrift des Schreibens. Der Einspruch ging nicht beim zuständigen Finanzamt ein; die Beklagten behaupten nicht, dass es überhaupt abgesandt worden sei. Gegen die Kläger wurde mit Bescheiden vom 23. Mai 2003 und vom 14. Juli 2003 Einkommensteuer in Höhe von 44.281,50 € und von 43.511,18 € festgesetzt. Mit Schreiben vom 14. Juli 2003 teilte die Beklagte zu 1 den Klägern mit, der Feststellungsbescheid sei nach einem BMF-Schreiben vorläufig; im Falle einer günstigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts werde er aufgehoben. Mit Bescheid vom 7. August 2003 lehnte das zuständige Finanzamt den von der Beklagten zu 1 für die Kläger gestellten Antrag auf Aufnahme eines Vorläufigkeitsvermerks ab, weil der Feststellungsbescheid, gegen den kein Einspruch eingelegt worden sei, bestandskräftig geworden sei. Diesen Bescheid leitete die Beklagte zu 1 nicht an die Kläger weiter. Am 7. Juli 2010 erklärte das Bundesverfassungsgericht das Steuerentlastungsgesetz im hier maßgeblichen Teil für verfassungswidrig.

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Mit ihrer am 13. Mai 2011 beim Landgericht eingegangenen, zunächst nur gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Klage haben die Kläger Schadensersatz in Höhe der jeweils gegen sie festgesetzten Einkommensteuer nebst Zinsen verlangt, von der Beklagten zu 1 außerdem Ersatz des Verzugsschadens in Höhe von 1.239,50 €. Die Klage gegen die Beklagten zu 2 bis 4 ist am 10. Oktober 2011 bei Gericht eingegangen. Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben. Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Die Berufung der Kläger, mit welcher diese Zahlung von 87.792,68 € nebst Zinsen sowie weiterer 1.239,50 € an die J                    GmbH als Abtretungsempfängerin verlangt haben, ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre Anträge aus der Berufungsinstanz weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

5

Entgegen der Ansicht der Beklagten zu 2 und zu 4 war die Berufung zulässig. Sie ist insbesondere rechtzeitig begründet worden. Eine ausschließlich für die Abtretungsempfängerin (die J               GmbH) eingereichte Begründung hätte den Klägern nicht als eigene zugerechnet werden können und wäre nicht geeignet gewesen, die Begründungsfrist des § 520 Abs. 2 ZPO zu wahren (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2001 - II ZB 13/01, NJW-RR 2002, 646). Der Schriftsatz vom 15. Februar 2012, welcher die Begründung enthält, ist jedoch (auch) namens der Kläger verfasst worden.

6

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann das Revisionsgericht die Würdigung prozessualer Erklärungen einer Partei uneingeschränkt nachprüfen und Erklärungen selbst auslegen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 1993 - VII ZB 24/93, NJW-RR 1994, 568 unter II. 1. a); Urteil vom 26. Juni 1991 - VIII ZR 231/90, NJW 1991, 2630, 2631 unter II. 3.; vom 27. Mai 2008 - XI ZR 132/07, VersR 2009, 685 Rn. 45; vom 1. August 2013 - VII ZR 268/11, ZVertriebsR 2013, 310 Rn. 30). Die Auslegung darf auch im Prozessrecht nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften, sondern hat den wirklichen Willen der Partei zu erforschen. Bei der Auslegung von Prozesserklärungen ist der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2011 - VIII ZB 25/10, NJW 2011, 1455 Rn. 9; vom 1. August 2013, aaO).

7

2. Die Berufungsbegründung vom 15. Februar 2012 geht nicht davon aus, dass die Kläger mit dem Hinweis auf die Abtretung der Klageforderung endgültig aus dem Rechtsstreit ausgeschieden sind. Sie weist in der Überschrift ("Im Berufungsverfahren 1. G.   J.   2. H.   L.   ./. 1. E.                                 mbH …") die Kläger, nicht die Abtretungsempfängerin als Berufungskläger aus. Die zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger, die für diese Berufung eingelegt hatten, bestellen sich "auch" für die Abtretungsempfängerin und beantragen einen Parteiwechsel auf Klägerseite. Sie kündigen zwar den Antrag an, die Beklagten unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zu verurteilen, an "die Klägerin" 87.792,68 € nebst Zinsen zu zahlen. Für den Fall, dass das Gericht die Zustimmung der Beklagten für erforderlich halte, beantragen sie jedoch, den Beklagten eine Frist zur Erklärung der Zustimmung zu setzen. Sie geben damit hinreichend zu erkennen, dass sie nach wie vor von den Klägern mandatiert worden sind, sie (auch) für diese handeln und dass die Entscheidung über den Verbleib der Kläger im anhängigen Verfahren noch nicht abschließend gefallen ist. Unter diesen Voraussetzungen bezieht sich die sich an die genannten Anträge anschließende Berufungsbegründung (auch) auf die noch nicht aus dem Rechtsstreit ausgeschiedenen Kläger. So ist die Begründung im bisherigen Verlauf des Rechtsstreits auch von allen Prozessbeteiligten verstanden worden.

II.

8

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Ansprüche der Kläger gegen die Beklagte zu 1 seien verjährt. Die Verjährung richte sich nach § 68 StBerG aF. Der Schaden sei mit der Bestandskraft des Feststellungsbescheides entstanden; diese sei nach Ablauf der Einspruchsfrist am 8. April 2003 eingetreten. Sekundäre Schadensersatzansprüche seien ebenfalls verjährt. Die Beklagte zu 1 sei nicht gemäß § 242 BGB wegen Rechtsmissbrauchs gehindert, die Einrede der Verjährung zu erheben. Die Kläger hätten zwar bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 2010 keine Kenntnis von der Versäumung der Einspruchsfrist gehabt. Sie hätten jedoch nicht zu beweisen vermocht, dass die Beklagte zu 3 als die mit dem Vorgang befasste Mitarbeiterin der Beklagten zu 1 vorsätzlich gehandelt habe. Dass die bei der Beklagten zu 2 für sie, die Kläger, zuständige Mitarbeiterin auf Nachfragen wiederholt erklärt habe, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stehe noch aus, begründe ebenfalls nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs. Sachlich sei der Hinweis zutreffend gewesen; dass die Mitarbeiterin mit dieser Auskunft den Eintritt der Rechtskraft des Feststellungsbescheides habe verheimlichen und die Kläger damit von einer rechtzeitigen Inanspruchnahme der Beklagten habe abhalten wollen, sei weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt worden. Die grobe Pflichtwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten zu 1 und der Beklagten zu 3 reiche allein nicht aus, den Missbrauchseinwand zu begründen.

9

Ob zwischen der Beklagten zu 2 und den Klägern ein Vertrag über eine Beratung in Steuerangelegenheiten hinsichtlich des Feststellungsbescheides zustande gekommen sei, könne offenbleiben. Jedenfalls habe die Beklagte zu 2 nicht gegen die ihr in diesem Zusammenhang obliegenden Pflichten verstoßen. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, die Kläger darauf hinzuweisen, dass die Beklagte zu 1 die Einspruchsfrist versäumt habe. Die Kläger hätten sie nicht mit der Prüfung etwaiger Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu 1 beauftragt. Die Beklagte zu 2 habe auch nicht erkennen müssen, dass der Einspruch nicht zum zuständigen Finanzamt gelangt sei. Dass der Bescheid vom 7. August 2003, mit welchem der Antrag auf Aufnahme eines Vorläufigkeitsvermerks abgelehnt worden sei, sich in der Akte der Kläger befunden habe, hätten diese nicht konkret behauptet. Nach Darstellung der Beklagten zu 1 habe die damals als ihre Angestellte tätige Beklagte zu 3 den Bescheid nicht zuordnen können und unbearbeitet abgelegt; diese Akte sei von der Beklagten zu 2 nicht übernommen worden. Dass die Beklagte zu 3 im Jahre 2004 Gesellschafterin der Beklagten zu 2 geworden sei, begründe keine Haftung der Beklagten zu 2 für Vertragsverletzungen der Beklagten zu 1.

10

Eine persönliche Haftung der Beklagten zu 3 nach § 128 HGB wegen der versäumten Einspruchsfrist und der unsachgemäßen Behandlung des Bescheids vom 7. August 2003 komme nicht in Betracht, weil sie angestellte Mitarbeiterin der Beklagten zu 1, nicht aber deren Gesellschafterin gewesen sei; eine Vertragsbeziehung habe nur zwischen der Beklagten zu 1 und den Klägern bestanden. Als Gesellschafterin der Beklagten zu 2 hafte sie nicht, weil auch die Beklagte zu 2 nicht hafte. Aus demselben Grund hafte auch die Beklagte zu 4 nicht als Gesellschafterin der Beklagten zu 2.

III.

11

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

12

1. Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt kann sich die Beklagte zu 1 nicht auf die Einrede der Verjährung berufen.

13

a) Die Beklagte zu 1 hat, was sie nicht in Abrede nimmt, ihre vertraglichen Pflichten gegenüber den Klägern verletzt, indem sie es unterließ, auftragsgemäß für diese Einspruch gegen den Feststellungsbescheid einzulegen. Dadurch ist der Feststellungsbescheid bestandskräftig geworden und hat zu einem Schaden in Höhe der auf dessen Grundlage berechneten Steuer geführt. Der Schadensersatzanspruch gegen den Steuerberater verjährt gemäß der hier noch anwendbaren Vorschrift des § 68 StBerG aF (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - IX ZR 108/12, WM 2013, 940 Rn. 8) allerdings binnen dreier Jahre ab Entstehung des Anspruchs. Diesen Zeitpunkt hat das Berufungsgericht zutreffend bestimmt. Entstanden ist der Anspruch mit der infolge der Versäumung der Einspruchsfrist eingetretenen Bestandskraft des Feststellungsbescheides am 8. April 2001 (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 - IX ZR 170/09, WM 2010, 2284 Rn. 11), obwohl dieser noch keine Festsetzung enthielt, sondern Besteuerungsgrundlagen selbständig feststellte, welche für die nachfolgende Steuerfestsetzung gemäß § 182 Abs. 1 AO bindend waren (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2013, aaO Rn. 9). Die Erhebung der Klagen im Jahre 2011 war auch dann nicht geeignet, die Verjährungsfrist rechtzeitig zu hemmen (vgl. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB), wenn die Voraussetzungen eines Sekundäranspruchs vorgelegen hätten.

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b) Der Beklagten zu 1 ist es jedoch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf die eingetretene Verjährung zu berufen.

15

aa) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann der Einrede der Verjährung (§ 214 Abs. 1 BGB) der Arglisteinwand nicht nur dann entgegengesetzt werden, wenn der Schuldner den Gläubiger absichtlich von der Erhebung der Klage abgehalten hat (BGH, Urteil vom 3. Februar 1953 - I ZR 61/52, BGHZ 1, 5; vom 14. Februar 1978 - X ZR 19/76, BGHZ 71, 86, 96; vom 12. Juni 2002 - VIII ZR 187/01, NJW 2002, 3110 f; vom 17. Juni 2008 - VI ZR 197/07, NJW 2008, 2776 Rn. 31; RGZ 153, 101, 107 f). Vielmehr reicht aus, dass der Schuldner durch sein Verhalten objektiv - sei es auch unabsichtlich - bewirkt, dass die Klage nicht rechtzeitig erhoben wird, und die spätere Verjährungseinrede unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles mit dem Gebot von Treu und Glauben unvereinbar wäre. Insoweit ist ein strenger Maßstab anzulegen (BGH, Urteil vom 1. Oktober 1987 - IX ZR 202/86, WM 1988, 127, 128; vom 29. Februar 1996 - IX ZR 180/95, ZIP 1996, 791, 793; Beschluss vom 20. November 2008 - IX ZR 145/06, nv, Rn. 2; Bamberger/Roth/Henrich, BGB, 3. Aufl., § 214 Rn. 9; Chab in Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 1447).

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bb) Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt fällt der Beklagten zu 1 objektiv ein besonders grober Verstoß gegen Treu und Glauben zur Last. Die Beklagte zu 1 hat es zunächst versäumt, Einspruch gegen den Feststellungsbescheid vom 5. März 2003 einzulegen. Die Kläger, die eine Abschrift des vorbereiteten, aber nicht an das Finanzamt abgesandten Einspruchsschreibens erhalten hatten, konnten jedoch davon ausgehen, dass der Feststellungsbescheid nicht bestandskräftig geworden war. In diesem Glauben wurden sie durch das Schreiben vom 14. Juli 2003 bestärkt, in welchem die Beklagte zu 1 ihnen der Wahrheit zuwider darlegte, dass der Feststellungsbescheid vorläufig sei und im Falle einer günstigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aufgehoben werde. Der weitere Bescheid vom 7. August 2003, mit welchem das Finanzamt die Erteilung eines Vorläufigkeitsvermerks ablehnte, weil Bestandskraft eingetreten sei, wurde ihnen vorenthalten.

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cc) Hinzu kommt, dass sich die Beklagte zu 1 gemäß § 278 BGB auch die irreführenden Auskünfte zurechnen lassen muss, welche die Beklagte zu 2 in den folgenden Jahren durch die von der Beklagten zu 1 übernommene Mitarbeiterin Z.        den Klägern erteilt hat. Nach § 278 Satz 1 BGB hat der Schuldner ein Verschulden der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Aufgrund der von der Beklagten zu 1 begangenen Vertragsverletzungen, dem unterlassenen Einspruch und der anschließenden Irreführung über diesen Umstand bestand die zwischen ihr und den Klägern bestehenden Sonderrechtsbeziehung unabhängig von einer etwaigen Beendigung des Mandats fort. Die Beklagte zu 2 wurde auf Veranlassung der Beklagten zu 1 tätig. Die Beklagte zu 1 hat nach unter Beweis gestellter Darstellung der Kläger mittels eines Rundschreibens die Einstellung des Geschäftsbetriebs und die Übernahme aller Mandate durch die Beklagte zu 2 angezeigt; die Beklagte zu 2 übernahm die Akte, die für das Mandat der Kläger angelegt worden war. Die wiederholte Auskunft, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stehe aus, war geeignet und trug dazu bei, die Kläger in Sicherheit zu wiegen und von der rechtzeitigen Erhebung einer Schadensersatzklage abzuhalten. Die Beklagte zu 2 hätte dies erkennen können, wenn sie die Akte der Kläger bei Übernahme des Mandats überprüft hätte.

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c) Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Die Kläger haben nicht, wie die Beklagten zu 1 und zu 3 meinen, nach Kenntnis vom Fehlverhalten der Beklagten zu 1 zu lange gewartet, bis sie Klage erhoben. Der Bundesgerichtshof hat allerdings in ständiger Rechtsprechung angenommen, dass der Gläubiger einer verjährten Forderung, der sich aufgrund des Verhaltens seines Schuldners darauf verlassen durfte, dass dieser sich nicht auf Verjährung berufen werde, seinen Anspruch binnen einer angemessenen, nach Treu und Glauben zu bestimmenden Frist gerichtlich geltend zu machen hat, wenn der Schuldner die Verjährungseinrede schließlich doch erhob. Diese Frist wurde kurz bemessen, denn sie diente nur dazu zu verhindern, dass der Gläubiger infolge einer überraschenden Wendung der Dinge seinen Anspruch noch verlor; eine großzügige Bemessung dieser Frist hätte im Widerspruch zum Zweck der bereits eingetretenen Verjährung gestanden (BGH, Urteil vom 20. Januar 1976 - VI ZR 15/74, VersR 1976, 565; vom 6. Dezember 1990 - VII ZR 126/90, NJW 1991, 974, 975; vom 4. November 1997 - VI ZR 375/96, NJW 1998, 902, 903 f; Bamberger/Roth/Henrich, aaO § 214 Rn. 12; Chab, aaO Rn. 1448). Die Kläger haben im November 2010 Kenntnis davon erhalten, dass kein Einspruch gegen den Feststellungsbescheid eingelegt worden war. Mit Schreiben vom 2. Februar 2011 haben die Beklagten sich auf Verjährung berufen. Die Klage ist am 13. Mai 2011 bei Gericht eingegangen.

19

Den genannten Entscheidungen lagen jedoch jeweils Fälle zugrunde, in denen unter der Geltung des alten Verjährungsrechts, insbesondere vor Einführung des § 203 BGB, über einen mehr oder weniger langen Zeitraum verhandelt oder sogar ein teilweises Anerkenntnis erzielt worden war. Die kurze Frist wurde von dem Zeitpunkt der als solcher erkennbaren endgültigen Leistungsverweigerung an berechnet. Im Zeitpunkt des Abbruchs von Vergleichsverhandlungen sind den betroffenen Gläubigern die vermeintlich oder wirklich anspruchsbegründenden Umstände längst bekannt, und die gegenseitigen Standpunkte sind ausgetauscht worden. Das war hier jedoch nicht der Fall. Im November 2010 war den Klägern, wie sich aus einem Schreiben des Klägers zu 1 vom 29. November 2010 ergibt, lediglich mitgeteilt worden, dass der Einspruch versehentlich nicht abgesandt worden war. Erst auf Nachfragen ihrer anwaltlichen Bevollmächtigten gemäß Schreiben vom 23. Februar 2011 erfuhren sie, dass die Beklagte zu 1 bereits seit dem 11. August 2003 von dem unterbliebenen Einspruch wusste. Erst diese Information ermöglichte ihnen, das Verhalten der Beklagten als arglistig zu bewerten und den an sich verjährten Einspruch mit Aussicht auf Erfolg einzuklagen. Das betreffende Schreiben der Beklagten datiert vom 8. April 2011 und ging am 12. April 2011 bei den Anwälten der Kläger ein.

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2. Ein Anspruch gegen die Beklagte zu 2 kann mit der Begründung des Berufungsgerichts ebenfalls nicht verneint werden.

21

a) Revisionsrechtlich ist von dem unter Beweis gestellten Vorbringen der Kläger auszugehen, die Beklagte zu 1 habe in einem Rundschreiben auf den Übergang des Mandats auf die Beklagte zu 2 hingewiesen, und die Beklagte zu 2 habe die Büroräume sowie die Akten einschließlich der den Einspruch gegen den Feststellungsbescheid betreffenden Akte der Kläger übernommen; zudem habe der Kläger zu 1 vielfach nach dem Stand der Sache gefragt und habe die Auskunft erhalten, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stehe aus; schließlich habe die Angestellte Z.       , welche die Akte überwacht habe, den Kläger zu 1 angerufen, um ihn vom positiven Ausgang des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgerichts zu berichten. Zwischen der Beklagten zu 2 und den Klägern ist dann in dieser Angelegenheit ein Steuerberatervertrag zustande gekommen.

22

b) Ist ein Steuerberatervertrag zustande gekommen, hat die Beklagte zu 2 sich pflichtwidrig verhalten. Nach dem festgestellten Sachverhalt hat sie die übernommene Akte der Kläger aufgrund eines Versehens nicht erfasst. Sie wäre jedoch verpflichtet gewesen, den übernommenen Bestand einschließlich der Akte der Kläger innerhalb angemessener Frist daraufhin zu überprüfen, ob Handlungsbedarf bestand, und die Kläger vollständig und richtig vom Stand des Einspruchsverfahrens zu unterrichten. Das hat sie nicht getan.

23

c) Ein hierdurch entstandener Schaden lässt sich auf der Grundlage des Vorbringens der Kläger ebenfalls nicht verneinen.

24

aa) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts haben die Kläger ausreichend dazu vorgetragen, dass die Beklagte zu 2 bei Durchsicht der Akte den Bescheid vom 7. August 2003 gefunden hätte, aus welchem sich ergab, dass der Feststellungsbescheid vom 5. März 2003 mangels rechtzeitiger Einlegung eines Einspruchs bestandskräftig geworden war. Die Beklagte zu 1 hat vorgetragen, der Bescheid vom 7. August 2003 habe zunächst nicht zugeordnet werden können und sei schließlich unbearbeitet abgelegt worden; die Akte sei von der Folgeberaterin nicht übernommen worden. Diesen Vortrag hat das Berufungsgericht dahingehend ausgelegt, dass das Schreiben nicht zur Akte der Kläger genommen worden sei; da die Klägerin nicht ausdrücklich behauptet und unter Beweis gestellt habe, dass sich der Bescheid in der Einspruchsakte befunden habe, brauche ihrem Vorbringen insgesamt nicht nachgegangen werden. Dies war in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft. Die Haftung der Beklagten zu 2 betrifft ein anderes Prozessrechtsverhältnis als dasjenige zwischen der Beklagten zu 1 und den Klägern. Die Beklagte zu 2 hat sich in den Tatsacheninstanzen durch eigene Prozessbevollmächtigte vertreten lassen, welche gesondert vorgetragen haben, teils im offenen Widerspruch zum Vorbringen der Beklagten zu 1. Es wäre daher zunächst zu klären gewesen, ob sie sich den (vermeintlichen) Vortrag der Beklagten zu 1 über das Vorliegen zweier Akten überhaupt zu eigen machen wollte. Gegebenenfalls hätten dann die Kläger, die keine eigene Kenntnis hinsichtlich der Aktenführung haben konnten, über diese für sie kaum vorhersehbare Annahme des Berufungsgerichts unterrichtet werden müssen, damit sie ihren Vortrag und ihre Beweisangebote entsprechend präzisieren konnten (§ 139 ZPO). Immerhin hat die Beklagte zu 2 in ihrem bereits zitierten Schreiben vom 8. April 2011 selbst auf den fraglichen Bescheid hingewiesen und ihn dem Schreiben beigefügt.

25

bb) Die Beklagte zu 2 hätte allerdings auch bei pflichtgemäßem Verhalten den Eintritt des in der Versäumung der Einspruchsfrist liegenden Schadens nicht mehr verhindern können. Entgegen der Ansicht der Kläger wäre es Anfang 2004 aus Rechtsgründen nicht mehr möglich gewesen, hinsichtlich der Versäumung der Einspruchsfrist erfolgreich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen. Das Verschulden der Beklagten zu 1 wäre den Klägern zugerechnet worden (vgl. § 110 Abs. 1 Satz 2 AO). Ein Versehen bei der Einlegung des Einspruchs, das wegen der fehlenden Ausgangskontrolle überdies kaum als entschuldigt angesehen worden wäre, hätte die Beklagte zu 1 spätestens bei Zugang des Bescheids vom 7. August 2003 bemerken können.

26

cc) Die Beklagte zu 2 hätte die Kläger jedoch alsbald über die Bestandskraft des Feststellungsbescheids unterrichten müssen. Weitergehende Hinweise schuldete sie zwar nicht; insbesondere war sie nicht zu einer Belehrung über den Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1 und die insoweit laufenden Verjährungsfristen verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 1995 - IX ZR 140/94, BGHZ 129, 386, 393 f; Chab in Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 1405). Schon der Hinweis darauf, dass die Beklagte zu 1 entgegen dem ihr erteilten Auftrag keinen Einspruch gegen den Feststellungsbescheid eingelegt hatte, hätte die Kläger jedoch in die Lage versetzt, sich rechtlich beraten zu lassen. Sie hätten die Verjährung des Schadensersatzanspruchs gegen die Beklagte zu 1 durch rechtzeitige Erhebung einer (Feststellungs-)Klage verhindern können (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Durch das Verhalten der Beklagten zu 2 sind sie dagegen, wie gezeigt, jahrelang weiter irregeführt und von der Rechtsverfolgung abgehalten worden. Der durch den Fehler der Beklagten adäquat kausal verursachte Schaden liegt in der nach derzeitiger Sach- und Rechtslage nicht feststehenden, aber auch nicht ausschließbaren fehlenden Durchsetzbarkeit des Anspruchs gegen die Beklagte zu 1.

27

3. Besteht ein Anspruch der Kläger gegen die Beklagte zu 2, folgt die Haftung der Beklagten zu 3 und zu 4 aus § 128 HGB.

IV.

28

Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, wird sie an das Berufungsgericht zurückverwiesen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Für die erneute Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf folgende weitere Gesichtspunkte hin:

29

1. Hinsichtlich des Anspruchs gegen die Beklagte zu 2 haben die Kläger bisher nicht ausreichend zur Kausalität zwischen der Pflichtwidrigkeit und dem eingetretenen Schaden vorgetragen. Der Schaden beruht nur dann auf dem Fehler der Beklagten zu 2, wenn die Kläger darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass (und wie) sie ihn bei rechtzeitigem Hinweis auf den versäumten Einspruch abgewendet hätten. Der Anscheinsbeweis, dass ein Mandant dem pflichtgemäßen Hinweis des Beraters folgt, gilt nur dann, wenn bei vernünftiger Betrachtungsweise aus damaliger Sicht nur eine Entscheidung nahe lag. Er ist unanwendbar, wenn unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten unterschiedliche Schritte in Betracht kommen und der Berater dem Mandanten lediglich die erforderliche Information für eine sachgerechte Entscheidung zu geben hat (BGH, Urteil vom 30. September 1993 - IX ZR 73/93, BGHZ 123, 311; vom 7. Februar 2008 - IX ZR 149/04, WM 2008, 946 Rn. 20).

30

2. Wegen ihres objektiv arglistigen Verhaltens ist es auch der Beklagten zu 2 im Grundsatz verwehrt, die Einrede der Verjährung zu erheben (§ 242 BGB). Ob die Klage gegen die Beklagte zu 2 nach den oben genannten Maßstäben rechtzeitig erhoben worden ist, hängt davon ab, wann die Kläger Kenntnis von den in der Klageerwiderung geschilderten gesellschaftsrechtlichen Zusammenhängen sowie vom schädigenden Verhalten der Beklagten zu 2 erlangt haben; dazu fehlt bislang jeglicher Vortrag der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten zu 2.

                 

RiBGH Vill ist im Urlaub

und kann deshalb nicht

unterschreiben.

                 

Kayser     

        

Kayser

        

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Pape     

        

     Möhring