Entscheidungsdatum: 19.11.2015
Die Pflicht des Schuldners, im Insolvenzverfahren für die Nutzung seiner Eigentumswohnung eine Entschädigung an die Masse zu zahlen, ist keine Mitwirkungspflicht nach der Insolvenzordnung, bei deren Verletzung die Restschuldbefreiung zu versagen wäre.
Auf die Rechtsmittel des Schuldners werden der Beschluss der 17. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 22. August 2014 und der Beschluss des Amtsgerichts Oldenburg vom 3. Juni 2014 aufgehoben. Der Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 1 abgelehnt.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
I.
Der Schuldner, über dessen Vermögen am 24. Februar 2011 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, bewohnt eine in seinem Eigentum stehende Wohnung mit einer Wohnfläche von 146 m². Die Wohnung ist baulich mit der benachbarten Eigentumswohnung seiner Lebensgefährtin verbunden. Am 12. Juni 2013 wurde die Zwangsversteigerung der Wohnung des Schuldners beantragt. Ein Zwangsverwaltungsverfahren ist nicht anhängig. Der Insolvenzverwalter zog vom Nettoeinkommen des Schuldners in Höhe von 2.751,33 € den pfändbaren Teilbetrag von 1.032,47 € ein und forderte den Schuldner im Laufe des Jahres 2013 mehrfach vergeblich auf, für die Eigentumswohnung zusätzlich eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 500 € zu zahlen.
Auf den von der weiteren Beteiligten zu 1 im Schlusstermin am 3. April 2014 gestellten Antrag hat das Insolvenzgericht dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt. Die sofortige Beschwerde des Schuldners hat keinen Erfolg gehabt. Mit seiner Rechtsbeschwerde erstrebt der Schuldner die Zurückweisung des Versagungsantrags.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO, §§ 6, 289 Abs. 2 Satz 1 InsO aF statthaft, weil sie vom Landgericht zugelassen worden ist (§ 574 Abs. 3 ZPO), und auch im Übrigen zulässig (§ 575 Abs. 1 und 2 ZPO). In der Sache führt sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen und zur Ablehnung des Versagungsantrags.
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, dem Schuldner sei die Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO zu versagen. Indem der Schuldner auf die Aufforderungen des Insolvenzverwalters keinerlei Nutzungsentschädigung gezahlt habe, habe er zumindest grob fahrlässig eine ihm nach § 97 Abs. 2 InsO obliegende Mitwirkungspflicht verletzt. Nach dieser Norm habe der Schuldner den Insolvenzverwalter insbesondere bei der Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse zu unterstützen. Dazu gehöre auch die Zahlung einer Nutzungsentschädigung unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung, wenn der Schuldner wie hier sein zur Insolvenzmasse gehörendes Wohnungseigentum selbst nutze. Zu Unrecht berufe sich der Schuldner darauf, dass die Zahlung einer Nutzungsentschädigung in der geforderten Höhe wegen der von ihm für die Wohnung bereits aufzuwendenden Nebenkosten in Höhe von monatlich insgesamt 654 € zu Lasten des pfändungsfreien Teils seines Einkommens gehe. Dies rechtfertige es nicht, überhaupt keine Nutzungsentschädigung zu zahlen. Im Übrigen habe der Schuldner den Umfang der Nebenkosten selbst zu vertreten, weil er nicht in eine kleinere, preiswertere Wohnung umgezogen sei. Offen könne bleiben, ob daneben auch der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO vorliege.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Auf den Streitfall finden die Vorschriften der Insolvenzordnung in der bis zum 1. Juli 2014 geltenden Fassung Anwendung (Art. 103h Satz 1 EGInsO).
b) Die Restschuldbefreiung ist nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO auf den von einem Insolvenzgläubiger im Schlusstermin gestellten Antrag zu versagen, wenn der Schuldner während des Insolvenzverfahrens Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach diesem Gesetz vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.
aa) Mit Recht haben das Insolvenz- und das Beschwerdegericht allerdings angenommen, dass der Schuldner unter den gegebenen Umständen verpflichtet war, für die Nutzung der ihm gehörenden Wohnung während des Insolvenzverfahrens eine Entschädigung an den Insolvenzverwalter zu zahlen. Die Wohnung und damit auch das Recht, sie zu nutzen, fielen als Vermögen des Schuldners mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in die Insolvenzmasse (§ 35 Abs. 1 InsO). Anders als im Falle der Zwangsverwaltung, in der dem Schuldner die für seinen Hausstand unentbehrlichen Räume kostenfrei zu belassen sind (§ 149 Abs. 1 ZVG), ist der Schuldner im Insolvenzverfahren nur dann berechtigt, seine Wohnung entschädigungslos zu nutzen, wenn ihm dies nach § 100 InsO als Unterhaltsgewährung gestattet wird. Dies ist hier nicht geschehen. Der Schuldner nutzte die Wohnung deshalb auf Kosten der Insolvenzmasse ohne rechtlichen Grund mit der Folge, dass er nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Zahlung einer angemessenen Nutzungsentschädigung verpflichtet war (BGH, Urteil vom 11. Oktober 1984 - VII ZR 216/83, NJW 1985, 1082, 1083; OLG Nürnberg, NZI 2006, 44; vgl. auch BGH, Urteil vom 26. Februar 1954 - V ZR 135/52, BGHZ 12, 380, 393 f; HK-InsO/Kayser, 7. Aufl., § 100 Rn. 7; MünchKomm-InsO/Stephan, 3. Aufl., § 100 Rn. 15).
bb) Die Verpflichtung des Schuldners, während des Insolvenzverfahrens für die Nutzung der eigenen Wohnung eine Entschädigung zu zahlen, stellt jedoch keine Mitwirkungspflicht im Sinne von § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO dar. Die Weigerung des Schuldners, eine solche Entschädigung zu zahlen, rechtfertigt nicht die Versagung der Restschuldbefreiung.
(1) Nach der Regelung in § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO ist die Restschuldbefreiung nur dann zu versagen, wenn Auskunfts- und Mitwirkungspflichten "nach diesem Gesetz", also in der Insolvenzordnung geregelte Pflichten verletzt werden. Gemeint sind nach der Begründung des Gesetzesentwurfs (BT-Drucks. 12/2443, S. 190) und nach dem Gesamtzusammenhang der Bestimmungen in erster Linie die Pflichten des Schuldners nach § 20 Abs. 1 und § 97 InsO (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2009 - IX ZB 73/08, WM 2009, 515 Rn. 12). Nach § 97 Abs. 2 InsO hat der Schuldner den Verwalter bei der Erfüllung von dessen Aufgaben zu unterstützen. Zu den Aufgaben des Insolvenzverwalters gehört es insbesondere, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen in Besitz und Verwaltung zu nehmen (§ 148 Abs. 1 InsO) und es zu verwerten (§ 159 InsO). Die Mitwirkungspflicht verlangt, dass der Schuldner in seinem Besitz befindliche Gegenstände der Insolvenzmasse dem Verwalter zur Verfügung stellt. Der Senat hat deshalb entschieden, dass der Schuldner Neuerwerb an den Insolvenzverwalter abzuführen hat, sei es pfändbares Arbeitseinkommen aus abhängiger Beschäftigung (BGH, Beschluss vom 31. Juli 2013 - IX ZA 37/12, WM 2013, 1656 Rn. 7), seien es Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit (BGH, Beschluss vom 20. März 2003 - IX ZB 388/02, WM 2003, 980, 983). Verletzt er eine dieser Pflichten, verwirklicht er den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Gleiches gilt, wenn der Schuldner nach Freigabe seiner selbständigen Tätigkeit die nach § 35 Abs. 2 Satz 2, § 295 Abs. 2 InsO geschuldeten Zahlungen nicht leistet (BGH, Beschluss vom 13. Juni 2013 - IX ZB 38/10, WM 2013, 1612 Rn. 20; Urteil vom 13. März 2014 - IX ZR 43/12, WM 2014, 751 Rn. 17).
Aufgabe des Insolvenzverwalters ist es auch, ein Entgelt für die Nutzung einer im Eigentum des Schuldners stehenden Wohnung zur Masse einzuziehen. Nutzt ein Dritter die Wohnung, ist der Schuldner gemäß § 97 Abs. 2 InsO verpflichtet, nach Möglichkeit an der Einziehung einer Nutzungsentschädigung mitzuwirken. Bewohnt der Schuldner hingegen wie im Streitfall die Wohnung selbst, steht seine eigene Zahlungspflicht wegen der rechtsgrundlosen Nutzung der Wohnung in Rede und nicht seine Pflicht, den Insolvenzverwalter bei der Geltendmachung dieses Anspruchs zu unterstützen. Die Zahlungsverpflichtung des Schuldners ergibt sich aus den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung und nicht aus einer von § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO vorausgesetzten Mitwirkungspflicht "nach diesem Gesetz" (AG Göttingen, NZI 2015, 330, 331 mit Anmerkung Cranshaw, jurisPR-InsR 16/2015 Anm. 3; AG Göttingen, NZI 2015, 375, 376; vgl. auch LG Dessau-Roßlau, VuR 2013, 191 f mit Anmerkung Kohte).
(2) Die Mitwirkungspflicht des Schuldners nach § 97 Abs. 2 InsO soll dem Verwalter die Ausführung der ihm im Insolvenzverfahren obliegenden Aufgaben erleichtern. Sie bezweckt hingegen nicht, den Schuldner mittels der sonst drohenden Versagung der Restschuldbefreiung dazu zu drängen, gegen ihn selbst gerichtete Ansprüche der Insolvenzmasse zu erfüllen. Der Schuldner muss die Möglichkeit haben, die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Nutzungsentschädigung zu bestreiten, ohne Gefahr zu laufen, dadurch die Aussicht auf Restschuldbefreiung einzubüßen. Die Frage, ob der Insolvenzverwalter vom Schuldner eine Nutzungsentschädigung verlangen kann, ist deshalb im ordentlichen Verfahren vor dem Prozessgericht zu klären und nicht als Vorfrage der Entscheidung über einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung. Will der Insolvenzverwalter diesen Weg nicht gehen, steht es ihm frei, den Schuldner, der nicht bereit ist, eine Nutzungsentschädigung zu zahlen, zur Räumung der Wohnung aufzufordern, um diese anschließend an Dritte vermieten und so den Nutzungswert der Wohnung zur Masse ziehen zu können. Kommt der Schuldner einem solchen berechtigten Verlangen nicht nach, verletzt er die sich aus der Insolvenzordnung ergebende Pflicht, sein zur Masse gehörendes Vermögen dem Verwalter zur Verfügung zu stellen, und verwirklicht dadurch den Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO.
(3) Dieses Verständnis trägt dem Anliegen des Gesetzgebers Rechnung, durch die fallgruppenartige Beschreibung der Gründe, bei deren Vorliegen die Erteilung der Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers zu versagen ist, Rechtssicherheit zu schaffen. Die Entscheidung über die Restschuldbefreiung soll nicht einem weiten Ermessen des Insolvenzgerichts überlassen sein. Schuldner und Insolvenzgläubiger sollen vielmehr von vorneherein wissen, unter welchen Bedingungen das Privileg der Restschuldbefreiung erteilt oder versagt werden kann, damit sie die Folgen bestimmter Verhaltensweisen erkennen und vorausberechnen können (BT-Drucks. 12/2443, S. 190; BGH, Beschluss vom 8. Januar 2009 - IX ZB 73/08, WM 2009, 515 Rn. 14).
3. Die angefochtene Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 577 Abs. 3 ZPO). Die Versagung der Restschuldbefreiung kann nicht auf den Versagungstatbestand der Verschwendung von Vermögen nach § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO gestützt werden. Mit seiner Weigerung, eine Nutzungsentschädigung zu zahlen, hat der Schuldner kein Vermögen verschwendet. Der Versagungstatbestand der Vermögensverschwendung zielt darauf, das zur Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung stehende Vermögen des Schuldners vor einer unangemessenen Verminderung durch den Schuldner zu schützen, und hat das Verhalten des Schuldners vor dem Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung im Auge (BT-Drucks. 12/2443, S. 190). Mit der Verfahrenseröffnung geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter über, so dass es regelmäßig nicht mehr zur Verschwendung von Vermögen durch den Schuldner kommen kann (FK-InsO/Ahrens, 7. Aufl., § 290 Rn. 51; HK-InsO/Waltenberger, 7. Aufl., § 290 aF Rn. 29). Im Streitfall stand die Substanz des Wohnungseigentums des Schuldners nach der Verfahrenseröffnung dem Verwalter zur Verfügung. Da der Verwalter den Schuldner weder aufgefordert hat, die Wohnung zu räumen, noch der Schuldner sich einem solchen Verlangen widersetzt hat, hat der Schuldner der Masse auch nicht das Nutzungsrecht an der Wohnung entzogen. Allein die Weigerung, die durch die Nutzung erlangte Bereicherung herauszugeben, stellt keine Verschwendung des den Gläubigern haftenden Vermögens im Sinne des § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO dar.
III.
Die angefochtenen Entscheidungen waren danach aufzuheben. Da keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, sondern die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat gemäß § 577 Abs. 5 ZPO zu entscheiden. Der Antrag der weiteren Beteiligten zu 1 auf Versagung der Restschuldbefreiung ist abzulehnen.
Kayser Lohmann Pape
Grupp Möhring