Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 09.11.2011


BGH 09.11.2011 - IV ZB 23/10

Verurteilung zur Auskunft: Wert des Beschwerdegegenstandes


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
09.11.2011
Aktenzeichen:
IV ZB 23/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Frankfurt (Oder), 6. September 2010, Az: 15 S 129/09, Beschlussvorgehend AG Bernau, 2. Juli 2009, Az: 10 C 311/08 (025)
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt/Oder vom 6. September 2010 wird auf Kosten des Beklagten verworfen.

Gegenstandswert: bis 300 €

Gründe

1

I. Die Parteien streiten um einen Auskunftsanspruch.

2

Der Beklagte ist der Alleinerbe seines am 14. Mai 2007 verstorbenen Vaters. Mit privatschriftlicher Vereinbarung vom 16. Juni 2007 erklärte sein Bruder (im Folgenden: Schuldner) ihm gegenüber, dass er auf den ihm zustehenden Pflichtteilsanspruch im Hinblick auf vom Erblasser geleistete Unterhaltszahlungen an seine (des Schuldners) Kinder verzichte.

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Der Kläger ist der im Insolvenzverfahren bestellte Treuhänder des Schuldners. Er hält den erklärten Pflichtteilsverzicht für unwirksam, hat ihn ferner gemäß §§ 133, 138 InsO angefochten und begehrt deshalb vom Beklagten Auskunft über den Nachlassbestand unter Vorlage eines von einem Notar aufgenommenen Verzeichnisses.

4

Das Amtsgericht hat den Beklagten, gestützt auf die Insolvenzanfechtung, antragsgemäß verurteilt und den Streitwert im Urteil auf 3.600 € festgesetzt. Über den Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung hat es im Urteil nicht entschieden.

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Einen daraufhin vom Beklagten gestellten Antrag auf Urteilsberichtigung hat es zur Entscheidung an das Landgericht abgegeben, bei dem der Beklagte bereits Berufung eingelegt hatte.

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Das Berufungsgericht hat den Berichtigungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.

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II. Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.

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1. Soweit der Beklagte sich gegen die Ablehnung seines Berichtigungsantrages wendet, ist das Rechtsmittel bereits unstatthaft. Der Beschluss, der einen Berichtigungsantrag nach § 319 ZPO zurückweist, ist gemäß § 319 Abs. 3 ZPO nicht anfechtbar.

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2. Soweit der Beklagte sich gegen die Verwerfung seiner Berufung wendet, ist die Rechtsbeschwerde zwar gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft; es fehlt jedoch an den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO.

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a) Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € nicht übersteige; dieser richte sich nach dem Aufwand des Beklagten an Zeit und Kosten für die zu erteilende Auskunft und sei hier auf 250 € zu schätzen.

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Es hat weiter ausgeführt, dass die Berufung auch nicht nach § 511 Abs. 4 ZPO - insoweit habe es die unterbliebene Entscheidung des Amtsgerichts nachzuholen - zuzulassen sei.

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b) Diese Annahmen des Berufungsgerichts werfen weder grundsätzliche Fragen auf noch erfordern sie ein Tätigwerden des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts.

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aa) Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass im Falle der Verurteilung zur Auskunft für die Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes das Interesse des Rechtsmittelführers maßgebend ist, die Auskunft nicht erteilen zu müssen, und dass sich dieses abgesehen von den Fällen eines besonderen Geheimhaltungsinteresses nach dem Aufwand an Zeit und Kosten richtet, den die Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert (grundlegend BGH, Beschluss vom 24. November 1994 - GSZ 1/94, BGHZ 128, 85, 87 f.; ferner Beschluss vom 10. August 2005 - XII ZB 63/05, BGHZ 164, 63, 65 f.; Senatsbeschlüsse vom 10. März 2010 - IV ZR 255/08, FamRZ 2010, 891 Rn. 6; vom 1. Oktober 2008 - IV ZB 27/07, ZEV 2009, 38 Rn. 4; vom 30. April 2008 - IV ZR 287/07, FamRZ 2008, 1346 Rn. 5 f.; vom 20. Februar 2008 - IV ZB 14/07, NJW-RR 2008, 889 Rn. 13 f.).

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(1) Die Auffassung der Beschwerde, dass hiervon eine Ausnahme zu machen sei, wenn das Amtsgericht einen Streitwert festsetzt, nach dem die Berufung zulässig wäre, und aus diesem Grunde nicht über eine Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 ZPO entscheidet, trifft nicht zu.

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Hat das erstinstanzliche Gericht nur deshalb nicht über die Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 ZPO entschieden, weil es rechtsirrtümlich davon ausgegangen ist, dass sein Urteil ohnehin aufgrund einer ausreichenden Beschwer der unterlegenen Partei mit der Berufung anfechtbar ist -, so wie dies hier ausweislich des Ausspruchs zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und der richterlichen Verfügung vom 21. August 2009 der Fall ist, so muss das Berufungsgericht die Entscheidung darüber nachholen, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO erfüllt sind (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2010 - VI ZB 74/08, VersR 2011, 646 Rn. 12 m.w.N.; st. Rspr.). Schon dadurch ist gewährleistet, dass beim Vorliegen von Zulassungsgründen das Rechtsmittelverfahren ungeachtet einer niedrigeren Beschwer durchgeführt werden kann. Ein Anlass, den Beschwerdewert abweichend vom Regelfall anzunehmen, besteht daher in dieser Fallgestaltung nicht.

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(2) Die Beschwerde stellt zum anderen zur Überprüfung, ob der Aufwand des Pflichtteilsschuldners auch dann maßgeblich ist, wenn der Pflichtteilsanspruch als solcher zu klärende Rechtsfragen aufwerfe, die im Prozess über die Auskunft nicht geklärt würden, was hier der Fall sei.

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Auch insoweit stellen sich indes keine grundsätzlichen Fragen und bedarf es einer Rechtsfortbildung nicht. Das Interesse des Beklagten, die von der klagenden Partei letztlich angestrebte Leistung nicht erbringen zu müssen, bleibt bei der Wertbemessung gerade deshalb außer Betracht, weil es durch die Verurteilung zur Auskunft nicht berührt wird, da diese für den Grund des Hauptanspruchs keine Rechtskraft schafft (BGH, Beschluss vom 3. Februar 1988 - IVb ZB 205/87, NJW-RR 1988, 693 unter II 1; st. Rspr.). Die Klärung insoweit streitiger Rechtsfragen bleibt folglich dem Leistungsprozess vorbehalten.

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bb) Klärungsbedürftige und entscheidungserhebliche Fragen zur Reichweite des § 311b Abs. 3 BGB sind nicht ersichtlich. Das Amtsgericht hat seine Entscheidung nicht auf eine etwaige Formunwirksamkeit des Erlassvertrages nach dieser Bestimmung gestützt.

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Auch im Zusammenhang mit einem etwaigen Anspruchsübergang auf den Sozialversicherungsträger nach § 33 SGB II stellen sich keine grundsätzlichen Fragen. Wie vom Berufungsgericht zutreffend ausgeführt, ist die Aktivlegitimation des Klägers schon deshalb nicht fraglich, weil der Beklagte nicht dargelegt hat, in welcher Höhe Leistungen nach dem SGB II an den Schuldner erbracht worden sind, die allenfalls in entsprechender Höhe zu einem Anspruchsübergang nach § 33 SGB II geführt haben können.

20

Soweit das Amtsgericht eine Anfechtbarkeit des Vertrages vom 16. Juni 2007 nach §§ 133, 138 InsO angenommen hat, hat es zwar hieraus zu Unrecht auf eine Unwirksamkeit des Vertrages geschlossen. Die Rechtsfolge eines Rückgewähranspruchs gemäß § 143 Abs. 1 InsO, die das Auskunftsbegehren trägt, wird von diesem Fehler jedoch nicht beeinflusst. Die Bejahung der Tatbestandsvoraussetzungen im Übrigen beruht auf einer rein einzelfallbezogenen Würdigung; anderes zeigt auch die Beschwerde nicht auf.

Dr. Kessal-Wulf                                             Wendt                                                 Felsch

                                        Lehmann                                       Dr. Brockmöller