Entscheidungsdatum: 19.10.2017
Der Pfändungsfreibetrag ist nicht deshalb zu erhöhen, weil der Schuldner mit einer nicht unterhaltsberechtigten Person in einer sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft zusammenlebt und diese wegen Zurechnung seines Einkommens nicht hilfebedürftig ist.
Auf die Rechtsmittel des weiteren Beteiligten zu 1 werden die Beschlüsse der 6. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig vom 14. Dezember 2016 und des Amtsgerichts Braunschweig vom 20. Oktober 2016 aufgehoben.
Der Antrag des Schuldners vom 19. September 2016, seine Lebensgefährtin nach § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO als unterhaltsberechtigte Person festzustellen und ihm insoweit Vollstreckungsschutz zu gewähren, wird abgelehnt.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren hat der Schuldner zu tragen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
I.
Am 9. Juli 2014 wurde auf Antrag des Schuldners das Verbraucherinsolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet und der weitere Beteiligte zu 1 zum Treuhänder bestellt. Der Schuldner ist einem minderjährigen Kind aus erster Ehe (geboren am 12. Juni 2000) zum Unterhalt verpflichtet; eine Unterhaltspflicht gegenüber seiner ersten Ehefrau besteht nicht. Von seiner zweiten Ehefrau hat sich der Schuldner getrennt und zahlt ihr keinen Unterhalt. Das Insolvenzgericht beschloss am 12. Juli 2016 auf Antrag des Treuhänders, die zweite Ehefrau deswegen bei der Berechnung des pfändungsfreien Betrages unberücksichtigt zu lassen. Seit September 2016 bildet der Schuldner mit seiner Lebensgefährtin und deren zwei Kindern eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 2 und 3 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 15. September 2016 lehnte das Jobcenter den Antrag der Lebensgefährtin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab. Zur Begründung führte es aus, sie sei nicht hilfsbedürftig, weil die Einkünfte ihrer Kinder (Unterhalt und Kindergeld) und das Einkommen ihres Lebenspartners und Schuldners (unter Berücksichtigung beider Pfändungen) die maßgeblichen Beträge überstiegen.
Der Schuldner hat am 19. September 2016 beantragt, seine Lebensgefährtin bei der Bestimmung des unpfändbaren Betrages zu berücksichtigen. Das Insolvenzgericht hat antragsgemäß festgestellt, dass die Lebensgefährtin des Schuldners als Unterhaltsberechtigte im Sinne von § 850c ZPO ab dem 21. September 2017 zu berücksichtigen sei, wobei der sich für die Lebensgefährtin gemäß der Tabelle zu § 850c ZPO ergebende Betrag die Höhe von 364 € nicht übersteigen dürfe. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde des Treuhänders zurückgewiesen. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte der Treuhänder die Aufhebung der Entscheidungen des Insolvenz- und des Beschwerdegerichts und die Ablehnung des schuldnerischen Antrags erreichen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 575 Abs. 1, §§ 765a, 850c, 850f, 793 ZPO) und hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse.
1. Auf das Verfahren sind die Vorschriften der Insolvenzordnung in der bis zum 30. Juni 2014 geltenden Fassung anzuwenden (Art. 103h EGInsO). Der Insolvenzantrag ist vor dem 1. Juli 2014, nämlich am 26. Juni 2014, beim Insolvenzgericht eingegangen.
2. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt (ZInsO 2017, 1034): In den Fällen, in welchen dem Lebensgefährten des Schuldners Sozialleistungen im Hinblick auf eine bestehende Bedarfsgemeinschaft abgelehnt worden seien, bestehe eine faktische Unterhaltspflicht, weswegen nach § 850c Abs. 1 Satz 2, § 850f Abs. 1 Buchst. a und c, § 765a ZPO die in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen bei der Ermittlung des pfändungsfreien Betrags zu berücksichtigen seien und das Arbeitseinkommen des Schuldners dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen sei, wenn der notwendige Bedarf des Schuldners und der in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ansonsten tatsächlich nicht gedeckt sei.
3. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Lebensgefährtin des Schuldners ist weder gemäß § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO noch nach § 850f Abs. 1 Buchst. a oder c ZPO noch nach § 765a ZPO, auch nicht in analoger Anwendung dieser Regelungen, bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens des Schuldners zu berücksichtigen.
a) Nach § 36 Abs. 1 InsO, § 850f Abs. 1 Buchst. a ZPO in der seit dem 26. November 2016 geltenden Fassung kann das Insolvenzgericht als Vollstreckungsgericht dem Schuldner zwar auf Antrag von dem nach §§ 850c, 850d ZPO pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens einen Teil belassen, wenn dieser nachweist, dass bei Anwendung der Pfändungsfreigrenzen der notwendige Lebensunterhalt im Sinne des dritten, vierten und elften Kapitels des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII; Sozialhilfe) oder nach Kapitel 3 Abschnitt 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II; Grundsicherung für Arbeitsuchende) für sich und für die Personen, denen er Unterhalt zu gewähren hat, nicht gedeckt ist. Die Vorschrift soll im Interesse des Schuldners sicherstellen, dass diesem nach Durchführung der Pfändungsmaßnahme das Existenzminimum verbleibt, und im Interesse der Allgemeinheit, welche die Mittel für ergänzende Sozialhilfeleistungen aufzubringen hat, verhindern, dass der Gläubiger zu ihren Lasten befriedigt wird. Reicht der aus § 850c ZPO in Verbindung mit der dazu gehörigen Tabelle zu ermittelnde pfändungsfreie Teil des Arbeitseinkommens nicht aus, um den individuellen Lebensbedarf des Schuldners zu decken, und sind seine Bedürfnisse bei Bemessung des notwendigen Unterhalts nach § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht hinreichend berücksichtigt worden, kann dies über § 850f Abs. 1 ZPO ausgeglichen werden. Es ist dann der Schuldner, der - etwa durch eine Bescheinigung des für ihn zuständigen Sozialhilfeträgers - den Beweis zu erbringen hat, dass die ihm belassenen Mittel das Existenzminimum unterschreiten (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2003 - IXa ZB 225/03, FamRZ 2004, 620 zur alten Fassung der Regelung, die auf das Bundessozialhilfegesetz verwies).
Bei der Entscheidung ist die Differenz zu bilden zwischen dem fiktiv zu bestimmenden Arbeitslosengeld II oder der fiktiven Sozialhilfe und dem Einkommensteil, welcher dem Schuldner nach der Pfändung verbleibt. Der sich ergebende Betrag ist dem Schuldner zusätzlich zu belassen, soweit keine überwiegenden Belange der Gläubiger entgegenstehen (vgl. BeckOK-ZPO/Riedel, 2017, § 850f Rn. 13). Wie der notwendige Lebensunterhalt des Vollstreckungsschuldners nach § 850f Abs. 1 Buchst. a ZPO zu berechnen ist und ob in die Berechnung nur Personen einzustellen sind, denen der Schuldner entsprechend § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift Unterhalt gewährt (LG Heilbronn, Beschluss vom 28. November 2011 - 1 T 327/11 Hn nv; LG Mosbach, ZInsO 2012, 799; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 850f Rn. 2a aE; BeckOK-ZPO/Riedel, 2017, § 850f Rn. 19.1; MünchKomm-ZPO/Smid, 5. Aufl., § 850f Rn. 7; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 850f Rn. 3; Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO, 4. Aufl., § 850f Rn. 8; Musielak/Voit/Becker, ZPO, 14. Aufl., § 850f Rn. 2a; Gottwald/Mock, Zwangsvollstreckung, 7. Aufl., § 850f Rn. 8; Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl., Rn. 1176m; Goebel, ZVI 2008, 513) oder ob jede Person bei der Vergleichsberechnung zu berücksichtigen ist, "denen er Unterhalt zu gewähren hat", also auch aufgrund einer vertraglichen (Prütting/Gehrlein/Ahrens, ZPO, 9. Aufl., § 850f Rn. 21; vgl. auch LG Limburg, NJW-RR 2003, 365) oder einer anderen als in § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO genannten gesetzlichen Verpflichtung (vgl. Prütting/Gehrlein/Ahrens, aaO), ist streitig. Insbesondere ist streitig, ob in den Fällen, in denen Einkommen des Vollstreckungsschuldners bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II einem Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II zugerechnet wird, in der Vergleichsberechnung diese Person zu berücksichtigen ist (dafür OLG Frankfurt, ZVI 2008, 384; LG Essen, ZVI 2015, 155; Prütting/Gehrlein/Ahrens, aaO; Kothe, VuR 2008, 397; Zimmermann/Zipf, ZVI 2008, 378; dagegen LG Heilbronn, Beschluss vom 28. November 2011 - 1 T 327/11 Hn nv; LG Münster, Beschluss vom 31. Januar 2017 - 5 T 30/17 nv; VG Hannover, Beschluss vom 15. Juni 2009 - 2 B 1717/09 nv; BeckOK-ZPO/Riedel, aaO; Musielak/Voit/Becker, aaO; Goebel, aaO; Wiedemann, ZVI 2010, 291; offen gelassen OLG Köln, FamRZ 2009, 1697, 1698). Die hier zu § 850f Abs. 1 Buchst. a ZPO aufgeworfenen Fragen müssen nicht entschieden werden. Denn auch wenn zugunsten des Schuldners unterstellt wird, dass seine Lebensgefährtin als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft in die Vergleichsberechnung einzustellen ist, kommt eine Erhöhung des unpfändbaren Betrages nach dieser Regelung nicht in Betracht, weil der Schuldner schon nicht nachgewiesen hat, dass bei Berücksichtigung der Pfändungsfreigrenzen nach § 850c ZPO der notwendige Lebensunterhalt für sich und für die Lebenspartnerin nicht gedeckt ist (vgl. OLG Köln, aaO).
Der Schuldner hat schon nicht hinreichend vorgetragen, dass bei Anwendung der Pfändungsfreigrenzen nach § 850c ZPO der notwendige Lebensunterhalt gemäß §§ 19 ff SGB II - auch unter Berücksichtigung seiner Lebensgefährtin und deren beiden minderjährigen Kinder - nicht gedeckt ist. Sein pfändungsfreier Betrag betrug für die maßgebliche Zeit bis zum 30. Juni 2017 bei einer unterhaltsberechtigten Person und einem angenommenen Nettoeinkommen von 2.252,03 € - so die vom Schuldner vorgelegten Auskünfte des Jobcenters - 1.866,05 €, nach Abzug des Kindesunterhalts verblieben ihm mithin 1.488 €. Die vier Personen der Bedarfsgemeinschaft hatten ausweislich der Berechnungen des Jobcenters einen Gesamtbedarf von maximal 1.901,32 €. Einen höheren Bedarf hat der Schuldner nicht dargetan. Dieser Bedarf aber war und ist - ebenfalls ausweislich der Berechnungen des Jobcenters - gedeckt, weil die aus vier Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft Einnahmen (Kindergeld, Kindesunterhalt, Nettoeinkommen des Schuldners nach Abzug der Unterhaltszahlungen an seine Tochter und die an den Treuhänder abgeführten Beträge; vgl. zu Letzterem BSGE 102, 76 Rn. 44 iVm LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. April 2008 - L 28 B 1452/07 AS ER nv) in Höhe von abgerundet mindestens 2.100 € hatte und hat. Auch wenn der Bedarf des Schuldners nach den Berechnungen des Jobcenters ohne Einbeziehung der Lebensgefährtin und deren Kinder berücksichtigt wird und ihm die Wohnungskosten vollständig zugerechnet werden, lag sein Bedarf weit unter dem ihm nach § 850c ZPO verbliebenen Betrag.
b) Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen der § 36 Abs. 1 InsO, § 850f Abs. 1 Buchst. c ZPO vor. Nach dieser Regelung kann dem Schuldner aus dem gepfändeten Arbeitseinkommen oder den Lohnersatzleistungen ein über die Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO hinausgehender Betrag pfandfrei belassen werden, wenn der besondere Umfang der gesetzlichen Unterhaltspflichten dies erfordert. Hierzu zählen insbesondere die Fälle, in denen der Schuldner mehr als fünf Personen zum Unterhalt verpflichtet ist, weil solche Unterhaltspflichten nach § 850c ZPO nicht mehr berücksichtigt werden. Besondere Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten können ebenso Berücksichtigung finden (BeckOK-ZPO/Riedel, 2017, § 850f Rn. 24 f). Freiwillig übernommene Unterhaltsverpflichtungen, aber auch die sogenannten faktischen Unterhaltszahlungen im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft fallen nicht unter diese Regelung; denn es muss sich nach ihrem eindeutigen Wortlaut um gesetzliche Unterhaltspflichten handeln (vgl. LG Schweinfurt, Rpfleger 1984, 69; BeckOK-ZPO/Riedel, aaO Rn. 25; MünchKomm-ZPO/Smid, 5. Aufl., § 850f Rn. 7; Meller-Hannich in Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 3. Aufl., § 850f Rn. 8; Prütting/Gehrlein/Ahrens, ZPO, 9. Aufl., § 850f Rn. 25).
c) Eine Erhöhung des Pfändungsfreibetrags kann auch nicht unter Verweis auf § 765a ZPO begründet werden. Diese Vorschrift kann im Insolvenzverfahren über § 4 InsO gegebenenfalls entsprechend anwendbar sein (BGH, Beschluss vom 13. Februar 2014 - IX ZB 91/12, NZI 2014, 414 Rn. 11 mwN). § 765a ZPO ermöglicht den Schutz gegen Vollstreckungsmaßnahmen, die wegen ganz besonderer Umstände eine Härte für den Schuldner bedeuten, die mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Diese Vorschrift ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Anzuwenden ist § 765a ZPO nur dann, wenn im Einzelfall das Vorgehen des Gläubigers nach Abwägung der beiderseitigen Belange zu einem untragbaren Ergebnis führen würde. Der Gesetzgeber hat mit der restriktiven Fassung der Vorschrift klarstellen wollen, dass nicht jede Vollstreckungsmaßnahme, die für den Schuldner eine unbillige Härte bedeutet, die Anwendung der Härteklausel rechtfertigt. Die Vollstreckung soll erst an der Grenze der Sittenwidrigkeit haltmachen. Die Notwendigkeit, zur Sicherung des Lebensunterhalts Sozialhilfe in Anspruch nehmen zu müssen, begründet als solche keine sittenwidrige Härte (BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2004 - IXa ZB 228/03, BGHZ 161, 371, 374 f mwN; vom 2. Dezember 2010 - IX ZB 120/10, ZVI 2011, 96 Rn. 9). Die Anwendung des § 765a ZPO ermöglicht es nicht, der Masse kraft Gesetzes (§§ 35, 36 InsO) ausdrücklich zugewiesene Vermögenswerte wieder zu entziehen (BGH, Beschluss vom 15. November 2007 - IX ZB 34/06, NZI 2008, 93 Rn. 21; vom 2. Dezember 2010, aaO Rn. 5, 7). Die Pfändung von Einkünften, die nicht nach den Bestimmungen der §§ 850ff ZPO unpfändbar sind, begründet deshalb grundsätzlich keine sittenwidrige Härte im Sinne von § 765a ZPO (BGH, Beschluss vom 15. November 2007, aaO). Im Streitfall hat der Schuldner nicht dargelegt, dass der ihm nach SGB II zustehende notwendige Lebensunterhalt - sei es mit, sei es ohne Berücksichtigung der Lebensgefährtin - gefährdet sei.
d) Ebenso wenig durfte das Insolvenzgericht im Wege einer Gesamtanalogie zu § 765a Abs. 1 Satz 1, § 850c Abs. 1 Satz 2, § 850f Abs. 1 Buchst. b InsO den Pfändungsfreibetrag des Schuldners erhöhen, weil der Schuldner seiner Lebensgefährtin im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft faktisch Unterhalt leiste.
aa) Gemäß § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO erhöht sich der Pfändungsfreibetrag nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelung nur, wenn der Schuldner aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung seinem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, seinem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner oder einem Verwandten oder einem Elternteil Unterhalt gewährt. Nur gesetzliche, nicht auch vertragliche Unterhaltspflichten oder freiwillige Unterhaltsleistungen sind zu berücksichtigen. Ebenso wenig fallen Unterhaltsrenten, welche der Schuldner als Schadensersatz bezahlen muss, unter diese Regelung. Auch freiwillige Zahlungen an Stiefkinder oder Pflegekinder oder den Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft führen zu keiner Erhöhung des Pfändungsfreibetrags, auch wenn diese Personen im Haushalt des Schuldners wohnen (Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 850c Rn. 5; Musielak/Voit/Becker, ZPO, 14. Aufl., § 850c Rn. 4 f; MünchKomm-ZPO/Smid, 5. Aufl., § 850c Rn. 10; BeckOK-ZPO/Riedel, 2017, § 850c Rn. 6).
bb) Eine analoge Anwendung des § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO kommt nicht in Betracht, wenn der Schuldner freiwillig im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II) seiner Lebensgefährtin Unterhalt gewährt.
(1) Eine Analogie setzt eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Ob eine derartige Lücke vorhanden ist, ist vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrunde liegenden Regelungsabsicht zu beurteilen. Die vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Lücke muss dabei aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden können, weil sonst jedes Schweigen des Gesetzgebers als planwidrige Lücke im Wege der Analogie von den Gerichten ausgefüllt werden könnte (BGH, Beschluss vom 8. September 2016 - IX ZB 72/15, NJW 2016, 3726 Rn. 12; vom 4. Mai 2017 - IX ZB 92/16, WM 2017, 1218 Rn. 14). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Der Gesetzgeber hat sich erst Ende des Jahres 2007 mit dem Verhältnis von Unterhaltsansprüchen in der Zwangsvollstreckung beschäftigt und § 850d ZPO mit Gesetz vom 21. Dezember 2007 mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert. Obwohl zu diesem Zeitpunkt die sozialhilferechtlichen Vorschriften im SGB II und XII schon rund drei Jahre in Kraft waren, hat er keinen Anlass gesehen, Leistungen im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft in den §§ 850d, 850f ZPO zu berücksichtigen (Göbel, ZVI 2008, 513, 515). Mit Gesetz vom 21. November 2016 hat der Gesetzgeber mit Wirkung vom 26. November 2016 § 850f Abs. 1 Buchst. a ZPO geändert und die Regelung an die geänderte Gliederung des in Bezug genommenen SGB XII angepasst (Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17. Februar 2016, BT-Drucks. 18/7560 S. 39), die sozialrechtliche Bedarfsgemeinschaft wird nicht erwähnt. Nachdem der Gesetzgeber ausdrücklich in § 850c Abs. 1 Satz 2, § 850d, § 850f Abs. 1 Buchst. c ZPO von gesetzlichen Unterhaltsansprüchen spricht und diese damit von sonstigen Unterhaltsleistungen abgrenzt, kann nicht angenommen werden, dass er die Unterscheidung nicht erkannt hat (vgl. Göbel, ZVI 2008, 513, 515; Musielak/Voit/Becker, ZPO, 14. Aufl., § 850f Rn. 2a).
(2) Es besteht auch kein Bedürfnis für die Gerichte, den Pfändungsschutz zugunsten von in Bedarfsgemeinschaft mit dem Schuldner zusammenlebenden Personen zu erweitern, auch wenn diese infolge der Zurechnung des Einkommens des Schuldners nicht mehr hilfsbedürftig im Sinne des SGB II sind. Durch die Erweiterung des Pfändungsschutzes würden die Gläubiger ohne Rechtfertigung unter Eingriff in ihre grundrechtlich geschützten Positionen benachteiligt, weil ihre Vollstreckungsaussichten geschmälert würden. Zu den Eigentumsrechten im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG gehören auch schuldrechtliche Forderungen. Der verfassungsrechtlich gewährleistete Schutz erstreckt sich insbesondere auf das Befriedigungsrecht des Gläubigers. Pfändungsverbote sind nur aus Gründen des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG) gerechtfertigt. Pfändungshindernisse sind in Abwägung mit dem durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Befriedigungsrecht der Gläubiger allenfalls wirksam, soweit sonstige, überwiegende Gründe das zwingend erfordern (BGH, Beschluss vom 25. August 2004 - IXa ZB 271/03, BGHZ 160, 197, 200 f; vom 18. September 2014 - IX ZB 68/13, NZI 2014, 957 Rn. 22; vom 20. Oktober 2016 - IX ZB 66/15, NJW 2017, 959 Rn. 20).
Aus der Garantie der Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsgrundsatz des Art. 20 Abs. 1 GG ergibt sich nicht nur die Verpflichtung des Staates, dem Einzelnen notfalls auch die zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigten Mittel zur Verfügung zu stellen, sondern auch das Gebot, dem Einzelnen das selbst erzielte Einkommen bis zu einem bestimmten Betrag nicht zu entziehen. Dieser für die Durchsetzung fiskalischer Interessen des Staates ausgesprochene Grundsatz gilt auch im Rahmen der Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozessordnung, wobei allerdings auch die Belange des Gläubigers zu berücksichtigen sind. Denn auch für das Gläubiger-Schuldner-Verhältnis muss gelten, dass der Staat grundsätzlich nicht Zwangsmaßnahmen zur Verfügung stellen darf, um einem Einzelnen den Teil des Einkommens zu entziehen, der zur Sicherung des Existenzminimums erforderlich ist. Über das Existenzminimum hinaus ist für den erwerbstätigen Schuldner zudem anerkannt, dass ihm in der Vollstreckung mehr als das Existenzminimum verbleiben muss, damit er sich weiter um Arbeit bemüht (Lohnabstandsgebot; BGH, Beschluss vom 26. Juni 2014 - IX ZB 88/13, NZI 2014, 772 Rn. 13 mwN). Neben dem Existenzminimum des Schuldners schützt § 850c ZPO das erweiterte Existenzminimum derjenigen, welchen der Schuldner gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet ist, vor dem Vollstreckungszugriff der Gläubiger. Dies beruht auf dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie. Von diesem Schutz wird jedoch die Bedarfsgemeinschaft nicht erfasst (vgl. Göbel, ZVI 2008, 513, 514).
Es ist nicht Aufgabe der Gläubigergemeinschaft, sondern des Staates, das Existenzminimum der mit dem Schuldner zusammenlebenden Personen, welchen er nicht unterhaltspflichtig ist, zu sichern (vgl. Göbel, aaO). Jedenfalls enthält das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes infolge seiner Weite und Unbestimmtheit keine unmittelbaren Handlungsanweisungen, die durch die Gerichte ohne gesetzliche Grundlage in einfaches Recht umgesetzt werden könnten (BGH, Urteil vom 10. Juli 2014 - IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 Rn. 29). Mithin durfte der Pfändungsfreibetrag für den Schuldner nicht allein deswegen erhöht werden, weil er mit einer Lebensgefährtin in einer sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft zusammenlebt, die wegen der Zurechnung seines Einkommens nicht hilfsbedürftig ist.
III.
Der Antrag des Schuldners, die Lebensgefährtin zu berücksichtigen und den Pfändungsfreibetrag zu erhöhen, war deswegen abzulehnen. Der Senat konnte nach § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
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