Entscheidungsdatum: 09.06.2016
Lässt das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde ausdrücklich nicht zu, entfaltet eine nachträgliche, auf eine Anhörungsrüge oder Gegenvorstellung ergangene stattgebende Zulassungsentscheidung für das Rechtsbeschwerdegericht keine Bindungswirkung, wenn die ursprüngliche Entscheidung nicht auf Verstößen gegen Verfahrensgrundrechte beruht.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 26. August 2015 in der Fassung vom 14. Oktober 2015 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert wird auf 3.081,33 € festgesetzt.
I.
Der weitere Beteiligte ist Verwalter in dem Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des F. . Das Amtsgericht hat die Vergütung des weiteren Beteiligten anstelle des beantragten Betrages von 8.246,87 € auf lediglich 5.165,54 € festgesetzt. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht - Einzelrichter - durch Beschluss vom 26. August 2015 zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Die von dem weiteren Beteiligten erhobene Gehörsrüge hat das Landgericht - Einzelrichter - durch Beschluss vom 30. September 2015 zurückgewiesen. Auf die nunmehr geltend gemachte Gegenvorstellung des weiteren Beteiligten hat das Landgericht - Einzelrichter - durch Beschluss vom 14. Oktober 2015 die Rechtsbeschwerde ohne weitere Begründung zugelassen. Mit diesem Rechtsmittel verfolgt der weitere Beteiligte seinen abgewiesenen Vergütungsantrag weiter.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft und daher als unzulässig zu verwerfen (§ 4 InsO, § 577 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Eine das Rechtsbeschwerdegericht nach § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO bindende Zulassung liegt - ungeachtet der fehlenden Zulassungsbefugnis des Einzelrichters (BGH, Beschluss vom 13. März 2003 - IX ZB 134/02, BGHZ 154, 200, 202; vom 16. Mai 2012 - I ZB 65/11, WM 2012, 1734 Rn. 4; vom 16. April 2015 - IX ZB 93/12, NZI 2015, 563 Rn. 4; vom 7. Januar 2016 - I ZB 110/14, WM 2016, 360 Rn. 10) - nicht vor.
1. Enthält der angefochtene Beschluss keinen Ausspruch der Zulassung, so heißt das, dass die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen wird, und zwar auch dann, wenn das Beschwerdegericht die Möglichkeit der Zulassung gar nicht bedacht hat (BGH, Beschluss vom 12. März 2009 - IX ZB 193/08, WM 2009, 1058 Rn. 7 ff; Urteil vom 16. September 2014 - VI ZR 55/14, NJW-RR 2014, 1470 Rn. 7 betreffend Revision). Im Streitfall hat das Beschwerdegericht in seinem Beschluss vom 26. August 2015 zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht geschwiegen, sondern ausdrücklich eine Zulassung abgelehnt, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt seien. Bei dieser Sachlage steht fest, dass die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen wurde.
2. Unwirksam ist eine prozessual nicht vorgesehene nachträgliche Zulassungsentscheidung, weil sie die Bindung des Gerichts an seine eigene Entscheidung (§ 318 ZPO) außer Kraft setzen würde (BGH, Beschluss vom 12. März 2009, aaO; Urteil vom 4. März 2011 - V ZR 123/10, NJW 2011, 1516 Rn. 4; vom 1. Dezember 2011 - IX ZR 70/10, WM 2012, 325 Rn. 7; vom 16. September 2014, aaO). Dies gilt auch, wenn das Beschwerdegericht - wie hier - seine bewusste Entscheidung, die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen, verfahrensfehlerhaft aufgrund einer Anhörungsrüge (§ 321a ZPO) oder einer Gegenvorstellung ändert (BGH, Urteil vom 4. März 2011, aaO; vom 16. September 2014, aaO; vom 14. April 2016 - IX ZR 197/15, zVb Rn. 8 ff).
a) Die Voraussetzungen des § 321a ZPO lagen - wie das Beschwerdegericht selbst zutreffend festgestellt hat - nicht vor. Mithin konnte die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht auf der Grundlage einer Anhörungsrüge nachträglich ausgesprochen werden (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011, aaO; vom 16. September 2014, aaO Rn. 8 f; vom 14. April 2016, aaO).
Die Anhörungsrüge räumt dem Gericht keine umfassende Abhilfemöglichkeit ein, sondern dient allein der Behebung von Verstößen gegen die grundgesetzliche Garantie des rechtlichen Gehörs (BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011, aaO Rn. 8; vom 16. September 2014, aaO Rn. 9; vom 14. April 2016 aaO Rn. 22). Dem auf die Anhörungsrüge hin ergangenen Beschluss lässt sich nicht entnehmen, dass das Berufungsgericht den erforderlichen spezifischen Verstoß gegen den Anspruch festgestellt hat, der allein die Bindung an seine bereits getroffene Entscheidung gemäß § 318 ZPO aufheben könnte. Vielmehr hat das Beschwerdegericht auf die Anhörungsrüge des weiteren Beteiligten durch Beschluss vom 30. September 2015 abermals eine Zulassung verweigert, weil der weitere Beteiligte im Beschwerdeverfahren zum Erfordernis der Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht vorgetragen habe und daher eine Gehörsverletzung nicht ersichtlich sei.
b) Die Rechtsbeschwerde konnte auch nicht auf die fristgerechte Gegenvorstellung des Beschwerdeführers zugelassen werden.
aa) Allerdings hat der Bundesgerichtshof in mehreren Entscheidungen die auf eine Gegenvorstellung hin ausgesprochene Zulassung der Rechtsbeschwerde in analoger Anwendung von § 321a ZPO unter der Voraussetzung gebilligt, dass die Zulassung zuvor willkürlich unterblieben ist, und hat dies aus dem Anspruch des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG hergeleitet (BGH, Urteil vom 4. März 2011, aaO Rn. 9; vom 1. Dezember 2011 - IX ZR 70/10, WM 2012, 325 Rn. 11; vom 16. September 2014 - VI ZR 55/14, NJW-RR 2014, 1470 Rn. 12; jeweils mwN). Ob die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde als Verstoß gegen andere Verfahrensgrundrechte in analoger Anwendung von § 321a ZPO gerügt werden kann, bedarf hier keiner Entscheidung.
bb) Ein solcher außerordentlicher Rechtsbehelf kann nämlich allenfalls Erfolg haben, wenn das Beschwerdegericht seiner Entscheidung die strengen Voraussetzungen einer solchen Rüge zugrunde gelegt hat. Sowohl das Gebot des gesetzlichen Richters als auch das Recht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes schützt nicht vor jeder fehlerhaften Anwendung der Prozessordnung, sondern setzen eine willkürlich unterlassene Zulassung oder eine unzumutbare, sachlich nicht mehr zu rechtfertigende Verkürzung des Instanzenzuges voraus (BGH, Urteil vom 4. März 2011, aaO Rn. 10; vom 1. Dezember 2011, aaO Rn. 12).
cc) Der Beschluss vom 14. Oktober 2015 über die nachträgliche Zulassung der Rechtsbeschwerde lässt mangels jeglicher Begründung nicht erkennen, dass das Beschwerdegericht diese Voraussetzungen geprüft und angenommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 4. März 2011, aaO). Erst recht hat es nicht festgestellt, dass seine ursprüngliche Entscheidung vom 26. August 2015, die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen, objektiv willkürlich gewesen wäre oder den Instanzenzug unzumutbar und in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise verkürzt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 4. März 2011, aaO; vom 1. Dezember 2011, aaO Rn. 13).
Kayser Gehrlein Vill
Grupp Schoppmeyer