Entscheidungsdatum: 23.09.2010
Ansprüche aus § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (§ 64 Satz 1 und 2 GmbHG) gegen den Geschäftsführer wegen unzulässiger Zahlungen sind in der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Verwalters mit ihrem voraussichtlichen Realisierungswert zu berücksichtigen .
I. Auf die Rechtsbeschwerde des vorläufigen Insolvenzverwalters wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 27. August 2009 aufgehoben.
II. Auf die sofortige Beschwerde des vorläufigen Insolvenzverwalters wird der Beschluss des Amtsgerichts Landau in der Pfalz vom 6. Mai 2009 geändert:
Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters wird wie folgt festgesetzt:
Vergütung: |
5.686,24 € |
Auslagen: |
750,00 € |
19 % Umsatzsteuer: |
1.222,88 € |
insgesamt: |
7.659,13 €. |
III. Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
IV. Von den Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde trägt der vorläufige Insolvenzverwalter 4/5.
V. Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.762 € festgesetzt.
I.
Der weitere Beteiligte zu 1 begehrt die Festsetzung seiner Vergütung für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter in dem inzwischen eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Er beantragte, die Vergütung auf 11.372,48 € zusätzlich 750 € Auslagen und 19 % Umsatzsteuer von 2.303,27 € festzusetzen, zusammen 14.425,75 €. Als Berechnungsgrundlage legte er einen Betrag von 142.785 € zugrunde. Zuschläge begehrte er in Höhe von 25 %, insgesamt also 50 % der Regelvergütung gemäß § 2 Abs. 1 InsVV.
In der Berechnungsgrundlage war ein Betrag von 73.561,70 € für bestehende Ansprüche der Masse enthalten; Ansprüche in Höhe von 14.400 € waren gegen die Ehefrau des Gesellschafters/Geschäftsführers aus §§ 32a, 32b GmbHG, gleichzeitig aber auch gegen den Gesellschafter/Geschäftsführer selbst aus § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. gerichtet. Weitere 59.161,70 € wurden auf Ansprüche gegen den Gesellschafter/Geschäftsführer ebenfalls aus § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. gestützt, außerdem gegen die Eheleute aus §§ 32a, 32b, 30, 31 GmbHG entsprechend.
Die vorbezeichneten Ansprüche konnten kurz nach Verfahrenseröffnung zugunsten der Masse realisiert werden.
Das Amtsgericht hat die Vergütung auf 4.398,91 € festgesetzt zuzüglich 659,84 € Auslagen und 19 % Umsatzsteuer von 961,16 €, zusammen 6.019,91 €. Dabei ist es von einer Berechnungsgrundlage von 69.223,30 € ausgegangen. Die genannten Ansprüche von zusammen 73.561,70 € sind in die Berechnungsgrundlage nicht einbezogen worden. Zuschläge sind nicht gewährt worden.
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der weitere Beteiligte zu 1 seinen Vergütungsfestsetzungsantrag insoweit weiter, als er die Einbeziehung der genannten Ansprüche in Höhe von 73.561,70 € in die Berechnungsgrundlage begehrt.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat gemeint, Ansprüche aus Insolvenzanfechtung und aus §§ 32a, 32b GmbHG seien nicht in die Berechnungsgrundlage einzubeziehen. Dasselbe gelte für Ansprüche aus § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. Denn auch sie entstünden erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Während des Eröffnungsverfahrens und bei dessen Beendigung stehe noch nicht fest, ob und in welcher Höhe entsprechende Ansprüche bestünden. Auch für Ansprüche aus § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. sei die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. die Abweisung des Antrags mangels Masse Anspruchsvoraussetzung.
2. Die Rechtsbeschwerde nimmt hin, dass nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats Ansprüche aus §§ 32a und 32b GmbHG sowie aus Insolvenzanfechtung nicht zur Berechnungsgrundlage zählen. Für den Anspruch aus § 64 Abs. 2 GmbHG gelte indessen anderes, weil er bereits zu dem Zeitpunkt entstehe, in dem der Geschäftsführer die verbotene Zahlung leiste, also mit der Ausführung der Zahlung in der Krise. Gläubiger des Anspruchs sei die GmbH. Soweit der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ausgeführt habe, der Anspruch des § 64 Abs. 2 GmbHG setze grundsätzlich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder die Ablehnung mangels Masse voraus, sei hiermit lediglich eine Durchsetzungssperre gemeint bis zu dem Zeitpunkt, in dem über den Insolvenzeröffnungsantrag entschieden werde. Hilfsweise beantragt der weitere Beteiligte zu 1 die Festsetzung eines Zuschlags.
3. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
a) Eingang in die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters (§§ 10, 11 InsVV in Verbindung mit § 1 InsVV) können nur solche Vermögenswerte finden, auf die sich seine Tätigkeit während des Eröffnungsverfahrens erstreckt. Entscheidend ist die Zugehörigkeit zur "Ist"-Masse, also zu dem vom Insolvenzverwalter in Besitz zu nehmenden oder sonst für die Masse zu reklamierenden Vermögen (BGH, Beschl. v. 29. April 2004 - IX ZB 225/03, ZIP 2004, 1653, 1654 m.w.N.).
Anfechtungsansprüche, die erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen, können deshalb nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Verwalters zugerechnet werden (vgl. BGH, Beschl. v. 29. April 2004 aaO; vom 14. Dezember 2005 - IX ZB 268/04, ZInsO 2006, 143, 145; v. 18. Dezember 2008 - IX ZB 46/08, ZInsO 2009, 495, 496 Rn. 10).
Dasselbe gilt für Ansprüche aus §§ 32a, 32b GmbHG a.F. Denn auch sie entstehen erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, also zu dem Zeitpunkt, in dem die Tätigkeit des vorläufigen Verwalters bereits endet (BGH, Beschl. v. 29. April 2004 aaO S. 1654). Die Zweite Verordnung zur Änderung der insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung vom 21. Dezember 2006 gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung (BGH, Beschl. v. 18. Dezember 2008 - IX ZB 46/08, ZInsO 2009, 495, 496 Rn. 10; v. 11. März 2010 - IX ZB 122/08, ZInsO 2010, 730, 731 Rn. 7).
b) Zu dem Vermögen des Schuldners, dessen Wert für die Vergütung des vorläufigen Verwalters maßgeblich ist, gehören jedoch solche Forderungen, die bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden. Hierzu gehört der Anspruch aus § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (§ 64 GmbHG n.F.). Dieser Anspruch entsteht bereits mit Vornahme der verbotenen Zahlung (Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG 4. Aufl. § 64 Rn. 36; Nowak in Michalski, GmbHG, 2. Aufl. § 64 Rn. 53; Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG 9. Aufl. § 64 Rn. 53; LG Waldshut-Tiengen NJW-RR 1996, 105; vgl. zu § 130a Abs. 3 HGB: BGH, Urt. v. 16. März 2009 - II ZR 32/08, NZI 2009, 486, 488 Rn. 20; Habersack in Canaris/Habersack/Schäfer, HGB 5. Aufl. § 130a Rn. 38; Hillmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB 2. Aufl. § 130a Rn. 27; a.A. Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG 19. Aufl. § 64 Rn. 12; Bork/Schäfer GmbHG § 64 Rn. 16).
c) Dazu steht nur scheinbar in Widerspruch die Rechtsprechung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, wonach der Anspruch nach § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (§ 64 GmbHG) zu seiner Geltendmachung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraussetze (BGH, Urt. v. 11. September 2000 - II ZR 370/99, NJW 2001, 304, 305; ebenso Nerlich in Michalski, GmbHG aaO § 64 Rn. 47; Koch in Bartl/Bartl/Fichtelmann/Koch/Schlarb, GmbH-Recht 6. Aufl. § 64 Rn. 9; Kleindieck in Lutter/Hommelhoff, GmbHG 17. Aufl. § 64 Rn. 16; Hachenburg/Ulmer, GmbHG 8. Aufl. § 64 Rn. 38; Fleck GmbHR 1974, 224, 230).
Wird das Insolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet, ist § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (§ 64 GmbHG) gleichwohl anwendbar, weil kein Grund besteht, den Geschäftsführer besser zu stellen; hier kann der einzelne Gläubiger im Wege der Einzelzwangsvollstreckung Zugriff auf den Anspruch der Gesellschaft nehmen (BGH, Urt. v. 11. September 2000 aaO).
Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes hängt die Entstehung des Anspruchs nicht von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder der Abweisung des Antrags mangels kostendeckender Masse, sondern lediglich von dem Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen ab. Deshalb geht auch die überwiegende Meinung zu Recht von der Entstehung des Anspruchs bereits im Zeitpunkt der unzulässigen Zahlung und von dem Beginn des Laufs der Verjährungsfrist ab diesem Zeitpunkt aus (vgl. oben b und die dort nachgewiesenen Zitate).
d) Der Anspruch ist allerdings nur mit seinem Verkehrswert (BGH, Beschl. v. 12. Januar 2006 - IX ZB 127/04, ZIP 2006, 672, 673; v. 9. Juni 2005 - IX ZB 230/03, ZIP 2005, 1324, 1325; v. 26. April 2007 - IX ZB 160/06, ZIP 2007, 1330, 1331 Rn. 10), also hier mit dem Realisierungswert (BGH, Beschl. v. 26. April 2007 aaO) anzusetzen. Da die Ansprüche kurz nach Insolvenzeröffnung in vollem Umfang realisiert wurden, bestehen gegen ihre volle Berücksichtigung keine Bedenken.
4. Die Vergütung berechnet sich demgemäß wie folgt:
Berechnungsgrundlage: |
142.785,00 € |
Regelvergütung |
22.744,95 € |
davon 25 % |
5.686,24 € |
Auslagen 15 % |
750,00 € |
|
6.436,24 € |
darauf 19 % USt |
1.222,88 € |
Gesamtsumme |
7.659,13 € |
Die Auslagen können gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 InsVV - wie im Vergütungsantrag - nur in Höhe von maximal 250 € je angefangenem Monat der Dauer der Tätigkeit (17. Januar 2008 bis 1. April 2008) angesetzt werden (BGH, Beschl. v. 23. Juli 2004 - IX ZB 257/03, ZIP 2004, 1715, 1716).
Der Rechtsbeschwerdeführer hat Festsetzung der Umsatzsteuer zwar nur in Höhe von 457,74 € (das entspricht 7 %) beantragt, was aber auf einem offensichtlichen mit § 7 InsVV nicht zu vereinbarenden Versehen beruht. Deshalb ist hier die - zweifellos tatsächlich als beantragt gewollte - zutreffende Umsatzsteuer zu berücksichtigen.
Ganter |
Gehrlein |
Vill |
||
Fischer |
Grupp |