Entscheidungsdatum: 21.01.2010
Die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Insolvenzverwalters umfasst den vollen Wert von Forderungen der Masse, wenn ihnen lediglich nicht aufrechenbare Gegenforderungen von Insolvenzgläubigern gegenüberstehen .
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 28. September 2006 wird auf Kosten der Schuldnerin als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 2.328.360,47 € festgesetzt.
I.
Am 14. Februar 2003 wurde über das Vermögen der Rechtsbeschwerdeführerin (im Folgenden: auch Schuldnerin) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Rechtsbeschwerdegegner zum Verwalter ernannt. Dieser war als Person zuvor bereits zum vorläufigen Insolvenzverwalter, zuletzt mit Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Schuldnerin, bestellt. In den beiden Monaten vor der Verfahrenseröffnung verwerteten Gläubiger ihnen verpfändete Anteile, welche die Schuldnerin an den Gesellschaften der …-Gruppe hielt, durch notarielle Versteigerung. Von dem Insolvenzverwalter einer Gesellschafterin der Schuldnerin wurde die Wirksamkeit der damit verbundenen Verfügungen bestritten, namentlich weil gegen die pfandhaftgesicherten Darlehensverbindlichkeiten der Schuldnerin der Einwand des Eigenkapitalersatzes zu erheben sei.
In einer notariellen Vereinbarung vom 10. März 2005 zwischen den an diesen Vorgängen beteiligten Gesellschaften und Personen erkannte auch der Rechtsbeschwerdegegner die Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit der Versteigerung ausdrücklich an (§ 5 des sogenannten settlement agreement). Als Gegenleistung für dieses Anerkenntnis ließ sich der Rechtsbeschwerdegegner für die Insolvenzmasse der Schuldnerin durch weitere notarielle Vereinbarung vom selben Tage (compensation agreement) von der wirtschaftlich an dem settlement agreement interessierten Insolvenzgläubigerin K. Ltd. zwei Inhaberschuldverschreibungen im Gesamtbetrag von 50 Mio. € gewähren. Das Verteilungsguthaben der K. Ltd. und einer weiteren Insolvenzgläubigerin aus dem Schlussverzeichnis der Schuldnerinsolvenz, welche in das compensation agreement einbezogen wurde, sollte der Rechtsbeschwerdegegner durch Übertragung der genannten Inhaberschuldverschreibungen erfüllen. Auf diesem Wege gelang es dem Rechtsbeschwerdegegner, die nach Beendigung des Insolvenzverfahrens verbleibenden Verbindlichkeiten der Schuldnerin um den Nennbetrag dieser Schuldverschreibungen zu verringern.
Zur Grundlage der im vorliegenden Verfahren streitigen Festsetzung der Verwaltervergütung machte der Rechtsbeschwerdegegner außer den vorhandenen Barmitteln auch die Nennbeträge der genannten Inhaberschuldverschreibungen. Das Amtsgericht hat die Vergütung des Rechtsbeschwerdegegners antragsgemäß auf 2.414.180,91 € nebst pauschalierten Auslagen von 7.000 € und zu erstattender Umsatzsteuer von 387.388,95 €, zusammen auf 2.808.569,86 € festgesetzt.
Hiergegen hat sich die fristgerecht erhobene sofortige Beschwerde der Schuldnerin gewendet, mit der sie erstrebt hat, die Beträge der Inhaberschuldverschreibungen bei der Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung außer Betracht zu lassen und diese dementsprechend einschließlich Auslagen und Umsatzsteuer auf 480.209,39 € herabzusetzen. Die Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihren Herabsetzungsantrag weiter.
II.
Das Landgericht hat angenommen, dass die von der K. Ltd. begebenen Inhaberschuldverschreibungen realisierbare Werte verkörperten, so dass sie vom Amtsgericht zu Recht in die Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung einbezogen worden seien. Dazu legt die nach den §§ 7, 6, 64 Abs. 3 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde keine erheblichen Zulässigkeitsgründe (§ 574 Abs. 2 ZPO) dar.
1. Ohne Bedeutung ist die Auffassung des Rechtsbeschwerdegegners aus den Vorinstanzen, die Schuldnerin könne mangels Beanstandung der Schlussrechnung im Schlusstermin gegen die dort festgestellte Insolvenzmasse als Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung keine Einwendungen mehr erheben. Auf diesem Gesichtspunkt ist die angefochtene Beschwerdeentscheidung nicht gestützt.
2. Die von der Rechtsbeschwerde formulierten allgemeinen Fragen angeblicher Rechtsfortbildung bedürfen anlässlich der streitigen Vergütungsfestsetzung keiner Antwort. Im Ergebnis nicht anders liegt dies bei der zur Begründetheit des Rechtsmittels erhobenen Rüge, das Beschwerdegericht habe § 1 Abs. 2 Nr. 3 InsVV verletzt. Hier behauptet die Rechtsbeschwerde zwar nicht ausdrücklich, dass die Beschwerdeentscheidung unausgesprochen auf dem Obersatz beruhe, Forderung und Gegenforderung müssten sich aufrechenbar gegenüberstehen, um lediglich mit dem Verrechnungsüberschuss zugunsten der Masse in die Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung einbezogen zu werden. Sie stellt diese im Schrifttum einhellig bejahte Auslegung (vgl. etwa Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV 4. Aufl. § 1 Rn. 79; Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren 2. Aufl. Rn. 168; Graeber, Vergütung im Insolvenzverfahren von A-Z Rn. 59; MünchKomm-InsO/Nowak, 2. Aufl. InsVV § 1 Rn. 16; HmbKomm-InsO/Büttner, 3. Aufl. InsVV § 1 Rn. 16; FK-InsO/Lorenz, 5. Aufl. InsVV § 1 Rn. 23; Eickmann/Prasser in Kübler/Prütting/Bork, InsO InsVV § 1 Rn. 43; Hess, Insolvenzrecht InsVV § 1 Rn. 36; Nerlich/Römermann/Madert, InsO InsVV § 1 Rn. 8), zu welcher der Bundesgerichtshof bisher noch nicht Stellung genommen hat, jedoch ausdrücklich zur Überprüfung und beruft sich damit auf die Grundsätzlichkeit der vom Beschwerdegericht stillschweigend zugrunde gelegten Rechtsauslegung. Insoweit ist die angeblich grundsätzliche Rechtsfrage von der Rechtsbeschwerdebegründung wohl noch hinreichend bezeichnet. Es fehlen indes die gleichfalls notwendigen Ausführungen dazu, inwieweit der genannte Rechtsgrundsatz umstritten oder seine Berechtigung objektiv zweifelhaft ist. Ohne derartige Ausführungen ist die Grundsatzbedeutung der Rechtssache jedenfalls nicht hinreichend dargelegt.
Tatsächlich ist auch nicht zweifelhaft, dass § 1 Abs. 2 Nr. 3 InsVV nur dann eingreift, wenn sich Forderung und Gegenforderung aufrechenbar oder sonst für den Insolvenzgläubiger verrechenbar gegenüberstehen. Nur dann kann aus den gegenüberstehenden Forderungen ein Überschuss gezogen werden. Und nur dann gewährt die Aufrechnungslage dem Insolvenzgläubiger eine bevorzugte, einem Absonderungsrecht ähnliche Rechtsposition (vgl. BGH, Urt. v. 9. Mai 1960 - II ZR 95/58, WM 1960, 720, 721 unter 3, b; v. 24. März 1994 - IX ZR 149/93, WM 1994, 1045, 1046 unter 1, c; v. 12. Juli 2007 - IX ZR 235/03, ZInsO 2007, 1107, 1109 unter II. 1. b, cc), die ebenso wie nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 InsVV die Anwendung des Überschussprinzips bei der Berechnungsgrundlage rechtfertigt. Im Beschwerdefall standen sich Forderung und Gegenforderung nicht aufrechenbar gegenüber, weil die Insolvenzmasse die in den Inhaberschuldverschreibungen verbrieften Forderungen erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben hatte (siehe § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO).
3. Verfahrensgrundrechte der Rechtsbeschwerdeführerin sind in den Tatsacheninstanzen nicht verletzt worden. Auf Vorbringen zu hypothetischen Entwicklungen, nach denen die Inhaberschuldverschreibungen nicht verpflichtend geworden wären, brauchte das Beschwerdegericht mangels Entscheidungserheblichkeit nicht einzugehen.
Die fehlende Erörterung eines Abschlages gemäß § 3 Abs. 2 Buchst. d) InsVV durch das Beschwerdegericht lässt nicht darauf schließen, dass entsprechendes Vorbringen der Rechtsbeschwerdeführerin nicht zur Kenntnis genommen worden ist. Denn dieses Vorbringen war für den Abschlagstatbestand unerheblich. Es kommt nicht darauf an, ob die begebenen Inhaberschuldverschreibungen sich nur von Juni bis August 2005 in den Händen des Insolvenzverwalters befanden. Denn die Masse umfasste bis zum 10. März 2005 die Rechtsposition, die der Insolvenzverwalter erst an diesem Tage durch § 5 des settlement agreements aufgegeben hat und die von der wirtschaftlich an der Verwertung der Absonderungsrechte interessierten Insolvenzgläubigerin mit dem Versprechen des compensation agreements vom gleichen Tage abgegolten wurde. Dass die Mitwirkung an dem Zustandekommen dieser Vereinbarungen an den Insolvenzverwalter geringe Anforderungen gestellt habe, hat die Rechtsbeschwerdeführerin selbst nicht behauptet. Nach Aktenlage, auf die sich das Beschwerdegericht bezogen hat, war das Gegenteil der Fall.
4. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.
Vorsitzender Richter am |
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