Entscheidungsdatum: 12.11.2015
Die Aufrechnung gegenüber einem Schadensersatzanspruch wegen konventionswidriger Sicherungsverwahrung mit einer Kostenforderung aus einem neuen Strafverfahren, in dem erneut Sicherungsverwahrung angeordnet wurde, ist zulässig.
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 6. März 2015 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Die Parteien streiten um die Zulässigkeit der Aufrechnung gegen einen Schadensersatzanspruch aus Art. 5 Abs. 5 EMRK.
Der Kläger wurde durch Urteil des Landgerichts B. vom 23. Oktober 1986 unter anderem wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Zugleich ordnete das Gericht unter Berücksichtigung mehrerer einschlägiger Vorstrafen seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an. Diese wurde - nach Verbüßung der Freiheitsstrafe unter Anrechnung von Untersuchungshaft - ab 2. November 1988 vollzogen.
Nach § 67d Abs. 1, 3 StGB in der im Zeitpunkt der Verurteilung des Klägers geltenden Fassung des Zweiten Gesetzes zur Reform des Strafrechts vom 4. Juli 1969 (BGBl. I 717) durfte die Dauer der erstmaligen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zehn Jahre nicht überschreiten. Durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl. I 160) wurde diese Regelung geändert. Die Höchstfrist entfiel; § 67d Abs. 3 StGB bestimmte nunmehr, dass nach Ablauf von 10 Jahren das Gericht die Sicherungsverwahrung für erledigt erklärt, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Hanges erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Zugleich wurde in dem neu angefügten Absatz 3 des - mittlerweile (durch Art. 4 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010, BGBl. I S. 2300) in Gänze aufgehobenen - Art. 1a EGStGB festgelegt, dass § 67d StGB neuer Fassung uneingeschränkt Anwendung findet, also auch für Altfälle und damit für Straftäter gelten soll, die ihre Tat vor Verkündung und Inkrafttreten des Gesetzes begangen hatten und vor diesem Zeitpunkt verurteilt worden waren (siehe auch § 2 Abs. 6 StGB sowie BT-Drucks. 13/9062 S. 12).
Aufgrund der Gesetzesänderung wurde der Kläger nicht am 1. November 1998 entlassen. Vielmehr ordnete die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts A. nach Einholung von Sachverständigengutachten mehrfach die Fortdauer der Verwahrung an. Am 16. September 2010 wurde der Kläger entlassen, nachdem zuvor der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in dem Verfahren eines anderen Sicherungsverwahrten die rückwirkende Änderung des § 67d StGB beanstandet hatte (NJW 2010, 2495). In der Folgezeit beging der Kläger erneut Straftaten. Mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts E. vom 19. Juli 2013 wurde er unter anderem wegen schwerer sexueller Nötigung eines geistig Behinderten zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten verurteilt sowie die Sicherungsverwahrung angeordnet.
Der Kläger hat das beklagte Land nach Art. 5 Abs. 5 EMRK auf Entschädigung in Höhe von 108.425 € wegen konventionswidriger Freiheitsentziehung in der Zeit vom 2. November 1998 bis zum 16. September 2010 in Anspruch genommen. Das Landgericht hat - unter Abweisung der weitergehenden Klage - das Land zur Zahlung von 72.922,87 € verurteilt. Gegen diese Entscheidung haben beide Parteien Rechtsmittel eingelegt. Der Kläger hat - unter Klageerweiterung - die Zahlung weiterer 172.752,22 € verlangt. Das Land hat seine Berufung auf die vom Landgericht verneinte Frage beschränkt, ob gegen den titulierten Anspruch mit einer Justizkostenforderung in Höhe von 38.211,65 € aus dem Strafverfahren des Landgerichts E. aufgerechnet werden könne. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf das Rechtsmittel des Landes das erstinstanzliche Urteil dahingehend abgeändert, dass - unter Abweisung der weitergehenden Klage - das Land nur noch verurteilt wird, an den Kläger 34.711,22 € nebst Zinsen zu zahlen. Das Oberlandesgericht hat die Revision wegen Grundsatzbedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) - Zulässigkeit der Aufrechnung - zugelassen. Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision des Klägers.
Die Revision ist zulässig, in der Sache aber unbegründet.
I.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist die vom beklagten Land erklärte Aufrechnung zulässig.
Zwar sei eine Aufrechnung verboten, wenn sie nach der Eigenart des Schuldverhältnisses oder dem Zweck der geschuldeten Leistung als mit Treu und Glauben (§ 242 BGB) unvereinbar erscheine. Ein solcher Fall liege nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Hinweis auf Senat, Urteil vom 1. Oktober 2009 - III ZR 18/09, BGHZ 182, 301) regelmäßig bei der Aufrechnung mit Kostenerstattungsansprüchen des Staates gegenüber Amtshaftungsansprüchen eines Häftlings wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen vor. Hiervon unterscheide sich der vorliegende Sachverhalt aber grundlegend. Denn Amtshaftung sei verschuldensabhängig; bei menschenunwürdigen Haftbedingungen liege in der Regel sogar ein erhebliches Verschulden der zuständigen Amtsträger vor. Demgegenüber sei der Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 EMRK verschuldensunabhängig. Im Übrigen sei hier für ein Verschulden auch nichts ersichtlich. Dem Anspruch des Klägers auf immateriellen Schadensersatz fehle damit die im Senatsurteil (aaO) betonte Sanktions- und Präventionsfunktion; es bleibe lediglich die Genugtuungsfunktion. Damit unterscheide sich der Sachverhalt aber nicht von anderen Amtshaftungsfällen, in denen eine Aufrechnung grundsätzlich erlaubt sei.
Die Aufrechnung sei auch nicht in Anlehnung an die zu Art. 41 EMRK ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24. März 2011 (IX ZR 180/10, BGHZ 189, 65) wegen Unpfändbarkeit des Entschädigungsanspruchs gemäß § 394 Satz 1 BGB unzulässig. Die Eigenarten des vorliegenden Falls und insbesondere der Aufrechnungsforderung ließen vielmehr gemäß § 242 BGB ein Zurücktreten des Aufrechnungsverbots erforderlich erscheinen. Zu berücksichtigen sei dabei, dass seitens des beklagten Landes mit einem Anspruch aufgerechnet werde, der erst nach der entschädigungspflichtigen Freiheitsentziehung entstanden sei. Darüber hinaus beruhe die Forderung auf einer vorsätzlich begangenen erheblichen Straftat des Klägers. Letztlich würde die dem Kläger wegen der konventionswidrigen Sicherungsverwahrung zustehende Kompensationsleistung bei Zulassung der Aufrechnung dazu eingesetzt, einen Schaden auszugleichen, dessen Entstehung befürchtet worden sei und der (auch) durch die Fortdauer der Sicherungsverwahrung gerade habe verhindert werden sollen. Dem beklagten Land die Möglichkeit zu versagen, dem Kläger die von ihm aufgrund des weiteren Strafverfahrens geschuldete Forderung entgegenzuhalten, würde insoweit dem allgemeinen Gerechtigkeitsgefühl zuwiderlaufen.
II.
1. Das Oberlandesgericht hat die Revision nur beschränkt zugelassen. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Tenor des Urteils. Eine Eingrenzung der Rechtsmittelzulassung kann sich jedoch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn die Zulassung nur wegen einer bestimmten Rechtsfrage ausgesprochen wird, die lediglich für die Entscheidung über einen selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs erheblich ist (vgl. nur BGH, Urteil vom 27. September 2011 - II ZR 221/09, WM 2011, 2223 Rn. 18; Senat, Beschluss vom 27. März 2014 - III ZR 387/13, juris Rn. 4; jeweils mwN). In diesem Rahmen ist auch eine Beschränkung auf eine zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung möglich (vgl. nur Senat, Urteile vom 30. November 1995 - III ZR 240/94, NJW 1996, 527 und vom 1. Oktober 2009 - III ZR 18/09, BGHZ 182, 301 Rn. 7; BGH, Urteile vom 12. Januar 1970 - VII ZR 48/68, BGHZ 53, 152, 155; vom 3. November 1989 - V ZR 143/87, BGHZ 109, 179, 189 und vom 17. Juni 2008 - XI ZR 112/07, BeckRS 2008, 13187 Rn. 5; Beschluss vom 10. September 2009 - VII ZR 153/08, NJW-RR 2010, 572 Rn. 5).
2. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Aufrechnung des beklagten Landes zulässig. Da die Europäische Menschenrechtskonvention keine Regelung dazu enthält, ob gegen einen Schadensersatzanspruch nach Art. 5 Abs. 5 EMRK aufgerechnet werden kann oder dies verboten ist, richtet sich die Beantwortung dieser Frage nach nationalem Recht.
a) Nach § 242 BGB ist eine Aufrechnung ausgeschlossen, wenn die Natur der Rechtsbeziehung oder der Zweck der geschuldeten Leistung eine Erfüllung im Wege der Aufrechnung als mit Treu und Glauben unvereinbar erscheinen lassen (vgl. nur Senat, Urteil vom 24. Juni 1985 - III ZR 219/83, BGHZ 95, 109, 113; BGH, Urteile vom 22. März 2011 - II ZR 271/08, BGHZ 189, 45 Rn. 27 und vom 24. Juli 2012 - II ZR 297/11, BGHZ 194, 180 Rn. 33). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor.
aa) Zu Unrecht beruft sich der Kläger insoweit auf das Urteil des Senats vom 1. Oktober 2009 (III ZR 18/09, BGHZ 182, 301). Der Senat hat damals entschieden, dass es der Justizverwaltung grundsätzlich verwehrt ist, gegenüber dem Anspruch eines Strafgefangenen auf Geldentschädigung wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen nach § 839 BGB, Art. 34 GG mit einer Gegenforderung auf Erstattung offener Kosten des der Haft zugrunde liegenden Strafverfahrens aufzurechnen (siehe zur Unzulässigkeit der Pfändung eines solchen Anspruchs in Übernahme der Grundsätze der Senatsrechtsprechung auch BGH, Beschlüsse vom 5. Mai 2011 - VII ZB 17/10, NJW-RR 2011, 959 Rn. 8 ff und VII ZB 25/10, juris Rn. 9 ff). Hierbei hat der Senat (aaO Rn. 10 ff) auf die Funktion und den Zweck des Geldentschädigungsanspruchs wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen und auf die Eigenart des zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsverhältnisses abgestellt. Nach der Senatsrechtsprechung steht dem Häftling unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) ein Anspruch auf Geldentschädigung für immaterielle Schäden in Folge menschenunwürdiger Haftbedingungen zu, wenn die damit verbundene Beeinträchtigung ein Mindestmaß an Schwere erreicht hat und nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. Hierbei sind die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, der Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad des Verschuldens zu berücksichtigen. Der Anspruch auf Geldentschädigung gründet auf dem Schutzauftrag der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG und dient zum einen der Genugtuung des Verletzten, zum anderen der wirksamen Sanktion und Prävention; letzteres verstanden in dem Sinn, dass der Staat dazu angehalten wird, menschenunwürdige Haftbedingungen von vornherein zu vermeiden oder aber (mindestens) alsbald zu beseitigen. Damit diese Funktionen wirksam werden können, muss der Geldentschädigungsanspruch für den ersatzpflichtigen Staat spürbare Auswirkungen haben. Daran würde es vielfach fehlen, wenn die Erfüllung des Anspruchs im Wege der Aufrechnung mit einer Gegenforderung auf Erstattung der offenen - und vom Häftling meist nicht beizutreibenden - Strafverfahrenskosten herbeigeführt werden könnte. Insoweit liegt die Besorgnis nicht fern, dass der ersatzpflichtige Staat aufgetretene menschenunwürdige Haftbedingungen nicht so zügig wie geboten beseitigt, sondern aus fiskalischen Gründen längere Zeit hinnimmt und hierdurch nicht nur die Genugtuungs- und Sanktionsfunktion, sondern auch die Präventivfunktion des Anspruchs beeinträchtigt wird. Die Pflicht, den Häftling menschenwürdig unterzubringen, gehört aber zu den Kardinalpflichten der Justizvollzugsorgane. Der aus der Verletzung dieser Pflicht sich ergebende Anspruch erfordert eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Betroffenen, die weit über die mit der Haft als solche verbundenen Belastungen hinausgeht. Im Allgemeinen liegt bei der gebotenen wertenden Gesamtschau dem Anspruch auch ein erhebliches Verschulden der Staatsorgane zugrunde, das durchaus als vorsatznah einzustufen ist. Dies alles rechtfertigt es, die Aufrechnung als unzulässige Rechtsausübung anzusehen (Senat aaO).
bb) Hiermit ist der streitgegenständliche Sachverhalt nicht vergleichbar.
Der Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 EMRK ist verschuldensunabhängig; es handelt sich um einen Fall der Gefährdungshaftung für konventionswidriges Verhalten (vgl. nur Senat, Urteile vom 31. Januar 1966 - III ZR 118/64, BGHZ 45, 58, 65 ff; vom 29. April 1993 - III ZR 3/92, BGHZ 122, 268, 279 und vom 18. Mai 2006 - III ZR 183/95, MDR 2006, 1284, 1285).
Im Übrigen kommt ein Verschulden der staatlichen Organe auch nicht in Betracht. Die Amtsträger des beklagten Landes waren bei der Entscheidung, ob der Kläger nach Ablauf von 10 Jahren aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden musste, an die gesetzlichen Vorgaben in § 67d StGB (in der Fassung vom 26. Januar 1998) gebunden, deren Verfassungsmäßigkeit das Bundesverfassungsgericht - in Übereinstimmung mit der damaligen fachgerichtlichen Rechtsprechung - in seinem Urteil vom 5. Februar 2004 (BVerfGE 109, 133, 180 ff) ausdrücklich bestätigt hat und die davon abweichend erst durch Urteil vom 4. Mai 2011 (BVerfGE 128, 326, 388 ff) als mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG iVm Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar angesehen wurden. Dem Anspruch des Klägers auf Schadensersatz kommt daher keine Sanktionsfunktion im Sinn einer Bestrafung für schuldhaftes Fehlverhalten zu. Auch der beim Schadensersatz wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen wesentliche Präventionszweck ist nicht betroffen. Es geht vielmehr ausschließlich um den Ausgleich der Freiheitsentziehung sowie die Genugtuung für den Kläger, der bei einem Anspruch aus Gefährdungshaftung allerdings nicht das gleiche Gewicht wie bei der Verschuldenshaftung zukommt. Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion hat aber jeder Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden, ohne dass sich hieraus ohne Weiteres ein Aufrechnungsverbot nach § 242 BGB ergibt.
Ferner unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem, der dem Senatsurteil vom 1. Oktober 2009 zugrunde lag, auch dadurch, dass die Kosten, mit denen das beklagte Land aufrechnet, aus einem nach der Entlassung des Klägers aus der Sicherungsverwahrung eingeleiteten Verfahren aus Anlass neuer - einschlägiger und schwerwiegender - Straftaten des Klägers resultieren. Es kann insoweit nicht als Gebot von Treu und Glauben angesehen werden, dem beklagten Land die Aufrechnung mit Ansprüchen zu versagen, die als Folge von Straftaten entstanden sind, zu deren Vermeidung die Sicherungsverwahrung des Klägers gerade dienen sollte.
Unter wertender Betrachtung aller Umstände kann deshalb nicht davon die Rede sein, dass die Aufrechnung des beklagten Landes rechtsmissbräuchlich ist.
b) Der Aufrechnung steht auch nicht § 394 Satz 1 BGB entgegen, wonach eine Aufrechnung gegen eine Forderung nicht stattfindet, wenn diese der Pfändung nicht unterworfen ist. Insoweit bedarf es keiner Entscheidung der vom Berufungsgericht erörterten Frage, unter welchen Voraussetzungen nach Treu und Glauben ausnahmsweise auch gegen eine nicht pfändbare Forderung aufgerechnet werden kann (vgl. hierzu etwa MüKoBGB/Schlüter, 6. Aufl., § 394 Rn. 13 ff; Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 394 Rn. 2; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearbeitung 2011, § 394 Rn. 59 ff; jeweils mwN). Denn der dem Kläger zustehende Anspruch ist nicht unpfändbar.
aa) Nach § 851 Abs. 1 ZPO ist eine Forderung in Ermangelung besonderer Vorschriften der Pfändung nur insoweit unterworfen, als sie übertragbar ist. Nach § 399 Alt. 1 BGB kann eine Forderung nicht abgetreten werden, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann. Dies ist unter anderem dann anzunehmen, wenn ohne Veränderung des Leistungsinhalts die dem Gläubiger gebührende Leistung mit seiner Person derart verknüpft ist, dass die Leistung an einen anderen Gläubiger als eine andere Leistung erscheinen würde, mithin die Identität der Forderung nicht gewahrt bliebe (vgl. nur BGH, Urteile vom 26. Januar 1994 - XII ZR 93/92, WM 1994, 557, 558 und vom 4. Dezember 2009 - V ZR 9/09, NJW-RR 2010, 1235 Rn. 12; Beschluss vom 22. Mai 2014 - IX ZB 72/12, WM 2014, 1141 Rn. 18). Diese Voraussetzung liegt hier aber nicht vor.
bb) Zu Unrecht beruft sich der Kläger insoweit auf das Urteil des IX. Zivilsenats vom 24. März 2011 (IX ZR 180/10, BGHZ 189, 65).
Dieses betraf eine vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Verfahren der Individualbeschwerde (Art. 34 EMRK) nach Art. 41 EMRK wegen überlanger Dauer eines Amtshaftungsprozesses zugebilligte Entschädigung (Urteil vom 5. Oktober 2006, Beschwerde Nr. 66491/01, EuGRZ 2007, 268). Der Gerichtshof hat insoweit festgestellt, dass der Beschwerdeführer Opfer eines besonders schwerwiegenden Verstoßes gegen das Recht auf ein Verfahren innerhalb angemessener Frist (Art. 6 Abs. 1 EMRK) geworden sei. Er habe wegen des verschleppten Verfahrens, das er fast während seines gesamten Berufslebens habe führen müssen, gelitten. Im Verfahren habe seine wirtschaftliche Existenz auf dem Spiel gestanden, was auch seine - nach Anhängigkeit der Beschwerde eingetretene - Insolvenz verdeutliche. Vor diesem Hintergrund hat der Gerichtshof dem Beschwerdeführer nach Billigkeit 45.000 € als Entschädigung für den immateriellen Schaden zugesprochen und angeordnet, dass die beklagte Bundesrepublik Deutschland ihm diese Summe (nebst 14.000 € für Kosten und Auslagen) binnen 3 Monaten nach Rechtskraft seiner Entscheidung (Art. 44 Abs. 2 EMRK) auszuzahlen habe (aaO S. 272). Dem kam die Beklagte nach.
Der Insolvenzverwalter erhob daraufhin Zahlungsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland mit der Begründung, die Entschädigung sei in die Insolvenzmasse gefallen, sodass nicht mit befreiender Wirkung an den Beschwerdeführer habe gezahlt werden können. Dem ist der IX. Zivilsenat nicht gefolgt. Er hat vielmehr die dem Beschwerdeführer vom Gerichtshof zuerkannte Entschädigung - mit Ausnahme der vom Gerichtshof zuerkannten Mehrkosten im vorausgegangenen innerstaatlichen Verfahren - als unpfändbar (§ 851 Abs. 1 ZPO, § 399 BGB) eingestuft, mit der Folge, dass diese nach § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht in die Insolvenzmasse fiel. Hierbei hat der IX. Zivilsenat (aaO Rn. 24) zunächst Bezug genommen auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs (Urteil vom 28. Juli 1999 - Beschwerde Nr. 25803/94, NJW 2001, 56, 61 mwN; betreffend eine Entschädigung wegen Folter in Polizeihaft und der möglichen Pfändung wegen einer Zollstrafe), nach der die Frage der Pfändbarkeit nicht in der Konvention geregelt sei, sondern sich nach nationalem Recht richte, wobei allerdings nach Auffassung des Gerichtshofs die von ihm im Verfahren nach Art. 41 EMRK einem Beschwerdeführer persönlich zuerkannte Entschädigung unpfändbar sein solle, was aber der "Einsicht" der nationalen Behörden überlassen bleibe. Der IX. Zivilsenat (aaO Rn. 41 ff) ist insoweit davon ausgegangen, dass die dem Beschwerdeführer zuerkannte Entschädigung derart mit seiner Person verknüpft sei, dass die Leistung an den Insolvenzverwalter zur Masse als eine andere Leistung erscheine, mithin die Identität der Forderung nicht gewahrt sei. Der Anspruch nach Art. 41 EMRK entstehe nicht von Gesetzes wegen, sondern durch eine konstitutive Ermessensentscheidung des Gerichtshofs. Dieser könne insoweit einem Beschwerdeführer im Falle einer Konventionsverletzung, für die das innerstaatliche Recht des beklagten Vertragsstaats nur eine unvollkommene Wiedergutmachung gestatte, eine gerechte Entschädigung zusprechen, wenn er dies für notwendig halte. Der vom Gerichtshof hier bezweckte persönliche Ausgleich der langjährigen Beeinträchtigungen und der dadurch bewirkten schwerwiegenden Rechtsverletzung könne nicht erreicht werden, wenn der Ausgleichsanspruch in die Insolvenzmasse falle. Die Entschädigung habe unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit ausdrücklich dem Schuldner zugutekommen sollen. Es erscheine ausgeschlossen, dass der Gerichtshof - dieser hat im Laufe des Beschwerdeverfahrens einen Antrag des Insolvenzverwalters auf Rubrumsberichtigung mit der Begründung abgelehnt, der Beschwerdeführer bleibe Partei des Verfahrens und der Insolvenzverwalter trete nicht an seine Stelle - diesen Anspruch zugebilligt hätte, wenn anstelle des Schuldners der Insolvenzverwalter das Verfahren für die Masse hätte aufnehmen und fortführen können. Die Insolvenzgläubiger hätten allein dadurch, dass der Schuldner in seinen Rechten verletzt worden sei, weder materielle noch immaterielle Einbußen erlitten, die ausgeglichen werden sollten. Die Auszahlung des zuerkannten Betrags an einen Vollstreckungsgläubiger oder die Masse würde deshalb den Leistungsinhalt grundlegend verändern.
cc) Aus diesem mit den Besonderheiten des Anspruchs aus Art. 41 EMRK begründeten Abtretungs- und Pfändungsverbot lässt sich aber nicht ableiten, dass Gleiches auch für den anders gelagerten Anspruch auf Schadensersatz nach Art. 5 Abs. 5 EMRK gilt. Art. 5 Abs. 5 EMRK gewährt dem von einer konventionswidrigen Freiheitsentziehung Betroffenen einen unmittelbaren - nicht anders als in sonstigen Amtshaftungsfällen vor den innerstaatlichen Gerichten geltend zu machenden - Anspruch auf Schadensersatz (vgl. nur Senat, Urteil vom 4. Juli 2013 - III ZR 342/12, BGHZ 198, 1 Rn. 28 mwN). Nach deutschem Recht sind Ansprüche wegen immaterieller Schäden - auch soweit es sich um Staatshaftungsansprüche handelt - aber grundsätzlich übertragbar sowie pfändbar und es kann gegen sie aufgerechnet werden (vgl. nur BGH, Urteil vom 24. März 2011 aaO Rn. 33; siehe auch Urteil vom 6. Dezember 1994 - VI ZR 80/94, NJW 1995, 783; Beschluss vom 22. Mai 2014 aaO Rn. 15; MüKoBGB/Oetker, 6. Aufl., § 253 Rn. 65 f; Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 253 Rn. 22; Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearbeitung 2005, § 253 Rn. 48; jeweils mwN). Dies gilt - soweit nicht spezielle Aufrechnungsverbote greifen - auch für den Anspruch auf immateriellen Schadensersatz wegen der Verletzung der Freiheit nach § 253 Abs. 2 BGB.
dd) Vormals enthielt allerdings § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. insoweit eine Einschränkung, als der Anspruch auf immateriellen Schadensersatz nicht übertragbar war und nicht auf die Erben überging, es sei denn, er war durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden. In diesem Umfang war der Anspruch dann nicht pfändbar (§ 851 Abs. 1 ZPO) und konnte gegen ihn nicht aufgerechnet werden (§ 394 Satz 1 BGB). Hintergrund dieser Regelung war allerdings nicht, dass im Hinblick auf die Höchstpersönlichkeit immaterieller Schäden und die dem Schadensersatz insoweit zukommende Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion Bedenken an der Übertragbarkeit und Vererblichkeit bestanden hätten. In den Motiven (vgl. Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, II. Band, S. 448) hieß es vielmehr:
"In Ermangelung einer besonderen Bestimmung würde der hier fragliche Entschädigungsanspruch .. unbeschränkt auf die Erben übergehen. Es lässt sich indessen nicht verkennen, dass es etwas Anstößiges hat, den Erben die Verfolgung eines Anspruchs zu gestatten, an dessen Geltendmachung der Verletzte vielleicht nicht dachte, sei es, weil er den betreffenden Schaden gar nicht empfunden hat, sei es, weil er aus persönlichen Rücksichten die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen wünschte. Es darf daher den Erben nicht gestattet sein, den Anspruch zu erheben, sofern dieser vom Verletzten selbst noch nicht geltend gemacht ist. Aus Gründen praktischer Zweckmäßigkeit zur Vermeidung der sonst zu besorgenden Streitigkeiten ist es ferner ratsam, den Übergang des Anspruchs auf die Erben nicht schon dann zuzulassen, wenn der Verletzte die Geldentschädigung auch nur außergerichtlich verlangt hat, sondern nur dann, wenn der Anspruch vertragsmäßig anerkannt oder rechtshängig geworden ist. Ähnliche Überlegungen wie die vorstehenden müssen dahin führen, in gleicher Weise wie die Vererblichkeit des Anspruchs auch seine Übertragbarkeit zu beschränken, namentlich im Hinblick auf solche Fälle, in welchen die Übertragung einer Forderung nicht vom Willen des Gläubigers abhängt."
§ 847 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. ist durch das Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze vom 14. März 1990 (BGBl. I 478) gestrichen worden. Der Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden sollte trotz seiner "höchstpersönlichen Natur" in vollem Umfang frei übertragbar und pfändbar sowie die Aufrechnung gegen ihn möglich sein (vgl. Begründung zum Gesetzesentwurf vom 25. April 1989, BT-Drucks. 11/4415 S. 4; Bericht des Rechtsausschusses vom 20. Oktober 1989, BT-Drucks. 11/5423, S. 4). Auch diese gesetzgeberische Wertentscheidung spricht dagegen, den Anspruch auf immateriellen Schadensersatz aus Art. 5 Abs. 5 EMRK unter § 399 Alt. 1 BGB zu subsumieren.
ee) Der Übertragbarkeit, Pfändbarkeit und Aufrechenbarkeit steht letztlich auch nicht die gesetzgeberische Wertung in § 13 Abs. 2 des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen vom 8. März 1971 (BGBl. I 157) entgegen. Danach besteht für den Anspruch auf Entschädigung lediglich die Einschränkung, dass dieser bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Entschädigungsantrag nicht übertragbar ist. Anspruch im Sinne des § 13 Abs. 2 StrEG ist auch der Anspruch auf Entschädigung für immaterielle Schäden nach § 7 Abs. 3 StrEG in Höhe von 25 € für jeden Tag der Freiheitsentziehung.
Der Gesetzgeber hat - ungeachtet der im Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucks. VI/460, S. 9) erfolgten Bezeichnung des Entschädigungsanspruchs als "persönlichkeitsgebunden" - die Übertragbarkeit ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Die eingefügte zeitliche Beschränkung sollte nur dem Schutz der Strafrechtspflege dienen und ein wirtschaftliches Interesse Dritter am Ausgang des Strafverfahrens vermeiden (siehe hierzu BT-Protokolle, 6. Wahlperiode, 84. Sitzung vom 9. Dezember 1970, S. 4707 f). Vergleichbare Gründe sind hier nicht gegeben. Selbst wenn man aber § 13 Abs. 2 StrEG analog anwenden wollte, würde sich hieraus nicht die Unzulässigkeit der Aufrechnung ergeben. Nach der Beschränkung der Berufung durch das beklagte Land auf die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung ist der dem Kläger zustehende Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 EMRK rechtskräftig festgestellt, was bei einem Anspruch auf Entschädigung nach §§ 1 ff StrEG für die Übertragbarkeit genügt. Im Übrigen wird nach allgemeiner Auffassung über den Wortlaut des § 13 Abs. 2 StrEG hinaus eine Übertragbarkeit auch dann angenommen, wenn und soweit es deshalb nicht zu einem Gerichtsverfahren kommt, weil die Landesjustizverwaltung in dem vorangehenden Antragsverfahren den Anspruch durch Bescheid nach § 10 Abs. 2 StrEG feststellt oder sich der Anspruch anderweitig durch Anerkenntnis oder Vergleich erledigt hat. In diesem Rahmen wird auch eine Aufrechnung der Landesjustizverwaltung mit Kostenforderungen allgemein als zulässig angesehen (vgl. nur Kunz, StrEG, 4. Aufl., § 13 Rn. 12; Meyer, Strafrechtsentschädigung, 9. Aufl., vor §§ 10-13 StrEG, Rn. 15 f, § 13 Rn. 21; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, GVG, Nebengesetze, 58. Aufl., § 13 StrEG Rn. 2; OLG Koblenz, OLGR 2008, 415 f; siehe auch OLG Hamm NJW 1975, 2075; LG Stuttgart MDR 1980, 590 mit zustimmender Anmerkung Schmierer; LG Saarbrücken ZfS 2010, 223, 224 mit zustimmender Anmerkung Hansens).
c) Die Revision lässt dahinstehen, ob der Aufrechnung des beklagten Landes § 393 BGB entgegensteht, wonach die Aufrechnung gegen eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung unzulässig ist. Dieses Aufrechnungsverbot scheidet jedoch offenkundig aus, da - wie bereits zu Ziffer 2a bb ausgeführt - die Amtsträger des beklagten Landes bei der Entscheidung, ob der Kläger nach Ablauf von 10 Jahren aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden musste, nicht schuldhaft gehandelt haben.
Seiters Wöstmann Dr. Remmert
Reiter Liebert