Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 10.05.2012


BGH 10.05.2012 - IX ZR 206/11

Wirkungen des Insolvenzplans: Nichterfüllung einer nicht zur Tabelle festgestellten Forderung; Wiederaufleben der nicht festgestellten Forderung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
10.05.2012
Aktenzeichen:
IX ZR 206/11
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend OLG Celle, 14. Juli 2011, Az: 13 U 26/11vorgehend LG Hildesheim, 15. Dezember 2010, Az: 2 O 351/09
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. Der Schuldner gerät nicht mit der Erfüllung des Insolvenzplans in Rückstand, wenn die nicht erfüllte Forderung nicht zur Tabelle festgestellt worden und keine Entscheidung des Insolvenzgerichts über die vorläufige Berücksichtigung der Forderung ergangen ist.

2. Die nicht festgestellte und nicht nach Maßgabe des Insolvenzplans erfüllte Forderung lebt nicht dadurch wieder auf, dass der Schuldner innerhalb der ihm gesetzten Nachfrist keine Entscheidung des Insolvenzgerichts über die vorläufige Berücksichtigung der Forderung beantragt.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten zu 1 wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 14. Juli 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als auf die Berufung des Klägers hin das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 15. Dezember 2010 abgeändert worden ist.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 15. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtsmittel.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist Verwalter in dem am 31. August 2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S.              GmbH (fortan: GmbH). Der Beklagte zu 1 (fortan: Beklagter) ist Geschäftsführer und Gesellschafter der GmbH sowie Gesellschafter der früheren Beklagten zu 2, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, von welcher die GmbH Betriebsräume angemietet hatte.

2

Über das Vermögen des Beklagten wurde am 4. Mai 2007 ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet. Dieses Verfahren wurde am 19. Juni 2009 aufgehoben, nachdem ein Insolvenzplan angenommen und bestätigt worden war. Der Plan sah für die in einer Gruppe 3 zusammengefassten privatrechtlichen Gläubiger ohne Absonderungsrechte eine Erlassquote von 97,61 vom Hundert vor. Die Quotenzahlungen waren am Ende des Monats fällig, der auf die Festsetzung der Massekosten und die Abnahme der Schlussrechnung des Insolvenzverwalters folgte. Der Plan enthält eine Wiederauflebensklausel entsprechend § 255 InsO.

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Der Kläger, der im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten keine Forderungen angemeldet hatte, hat im Dezember 2009 verschiedene Zahlungen der GmbH an den Schuldner und an die frühere Beklagte zu 2 angefochten und zunächst Rückgewähr von insgesamt 64.200 € verlangt. Mit Schreiben vom 2. Februar 2010 hat er unter Fristsetzung bis zum 18. Februar 2010 Zahlung der Quote von 2,39 vom Hundert (1.534,38 €) gefordert; nach Ablauf der Frist hat er erneut Zahlung des gesamten Betrages verlangt. Er hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 41.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2005 sowie als Gesamtschuldner neben der früheren Beklagten zu 2 weitere 23.200 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2005 zu zahlen.

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Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, an den Kläger 979,90 € nebst Zinsen sowie als Gesamtschuldner neben der früheren Beklagten zu 2 weitere 554,48 € nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die Anschlussberufung des Beklagten ist als unzulässig verworfen worden. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Zurückweisung der Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts.

I.

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Das Berufungsgericht hat ausgeführt (NZI 2011, 690): Die tatbestandlichen Voraussetzungen der geltend gemachten insolvenzanfechtungsrechtlichen Rückgewähransprüche seien erfüllt. Der Kläger könne diese Ansprüche trotz des Insolvenzplans in voller Höhe geltend machen. Sie seien durch die Rechtskraft des Insolvenzplans nicht präkludiert. Dessen Gestaltungswirkung gelte zwar auch für nicht angemeldete Forderungen, und zwar auch dann, wenn diese erst nach Rechtskraft des Plans und Aufhebung des Insolvenzverfahrens geltend gemacht würden. Der Teilerlass sei jedoch dadurch entfallen, dass der Beklagte weder die Forderungen in Höhe der Quote innerhalb der ihm gesetzten Nachfrist erfüllt noch eine Entscheidung des Insolvenzgerichts gemäß § 256 InsO herbeigeführt habe. Verwirkung sei nicht eingetreten.

II.

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Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

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1. Der Kläger hatte gegen den Beklagten Ansprüche aus §§ 133, 143 Abs. 1 InsO auf Rückgewähr von insgesamt 64.200 € nebst Zinsen. Die Revision zieht die entsprechenden Feststellungen sowie den Subsumtionsschluss des Berufungsgerichts nicht in Zweifel.

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2. Mit der Rechtskraft der Bestätigung des Insolvenzplans traten die im gestaltenden Teil festgelegten Wirkungen, insbesondere die Erlassquote von 97,61 vom Hundert für die Gläubiger der Gruppe 3, für und gegen alle Beteiligten ein (§ 254 Abs. 1 Satz 1 InsO aF, § 254 Abs. 1 InsO). Soweit die Forderungen als erlassen gelten, sind sie nicht erloschen, bestehen aber nur als natürliche, unvollkommene Verbindlichkeiten fort, deren Erfüllung möglich ist, aber nicht erzwungen werden kann (BGH, Urteil vom 19. Mai 2011 - IX ZR 222/08, NZI 2011, 538 Rn. 8). Auch die streitgegenständlichen Forderungen des Klägers galten zu 97,61 vom Hundert erlassen. Dass der Kläger seine Forderungen bis dahin nicht geltend gemacht hatte, stand nicht entgegen. Gemäß § 254 Abs. 1 Satz 3 InsO aF (§ 254b InsO) gilt ein Insolvenzplan auch für Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben.

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3. Entgegen der Ansicht der Revision waren die Forderungen des Klägers nicht präkludiert. Die Insolvenzordnung sieht nicht vor, dass Forderungen, die im Insolvenzverfahren nicht angemeldet worden sind, nach rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans und Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht mehr gegen den Insolvenzschuldner geltend gemacht werden können (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2011, aaO; HK-InsO/Flessner, 6. Aufl., § 254 Rn. 4 f mwN; MünchKomm-InsO/Huber, 2. Aufl., § 254 Rn. 23 f; HmbKomm-InsO/Thies, 3. Aufl., § 227 Rn. 5; Schreiber/Flitsch, BB 2005, 1173, 1176; aA SächsLAG, Urteil vom 22. November 2007 - 1 Sa 364/03, juris Rn. 42). Die hier noch anwendbare Vorschrift des § 254 Abs. 1 Satz 3 InsO aF, nach welcher der Insolvenzplan auch für nicht angemeldete Forderungen galt, setzte - wie die Revision selbst erkennt - gerade voraus, dass die nicht angemeldeten Forderungen fortbestanden und weiterhin durchgesetzt werden konnten (jetzt § 254b InsO; vgl. auch die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 4. Mai 2011, BT-Drucks. 17/5712, S. 37, zu Nr. 41). Zwar kann die Erfüllung von Insolvenzplänen durch nachträglich erhobene Forderungen gefährdet oder unmöglich werden, insbesondere dann, wenn diese vorsehen, dass eine bestimmte Summe Geldes unter den Insolvenzgläubigern verteilt wird. Dieses Problem hat der Gesetzgeber der Insolvenzordnung jedoch gesehen. Die Kommission für Insolvenzrecht hatte nämlich im Ersten Bericht, Leitsätze 2.2.30 und 2.2.31, einen Vollstreckungsschutz zugunsten des Schuldners sowie eine Verjährungsfrist von längstens zwei Jahren nach rechtskräftiger Bestätigung des Reorganisationsplans vorgeschlagen (vgl. BT-Drucks. 17/5712, S. 37). Die nicht begründete, aber angesichts des Kommissionsberichts bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, das mit der Zulassung nachträglich erhobener Forderungen verbundene Risiko eines Scheiterns der Planerfüllung ohne Abhilfemöglichkeiten hinzunehmen, ist für die Gerichte grundsätzlich bindend. Der völlige Verlust einer Forderung als Folge einer Ausschlussfrist stellt einen erheblichen Eingriff in das Eigentumsrecht des Gläubigers (Art. 14 Abs. 1 GG) dar, der einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage bedarf (vgl. hierzu BVerfGE 92, 262, 271 ff = ZIP 1995, 923, 924 f zu § 14 GesO).

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Die weitere Rechtsentwicklung zeigt ebenfalls, dass nicht angemeldete Forderungen auch nach der Annahme und Bestätigung des Insolvenzplans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht ausgeschlossen sind. Durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I 2582) sind mit Wirkung vom 1. März 2012 die Bestimmungen der §§ 259a, 259b InsO eingeführt worden. Danach kann der Schuldner Vollstreckungsschutz beantragen, wenn die Durchführung des Plans durch nachträglich erhobene Forderungen gefährdet wird; im Insolvenzverfahren nicht angemeldete Forderungen von Insolvenzgläubigern verjähren spätestens in einem Jahr nach rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans. Der Gesetzgeber hat damit die eingangs genannten Vorschläge der Kommission für Insolvenzrecht nachträglich aufgegriffen. Die Vorschriften der §§ 259a, 259b InsO setzen voraus, dass dem Planverfahren keine Ausschlusswirkung zukommt. Weitergehenden Vorschlägen, eine materielle Ausschlussfrist für im Insolvenzverfahren nicht angemeldete Forderungen zu schaffen, ist der Gesetzgeber der amtlichen Begründung zufolge bewusst nicht gefolgt, weil eine Ausschlussfrist aus verfassungsrechtlichen Gründen mit der Möglichkeit einer Wiedereinsetzung verbunden sein müsse und die vergleichbare Ausschlussfrist des § 14 GesO zu zahlreichen und langwierigen Streitigkeiten über die Frage des Verschuldens bei der Fristversäumnis geführt habe (BT-Drucks. 17/5712, S. 37).

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4. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sind die Forderungen des Kläger nicht gemäß oder entsprechend § 255 Abs. 1 InsO dadurch wieder aufgelebt, dass der Beklagte innerhalb der ihm mit Schreiben vom 2. Februar 2010 gesetzten Frist weder die Quote von 2,39 vom Hundert gezahlt noch eine vorläufige Entscheidung des Insolvenzgerichts über die Berücksichtigung der Forderung (§ 256 Abs. 1 Satz 2 InsO) beantragt hat.

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a) Die Voraussetzungen des § 255 Abs. 1 InsO sind allerdings erfüllt. Die streitgegenständlichen Forderungen aus Insolvenzanfechtung sind mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH entstanden (vgl. RGZ 30, 71, 74; BGH, Urteil vom 3. Dezember 1954 - V ZR 96/53, BGHZ 15, 333, 337; vom 9. Juli 1987 - IX ZR 167/86, BGHZ 101, 286, 288; Beschluss vom 29. April 2004 - IX ZB 225/03, WM 2004, 1390; vom 18. Dezember 2008 - IX ZB 46/08, ZInsO 2009, 495 Rn. 10; vom 29. September 2010 - IX ZB 204/09, NZI 2011, 73 Rn. 103) und fällig geworden. Der Kläger hat den Beklagten gemahnt und ihm eine ausreichende Nachfrist gesetzt.

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b) Der Beklagte kann sich jedoch auf die Ausnahmevorschrift des § 256 Abs. 1 InsO berufen, nach welcher ein Rückstand nicht anzunehmen ist, wenn der Schuldner eine bestrittene Forderung bis zu deren endgültiger Feststellung durch das Prozessgericht nur im Umfang der Entscheidung des Insolvenzgerichts über das Stimmrecht oder die vorläufige Berücksichtigung der Forderung begleicht.

15

aa) Die Vorschrift des § 256 Abs. 1 InsO ist auf erst nach der Annahme und Bestätigung des Insolvenzplans erhobene Forderungen entsprechend anwendbar (Uhlenbruck/Lüer, InsO, 13. Aufl., § 256 Rn. 4; aA HmbKomm-InsO/Thies, 3. Aufl., § 256 Rn. 4). Unmittelbar gilt sie für im Prüfungstermin bestrittene Forderungen, die nicht zur Tabelle festgestellt worden sind. Gläubiger, die sich am Insolvenzverfahren nicht beteiligt haben, können sich ebenfalls nicht auf eine Tabelleneintragung stützen; eine Prüfung ihrer Forderung durch den Insolvenzverwalter, den Schuldner und die übrigen Insolvenzgläubiger (vgl. § 176 InsO) hat nicht stattgefunden. "Streitig" ist die wegen einer unterbliebenen Anmeldung nicht festgestellte Forderung dann, wenn sie vom Schuldner bestritten wird. Nach Annahme und Bestätigung des Plans und Aufhebung des Insolvenzverfahrens kommt es auf ein Bestreiten des Insolvenzverwalters und der anderen Insolvenzgläubiger nicht mehr an; denn eine Prüfung und Feststellung von Forderungen kann nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht mehr erfolgen.

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bb) Der Beklagte hat die streitgegenständlichen Forderungen bestritten. Eine Entscheidung des Insolvenzgerichts über die vorläufige Berücksichtigung der Forderungen liegt nicht vor.

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c) Der Beklagte war nicht gehalten, zur Meidung der Rechtsfolgen des § 255 Abs. 1 InsO innerhalb der ihm gesetzten Nachfrist eine vorläufige Entscheidung des Insolvenzgerichts über die Berücksichtigung der Forderung zu beantragen.

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aa) § 256 Abs. 1 Satz 2 InsO gewährt dem Schuldner ein Antragsrecht, begründet aber keine Antragspflicht und regelt nicht die Rechtsfolgen eines nicht gestellten Antrags. Systematik sowie Sinn und Zweck der Regelungen der Insolvenzordnung über das Wiederaufleben nicht plangemäß erfüllter Forderungen lassen eine ergänzende Auslegung der §§ 255, 256 InsO in dem vom Kläger gewünschten Sinne ebenfalls nicht zu.

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bb) Der Kläger kann allerdings die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Rechtszustand vor dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung für sich in Anspruch nehmen (BGH, Urteil vom 26. April 1960 - VIII ZR 81/59, BGHZ 32, 218, 220 ff; ebenso Urteil vom 7. Dezember 1995 - IX ZR 150/94, NJW 1996, 1058, 1059 obiter). Die Vorschriften der §§ 255, 256 InsO sind denjenigen der §§ 9, 97 VerglO nachgebildet (BT-Drucks. 12/2443, S. 213 zu §§ 302, 303 RegE-InsO). § 97 Abs. 2 VerglO (§ 256 Abs. 1 InsO) wurde als Schutzvorschrift zugunsten des Schuldners verstanden, die es diesem ermöglichte, sich den Verzugsfolgen zu entziehen, indem er den vorläufig festgesetzten Betrag bezahlte. Es war deshalb seine Aufgabe, eine Entscheidung des Vergleichsgerichts nach § 97 Abs. 1 VerglO herbeizuführen, um sich diesen Vorteil zu sichern. Stellte er keinen entsprechenden Antrag, galt weiterhin § 9 Abs. 1 VerglO, nach welchem die Nichterfüllung des Vergleichs innerhalb der gesetzten Nachfrist zum Wiederaufleben der Forderung führte. Der Schuldner sollte nicht davon profitieren, dass er eine Forderung nicht in das von ihm einzureichende (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 VerglO) Gläubigerverzeichnis aufgenommen hatte.

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Diese Rechtsprechung muss jedoch im Gesamtzusammenhang des Vergleichsverfahrens nach der Vergleichsordnung gesehen werden, welches sich teils deutlich vom Insolvenzplanverfahren nach der Insolvenzordnung unterschied. Nach der Vergleichsordnung konnte nur der Schuldner die Eröffnung des Vergleichsverfahren beantragen (§ 2 VerglO) und einen Vergleichsvorschlag vorlegen (§ 3 VerglO). Die Vergleichsgläubiger mussten mindestens 35 vom Hundert ihrer Forderungen erhalten (§ 7 Abs. 1 Satz 2 VerglO). Wenn der Schuldner flüchtig war oder sich verborgen hielt (§ 17 Nr. 3 VerglO), wenn und solange gegen den Schuldner wegen Bankrotts (§ 283 Abs. 1 bis 3, § 283a StGB) ein gerichtliches Verfahren anhängig oder wenn der Schuldner wegen einer solchen Straftat rechtskräftig verurteilt worden war (§ 17 Nr. 3 VerglO), wenn der Schuldner seinen Vermögensverfall durch Unredlichkeit, Preisschleuderei oder Leichtsinn herbeigeführt hatte (§ 18 Nr. 1 VerglO) oder wenn der Schuldner den Antrag auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens nach der Auffassung des ordentlichen Geschäftsverkehrs schuldhaft verzögert hatte (§ 18 Nr. 2 VerglO), war die Eröffnung des Verfahrens abzulehnen. Vor diesem Hintergrund lag es nahe, die Vorschriften der §§ 9, 97 VerglO über das Wiederaufleben nicht erfüllter Forderungen danach auszulegen, ob der Schuldner sich die Wohltat des Vergleichs verdient hatte oder nicht.

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cc) Der Gedanke, dass der Vergleich eine Vergünstigung für den Schuldner darstellt und daher nur "würdige" Schuldner zum Abschluss eines Vergleichs zugelassen werden können, wurde bei der Schaffung der Insolvenzordnung ausdrücklich aufgegeben (BT-Drucks. 12/2443, S. 194). Ein Insolvenzplan kann nunmehr auch ohne oder gegen den Willen des Insolvenzschuldners zustande kommen. Das Planverfahren ist Teil des Insolvenzverfahrens, das auch auf Antrag eines Gläubigers eröffnet werden kann (§ 13 Abs. 1 Satz 2 InsO). Vorlageberechtigt ist neben dem Schuldner auch der Insolvenzverwalter, der von der Gläubigerversammlung beauftragt werden kann, einen Insolvenzplan auszuarbeiten (§ 218 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 InsO). Inhaltlich kann der Plan, der nach den gesetzlichen Regelungen zustande kommt, von sämtlichen Vorschriften über die insolvenzmäßige Zwangsverwertung und Verteilung abweichende Regelungen treffen (vgl. §§ 221 ff InsO); nach der Vorstellung des Regierungsentwurfs sollte er zu einem universellen Instrument der Masseverwertung werden (BT-Drucks. 12/2443, S. 90).

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Angesichts dessen kann es - obwohl die Vorschriften der §§ 255, 256 InsO sich in ihrem äußeren Regelungsmechanismus kaum von denjenigen der §§ 9, 97 VerglO unterscheiden - jetzt nicht mehr wesentlich darauf ankommen, ob der Schuldner den Vergleich "verdient" hat. Den Interessen der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger, deren Befriedigung auch das Planverfahren dient (§ 1 InsO), ist eine mindestens ebenso große Bedeutung beizumessen. Eine von den am Verfahren beteiligten Insolvenzgläubigern gebilligte Vergleichslösung soll möglichst nicht durch einen Gläubiger in Frage gestellt werden können, dessen Forderung weder vom Insolvenzverwalter noch von den stimmberechtigten Gläubigern geprüft werden konnte und die nicht zur Tabelle festgestellt worden ist. Eine Gleichbehandlung aller Gläubiger ist am ehesten dadurch zu erreichen, dass der Gläubiger, der seine Forderung erst nachträglich geltend macht, selbst tätig werden muss, wenn er aufgrund einer vorläufigen Entscheidung des Insolvenzgerichts gemäß § 256 Abs. 1 Satz 2 InsO vorab befriedigt werden will (iE ebenso Uhlenbruck/Lüer, InsO, 13. Aufl., § 256 Rn. 9; Rattunde in Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 256 Rn. 6; Paul, ZInsO 2011, 1590, 1591; Freudenberg, EWiR 2011, 717, 718; Schmidt/Hartmann, GWR 2011, 393; Smid, jurisPR-InsR 18/2011 Anm. 5; aA Otte in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 1998, § 256 Rn. 7). Die Erfüllung des von den Gläubigern angenommenen und vom Insolvenzgericht bestätigten Insolvenzplans ist so weniger gefährdet, als wenn ein unverzügliches Tätigwerden des Schuldners verlangt würde.

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d) Ist eine Forderung nicht zur Tabelle festgestellt worden und liegt auch keine Entscheidung des Insolvenzgerichts über das Stimmrecht oder über die vorläufige Berücksichtigung der Forderung gemäß § 256 Abs. 1 Satz 1 InsO vor, kann der Gläubiger einer vom Schuldner bestrittenen Forderung folglich erst dann wirksam eine Frist nach § 255 Abs. 1 Satz 2 InsO setzen, wenn seine Forderung vom Prozessgericht rechtskräftig festgestellt worden ist. Frühere Fristsetzungen sind wirkungslos.

III.

24

Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Es ist im Umfang der Anfechtung aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts wird zurückgewiesen.

Kayser                                                  Raebel                                                Lohmann

                             Pape                                                  Möhring