Entscheidungsdatum: 24.03.2016
Die öffentliche Bekanntmachung einer im Insolvenzverfahren ergangenen Entscheidung wirkt als Zustellung und setzt die Beschwerdefrist in Gang, auch wenn die gesetzlich vorgeschriebene Rechtsbehelfsbelehrung fehlt oder fehlerhaft ist. Der Belehrungsmangel kann allenfalls eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründen.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 19. September 2014 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 3.665,20 € festgesetzt.
I.
Der weitere Beteiligte ist Verwalter in dem am 22. Juni 2010 beantragten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Am 3. Mai 2013 beantragte er eine Vergütung in Höhe von 17.200,92 €. Mit Beschluss vom 26. Januar 2014 setzte das Insolvenzgericht seine Vergütung auf 13.535,72 € fest. Der Beschluss wurde nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts am 31. Januar 2014 mit folgendem Wortlaut im Internet öffentlich bekanntgemacht:
"In dem Insolvenzverfahren … sind Vergütung und Auslagen des Insolvenzverwalters durch Beschluss des Insolvenzgerichts … vom 26.01.2014 festgesetzt worden. Der vollständige Beschluss kann von den Beteiligten in der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts … eingesehen werden."
Zusätzlich stellte das Insolvenzgericht den Beschluss am 6. Februar 2014 dem weiteren Beteiligten persönlich zu. Sowohl bei der Bekanntmachung im Internet als auch bei der persönlichen Zustellung war dem Beschluss eine Rechtsbehelfsbelehrung mit - auszugsweise - folgendem Inhalt beigefügt:
"Diese Entscheidung kann mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden … Die sofortige Beschwerde ist innerhalb einer Notfrist von 2 Wochen … einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. Soweit die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgt ist, beginnt sie, sobald nach dem Tag der Veröffentlichung zwei weitere Tage verstrichen sind. Erfolgt die öffentliche Bekanntmachung neben der Zustellung, ist für den Beginn der Frist das frühere Ereignis maßgebend. Die sofortige Beschwerde … ist bei dem Amtsgericht Offenbach … einzulegen."
Am 20. Februar 2014 hat der weitere Beteiligte beim Amtsgericht Offenbach als Insolvenzgericht sofortige Beschwerde gegen die Festsetzung seiner Vergütung eingelegt. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der weitere Beteiligte seinen Vergütungsantrag weiter.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO, §§ 6, 64 Abs. 3 Satz 1 InsO) und auch im Übrigen zulässig (§ 575 Abs. 1 und 2 ZPO). In der Sache hat sie aber keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Die Beschwerde sei nicht fristgerecht eingelegt worden. Die Beschwerdefrist von zwei Wochen habe am dritten Tag nach der Bekanntmachung im Internet begonnen und sei am 17. Februar 2014 abgelaufen. Der Eingang der Beschwerde am 20. Februar 2014 sei deshalb verspätet gewesen. Die Bekanntmachung des Beschlusses im Internet sei für den Fristbeginn maßgeblich, auch wenn die Höhe der festgesetzten Vergütung dort nicht angegeben worden sei und die Rechtsbehelfsbelehrung den unzutreffenden Hinweis enthalten habe, die Beschwerde könne nur beim Insolvenzgericht eingelegt werden. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne nicht gewährt werden, weil der weitere Beteiligte nicht ohne Verschulden gehindert gewesen sei, die Beschwerdefrist einzuhalten. Jedenfalls nach der persönlichen Zustellung des Beschlusses habe er Anlass gehabt, die Frage einer etwaigen früheren öffentlichen Bekanntmachung zu prüfen. Der Fehler in der Rechtsbehelfsbelehrung sei nicht ursächlich für die Versäumung der Frist geworden.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Mit Recht hat das Beschwerdegericht angenommen, dass die Beschwerdefrist bereits abgelaufen war, als die sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten beim Insolvenzgericht einging. Die Notfrist von zwei Wochen, innerhalb der die sofortige Beschwerde nach § 4 InsO, § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO einzulegen war, lief gemäß § 569 Abs. 1 Satz 2 ZPO, § 64 Abs. 2, § 9 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 InsO ab dem Beginn des dritten Tages nach der öffentlichen Bekanntmachung der Vergütungsfestsetzung im Internet und endete, gleichviel ob die Bekanntmachung am 30. oder am 31. Januar 2014 erfolgte, am 17. Februar 2014 (§ 187 Abs. 2, § 188 Abs. 2 BGB, § 222 Abs. 2 ZPO; vgl. BGH, Beschluss vom 14. November 2013 - IX ZB 101/11, WM 2013, 2372 Rn. 8 ff). Sie war beim Eingang der sofortigen Beschwerde am 20. Februar 2014 verstrichen.
aa) Die zweiwöchige Frist zur Erhebung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss über die Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters (§§ 4, 64 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO) knüpft an die Zustellung dieser Entscheidung an (§ 6 Abs. 2 InsO). Nach der Regelung in § 9 Abs. 3, § 64 Abs. 2 InsO genügt zum Nachweis der Zustellung die öffentliche Bekanntmachung der Vergütungsfestsetzung. Diese erfolgt gemäß § 9 Abs. 1 InsO seit dem 1. Juli 2007 (§ 103c Abs. 1 Satz 1 EGInsO) zentral und länderübergreifend durch Veröffentlichung auf der Internetseite www.insolvenzbekanntmachungen.de. Die Veröffentlichung im Internet ist gegenüber dem Insolvenzverwalter auch dann maßgeblich, wenn ihm der Beschluss später noch persönlich zugestellt wird (BGH, Beschluss vom 5. November 2009 - IX ZB 173/08, NZI 2010, 159 Rn. 9; vom 12. Juli 2012 - IX ZB 42/10, WM 2012, 1876 Rn. 6; vom 14. November 2013, aaO Rn. 5). Seine verfassungsmäßigen Rechte werden dadurch nicht verletzt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli 2012, aaO Rn. 7; vom 14. November 2013, aaO).
bb) Ist die öffentliche Bekanntmachung unrichtig, kann dies zur Folge haben, dass sie die Zustellungswirkung des § 9 Abs. 3 InsO nicht auslöst und die Beschwerdefrist nicht in Gang setzt (BGH, Beschluss vom 10. November 2011 - IX ZB 165/10, WM 2011, 2374 Rn. 9 f). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Bekanntmachung war nicht unrichtig. Soweit darin die Höhe der Vergütung nicht mitgeteilt wurde, entspricht dies der gesetzlichen Regelung (§ 64 Abs. 2 Satz 2 InsO) und berührt die Wirksamkeit der Bekanntmachung nicht. Auch der verfassungsrechtliche Anspruch des Insolvenzverwalters auf effektiven Rechtsschutz ist nicht verletzt (BGH, Beschluss vom 10. November 2011, aaO Rn. 18 mwN; vom 8. März 2012 - IX ZB 219/11, WM 2012, 814 Rn. 6). Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist auch nicht erforderlich, dass in der Bekanntmachung angegeben wird, ob dem Vergütungsantrag voll oder nur zum Teil entsprochen worden ist. Mit einer teilweisen Ablehnung seines Antrags muss der Verwalter stets rechnen. Es ist ihm zuzumuten, den genauen Betrag der Festsetzung durch Einsichtnahme beim Insolvenzgericht in Erfahrung zu bringen. Im Streitfall hat er im Übrigen durch die persönliche Zustellung des Beschlusses lange vor Ablauf der Beschwerdefrist Kenntnis von der Höhe der festgesetzten Vergütung erlangt.
Der weitere Einwand der Rechtsbeschwerde, die Bekanntmachung im Internet habe das Datum der Veröffentlichung nicht erkennen lassen, trifft nicht zu. Recherchiert man auf der Internetseite www.insolvenzbekanntmachungen.de nach dem angefochtenen Beschluss, trifft man auf das Datum der Veröffentlichung (hier: 30. Januar 2014), unter dem der Inhalt der Veröffentlichung verlinkt ist. Dass der Name des Verwalters aus der öffentlichen Bekanntmachung nicht ersichtlich ist, schränkt die Möglichkeiten des weiteren Beteiligten, seine Rechte wahrzunehmen, nicht ein.
cc) Die von der Rechtsbeschwerde beanstandete Unrichtigkeit der dem angefochtenen Beschluss gemäß § 4 InsO, § 232 ZPO beigefügten und auch im Internet veröffentlichten Rechtsbehelfsbelehrung hat keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Beschlusses, seiner Bekanntmachung und auf den Lauf der Rechtsbehelfsfrist. Sie kann allenfalls eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründen.
Der Bundesgerichtshof hat bereits im Zusammenhang mit der aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotenen Rechtsmittelbelehrung in Wohnungseigentumssachen und in Zwangsversteigerungsverfahren entschieden, dass das Fehlen einer erforderlichen Rechtsmittelbelehrung weder der Wirksamkeit der gerichtlichen Entscheidung noch dem Beginn des Laufs der Rechtsmittelfrist entgegensteht, der Belehrungsmangel aber im Einzelfall eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen kann, wenn er für das Versäumen der Rechtsmittelfrist ursächlich geworden ist (BGH, Beschluss vom 2. Mai 2002 - V ZB 36/01, BGHZ 150, 390, 397 ff; vom 28. Februar 2008 - V ZB 107/07, WM 2008, 1567 Rn. 8; vom 26. März 2009 - V ZB 174/08, BGHZ 180, 199 Rn. 11). Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber aufgegriffen, als er Regelungen über obligatorische Rechtsmittelbelehrungen in das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 39 FamFG) und in die Zivilprozessordnung (§ 232 ZPO) eingefügt und sich dabei bewusst für die Wiedereinsetzungslösung entschieden hat (§ 17 Abs. 2 FamFG und § 233 Satz 2 ZPO; vgl. BT-Drucks. 16/6308, S. 183 und BT-Drucks. 17/10490, S. 14; BGH, Beschluss vom 13. Januar 2010 - XII ZB 248/09, FamRZ 2010, 365 Rn. 8; vom 23. November 2011 - IV ZB 15/11, NJW 2012, 453 Rn. 5; vom 3. Mai 2012 - V ZB 54/11, NJW 2012, 2445 Rn. 5). Dementsprechend hängt auch die Zustellungswirkung einer öffentlichen Bekanntmachung in Insolvenzverfahren (§ 9 Abs. 3 InsO) nicht davon ab, ob überhaupt eine Rechtsbehelfsbelehrung mit veröffentlicht wurde oder ob die mitveröffentlichte Belehrung fehlerfrei war.
b) Ohne Rechtsfehler hat das Beschwerdegericht auch eine Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist abgelehnt. Der weitere Beteiligte war nicht ohne Verschulden verhindert, die Notfrist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde einzuhalten (§ 4 InsO, § 233 ZPO).
aa) Ein Fehlen des Verschuldens wird allerdings vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist (§ 233 Satz 2 ZPO). Die vom Insolvenzgericht erteilte Rechtsbehelfsbelehrung war insoweit unrichtig, als sie den Hinweis enthielt, die sofortige Beschwerde sei bei dem Amtsgericht Offenbach, mithin beim Insolvenzgericht einzulegen. Nach § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann die sofortige Beschwerde wirksam auch beim Beschwerdegericht eingelegt werden. Die insoweit abweichende, am 1. März 2012 in Kraft getretene Sonderregelung in § 6 Abs. 1 Satz 2 InsO ist im Streitfall nach der Übergangsregelung in Art. 103g Satz 1 EGInsO noch nicht anwendbar. Mit Recht hat das Beschwerdegericht aber darauf abgehoben, dass diese Fehlerhaftigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung die Fristversäumung nicht verursacht hat. Es unterliegt keinem Zweifel, dass der weitere Beteiligte, der die Beschwerde entsprechend der Belehrung beim Insolvenzgericht eingelegt hat, die Frist auch dann versäumt hätte, wenn die Belehrung die Möglichkeit der Beschwerdeeinlegung beim Beschwerdegericht erwähnt hätte. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann aber grundsätzlich nur gewährt werden, wenn das unverschuldete Hindernis ursächlich für die Fristversäumung war (MünchKomm-ZPO/Gehrlein, 4. Aufl., § 233 Rn. 18; Hk-ZPO/Saenger, 6. Aufl., § 233 Rn. 16). Dies gilt auch für den Fall einer fehlerhaften oder unterbliebenen Rechtsbehelfsbelehrung (BGH, Beschluss vom 26. März 2009 - V ZB 174/08, BGHZ 180, 199, Rn. 12, 21; vom 12. Januar 2012 - V ZB 198/11, NJW 2012, 2443 Rn. 8 mwN).
bb) Ein Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ergibt sich entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde auch nicht daraus, dass der weitere Beteiligte der ihm persönlich zugestellten Ausfertigung des Beschlusses den Zeitpunkt der öffentlichen Bekanntmachung und damit den Beginn der Beschwerdefrist nicht unmittelbar entnehmen konnte. Die mit der Zustellung erteilte Rechtsbehelfsbelehrung war deshalb nicht fehlerhaft. Eine solche Belehrung muss den Beginn einer Rechtsbehelfsfrist notwendig allgemein beschreiben, etwa in der Weise, dass die Frist mit der Verkündung, der Zustellung oder auch der öffentlichen Bekanntmachung einer Entscheidung beginnt. Es obliegt dann dem Betroffenen, den konkreten Fristbeginn selbst zu ermitteln.
Der Zeitpunkt der öffentlichen Bekanntmachung brauchte dem weiteren Beteiligten bei der Zustellung des Beschlusses auch nicht außerhalb der Rechtsbehelfsbelehrung gesondert mitgeteilt zu werden. Der Hinweis in der Rechtsbehelfsbelehrung, dass die Zustellung auch durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen konnte und dass für den Beginn der Beschwerdefrist der gegebenenfalls frühere Zeitpunkt der öffentlichen Bekanntmachung maßgebend sei, gab ihm Anlass zu prüfen, ob und wann eine öffentliche Bekanntmachung erfolgt war. Eine solche Prüfung ist für einen Insolvenzverwalter ohne weiteres zumutbar. Das Gesetz mutet eine entsprechende Überwachung selbst solchen Beteiligten zu, denen - wie Insolvenzgläubigern - der Vergütungsbeschluss nicht gemäß § 64 Abs. 2 InsO besonders zuzustellen ist. Das Verschulden des weiteren Beteiligten, den Zeitpunkt der öffentlichen Bekanntmachung nicht im Internet ermittelt zu haben, schließt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus.
Kayser Gehrlein Pape
Grupp Möhring