Entscheidungsdatum: 09.02.2012
Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 29. April 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 32.725,24 € festgesetzt.
I.
Auf Eigenantrag der Schuldnerin, einer GmbH & Co. KG, eröffnete das Amtsgericht am 29. Oktober 2007 das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen und bestellte den weiteren Beteiligten zum Insolvenzverwalter.
Die Schuldnerin beantragte am 16. März 2009 mit Zustimmung der zwischenzeitlich befriedigten Gläubiger, das Verfahren nach § 213 InsO einzustellen.
Der Verwalter beantragte unter Zugrundelegung einer Berechnungsgrundlage von 305.974,42 € die Festsetzung einer Vergütung von 22.350,46 € nebst Auslagen von 6.735,14 € jeweils zuzüglich Umsatzsteuer, zusammen 34.611,86 €.
Das Amtsgericht hat die Vergütung auf 22.192,46 € zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer festgesetzt, zusammen 34.367,44 €. Es hat eine Berechnungsgrundlage von 298.450,64 € berücksichtigt. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihr Anliegen weiter, dass lediglich die Mindestvergütung festgesetzt wird.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 6, 7, 64 Abs. 3 InsO, Art. 103f EGInsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO, § 4
InsO).
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, bei der Berechnungsgrundlage seien nicht nur die realisierte Insolvenzmasse in Höhe von 450,64 € zu berücksichtigen, sondern auch die Forderungen auf Zahlung der ausstehenden Kommanditeinlagen in Höhe von insgesamt 2.000 € gegen die Kommanditisten. Zu berücksichtigen sei auch die Forderung in Höhe von 290.000 €, die sowohl gegen die Liquidatorin (als Erbin) gemäß §§ 130a, 161 HGB geltend gemacht werden könne, aber auch gegen die R. GmbH nach §§ 30, 31 GmbHG analog, § 172 HGB sowie nach § 133 Abs. 1 InsO. Die Darlehensforderung gegen U. S. sei in Höhe von 6.000 € zu berücksichtigen.
Die Rechtsbeschwerde meint demgegenüber, die Einlageforderung gegenüber den Kommanditisten, der Anspruch gegen die Liquidatorin (als Erbin) gemäß §§ 130a, 161 HGB und der Anspruch gegen die R. G. mbH analog §§ 30, 31 GmbHG, § 172 HGB seien jeweils mit Null Euro zu bewerten, weil die Zahlungen im maßgeblichen Zeitpunkt der Verfahrenseinstellung infolge der Befriedigung aller Insolvenzgläubiger nicht mehr benötigt würden. Der Anspruch aus § 133 Abs. 1 InsO scheitere an der fehlenden Gläubigerbenachteiligung. Die Darlehensforderung gegen U. S. habe der Verwalter in seinem Eröffnungsgutachten mit 1 Euro bewertet, weshalb ohne neue Erkenntnisse nunmehr der Nominalbetrag von 12.473,78 € verlangt und der Wert von den Vordergerichten nicht auf 6.000 € geschätzt werden könne.
2. Die Auffassung des Beschwerdegerichts hält rechtlicher Prüfung nicht in vollem Umfang stand.
a) Im Falle der Einstellung des Insolvenzverfahrens nach § 213 InsO bemisst sich die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Verwalters nach dem Schätzwert der Masse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens, § 1 Abs. 1 Satz 2 InsVV. Forderungen, die in die Masse fallen und dort noch vorhanden sind, sind mit ihrem Verkehrswert zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2005 - IX ZB 230/03, ZIP 2005, 1324, 1325), unabhängig davon, ob sich der Verwalter mit ihnen befasst hat; ob die Forderung auch noch zu einem späteren Zeitpunkt eingezogen werden könnte oder verjährt, ist unerheblich (BGH, Beschluss vom 17. März 2011 - IX ZB 145/10, ZInsO 2011, 839 Rn. 12 mwN; st. Rspr.)
b) Voraussetzung der Berücksichtigung der Forderung ist allerdings, dass diese vom Verwalter überhaupt hätte realisiert werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2005, aaO S. 1325 unter 2 a).
Eine Forderung der Masse, der eine aufrechenbare Forderung entgegensteht, ist nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 InsVV nur mit dem Überschuss zu berücksichtigen. Es kommt darauf an, ob die sich gegenüberstehenden Forderungen aufrechenbar oder verrechenbar sind, weil nur dann ein Überschuss zur Masse gezogen werden kann (BGH, Beschluss vom 21. Januar 2010 - IX ZB 197/06, ZIP 2010, 436 Rn. 8).
Für eine Forderung, deren Erfüllung aus anderen Gründen verweigert werden kann, gilt dies entsprechend. Sie zählt zur Berechnungsgrundlage nur, soweit sie tatsächlich durchsetzbar ist. Ein höherer Verkehrswert kommt ihr dann nicht zu. Soweit die Realisierung des Anspruchs nicht erforderlich gewesen wäre, um alle Insolvenzgläubiger und Massegläubiger zu befriedigen, ist der Wert vergütungsrechtlich nicht zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 29. März 2007 - IX ZB 153/06, ZIP 2007, 1070 Rn. 20 aE).
c) Ansprüche auf Kapitalaufbringung und Kapitelerhaltung können in der Liquidation der Gesellschaft nur realisiert werden, soweit sie zur Liquidation der Gesellschaft erforderlich sind, also etwa zum Zwecke der Beendigung der laufenden Geschäfte oder zur Befriedigung der Gläubiger. Ein darüber hinausgehender Forderungseinzug wäre sinnlos, weil der eingezogene Betrag anschließend den einzahlenden Gesellschaftern wieder zur Verfügung gestellt werden müsste. Der Anspruch kann deshalb insoweit nicht durchgesetzt werden (BGH, Urteil vom 18. November 1969 - II ZR 83/68, NJW 1970, 469, 470, insoweit in BGHZ 53, 71 nicht abgedruckt; Müller, DB 2003, 1939; Michalski/Nerlich, GmbHG § 69 Rn. 25; MünchKomm-GmbHG/H.F. Müller, § 69 Rn. 15; Baumbach/Hueck/Haas, GmbHG, 18. Aufl. § 69 Rn. 4; K. Schmidt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 69 Rn. 23; Paura in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 69 Rn. 23). Fragen des Innenausgleichs stellen sich hier nicht.
Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet worden, gilt dies entsprechend. Zu befriedigen sind hier allerdings nicht nur alle Insolvenzgläubiger, sondern auch die Massegläubiger. Einzuziehen sind deshalb auch die Beträge, die zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens erforderlich sind, § 53 InsO. Dazu gehört die Vergütung des Verwalters, § 54 Nr. 2 InsO. Die genannten Ansprüche sind deshalb in der Höhe einziehbar, in welcher der Erlös für die Begleichung aller Massekosten und Insolvenzforderungen erforderlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2012 - IX ZB 230/10, zVb).
Für die Kapitalaufbringung und die Kapitalerhaltung in der Kommanditgesellschaft, hier bezüglich der zwischen den Beteiligten dem Grunde nach unstreitigen Ansprüche auf Einzahlung der ausstehenden Kommanditeinlagen in Höhe von 2.000 € nach § 171 Abs. 2 HGB einerseits und auf Rückzahlung von 290.000 € gegen die R. G. mbH gemäß §§ 30, 31 GmbH analog, § 172 HGB andererseits gelten diese Grundsätze entsprechend.
Ansprüche auf Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung sind zwar für die Vergütung des Verwalters auch insoweit zu berücksichtigen, als ihre Einziehung erforderlich ist, um nachrangige Insolvenzgläubiger zu befriedigen. Nicht zu berücksichtigen sind dabei aber nachrangige Insolvenzforderungen, die allein dadurch entstehen, dass ein Anspruch auf Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung vom Insolvenzverwalter durchgesetzt wird. Ein derartiges Hin- und Herzahlen in der Insolvenz hätte ausschließlich den Zweck, Verwaltervergütung zu generieren. Die Geltendmachung von Ansprüchen auf Kapitalaufbringung oder Kapitalerhaltung allein mit dem Ziel, dem in Anspruch genommenen anschließend seine hierdurch entstehende nachrangige Insolvenzforderung zu erfüllen, unter Abzug der damit verdienten Vergütung des Verwalters, wäre rechtsmissbräuchlich und kann deshalb nicht berücksichtigt werden.
Der Anspruch aus Insolvenzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO gegen die R. G. mbH könnte ebenfalls nur in der Höhe geltend gemacht werden, in der die Anfechtungssumme benötigt wird, um andere Masse- und Insolvenzgläubiger zu befriedigen, weil es wegen eines höheren Betrages an der objektiven Benachteiligung anderer Gläubiger fehlt, § 129 Abs. 1 InsO.
Dasselbe gilt entsprechend für den Anspruch gegen Frau U. M. aus §§ 130a, 161 HGB, weil es für Beträge, die nicht zur Befriedigung der Masse- und Insolvenzgläubiger benötigt werden, an einem Schaden fehlt.
d) Hinsichtlich der Darlehensforderung gegen Frau S. in Höhe von nominal 12.473,78 € hat der Verwalter in seinem Eröffnungsgutachten die Forderung wegen nicht bekannter Bonität von Frau S. unter Vorsichtsgesichtspunkten mit 1 Euro bewertet, bei der Berechnungsgrundlage für seine Vergütung mit dem vollen Betrag. Mutmaßungen der Insolvenzschuldnerin über die Bonität von Frau S. könnten nicht nachvollzogen werden, Frau S. habe hierzu nichts mitgeteilt.
Unter diesen Umständen ist es nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanzen den maßgeblichen Verkehrswert der Forderung für Zwecke der Berechnungsgrundlage auf 6.000 € geschätzt haben. Dies hält sich im Rahmen der tatrichterlichen Verantwortung nach § 287 ZPO, § 6 InsO. Willkür ist insoweit nicht gegeben.
e) Da sich damit die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Verwalters nach der Höhe der einziehbaren Forderungen richtet, die Höhe der einziehbaren Forderungen ihrerseits aber überwiegend wiederum nach der Höhe der Vergütung, muss für die Höhe der einziehbaren Forderungen im Wege der Annäherung als Wert ein Betrag geschätzt werden (§ 4 InsO, § 287 ZPO), bei dessen Zugrundelegung auch die hieraus zu berechnende Vergütung abgedeckt ist.
f) An dieser Berechnung ändert vorliegend nichts der Umstand, dass sich ein Dritter bereit erklärt hat, die Kosten des Insolvenzverfahrens zu tragen. Die Berechnungsgrundlage wird dadurch nicht berührt.
g) Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 InsVV ist allerdings der Schätzwert der Masse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens maßgebend. Durch die Befriedigung der Insolvenzforderungen durch einen Dritten sinkt unter den gegebenen Umständen der Betrag, der mit den oben unter c) behandelten Ansprüchen zu diesem Zeitpunkt noch durchgesetzt werden könnte.
Das führt aber in diesem Zusammenhang nicht zu einer Absenkung der Berechnungsgrundlage. Andernfalls könnte mit Zahlungen Dritter die Berechnungsgrundlage bis auf die Höhe der Verwaltervergütung und damit auf die Mindestvergütung gedrückt werden. Das würde der Systematik der gesetzlichen Verwaltervergütung nicht gerecht. Zahlungen Dritter an die Insolvenzgläubiger können in diesem Zusammenhang deshalb nicht anders bewertet werden, als hätte der Verwalter die genannten Ansprüche in der erforderlichen Höhe eingezogen.
3. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif. Der ohne weitere Voraussetzungen durchsetzbare Darlehensanspruch ist mit seinem geschätzten Realisierungswert in die Berechnungsgrundlage einzustellen. Im Übrigen wird das Beschwerdegericht festzustellen haben, in welcher Höhe die weiteren Forderungen noch hätten eingezogen werden müssen, damit alle Insolvenzgläubiger und Massegläubiger hätten befriedigt werden können. Die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgten Drittzahlungen sind in diesem Zusammenhang außer Betracht zu lassen. Ebenfalls außer Betracht zu lassen sind diese Forderungen, soweit ihr Erlös anschließend wieder an die Anspruchsgegner wegen ihrer dadurch entstehenden nachrangigen Insolvenzforderungen ausgezahlt werden müsste.
Kayser Gehrlein Vill
Lohmann Fischer