Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 04.06.2014


BGH 04.06.2014 - IV ZB 2/14

Verstoß gegen die Pflicht zur Berücksichtigung von Vorbringen; Umfang der Auskunftspflicht eines beschenkten Dritten im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruch; Berücksichtigung des Kostenaufwands für die Abwehr von Vollstreckungsversuchen bei der Bemessung der Beschwer einer Verurteilung zu einer unmöglichen Auskunft


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
04.06.2014
Aktenzeichen:
IV ZB 2/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Celle, 9. Dezember 2013, Az: 6 U 108/13vorgehend LG Verden, 25. September 2013, Az: 5 O 113/13
Zitierte Gesetze

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 9. Dezember 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: bis 1.000 €

Gründe

1

I. Die Kläger nehmen den Beklagten als Beschenkten im Wege der Stufenklage auf Ergänzung ihres Pflichtteils nach dem am 2. Februar 2011 verstorbenen Erblasser in Anspruch. Das Landgericht hat den Beklagten mit Teilurteil vom 25. September 2013 verurteilt, Auskunft zu erteilen, welche Vermögensbestandteile ihm in der Zeit vom 2. Februar 2001 bis zum 1. Februar 2011 vom Erblasser, geboren am 1. Februar 2023 (richtig muss es heißen: 1. Februar 1923), sei es entgeltlich oder unentgeltlich übertragen wurden, und zwar durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses, welches folgende Punkte umfasst:

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- alle in dem vorgenannten Zeitraum übertragenen Gegenstände, Immobilien, Grundstücke, Forderungen einschließlich Bargeld und sonstige geldwerte Vermögenspositionen einschließlich Jagdrechte, sowie Mitgliedschaftsrechte in der Ritterschaft des Herzogtums Verden und des Ritterschaftlichen Kollegiums des Fürstentums Lüneburg mit Sitz in Celle (Aktiva),

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- alle im vorgenannten Zeitraum insoweit vorhandenen Verbindlichkeiten,

4

- Vorlage der entsprechenden privatschriftlichen oder notariellen Verträge.

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Der Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Mit Beschluss vom 14. November 2013 hat das Berufungsgericht den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 300 € festgesetzt. In seiner Berufungsbegründung vom 2. Dezember 2013 hat der Beklagte zur Zulässigkeit der Berufung und zur Beschwer im Einzelnen Stellung genommen.

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Das Berufungsgericht hat die Berufung mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen. Der Streitwert im Berufungsverfahren richte sich nach dem für den Beklagten mit der Auskunft verbundenen Aufwand, den das Gericht - was der Beklagte der Höhe nach nicht angreife - auf 300 € geschätzt habe.

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II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Die Entscheidung des Berufungsgerichts verletzt den Beklagten in seinem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und in seinem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip), das es den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. September 2013 - XII ZB 200/13, NJW 2014, 77 Rn. 4; vom 23. Januar 2013 - XII ZB 167/11, NJW-RR 2013, 1010 Rn. 4).

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1. Wird bei einer Stufenklage - wie hier - eine Verurteilung zur Auskunft ausgesprochen, so ist für die Bemessung des Werts des Beschwerdegegenstandes das Interesse des Rechtsmittelführers maßgebend, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Abgesehen von dem hier nicht gegebenen Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses kommt es grundsätzlich auf den Aufwand an Zeit und Kosten an, den die Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert (Senatsbeschlüsse vom 9. November 2011 - IV ZB 23/10, ZEV 2012, 149 Rn. 13; vom 10. März 2010 - IV ZR 255/08, FamRZ 2010, 891 Rn. 6). Soweit das Berufungsgericht hiervon ausgehend den für den Beklagten mit der Auskunft verbundenen Aufwand auf 300 € geschätzt hat, den der Beklagte der Höhe nach nicht angegriffen habe, hat es dessen Vortrag in der Berufungsbegründung vom 2. Dezember 2013 nicht bzw. nicht hinreichend zur Kenntnis genommen. Der Beklagte hat vorgetragen, sollte das Urteil des Landgerichts dahin zu verstehen sein, dass er verpflichtet wäre, alle einzelnen Grundstücke und Inventargegenstände mit einer Objektbeschreibung als Grundlage für eine Verkehrswertermittlung vorzulegen, würde eine solche Auskunft ihn mehrere Tausend Euro kosten. Hierzu hat er unter Beweisantritt behauptet, allein die dann geschuldete Auskunft für die Objektbeschreibung der einzelnen Parzellen des übertragenen Grundbesitzes erfordere einen Aufwand von 1.900 € netto. Bezüglich der Inventargegenstände käme ein weiterer Aufwand von 500 € bis 700 € dazu, so dass seine Beschwer mindestens 3.000 € betrage.

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Die Gewährleistung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Bei vom Gericht entgegengenommenem Vorbringen der Parteien ist zwar grundsätzlich davon auszugehen, dass dies geschehen ist, obgleich das Gericht nicht verpflichtet ist, jedes Vorbringen in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Das Verfahrensgrundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG schützt auch nicht davor, dass das Vorbringen eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt bleibt. Ebenso wenig bietet es Schutz davor, dass das Gericht die Rechtsansicht eines Beteiligten nicht teilt (BVerfG MDR 2013, 1113 Rn. 14). Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Berücksichtigung von Vorbringen liegt aber dann vor, wenn im Einzelfall zu erkennen ist, dass erhebliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist. So kann es sich verhalten, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Vortrags einer Partei zu einer zentralen Frage des Verfahrens in den Entscheidungsgründen nicht eingeht (BVerfG aaO Rn. 15). Das ist hier geschehen, da das Berufungsgericht unzutreffend davon ausgeht, der Beklagte habe den zuvor mit Beschluss vom 14. November 2013 geschätzten Aufwand von 300 € der Höhe nach nicht angegriffen. Das ist, wie sich aus der Berufungsbegründung im Einzelnen ergibt, nicht der Fall.

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2. Bei dem Umfang des Aufwands, der mit der Auskunftserteilung verbunden ist, hat das Berufungsgericht ferner nicht hinreichend gewürdigt, dass das Landgericht den Beklagten zu einer umfassenden Auskunft durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses mit Aktiva und Passiva einschließlich der Vorlage der entsprechenden Urkunden verurteilt hat. Eine derart umfassende Auskunftserteilung schuldet der Beklagte von vornherein nicht. Er selbst ist nicht Erbe, sondern wird von den Klägern als beschenkter Dritter im Wege eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs gemäß §§ 2325, 2329 BGB in Anspruch genommen. Zwar hat der Bundesgerichtshof die Auskunftspflicht des Erben gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB in persönlicher Hinsicht auch auf den beschenkten Dritten ausgedehnt (Senatsurteile vom 19. April 1989 - IVa ZR 85/88, BGHZ 107, 200, 203; vom 9. November 1983 - IVa ZR 151/82, BGHZ 89, 24, 27; MünchKomm-BGB/Lange, 6. Aufl. § 2314 Rn. 44). Anders als der Erbe schuldet der beschenkte Dritte aber nicht ein Bestands- oder Vermögensverzeichnis mit allen Aktiva oder Passiva. Vielmehr hat er, wie das Berufungsgericht dem Grunde nach zutreffend erkennt, Auskunft nur über die an ihn geflossenen Zuwendungen zu erteilen, bei denen es sich um Schenkungen handelt oder um Veräußerungen, von denen streitig und ungeklärt ist, ob sie eine Schenkung darstellen, sofern sie nur unter Umständen erfolgt sind, die die Annahme nahe legen, es handele sich in Wirklichkeit - wenigstens zum Teil - um eine Schenkung. Es ist nicht ersichtlich, wie der Beklagte mit einem Aufwand von bis zu 300 € in der Lage sein sollte, den umfassenden Auskunftsverpflichtungen zu entsprechen, zu denen er durch das landgerichtliche Urteil verurteilt worden ist. Ihm ist es auch nicht zuzumuten, sich lediglich im Verfahren der Zwangsvollstreckung auf ein Unterlassen derselben und Herausgabe des Titels unter dem Gesichtspunkt des § 826 BGB verweisen zu lassen (hierzu vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO 30. Aufl. Vor § 322 Rn. 72 ff.).

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3. Schließlich hat das Berufungsgericht das Vorbringen des Beklagten, er könne keine weitergehende Auskunft erteilen, da den Klägern die beiden maßgeblichen notariellen Verträge vom 29. April 2005 bereits vorlägen und er nicht mehr erhalten habe, als dasjenige, was Gegenstand dieser beiden Verträge gewesen sei, gehörswidrig nicht ausreichend in seinen Erwägungen berücksichtigt. Der Beklagte hat hierzu geltend gemacht, die Kläger seien mit der erteilten Auskunft nicht zufrieden, so dass er sich gegen die von ihnen bereits mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2013 gestellten Anträge auf Festsetzung eines Zwangsgeldes, hilfsweise Zwangshaft, zur Wehr setzen müsse .Er beruft sich damit nicht nur darauf, er habe seine Auskunftsverpflichtung bereits erfüllt, sondern auch darauf, eine weitere Auskunftserteilung auf der Grundlage des vom Landgericht ausgesprochenen Tenors sei ihm unmöglich. Ist ein Beklagter im Rahmen der Verurteilung zur Auskunft zu einer nach seinem Vortrag unmöglichen Leistung verurteilt worden, so ist bei der Bemessung der Beschwer auch der zu erwartende Kostenaufwand zu berücksichtigen, der notwendig wäre, um mit anwaltlicher Hilfe Vollstreckungsversuche abzuwenden (BGH, Versäumnisurteil vom 10. Dezember 2008 - XII ZR 108/05, FamRZ 2009, 495 Rn. 12; Zöller/Herget, ZPO 30. Aufl. § 3 Rn. 16 "Auskunft"). Da im Verfahren der Zwangsvollstreckung gemäß Kostenverzeichnis Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG VV 3309, 3310 bis zu 0,6 Rechtsanwaltsgebühren zuzüglich Auslagen und Mehrwertsteuer anfallen können, belaufen sich allein die für das Abwehrinteresse des Beklagten maßgeblichen Rechtsanwaltskosten bei dem erstinstanzlich festgesetzten Streitwert von 78.123 € bereits auf über 600 €.

12

Nach § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO ist die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, welches auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen erneut über die Zulässigkeit der Berufung zu befinden haben wird.

Mayen                                    Wendt                                    Felsch

               Harsdorf-Gebhardt                        Dr. Karczewski