Entscheidungsdatum: 21.07.2011
Die Regelungen über die Nachrangigkeit kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen nach § 32a GmbHG in der Fassung vom 19. Dezember 1998, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO in der Fassung vom 13. April 2007 finden auf Kapitalgesellschaften, über deren Vermögen in Deutschland das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet worden ist, auch dann Anwendung, wenn diese in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union gegründet worden sind .
Die Revision gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 28. September 2010 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin begehrt im Insolvenzverfahren über das Vermögen der P. AG (im Folgenden: Schuldnerin) die Feststellung der von ihr zur Insolvenztabelle angemeldeten Darlehens- und daraus abgeleiteten Zinsforderungen in Höhe von insgesamt 81.449.048,97 €.
Der Beklagte ist Verwalter in dem auf Eigenantrag vom 25. Januar 2008 am 3. März 2008 vom Amtsgericht Köln eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Er bestritt sämtliche Darlehens- und Zinsforderungen der Klägerin, weil er sie als nachrangige Forderungen auf Rückgewähr eigenkapitalersetzender Darlehen im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO a.F. ansieht.
Die Klägerin ist Gründungsgesellschafterin der Schuldnerin, einer im Jahre 2005 in der Rechtsform der société anonyme mit satzungsmäßigem Sitz in Luxemburg gegründeten Holdinggesellschaft. Seit dem 21. Juli 2007 hält die Klägerin mit 63,7 v.H. die Mehrheit der Geschäftsanteile der Schuldnerin, deren Gesellschaftskapital 28.657.082,50 € beträgt.
Die Schuldnerin ist an einer Vielzahl von Gesellschaften in Deutschland beteiligt, die Post- und Logistikdienstleistungen erbringen. Im November 2007 beschloss die Bundesregierung, im Briefzustellbereich einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen. Ein von der Schuldnerin daraufhin Anfang Dezember 2007 bei einer Unternehmensberatungsgesellschaft in Auftrag gegebenes Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass eine erfolgversprechende Fortführung des Unternehmens weitere Investitionen von 320 Mio. € erfordere. Die Klägerin war nicht bereit, diese Mittel aufzubringen, was den damaligen delegierten Verwaltungsrat der Schuldnerin zum Rücktritt veranlasste. Die Gesellschafter der Schuldnerin bestellten daraufhin zwei neue delegierte Verwaltungsräte und übertrugen diesen die Geschäftsführung, welche sodann von Köln aus ausgeübt wurde.
Die Klägerin gewährte der Schuldnerin zwischen März 2007 und Dezember 2007 Darlehen in Höhe von insgesamt 79.020.000 €. Das erste Darlehen über 15 Mio. € war unbefristet, alle weiteren Darlehen waren bis zum 31. Dezember 2007 befristet. Am 28. Dezember 2007/9. Januar 2008 vereinbarten die Klägerin und die Schuldnerin die Stundung der Rückzahlung bis zum 15. Januar 2008 mit der Abrede, dass die Stundung ende, falls die Schuldnerin vor dem 15. Januar 2008 Insolvenzantrag stelle. Mit Vereinbarung vom 15. Januar 2008 wurde die Stundung mit einem entsprechenden Vorbehalt bis zum 31. Januar 2008 verlängert.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihre Darlehensrückzahlungsansprüche nicht nachrangig seien, weil auf die Schuldnerin als Gesellschaft luxemburgischen Rechts die deutschen Regelungen über das Kapitalersatzrecht keine Anwendung fänden. Die Darlehen hätten auch keinen eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt, weil die Schuldnerin zu keinem Zeitpunkt kreditunwürdig gewesen sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den von ihr geltend gemachten Tabellenfeststellungsanspruch in vollem Umfang weiter.
Die Revision bleibt ohne Erfolg. Die Vordergerichte haben richtig entschieden.
I.
Das Berufungsgericht (ZIP 2010, 2016) meint, die Klage sei unbegründet, weil die Darlehensforderungen der Schuldnerin nachrangig seien. Die Nachrangigkeit ergebe sich aus § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO a.F., § 32a GmbHG a.F.
Das für die Schuldnerin maßgebliche Insolvenzstatut sei gemäß Art. 4 EuInsVO das deutsche Recht, weil über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren vor einem deutschen Gericht eröffnet worden sei. Die Novellenregelungen über die Nachrangigkeit kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen nach §§ 32a, 32b GmbHG seien schon vor Inkrafttreten des hier noch nicht anwendbaren Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23. Oktober 2008 (BGBl I S. 2026; fortan MoMiG) dem Insolvenzrecht zuzurechnen gewesen. Diese Regelungen seien rechtsformunabhängig anwendbar und verstießen nicht gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV).
Die der Schuldnerin von der Klägerin zur Verfügung gestellten Darlehen erfüllten jedenfalls ab 1. Januar 2008 die Voraussetzungen der § 32a GmbHG a.F., § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO a.F. Zu diesem Zeitpunkt seien alle Darlehen fällig gewesen oder hätten durch Kündigung fällig gestellt werden können. Die Schuldnerin sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage gewesen, die Darlehen zurückzuführen. Über eigenes liquides Vermögen dieser Größenordnung habe sie nicht mehr verfügt. Es könne als ausgeschlossen angesehen werden, dass die Schuldnerin in der Lage gewesen sei, sich das zur Rückzahlung der Darlehen erforderliche Kapital zu marktüblichen Konditionen auf dem Kapitalmarkt zu beschaffen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Eigenkapitalersatzregeln deshalb keine Anwendung fänden, weil es sich bei dem Stehenlassen der Darlehen Anfang 2008 lediglich um eine kurzfristige Überbrückungsfinanzierung gehandelt habe. Eine derartige Zurverfügungstellung des Kapitals für nicht länger als drei Wochen, bei der objektiv mit einer Rückzahlung gerechnet werden könne, habe nicht vorgelegen.
II.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Prüfung stand. Die von der Klägerin zur Tabelle angemeldeten Darlehens- und die daraus abgeleiteten Zinsforderungen sind nachrangige Insolvenzforderungen, die nicht gemäß § 179 Abs. 1, § 183 Abs. 1 InsO zur Tabelle festgestellt werden können, weil eine gesonderte Aufforderung zur Anmeldung nachrangiger Insolvenzforderungen nach § 174 Abs. 3 InsO nicht ergangen ist.
1. Auf die von der Klägerin angemeldeten Forderungen ist gemäß Art. 4 EuInsVO das deutsche Insolvenzrecht anwendbar, weil das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin in Deutschland eröffnet worden ist.
a) Das Hauptinsolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin ist vom Amtsgericht Köln am 3. März 2008 eröffnet worden. Auf die von der Revision im Einzelnen erörterte Frage, an welchem Ort die Schuldnerin zur Zeit der Verfahrenseröffnung gemäß Art. 3 Abs. 1 EuInsVO den Mittelpunkt ihres hauptsächlichen Interesses hatte und ob die Voraussetzungen der Verfahrenseröffnung in Deutschland vorlagen, kommt es nicht mehr an. Nach der Eröffnung ist gemäß Art. 4 Abs. 1 EuInsVO für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen das Insolvenzrecht des Eröffnungsstaates maßgeblich.
b) Die Frage, welche Regelungen des nationalen Rechts des Eröffnungsstaates als anwendbares Insolvenzrecht zu qualifizieren sind, richtet sich in erster Linie nach dem autonom auszulegenden Gemeinschaftsrecht. Wegen der unmittelbaren Geltung der EuInsVO (Art. 288 Abs. 2 AEUV; zuvor Art. 249 Abs. 2 EGV) und des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts sind Regelungen, die von Art. 4 EuInsVO als anwendbares Insolvenzrecht qualifiziert werden, nicht deshalb unanwendbar, weil sie nach nationalem Recht einem anderen Rechtsgebiet zuzuordnen sind (Walterscheid, DZWiR 2006, 95, 98; Behrens, IPrax 2010, 230, 231; Mankowski in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 3. Aufl. Kap. 47 Rn. 87; ders. NZI 2010, 1004; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1207; Riedemann/Lesmann, EWiR 2011, 19, 20). Insoweit liegt allenfalls eine Konkurrenz zwischen nationalem internationalem Privatrecht und Europarecht vor, innerhalb derer das Europarecht Vorrang hat (vgl. Bittmann/Gruber, GmbHR 2008, 867, 869).
Nach dem Erwägungsgrund 23 zur EuInsVO sollten die Regelungen der Verordnung einheitliche Kollisionsnormen schaffen, welche die Vorschriften des internationalen Privatrechts der einzelnen Staaten ersetzen. Soweit nicht in der Verordnung selbst etwas anderes bestimmt ist, soll das Recht des Staats der Verfahrenseröffnung (lex concursus) Anwendung finden. Abweichende Regelungen finden sich etwa in Art. 5 bis 15, 39 bis 42 EuInsVO (vgl. dazu Mankowski in Kölner Schrift, aaO Rn. 72), nicht aber zum Rang von Insolvenzforderungen.
c) In welcher Weise der Begriff des Insolvenzrechts in Art. 4 Abs. 1 EuInsVO europarechtlich auszulegen ist, wird in Art. 4 Abs. 2 EuInsVO für bestimmte Bereiche näher konkretisiert. Danach sind jedenfalls die dort angeführten nationalen Regelungen des Eröffnungsstaats europarechtlich als anwendbares Insolvenzrecht qualifiziert, also insbesondere die Bestimmungen, die regeln, welche Forderungen als Insolvenzforderungen anzumelden sind (Buchst. g) und welchen Rang diese Forderungen haben (Buchst. i; vgl. EuGH, ZIP 2010, 187 Rn. 25 - Probud). Davon abweichende europarechtliche Regelungen, die eine Qualifizierung der Eigenkapitalersatzregeln des deutschen Rechts als Gesellschaftsrecht vornehmen, sind nicht vorhanden. Insbesondere bestehen keine Richtlinien, die derartige Regelungen europarechtlich verbindlich vorschreiben und dem Gesellschaftsrecht zuordnen.
Danach steht europarechtlich fest, dass die nationalen Regelungen des deutschen Rechts, die den Rang der Forderungen im Insolvenzverfahren bestimmen, in einem in Deutschland nach Art. 3 EuInsVO eröffneten Insolvenzverfahren anwendbar sind. Die nach deutschem internationalem Privatrecht vorzunehmende Einordnung ist demgegenüber unerheblich.
d) Der Rang der von der Klägerin angemeldeten Forderungen ergibt sich aus § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO a.F., § 32a GmbHG a.F. Beide Vorschriften sind hier gemäß Art. 103d Satz 1 EGInsO noch anzuwenden, weil das Insolvenzverfahren vor dem 1. November 2008, nämlich dem 3. März 2008 eröffnet worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2009 - II ZR 260/07, BGHZ 179, 249 Rn. 15 ff).
2. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO und § 32a GmbHG in der bis zum 31. Oktober 2008 geltenden Fassung sind überdies auch dann anwendbar, wenn man für die Einordnung dieser Vorschriften das deutsche internationale Privatrecht zugrunde legte.
a) Das Gesellschaftsstatut der Schuldnerin richtet sich, wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, nach dem Gründungsstatut, also nach luxemburgischen Recht. Nach den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs in den Sachen Centros (ZIP 1999, 438), Überseering (ZIP 2002, 2037) und Inspire Art (ZIP 2003, 1885) ist es allgemeine Auffassung geworden, dass sich das Gesellschaftsstatut solcher Gesellschaften, die in einem Mitgliedstaat der europäischen Gemeinschaft gegründet worden sind, nicht nach dem Verwaltungssitz, sondern nach dem Gründungsort richten, weil nur so die europarechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit gewährt werden kann (BGH, Urteil vom 13. März 2003 - VII ZR 370/98, BGHZ 154, 185, 188 ff; vom 14. März 2005 - II ZR 5/03, ZIP 2005, 805 f; vom 19. September 2005 - II ZR 372/03, BGHZ 164, 148, 151; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., Einleitung Rn. 60; Michalski/Leible, GmbHG, 2. Aufl., Systematische Darstellung, Teil 2 Rn. 36 ff; Palandt/Thorn, BGB, 70. Aufl., Anh. zu Art. 12 EGBGB Rn. 6 ff). Das steht auch zwischen den Parteien nicht in Streit.
b) Die Frage, wie § 32a GmbHG, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO in der bis 31. Oktober 2008 geltenden Fassung nach deutschem internationalen Privatrecht zu qualifizieren sind, ist umstritten.
aa) Nach einer Auffassung, der sich die Revision anschließt, handele es sich beim Kapitalerhaltungsrecht insgesamt um Gesellschaftsrecht, weil Grundlage die sich aus der Gesellschafterstellung ergebene Finanzierungs(folgen)verantwortung sei. Eine Differenzierung zwischen den Rechtsprechungsregeln und dem Novellenrecht wird nicht vorgenommen (vgl. z.B. Behrens in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, Einleitung B Rn. B 86 f; MünchKomm-InsO/Reinhart, 2. Aufl. Art. 4 EuInsVO Rn. 6; Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. §§ 32a, 32b Rn. 8; Nerlich in Nerlich/Römermann, InsO, Bearb. März 2009, Art. 4 EuInsVO, Rn. 45; Haß/Herwig in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff, EuInsVO, Art. 4 Rn. 41; FK-InsO/Wenner/Schuster, 6. Aufl., Art. 4 EuInsVO Rn. 21; Geyrhalter/Gänßler, NZG 2003, 409, 411 f; Wachter, GmbHR 2004, 88, 92; Holzer, ZVI 2005, 457, 468; Kallmeyer, DB 2004, 636, 639;Paefgen, ZIP 2004, 2253, 2261; Riedemann, GmbHR 2004, 345, 349; Behrens, IPrax 2010, 230, 231; Müller, NZG 2003, 414, 417; Zimmer, NJW 2003, 3585, 3589).
bb) Nach anderer Auffassung wird eine Differenzierung ebenfalls abgelehnt, aber mit der Folge, dass das gesamte Eigenkapitalersatzrecht, auch die Rechtsprechungsregeln, als materielles Insolvenzrecht angesehen werden (vgl. z.B. Haas, NZI 2002, 457, 466).
cc) Nach einer dritten Auffassung muss zwischen den Rechtsprechungsregeln und den Novellenregeln differenziert werden. Bei den Regeln über die Nachrangigkeit kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz handelt es sich danach um Insolvenzrecht, das auch auf Auslandsgesellschaften anwendbar ist, weil die Novellenregeln erst und ausschließlich in der Insolvenz Bedeutung erlangen (Pannen/Riedemann, Europäische Insolvenzverordnung, Art. 4 Rn. 91 ff, 93; Huber in Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 131, 140 ff; Mankowski, NZI 2010, 1004; Dahl/Jan Schmitz, GWR 2010, 532; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1207; M. Fischer, ZIP 2004, 1477, 1480; Ulmer, KTS 2004, 291, 299; Schilling, Insolvenz einer englischen Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland, 2006 S. 194 ff; wohl auch Röhricht, ZIP 2005, 505, 512).
dd) Die zuletzt genannte Auffassung ist zutreffend.
(1) Kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen unterstellte die Rechtsprechung seit dem Jahre 1960 den Kapitalschutzregeln der §§ 30, 31 GmbHG a.F. Dadurch wurde das Gesellschafterdarlehen in der Krise der Gesellschaft wie haftendes Eigenkapital und nicht als rückzahlbares Darlehen behandelt. Daraus folgte für die Dauer der Gesellschaftskrise das Verbot, die Darlehen an die Gesellschafter zurückzuzahlen (§ 30 GmbH a.F.). Gleichwohl erfolgte Darlehenstilgungen hatte der Gesellschafter zu erstatten (§ 31 GmbHG a.F.).
Im Jahre 1980 wurden mit den §§ 32a, 32b GmbHG, § 32a KO (der später weitgehend inhaltsgleich in § 135 InsO übernommen wurde) die sogenannten Novellenregeln eingeführt. Diese Regelungen waren ausschließlich auf den Fall des eröffneten Insolvenzverfahrens zugeschnitten. Sie sollten einen auch die Rechtsprechungsregeln umfassenden Gläubigerschutz entfalten, blieben aber hinter diesen zurück, weshalb der Bundesgerichtshof zur Vermeidung von Schutzlücken die Rechtsprechungsgrundsätze für weiter anwendbar erklärte (zur Entstehungsgeschichte vgl. Gehrlein, BB 2011, 3 ff).
(2) Durch das MoMiG wurden die §§ 32a, 32b GmbHG gestrichen und die vormaligen Rechtsprechungsregeln durch eine klarstellende Regelung in § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG aufgehoben. Die Neuregelung erfolgte ausschließlich im Insolvenzrecht, nämlich in § 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4, 5, § 135 InsO. Das bedeutet zum einen der Sache nach die Rückkehr zu den Novellenregeln (vgl. die Gesetzesbegründung der Bundesregierung zum MoMiG, BT-Drucks. 16/6140 S. 26, 42; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl., § 135 Rn. 4; Gehrlein, aaO S. 5). Zum anderen ist die Neuregelung ein Instrumentarium rein insolvenzrechtlicher Natur (Michalski/Dahl, GmbHG, 2. Aufl., Anh. II zu § 32a, 32b Rn. 9 f; Dahl/Schmitz, GWR 2010, 532; Ulmer in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, Einleitung A II 1 Rn. 24 § 30 Rn. 29 ff; Gehrlein, aaO S. 5, 7). Der Gesetzgeber hat die Aufhebung der §§ 32a, 32b GmbHG damit begründet, dass die Regelungen zu den Gesellschafterdarlehen in das Insolvenzrecht verlagert würden, wo sie systematisch hingehörten (BT-Drucks. 16/6140 S. 42 zu Nr. 22). Nach der amtlichen Begründung des MoMiG sind diese neuen Regelungen nach Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 EuInsVO auch auf Auslandsgesellschaften anwendbar (BT-Drucks. 16/6140 S. 57).
(3) Nichts anderes gilt für das entsprechende Eigenkapitalersatzrecht vor Inkrafttreten des MoMiG. Der Bundesgerichtshof mag die Rechtsprechungsregeln dem Gesellschaftsrecht zugeordnet haben, wie die Revision annimmt (BGH, Urteil vom 25. Juni 2001 - II ZR 38/99, BGHZ 148, 167, 168). Das bedarf hier keiner näheren Untersuchung. Für die Novellenregeln in §§ 32a, 32b GmbHG a.F., § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO a.F. ergibt sich daraus jedenfalls nichts (vgl. Goette, ZIP 2006, 541, 546). Jedenfalls diese sind dem Insolvenzrecht zuzuordnen, weil sie nach ihrem materiellen Gehalt insolvenzrechtliche Regelungen darstellen.
Die Novellenregeln sind zwar auf das Gesellschaftsrecht bezogen, weil durch sie eigenkapitalersatzrechtliche Bindungen von Gesellschafterdarlehen anerkannt werden. Die Rechtsfolgen sind jedoch insolvenzrechtlicher Natur. Der Anspruch auf Rückgewähr der Darlehen konnte im Konkursverfahren nicht (§ 32a GmbHG in der Fassung vom 4. Juli 1980) und kann im Insolvenzverfahren nur als nachrangige Insolvenzforderung gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO a.F. geltend gemacht werden. Ein bereits zurückgezahltes Gesellschafterdarlehen war nach § 32a Satz 2 KO, § 135 Nr. 2 InsO a.F. nach insolvenzrechtlichem Anfechtungsrecht zurückzugewähren. Die Regelung mag damit zwar in ihrem Ausgangspunkt gesellschaftsrechtlich anknüpfen, regelt Rechtsfolgen aber ausschließlich für das eröffnete Insolvenzverfahren. Deshalb war nach diesen Vorschriften auch die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens trotz Eintritts der Insolvenzreife zulässig, solange noch kein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet worden war (Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., §§ 32a, b Rn. 13; M. Fischer, ZIP 2004, 1477, 1480; Gehrlein, aaO S. 4).
Der Rangrücktritt nach § 32a GmbHG a.F., § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO a.F. blieb also außerhalb des Insolvenzverfahrens ohne jede Auswirkung. Auch die Möglichkeit der Insolvenzanfechtung nach § 32a KO, § 135 InsO a.F. bei bereits zurückbezahlten Darlehen zeigt den insolvenzrechtlichen Charakter der Regelung, weil eine solche Anfechtung nur im eröffneten Insolvenzverfahren möglich ist. Insolvenzrechtliche Anfechtungsklagen gehen unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervor und stehen mit diesem in unlösbarem Zusammenhang. Deshalb hat der Europäische Gerichtshof für derartige Klagen gemäß Art. 3 Abs. 1 EuInsVO die Zuständigkeit der Gerichte des Eröffnungsstaates auch gegen Anfechtungsgegner bejaht, die ihren satzungsmäßigen Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat haben (EuGH, ZIP 2009, 427 Rn. 21, 28 - Deko Marty Belgium).
Dass die Regelung in §§ 32a, 32b GmbHG in das Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung eingestellt war, ist demgegenüber unbeachtlich; es zählt allein die materielle Zuordnung, nicht der zufällig gewählte Standort der Bestimmung. Das hat schon das Berufungsgericht zutreffend dargelegt. Im Übrigen bestand der Schwerpunkt der Novellenregelung in der seit dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung geltenden Fassung ohnehin in den Vorschriften der § 39 Abs. 1 Nr. 5, § 135 InsO a.F., die auch ihrem formalen Standort nach Insolvenzrecht darstellten. §§ 32a, 32b GmbHG hatten lediglich noch ergänzenden Charakter (vgl. Schilling, aaO S. 193).
Die Novellenregelungen können schließlich nicht als mittelbare Folge der gesellschaftsrechtlichen Finanzierungsverantwortung der Gesellschafter verstanden werden. Solange das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden ist, hindern sie eine Rückzahlung der Darlehen nicht und eröffnen auch nicht die Möglichkeit der insolvenzrechtlichen Rückforderung (vgl. aber § 3b AnfG a.F.). Sie sollen unabhängig von der Finanzierungsverantwortung der Gesellschafter und der Erhaltung des Garantiekapitals die Fortführung eines sanierungsreifen Unternehmens verhindern. Eine Nachschusspflicht wird durch sie nicht angeordnet. Die Rechtsfolgen treten unabhängig von dem zur Wiederherstellung der Stammkapitalziffer erforderlichen Betrag ein und gehen über den zur Abdeckung der Unterbilanz und der Überschuldung erforderlichen Betrag hinaus (Mankowski, NZI 2010, 1004; Schilling, aaO S. 193 f; Gehrlein, aaO S. 3 f).
Der "kapitalersetzende" Charakter eines Darlehens im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5, § 135 InsO a.F. bezog sich also keineswegs auf das Stammkapital der GmbH, sondern bildete als Fremdkapital den Gegensatz zum Eigenkapital der Gesellschaft (Huber in Lutter, aaO S. 131, 176 f; Schilling, aaO S. 193 f; Mankowski, NZI 2010, 1004). Die Novellenregeln setzen bei der Diskrepanz zwischen Kapitalbedarf und der Möglichkeit der Kapitalbeschaffung auf dem Kapitalmarkt an, wie sich vor allem aus der Anknüpfung an den Begriff der Krise ergibt, die eine Vorstufe zur späteren Insolvenz darstellt. Auch dies zeigt den insolvenzrechtlichen Charakter der Novellenregelung.
3. Die Anwendung des § 32a GmbHG a.F., § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO verstößt nicht gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49, 54 AEUV (zuvor: Art. 43, 48 EGV).
a) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist anerkannt, dass zwingende Gründe des Gemeinwohls, wie der Schutz des Interesses der Gläubiger, unter bestimmten Umständen und unter Beachtung bestimmter Voraussetzungen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit durch das nationale Recht rechtfertigen können (EuGH, ZIP 2002, 2037 Rn. 92 - Überseering; ZIP 2003, 1885 Rn. 132 f - Inspire Art). Dazu sind vier Voraussetzungen zu erfüllen: Die Beschränkungen müssen in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, zur Erreichung der verfolgten Ziele geeignet sein und dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist (EuGH, ZIP 2003, 1885 Rn. 133 - Inspire Art; BGH, Urteil vom 14. März 2005 - II ZR 5/03, ZIP 2005, 805, 806).
b) Ob diese Voraussetzungen bei § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, § 32a GmbHG a.F. vorliegen, kann dahinstehen. Die Anwendbarkeit der genannten Vorschriften beruht auf ihrer Qualifizierung als Insolvenzrecht durch Art. 4 Abs. 2EuInsVO. Dass diese Vorschrift des sekundären Gemeinschaftsrechts, die Besonderheiten des eröffneten Insolvenzverfahrens regelt, gegen das primäre Gemeinschaftsrecht in der Form der Niederlassungsfreiheit für Kapitalgesellschaften verstößt, ist nicht erkennbar und wird - soweit ersichtlich - nirgends vertreten (vgl. Ulmer, KTS 2004, 291, 295 f; Bittmann/Gruber, GmbHR 2008, 867, 870). Auch von der Revision wird dies nicht geltend gemacht.
Im Übrigen läge es auch dann, wenn die Anwendbarkeit der Novellenregeln nicht auf Europarecht, sondern auf deutschem internationalem Privatrecht beruhte, fern, einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit anzunehmen (vgl. Huber in Lutter, aaO S. 186 ff). Das bedarf hier jedoch keiner abschließenden Entscheidung.
c) Eine primärrechtskonforme Auslegung von Art. 4 EuInsO zwingt entgegen der Auffassung der Revisionsklägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht dazu, die Novellenregeln für nicht anwendbar anzusehen.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union legt Art. 4 Abs. 1 EuInsVO das anwendbare Recht sowohl für das Hauptinsolvenzverfahren wie für das Sekundärinsolvenzverfahren fest, nämlich jeweils das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung. Art. 4 Abs. 2 EuInsVO enthält dazu eine nicht erschöpfende Aufzählung der verschiedenen Punkte des Verfahrens, die nach dem Recht des Eröffnungsstaates geregelt werden (EuGH, ZIP 2010, 187 Rn. 25 - Probud). Dazu gehört nach Buchst. i der Rang der Forderungen.
Entgegen der Auffassung der Revision ist der Verfahrensbegriff des Art. 4 EuInsVO nicht eng auszulegen. Wie die Aufzählung in Art. 4 Abs. 2 EuInsVO zeigt, haben die dort genannten Regelungen Auswirkungen auf das materielle Recht, etwa hinsichtlich der Frage, welche Vermögensgegenstände zur Masse gehören (Buchst. b), welches die Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Aufrechnung sind (Buchst. d), wie die Auswirkungen des Insolvenzverfahrens auf laufende Verträge sind (Buchst. e) und wie sich die Rechte der Gläubiger gestalten, die nach Eröffnung des Verfahrens aufgrund dinglichen Rechts oder infolge Aufrechnung teilweise befriedigt wurden (Buchst. i).
Buchst. i regelt in diesem verfahrensrechtlichen Sinne, dass sich der Rang einer Forderung nach dem Recht des Eröffnungsstaates richtet. Dies wird durch das jeweilige nationale Recht, das den Rang von Forderungen regelt, näher ausgefüllt. Zu den nationalen Rangregelungen, auch solchen mit gesellschaftsrechtlichem Bezug, macht Art. 4 Abs. 2 EuInsVO dagegen keine inhaltlichen Vorgaben. Dass die Anwendung des nationalen Insolvenzrechts, hier der Novellenregeln, auf deutsche Gesellschaften europarechtlich bedenklich sei, wird nicht geltend gemacht. Die Anwendung auch auf Gesellschaften aus anderen Mitgliedsstaaten, über deren Vermögen in Deutschland das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, ordnet Art. 4 EuInsVO aus insolvenzrechtlichen Gründen an.
Die Niederlassungsfreiheit der Gesellschaften wird durch die insolvenzspezifische, europarechtliche Anordnung des Art. 4 EuInsVO nicht tangiert. Hier werden lediglich Besonderheiten des Insolvenzverfahrens geregelt. Die Vorschrift zieht lediglich insolvenzrechtlich die Konsequenz daraus, dass das Insolvenzverfahren über die Gesellschaft gemäß Art. 3 EuInsVO in einem Mitgliedsstaat eröffnet worden ist, in den die Gesellschaft den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen verlagert und sich damit mittelbar im Umfang des Art. 4 EuInsVO dem dortigen Insolvenzrecht unterstellt hat.
d) Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht geboten, weil sich im Streitfall keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen des Unionsrechts stellen, die eine Vorlage erfordern. Hinsichtlich der Auslegung des insolvenzrechtlichen Begriffs des Rangs in Art. 4 Abs. 2 Buchst. i EuInsVO bestehen keine vernünftigen Zweifel (st. Rspr.; vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 = NJW 1983, 1257 Rn. 16 - C.I.L.F.I.T.; vom 15. September 2005C - 495/03, Slg. 2005 I 8151 Rn. 33 - Intermodal Transports).
4. Der Klägerin bleibt unbenommen, die von ihr geltend gemachten Ansprüche in dem in Luxemburg eröffneten Sekundärinsolvenzverfahren gemäß Art. 32 Abs. 1 EuInsVO in vollem Umfang in dem dort gemäß Art. 28 EuInsVO nach luxemburgischen Recht vorgesehenen Rang anzumelden.
5. Die Vorschriften der § 32a GmbHG a.F., § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO sind auf die Schuldnerin anzuwenden, obwohl diese keine Gesellschaft mit beschränkter Haftung deutschen Rechts, sondern eine société anonyme luxemburgischen Rechts ist. Die Novellenregeln gelten, soweit deutsches Recht anwendbar ist, rechtsformunabhängig.
a) Die Neuregelung nach dem MoMiG gilt rechtsformunabhängig, was sich dort unmittelbar aus dem Wortlaut des § 39 Abs. 1 Nr. 5, § 39 Abs. 4 InsO ergibt (vgl. dazu auch die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des MoMiG, BT-Drucks. 16/6140 S. 56 zu Nr. 5 Buchst. b - Anfügung von § 39 Abs. 4 InsO). Für das hier anzuwendende frühere Recht gilt nichts anderes. Auch § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO a.F. stellte nicht auf eine bestimmte Gesellschaftsform ab. Die Regelungen in §§ 32a, 32b GmbHG a.F. waren gemäß den mit der Novellenregelung eingeführten § 129a HGB a.F. und § 172a HGB a.F. auch auf offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften entsprechend anzuwenden, bei denen kein Gesellschafter eine natürliche Person oder eine OHG oder KG war, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person war.
Der Bundesgerichtshof hat diese Regeln auch auf Finanzierungshilfen eines Aktionärs erstreckt, wenn dieser mehr als 25 v.H. der Aktien der Gesellschaft hält oder - bei geringerer, aber nicht unbeträchtlicher Beteiligung - verbunden mit weiteren Umständen über gesellschaftsrechtlich fundierte Einflussmöglichkeiten in der Gesellschaft verfügt (BGH, Urteil vom 26. März 1984 - II ZR 171/83, BGHZ 90, 381, 387 ff; vom 9. Mai 2005 - II ZR 66/03, ZIP 2005, 1316, 1317; Beschluss vom 26. April 2010 - II ZR 60/09, ZIP 2010, 1443 Rn. 5 ff). Sie gelten außerdem für die GmbH & Co. KG (v. Gerkan in v. Gerkan/Hommelhoff, Handbuch des Kapitalersatzrechts, 2. Aufl. Rn. 10.8; MünchKomm-InsO/Ehricke, 2. Aufl. § 39 Rn. 42; Huber in Lutter, aaO S. 173 ff, 178).
b) Anwendbar ist § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO a.F. deshalb jedenfalls auf Kapitalgesellschaften und solche Personengesellschaften, die keine natürliche Person als persönlich haftenden Gesellschafter haben (BGH, Urteil vom 26. Januar 2009 - II ZR 213/07, BGHZ 179, 279 Rn. 8 ff). Hierunter fällt die Schuldnerin. Dass § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO Auslandsgesellschaften nicht besonders erwähnt, hat vor allem historische Gründe, weil nach dem damaligen Stand des deutschen internationalen Gesellschaftsrechts nicht in nennenswertem Umfang mit Inlandskonkursen von Auslandsgesellschaften zu rechnen war (vgl. Huber in Lutter, aaO S. 178 f).
6. Die Voraussetzungen des Rangrücktritts nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO a.F. sind vom Berufungsgericht mit Recht bejaht worden.
a) Die Klägerin war seit 21. Juli 2007 mit 63,7 v.H. der Geschäftsanteile an der Schuldnerin beteiligt; sie verfügte damit über gesellschaftsrechtlich fundierte Einflussmöglichkeiten bei der Schuldnerin, wie sie der Bundesgerichtshof für die Anwendbarkeit des Eigenkapitalersatzrechts bei Aktiengesellschaften voraussetzt (BGH, Urteil vom 9. Mai 2005 - II ZR 66/03, ZIP 2005, 1316; vgl. auch BGH, Beschluss vom 26. April 2010, aaO Rn. 5 ff).
b) Das Berufungsgericht konnte dahingestellt sein lassen, ob die Darlehen der Schuldnerin bereits in einer Krisensituation zur Verfügung gestellt worden sind. Die Darlehen waren zum Ende des Jahres 2007 fällig geworden oder hätten durch Kündigung fällig gestellt werden können. Das Stehenlassen von früher gewährten Gesellschafterdarlehen nach Eintritt der Gesellschaftskrise ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausreichend, ohne dass es einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung für die Umqualifizierung bedarf, weil auch solche Mittel das erforderliche Eigenkapital ersetzen, wenn durch sie die sonst gebotene Liquidation der Gesellschaft vermieden wird (BGH, Urteil vom 19. September 1988 - II ZR 255/87, BGHZ 105, 168, 185 f; vom 28. November 1994 - II ZR 77/93, ZIP 1995, 23; Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 32a, § 32b Rn. 47 mwN).
c) Kredite, die stehengelassen werden, sind kapitalersetzend, wenn die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt kreditunwürdig ist. Kredite, die nach Eintritt der materiellen Insolvenz (Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit) stehengelassen werden, sind in jedem Fall eigenkapitalersetzend (Karsten Schmid, aaO Rn. 39 mwN). Eigenkapitalersetzend sind sie aber auch, wenn sie der Gesellschaft im Zustand der Kreditunwürdigkeit gegeben oder belassen werden, also zu einem Zeitpunkt, in dem die Gesellschaft von dritter Seite keinen Kredit zu marktüblichen Bedingungen mehr hätte erhalten können und ohne die Zuführung von Eigenkapital oder von Gesellschafterdarlehen hätte liquidiert werden müssen (Karsten Schmidt in Scholz, aaO §§ 32a, 32b Rn. 38, 41 mwN).
Die Kreditunwürdigkeit ist nach objektiven Maßstäben festzustellen (BGH, Urteil vom 2. Dezember 1996 - II ZR 243/95, NJW-RR 1997, 606 mwN). Sie liegt vor, wenn kein vernünftig handelnder Dritter den Kredit ohne Inanspruchnahme einer Gesellschaftssicherheit gewähren würde (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juni 1997 - II ZR 211/95, ZIP 1997, 1648, 1650 mwN; Karsten Schmidt in Scholz, aaO Rn. 41). Bei der Prüfung der Insolvenzreife der Gesellschaft hat die bilanzielle Überschuldung nur eine indizielle Bedeutung und ist lediglich Ausgangspunkt für die weitere Ermittlung der wahren Werte des Gesellschaftsvermögens, weil durch stille Reserven die Überschuldung neutralisiert werden kann (BGH, Urteil vom 2. April 2001 - II ZR 261/99, ZIP 2001, 839 mwN).
d) Das Berufungsgericht hat die Kreditunwürdigkeit der Schuldnerin zum 1. Januar 2008 mit der Überschuldung der Gesellschaft und damit begründet, dass diese nicht mehr in der Lage gewesen sei, das zur Rückzahlung der Darlehen erforderliche Kapital zu marktüblichen Konditionen auf dem Kapitalmarkt zu beschaffen. Die hiergegen erhobenen Revisionsrügen greifen nicht durch.
aa) Das Berufungsgericht hat aus dem Bericht des Insolvenzverwalters für die Gläubigerversammlung vom 23. Mai 2008 (Anlage K 26) zum Stichtag 3. März 2008 einen Fortführungswert des Unternehmens in Höhe von 81 Mio. € bei Verbindlichkeiten gegen Dritte in Höhe von 84 Mio. € und gegenüber den Gesellschaftern in Höhe von über 113 Mio. € entnommen und keinen Anhaltspunkt dafür gesehen, dass die wirtschaftliche Situation etwa drei Monate vorher wesentlich anders gewesen wäre. Es hat Überschuldung angenommen. Der Einwand der Revision, die Feststellung der Überschuldung sei nicht stichtagsbezogen zum 1. Januar 2008 erfolgt, ist unzutreffend. Das Berufungsgericht hat auf das Ende des Jahres 2007 abgestellt und den Bericht als ausreichende zeitnahe Grundlage gewertet. Die Revision zeigt nicht auf, dass die Klägerin dargelegt hätte, zum 1. Januar 2008, also gut zwei Monate vor dem Stichtag, wäre die Situation wesentlich anders gewesen. Die Würdigung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen einer zulässigen Beweiswürdigung.
Für die Frage der Überschuldung kommt es im Rahmen des anwendbaren deutschen Eigenkapitalersatzrechts auf die Auslegung dieses Begriffs im deutschen Recht an, also entgegen der Auffassung der Revision nicht auf das luxemburgische Recht. Dass die Klägerin vorgetragen hätte, der Insolvenzverwalter habe in seinem Bericht Unternehmenswerte, etwa stille Reserven, zu Unrecht außer Acht gelassen, zeigt die Revision nicht auf. Der Bericht des Insolvenzverwalters legt nicht die handelsrechtlichen Buchwerte, sondern gutachterliche Wertfeststellungen zugrunde.
bb) Jedenfalls war die Schuldnerin am 1. Januar 2008 kreditunwürdig. Die diesbezüglichen Feststellungen entbehren nicht der erforderlichen tatsächlichen Grundlage; sie lassen auch nicht das Vorbringen der Klägerin außer Acht. Die Revision wendet sich vor allem in unzulässiger Weise gegen die Beweiswürdigung.
(1) Es bedurfte keines Sachverständigengutachtens um festzustellen, dass die Schuldnerin erheblichen Kapitalbedarf hatte, der auf dem Kapitalmarkt allenfalls gegen - bei der Schuldnerin nicht vorhandene - Sicherheiten zu beschaffen gewesen wäre. Das Unternehmen der Schuldnerin befand sich noch im Aufbau, der durch die von der Bundesregierung beschlossene Einführung der Mindestlöhne im Briefzustellbereich erheblichen weiteren Risiken ausgesetzt wurde. Die von der Schuldnerin aus Anlass der Festsetzung der Mindestlöhne beauftragte Unternehmensberatungsgesellschaft kam im Dezember 2007 zu dem Ergebnis, dass eine erfolgversprechende Fortführung des Unternehmens weitere Investitionen von etwa 320 Mio. Euro erforderte. Unter Einbeziehung der streitgegenständlichen Darlehen bestand damit ein Kreditbedarf von rund 400 Mio. Euro, für den die Schuldnerin nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts keine Sicherheit leisten konnte. Die Klägerin war nicht bereit, diesen Kapitalbedarf zu decken. Die Schuldnerin hatte bislang nur hohe Verluste erwirtschaftet. Bei dieser Sachlage konnte das Berufungsgericht davon ausgehen, dass die Schuldnerin im dargelegten Sinne kreditunwürdig war.
(2) Der Umstand, dass die der Schuldnerin gewährten Bankdarlehen ungekündigt geblieben waren, ist für die Beurteilung der Kreditunwürdigkeit der Schuldnerin letztlich ohne entscheidende Bedeutung. Das Berufungsgericht hat maßgeblich auf die Finanzierung des zusätzlichen Kreditbedarfs abgestellt. Zu einer weiteren Finanzierung waren die Banken nach dem Sachvortrag, auf den sich die Revision beruft, allenfalls bei einer Mitfinanzierung durch die Gesellschafter bereit, die dies jedoch ablehnten. Das Berufungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass die Gesellschaft eine Finanzierung des erforderlichen weiteren Kapitals von 320 Mio. Euro nur durch Darlehen der Klägerin erwogen hat. Gegenteiligen einer Beweisaufnahme zugänglichen Vortrag zeigt die Revision nicht auf.
(3) Das Berufungsgericht durfte schließlich den Austausch der Geschäftsführung im Dezember 2007 und die Einsetzung von ausgewiesenen Sanierungs- und Insolvenzrechtsexperten in die neue Geschäftsführung als Indiz berücksichtigen; die Wertung dieser Vorgänge als krisenhafte Zuspitzung der Situation ist unter Berücksichtigung aller Umstände im Rahmen der vorgenommenen Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. Das gilt zumal auch deshalb, weil die Klägerin und die Schuldnerin von der Möglichkeit ausgingen, dass kurzfristig Insolvenzantrag für die Schuldnerin gestellt werden musste, was aus den Stundungsvereinbarungen hervor geht, die im Januar 2008 geschlossen wurden. Zudem waren schon in den Sitzungen des Verwaltungsrats der Schuldnerin am 6. und 10. Dezember 2007 das Insolvenzrisiko von verlustbringenden Tochtergesellschaften, die daraus folgenden Konsequenzen für die Schuldnerin und die bestehenden Liquidationsprobleme erörtert worden.
Aus den festgestellten Indizien konnte das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei den Schluss auf die Kreditunwürdigkeit der Schuldnerin ab Jahresbeginn 2008 ziehen. Entgegen der Ansicht der Revision hat es keine Beweislastentscheidung getroffen.
e) Die im Falle des Stehenlassens erforderliche Kenntnis des Gesellschafters von der Krisensituation oder zumindest die Möglichkeit, diese zu erkennen, die vermutet wird, (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 1994 - II ZR 270/93, BGHZ 127, 336, 346 f) ist hier angesichts der festgestellten Umstände ohne weiteres anzunehmen.
f) Schließlich ist die Annahme des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, dass es sich beim Stehenlassen des Darlehens Anfang 2008 um keine kurzfristige Überbrückungsfinanzierung handelte.
Von einer den Eigenkapitalersatzeinwand ausschließenden kurzfristigen Finanzierungshilfe kann nur ausgegangen werden, wenn im Zeitpunkt der Einräumung des Kredits aufgrund der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens objektiv damit gerechnet werden kann, dass die Gesellschaft den Kredit in dem vorgesehenen kurzen Zeitraum werde ablösen können (BGH, Urteil vom 2. Juni 1997 - II ZR 211/95, NJW 1997, 3171, 3172 mwN). Dies scheidet hier aus. Derartige kurzfristige Finanzierungshilfen sind nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen anzunehmen, in denen die Gesellschaft zwar für kurze Zeit dringend auf die Zufuhr von Geldmitteln angewiesen ist, aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage aber mit der fristgerechten Rückzahlung objektiv gerechnet werden kann. Die zeitliche Grenze wird durch die in § 15a InsO enthaltene Frist gesetzt und beträgt längstens drei Wochen (BGH, Beschluss vom 26. April 2010 - II ZR 60/09, ZIP 2010, 1443 Rn. 17 mwN).
Schon die zeitliche Grenze wurde nicht eingehalten, weil die Stundung drei Wochen überschritt. Zudem konnte zu keinem Zeitpunkt von einer fristgerechten Rückzahlung ausgegangen werden.
Mit der Behauptung, eine Kündigung der Darlehen hätte erstmals am 2. Januar 2008 mit Wirkung vom 16. Januar 2008 ausgesprochen werden können, setzt sich die Revision in Widerspruch zu ihrem eigenen Sachvortrag, wonach die Darlehen zum 31. Dezember 2007 kündbar waren. Nach dem vom Berufungsgericht festgestellten unstreitigen Sachverhalt waren mit Ausnahme des ersten Darlehens über 15 Mio. Euro ohnehin alle weiteren Darlehen bis zum 31. Dezember 2007 befristet. Das erste Darlehen über 15 Mio. Euro hätte nach § 5 des Darlehensvertrages (Anlage K 6) jederzeit mit einer Frist von zwei Wochen und damit zum Jahresende 2007 gekündigt werden können.
Kayser Vill Lohmann
Fischer Pape