Entscheidungsdatum: 12.07.2012
1. Der Schuldner muss im Verfahren der Vergütungsfestsetzung des vorläufigen Insolvenzverwalters angehört werden.
2. Die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde des Schuldners gegen die Festsetzung der Vergütung beginnt regelmäßig bereits mit der öffentlichen Bekanntmachung im Internet und nicht erst mit einer späteren persönlichen Zustellung, auch wenn der Schuldner zuvor nicht angehört wurde.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 29. Januar 2010 wird auf Kosten der Schuldnerin als unzulässig verworfen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 74.779,52 € festgesetzt.
I.
Die Schuldnerin beantragte am 2. Januar 2008 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Am folgenden Tag bestellte das Insolvenzgericht den weiteren Beteiligten zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Nachdem die Schuldnerin ihren Eröffnungsantrag am 28. März 2008 zurückgenommen hatte, hob das Insolvenzgericht die Bestellung des weiteren Beteiligten am 31. März 2008 auf und entschied, dass die Schuldnerin die Kosten des Verfahrens zu tragen habe.
Auf den Antrag des weiteren Beteiligten hat das Insolvenzgericht dessen Vergütung mit Beschluss vom 29. April 2008 auf 81.322,27 € und die zu erstattenden Auslagen auf 750 € festgesetzt, jeweils zuzüglich 19 vom Hundert Umsatzsteuer. Es hat dabei einen Gesamtzuschlag von 85 vom Hundert zur Regelvergütung des vorläufigen Verwalters gewährt. Der Beschluss wurde am 30. April 2008 im Internet öffentlich bekannt gemacht und der Schuldnerin am 10. Mai 2008 persönlich zugestellt. Am 19. Mai 2008 hat die Schuldnerin durch ihren Verfahrensbevollmächtigten sofortige Beschwerde erhoben mit dem Ziel, eine Herabsetzung der festgesetzten Vergütung mindestens auf die Regelvergütung zu erreichen. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Schuldnerin mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Die nach §§ 6, 7, 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 64 Abs. 3 Satz 1 InsO, Art. 103f EGInsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO).
Auf die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfenen Fragen kommt es nicht an, weil die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts bereits unzulässig war.
1. Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde ist im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen. Bei der Revision prüft das Revisionsgericht von Amts wegen gemäß § 557 Abs. 3 Satz 2 ZPO, ob die Berufung zulässig war, weil es andernfalls an einem gültigen und rechtswirksamen Verfahren vor dem Revisionsgericht fehlt (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 30. September 1987 - IVb ZR 86/86, BGHZ 102, 37, 38; vom 11. Oktober 2000 - VIII ZR 321/99, ZIP 2000, 2222). Entsprechendes gilt bei der Rechtsbeschwerde gemäß der insoweit gleichlautenden Bestimmung des § 577 Abs. 2 Satz 3 ZPO hinsichtlich der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - IX ZB 369/02, WM 2004, 198; vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. Juni 2009 - IX ZB 161/08, WM 2009, 1582 Rn. 5 ff; Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 557 Rn. 8 und § 577 Rn. 2; Musielak/Ball, ZPO, 9. Aufl., § 557 Rn. 15 und § 577 Rn. 3).
2. Die am 19. Mai 2008 beim Insolvenzgericht per Telefax eingegangene sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Insolvenzgerichts vom 29. April 2008, durch den die Vergütung des weiteren Beteiligten für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter festgesetzt wurde, war verfristet. Die Notfrist von zwei Wochen, innerhalb der die sofortige Beschwerde nach § 4 InsO, § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO einzulegen war, begann gemäß § 569 Abs. 1 Satz 2 ZPO, § 64 Abs. 2, § 9 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 InsO zwei Tage nach der am 30. April 2008 erfolgten öffentlichen Bekanntmachung der Vergütungsfestsetzung im Internet, mithin mit Ablauf des 2. Mai 2008, und endete am 16. Mai 2008. Der Umstand, dass der Festsetzungsbeschluss der Schuldnerin nach der Bekanntmachung im Internet auch noch persönlich zugestellt wurde, hat auf den Lauf der Frist keinen Einfluss (BGH, Beschluss vom 5. November 2009 - IX ZB 173/08, ZInsO 2009, 2414 Rn. 9).
Die Anknüpfung des Fristlaufs an die öffentliche Bekanntmachung im Internet ohne Veröffentlichung der festgesetzten Beträge (§ 64 Abs. 2 Satz 2 InsO) verletzt nicht den Anspruch der Schuldnerin auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4, Art. 2 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 10. November 2011 - IX ZB 165/10, WM 2011, 2374 Rn. 16 ff). Die Schuldnerin musste mit der Festsetzung der Vergütung des vorläufigen Verwalters rechnen, nachdem sie ihren Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 28. März 2008 zurückgenommen und das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 31. März 2008 - der Schuldnerin persönlich zugestellt am 5. April 2008 - die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters aufgehoben und die Kosten des Verfahrens der Schuldnerin auferlegt hatte. Zwar hätte ihr das Insolvenzgericht vor der Festsetzung der Vergütung Gelegenheit geben müssen, zu dem Vergütungsantrag des vorläufigen Verwalters Stellung zu nehmen (BGH, Beschluss vom 21. Januar 2010 - IX ZB 83/06, ZInsO 2010, 397 Rn. 5). Auch ohne Anhörung hatte die Schuldnerin aber Anlass, die Insolvenzveröffentlichungen im Internet zu verfolgen (zum Fall des angehörten Schuldners vgl. BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2003 - IX ZB 249/02, WM 2004, 394; vom 21. Januar 2010, aaO Rn. 6).
Im Übrigen erteilte die Schuldnerin unter dem Datum des 4. April 2008 ihrem Verfahrensbevollmächtigten eine Vollmacht "in Sachen GmbH/Insolvenzverfahren wegen Beschwerde und Akteneinsicht". Dies kann nur damit erklärt werden, dass sie eine Vergütungsfestsetzung erwartete. Schließlich erlangte die Schuldnerin noch mehrere Tage vor Ablauf der Beschwerdefrist tatsächliche Kenntnis von der Vergütungsfestsetzung durch die persönliche Zustellung des Festsetzungsbeschlusses. Auch deshalb war es für sie nicht unzumutbar erschwert, Rechtsschutz gegen die Vergütungsfestsetzung zu erlangen, selbst wenn die Frist für die sofortige Beschwerde, was sie in Rechnung stellen musste, bereits mit der öffentlichen Bekanntmachung im Internet zu laufen begann.
Kayser Gehrlein Vill
Fischer Grupp