Entscheidungsdatum: 11.01.2018
1. Ein Kostenfestsetzungsverfahren scheidet aus, wenn es an einem vollstreckbaren Titel fehlt, der aussagt, wer die Verfahrenskosten zu tragen hat (Kostengrundentscheidung).
2. Der Streit, ob der Vergütungsanspruch des für den Schuldner im Insolvenzverfahren bestellten Prozesspflegers eine Masseverbindlichkeit oder eine gegen das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners gerichtete Forderung darstellt, ist vor den Prozessgerichten auszutragen.
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 25. November 2016 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als eine dem Prozesspfleger aus der Masse zu zahlende Vergütung festgesetzt worden ist.
Der Antrag des weiteren Beteiligten zu 2 auf Festsetzung seiner Vergütung zu Lasten der Masse wird abgelehnt.
Der weitere Beteiligte zu 2 trägt die Kosten der Rechtsmittel.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 9.704,45 € festgesetzt.
I.
Mit Beschluss vom 1. Mai 2004 eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den weiteren Beteiligten zu 1 zum Insolvenzverwalter. Einziger persönlich haftender Gesellschafter der in der Rechtsform der GmbH & Co. KG betriebenen Schuldnerin war die M. GmbH. Nachdem diese im Juli 2007 wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht wurde, regte der weitere Beteiligte zu 1 im April 2010 an, einen Prozesspfleger für die Schuldnerin zu bestellen. Mit Beschluss vom 1. Juni 2010 bestellte das Insolvenzgericht den weiteren Beteiligten zu 2 zum Prozesspfleger der Schuldnerin.
Mit Schreiben vom 5. Februar 2015 forderte das Insolvenzgericht den weiteren Beteiligten zu 2 auf, seinen Vergütungsantrag binnen zwei Wochen einzureichen. Daraufhin beantragte der weitere Beteiligte zu 2 mit Schreiben vom 11. Februar 2015, seine Vergütung "entsprechend §§ 1, 11, 41 RVG auf einen Bruttobetrag von 10.193,54 €" festzusetzen. Er machte dabei eine 1,0 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3317 VV RVG aus einem Gegenstandswert von 2.530.000 € zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer geltend. Zugleich bat er darum, ihn zu ermächtigen, die Herausgabe des festgesetzten Betrags aus der Insolvenzmasse fordern zu dürfen.
Das Insolvenzgericht hat angenommen, dass der weitere Beteiligte zu 2 nur eine aus der Staatskasse zu entrichtende Vergütung erhält. Diese Vergütung hat es auf 489,09 € festgesetzt und eine Erstattung aus der Staatskasse angeordnet. Hiergegen hat der weitere Beteiligte zu 2 sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er seinen Vergütungsantrag in vollem Umfang weiterverfolgt und geltend gemacht hat, dass die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung in entsprechender Anwendung des § 50 RVG festzusetzen sei. Das Beschwerdegericht hat die vom Insolvenzgericht vorgenommene Festsetzung der aus der Staatskasse zu entrichtenden Vergütung bestätigt, zusätzlich zugunsten des weiteren Beteiligten zu 2 eine aus der Masse zu zahlende Vergütung in Höhe von 10.193,54 € festgesetzt und die weitergehende Beschwerde zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der weitere Beteiligte zu 1 die Abweisung des Vergütungsantrags, soweit eine aus der Masse zu zahlende Vergütung festgesetzt worden ist.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft und zulässig (§ 104 Abs. 3 Satz 1, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Ablehnung des Antrags, soweit der weitere Beteiligte zu 2 eine Festsetzung der Vergütung zu Lasten der Masse begehrt.
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, dem weiteren Beteiligten zu 2 stehe ein Vergütungsanspruch gegen die Masse zu. Ein nach § 57 ZPO als Prozesspfleger bestellter Rechtsanwalt könne gemäß § 41 RVG eine Zahlung in Höhe der Rechtsanwaltsvergütung verlangen. Der Anspruch richte sich bei entsprechender Anwendung des § 41 RVG gegen die Person, zu deren Beistand der Prozesspfleger beigeordnet worden sei. Dies sei im vorliegenden Fall nicht das insolvenzfreie Vermögen der Schuldnerin, sondern die Masse. Aus § 41 RVG ergebe sich zwar nicht, welche Vermögensmasse hafte, wenn - wie im Falle eines Insolvenzverfahrens - mehrere vorhanden seien. Jedoch handele es sich bei den Ansprüchen des Prozesspflegers des Schuldners um Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO.
Die Ansprüche seien in anderer Weise - nämlich durch Beschluss des Gerichts - begründet worden. Sie beträfen die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse. Diese sei nur möglich, wenn ein faires Verfahren gewährleistet sei, in dem auch die Rechte des Schuldners gewahrt seien. Es komme nicht darauf an, ob der Prozesspfleger lediglich im Interesse des Schuldners handele, weil ein Verfahren, das dem Schuldner nicht erlaube, seine Rechte geltend zu machen, zu keiner dauerhaften, rechtsbeständigen Gläubigerbefriedigung führen könne. Zudem träfen den Schuldner im Insolvenzverfahren auch Pflichten. Damit sei der erforderliche Massebezug einer Prozesspflegerbestellung gegeben.
2. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Beschwerdegericht hat die Sache als Kostenfestsetzungsverfahren nach § 104 ZPO behandelt. Das ist rechtsfehlerhaft. Eine Kostenfestsetzung der dem weiteren Beteiligten zu 2 zustehenden Vergütung gemäß § 104 ZPO zu Lasten der Masse ist nicht möglich.
a) Ein Kostenfestsetzungsverfahren gemäß § 104 ZPO scheidet aus, wenn es an einem vollstreckbaren Titel fehlt, der aussagt, wer die Verfahrenskosten zu tragen hat (Kostengrundentscheidung). Das Verfahren nach § 104 ZPO baut auf einer für das Höheverfahren bindenden Kostengrundentscheidung auf (Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., §§ 103, 104 Rn. 1; Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 14. Aufl., § 104 Rn. 3; MünchKomm-ZPO/Schulz, 5. Aufl., § 104 Rn. 21, § 103 Rn. 3); § 103 Abs. 1 ZPO ordnet ausdrücklich an, dass die Erstattung der Prozesskosten nur auf Grund eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels geltend gemacht werden kann.
b) So liegt der Streitfall. Es liegt weder eine Kostengrundentscheidung vor, dass die Schuldnerin die Kosten des Prozesspflegers zu tragen hat, noch eine Entscheidung, dass diese Kosten von der Masse zu tragen sind. Die für das Verfahren nach § 104 ZPO erforderliche Kostengrundentscheidung kann nicht durch die Festsetzung der Kosten gegen die Masse im Rahmen eines Festsetzungsverfahrens nach § 4 InsO, § 104 ZPO ersetzt werden. Es ist auch nicht Aufgabe des Kostenfestsetzungsverfahrens nach § 104 ZPO, die Frage zu klären, ob die Vergütungsansprüche des weiteren Beteiligten zu 2 Masseverbindlichkeiten sind.
3. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 577 Abs. 3 ZPO). Die Sache ist zur Endentscheidung reif (§ 577 Abs. 5 ZPO). Weder liegen die Voraussetzungen des § 11 RVG vor noch ist das Insolvenzgericht sonst befugt, die Vergütung des als Prozesspfleger für den Schuldner tätigen Rechtsanwalts zu Lasten der Masse festzusetzen.
aa) Dies kann in der Rechtsbeschwerdeinstanz geprüft werden. Der weitere Beteiligte zu 2 hat sich in seinem Antrag ausdrücklich auch auf § 11 RVG bezogen und damit einen entsprechenden Antrag gestellt. Ein Rechtsmittelzug zum Bundesgerichtshof ist auch im Festsetzungsverfahren nach § 11 RVG möglich (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 3 RVG in Verbindung mit § 104 Abs. 3 Satz 1, § 574 ZPO; Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 7. Aufl., § 11 Rn. 113).
bb) Gemäß § 11 Abs. 1 RVG können die gesetzliche Vergütung und die zu ersetzenden Aufwendungen, soweit sie zu den Kosten des gerichtlichen Verfahrens gehören, auf Antrag des Rechtsanwalts durch das Gericht des ersten Rechtszugs festgesetzt werden. Eine solche Festsetzung kommt auch zugunsten eines als Prozesspfleger bestellten Rechtsanwalts in Betracht.
Wird ein Prozesspfleger bestellt, steht diesem ein Vergütungsanspruch nach § 41 RVG zu. Soweit diese gesetzliche Vergütung zu den Kosten eines gerichtlichen Verfahrens gehört, kann der Prozesspfleger seine Vergütung nach § 11 RVG gegen den von ihm im gerichtlichen Verfahren vertretenen Beklagten festsetzen lassen (AnwK-RVG/N. Schneider, 8. Aufl., § 41 Rn. 14; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl., § 41 Rn. 6). Ob eine Tätigkeit als Vertreter des Schuldners in einem über das Vermögen des Schuldners geführten Insolvenzverfahren als gerichtliches Verfahren im Sinne des § 11 Abs. 1 RVG anzusehen ist, kann dahinstehen. Hierfür könnte sprechen, dass die vom weiteren Beteiligten zu 2 geltend gemachte Gebühr nach Nr. 3317 VV RVG im Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses geregelt ist, der die Vergütung in Zivilsachen, Verfahren der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten und ähnlichen Verfahren regelt.
cc) Eine Vergütungsfestsetzung nach § 11 RVG scheitert jedenfalls aus anderen Gründen. Dieses Verfahren ermöglicht nur eine Festsetzung gegen den Auftraggeber. Besteht Streit darüber, wer als Auftraggeber für die Vergütung anzusehen ist, scheidet eine Festsetzung nach § 11 RVG aus (arg. § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG).
Im Streitfall erhebt der weitere Beteiligte zu 1 Einwendungen oder Einreden, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben. Dies steht einer Festsetzung nach § 11 RVG entgegen (§ 11 Abs. 5 Satz 1 RVG). Der Streit um die Frage, ob dem Prozesspfleger des Schuldners im Insolvenzverfahren ein Vergütungsanspruch gegen die Masse oder nur gegen das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners zusteht, betrifft die Frage, inwieweit die Masse für die Vergütungsansprüche haftet. Dies ist keine gebührenrechtliche Frage (vgl. AnwK-RVG/N. Schneider, aaO § 11 Rn. 205; Hartmann, Kostengesetze, 47. Aufl., § 11 RVG Rn. 59). Aus § 41 RVG ergibt sich nur, dass die vom Prozesspfleger vertretene Partei Auftraggeber ist, nicht hingegen, ob der Anspruch Masseverbindlichkeit ist. Daher kann im Verfahren nach § 11 RVG nicht entschieden werden, inwieweit es sich bei den Ansprüchen des Prozesspflegers um Masseverbindlichkeiten handelt.
b) Ebenso wenig ermöglichen andere Bestimmungen dem Insolvenzgericht, die Kosten des Prozesspflegers des Schuldners im Insolvenzverfahren durch Beschluss zu Lasten der Masse festzusetzen. Eine solche Vergütungsfestsetzung durch das Insolvenzgericht ist gesetzlich nicht vorgesehen.
aa) Weder das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz noch die Insolvenzordnung enthalten eine gesetzliche Regelung, dass das Insolvenzgericht die Vergütung eines für den Schuldner bestellten Prozesspflegers nach Insolvenzeröffnung durch Beschluss mit Wirkung gegen die Masse festsetzt.
(1) Gemäß § 41 Satz 1 RVG kann der Rechtsanwalt, der nach § 57 oder § 58 der Zivilprozessordnung dem Beklagten als Vertreter bestellt ist, von diesem die Vergütung eines zum Prozessbevollmächtigten bestellten Rechtsanwalts verlangen. Unter welchen Voraussetzungen sich dieser Anspruch gegen die Masse richtet, wenn der Rechtsanwalt nach § 57 ZPO dem Schuldner als Vertreter im Insolvenzverfahren bestellt wird, kann dahinstehen. Aus § 41 RVG ergibt sich nicht, dass diese Vergütung im Insolvenzverfahren vom Insolvenzgericht festzusetzen ist.
(2) Auch die Insolvenzordnung enthält keine Bestimmung, dass eine solche Vergütung vom Insolvenzgericht gegen die Masse festzusetzen ist. Die Insolvenzordnung ordnet nur für bestimmte Beteiligte an, dass das Insolvenzgericht die Vergütungen festzusetzen hat (BGH, Beschluss vom 14. Juli 2016 - IX ZB 46/15, WM 2016, 1547 Rn. 10). Die Vergütung eines für den Schuldner als Vertreter bestellten Prozesspflegers wird von der Insolvenzordnung weder erwähnt noch geregelt.
bb) Eine entsprechende Anwendung der Bestimmungen über die Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters oder des Mitglieds eines Gläubigerausschusses durch das Insolvenzgericht auf die von einem Prozesspfleger des Schuldners verlangte Vergütung scheidet aus (vgl. auch BGH, aaO Rn. 11 zur Vergütung des gemeinsamen Vertreters von Anleihegläubigern). Vielmehr besteht kein Grund, den Prozesspfleger gegenüber anderen Vertretern des Schuldners oder Gläubigervertretern bei der Durchsetzung seiner Vergütungsansprüche durch eine gesonderte Festsetzung zu bevorzugen.
cc) Schließlich besteht keine Zuständigkeit des Insolvenzgerichts, über den Streit zu entscheiden, ob die Vergütungsansprüche des Prozesspflegers eine Masseverbindlichkeit, eine Insolvenzforderung oder eine gegen das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners gerichtete Forderung darstellen. Ohne eine entsprechende gesetzliche Regelung steht dem Insolvenzgericht regelmäßig nicht zu, die Frage zu klären, ob es sich um eine Masseverbindlichkeit oder einen Anspruch handelt, der sich gegen das insolvenzfreie Vermögen richtet. Vielmehr ist außerhalb der von der Insolvenzordnung eröffneten Möglichkeiten bei einem Streit, ob es sich bei einem Anspruch um eine Masseverbindlichkeit handelt, regelmäßig das Prozessgericht zuständig.
Für Insolvenzforderungen enthalten die §§ 174 ff InsO eine entsprechende gesetzliche Regelung. Forderungen der Massegläubiger unterliegen nicht diesen Vorschriften (BGH, Urteil vom 13. Juni 2006 - IX ZR 15/04, BGHZ 168, 112 Rn. 19). Für Masseverbindlichkeiten erfolgt die Befriedigung nach allgemeiner Meinung außerhalb des Insolvenzverfahrens (BGH, Urteil vom 30. Mai 1958 - V ZR 295/56, WM 1958, 903 unter II., insoweit in BGHZ 27, 360 nicht abgedruckt; MünchKomm-InsO/Hefermehl, 3. Aufl., § 53 Rn. 50; Schmidt/Thole, InsO, 19. Aufl., § 53 Rn. 13). Macht ein Gläubiger geltend, sein Anspruch sei eine Masseverbindlichkeit, muss er diesen Anspruch daher gerichtlich durch Leistungs- oder Feststellungsklage geltend machen (vgl. Pape/Schaltke in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2011, § 53 Rn. 30, 34; Schmidt/Thole, aaO Rn. 14). In vergleichbarer Weise ist der Streit zwischen Schuldner und Verwalter über die Zugehörigkeit einer Forderung zur Masse vor dem Prozessgericht und nicht vor dem Insolvenzgericht auszutragen (BGH, Beschluss vom 7. April 2016 - IX ZB 89/15, WM 2016, 985 Rn. 7 mwN).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Im Verfahren nach § 104 ZPO hat im Beschwerdeverfahren eine Entscheidung über die Kosten zu erfolgen (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 103, 104 Rn. 21 Stichwort "Kostentragung"). Dies geht § 11 Abs. 2 Satz 6 RVG auch dann vor, wenn - wie im Streitfall - der weitere Beteiligte zu 2 zusätzlich einen Antrag nach § 11 RVG gestellt hat.
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