Entscheidungsdatum: 11.02.2010
Die Aufrechnung mit einem materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch wegen der Kosten eines selbstständigen Beweisverfahrens ist ungeachtet der Möglichkeit wirksam, dass in einem späteren Hauptsacheverfahren über die Prozesskosten entschieden wird .
Die Revisionen der Beklagten gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 24. Juni 2008 werden zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten des Revisionsverfahrens tragen die Beklagten zu 1 und 2 37 % als Gesamtschuldner und die Beklagte zu 1 63 % allein. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die Beklagten zu 1 und 2 89 % als Gesamtschuldner und die Beklagte zu 1 11 % allein. Die Beklagten zu 1 und 2 tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Der Beklagte zu 2 trägt die Kosten des Verfahrens über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision.
Von Rechts wegen
Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu 1 wegen mangelhafter Ausführung von Bauarbeiten an einem Wohn- und Geschäftshaus nebst Tiefgarage und gegen den Beklagten zu 2 wegen mangelhafter Objektüberwachung geltend.
Die Arbeiten wurden bis Sommer 2001 fertiggestellt. Von der Schlussrechnung der Beklagten zu 1 behielt die Klägerin 16.962,86 € als Sicherheit ein.
Wegen Wassereintritts in die Tiefgarage und Rissebildung am Wohngebäude führte die Klägerin 2004 ein selbständiges Beweisverfahren durch. Mit dort entstandenen Kosten rechnete die Klägerin gegen den restlichen Werklohnanspruch der Beklagten zu 1 mit Schreiben vom 31. Mai 2006 auf. Die Beklagte zu 1 hat die Ursache des Feuchtigkeitseintritts, eine undichte Randfuge zwischen Rampe und den seitlichen Wänden oberhalb des Tores zur Tiefgarage, nicht beseitigt.
Der am 26. Juli 2006 erhobenen Klage auf Zahlung von 28.773,44 € Schadensersatz und Feststellung weitergehender Schadensersatzverpflichtung hat das Landgericht teilweise stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagten unter anderem gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 27.700,-- € verurteilt und die Ersatzpflicht beider Beklagten für darüber hinausgehende Schäden an der Tiefgaragenabfahrt festgestellt. In den Gründen hat es die Revision gegen das Urteil zugelassen, soweit es um die Zulässigkeit "der vorprozessualen Aufrechnung mit einem materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch hinsichtlich der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens geht, dem später ein Hauptsacheverfahren folgt". Diese klägerische Aufrechnung hat es in Höhe von 13.152,26 € durchgreifen lassen.
Gegen das Urteil hat die Beklagte zu 1 Revision eingelegt, mit der sie ihre in der Berufungsinstanz gestellten Anträge vollumfänglich weiter verfolgt. Der Beklagte zu 2 hat vorsorglich für den Fall, dass die Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht nur beschränkt auf die Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung erfolgt sei, Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die der Senat mit Beschluss vom 10. September 2009 zurückgewiesen hat, und im übrigen Revision eingelegt.
Die Revisionen der Beklagten sind nicht begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat - soweit für die Revision noch von Bedeutung - ausgeführt, dass die Schadensersatzansprüche der Klägerin nicht durch die Aufrechnung der Beklagten zu 1 mit ihrer Restwerklohnforderung erloschen seien, weil die Klägerin zuvor ihrerseits wirksam gegen die Werklohnforderung vorprozessual die Aufrechnung unter anderem mit den Kosten des selbständigen Beweisverfahrens in Höhe von 13.152,26 € erklärt habe. In Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO falle dabei nicht ins Gewicht, dass die Klägerin im Ergebnis nicht mit allen im selbständigen Beweisverfahren geltend gemachten Mängel durchgedrungen sei, weil es sich insoweit lediglich um minimale Mängel und geringfügige Kosten für deren Beseitigung handele.
Da der materiell-rechtliche und der prozessuale Kostenerstattungsanspruch grundsätzlich nebeneinander beständen, stehe einer Geltendmachung im Wege der Aufrechnung nichts im Wege. Zwar könne eine isolierte Klage auf Kostenerstattung mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig sein, weil das Kostenfestsetzungsverfahren der einfachere Weg zum Titel sei und die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens solche des nachfolgenden Hauptsacheverfahrens seien. Auch die Einheitlichkeit der Kostenentscheidung könne eine selbständige Geltendmachung durch Klage oder Aufrechnung im anhängigen Hauptsacheverfahren verbieten. Das gelte aber nicht für die vorprozessual erklärte Aufrechnung. Ihr Ausschluss sei dogmatisch kaum zu begründen und führe zudem zu unbilligen Ergebnissen angesichts möglicher Quotierung bei der Kostenentscheidung in der Hauptsache, an der die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens teilnähmen. Zudem sei im Zeitpunkt vorprozessualer Aufrechnung oft noch nicht absehbar, ob es zum Hauptsacheverfahren komme.
II.
Das hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Klägerin hat gegen die Werklohnforderung der Beklagten zu 1 wirksam mit dem ihr zustehenden materiell-rechtlichen Anspruch auf Erstattung der im selbständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten aufgerechnet. Mit der Aufrechnung ist die Werklohnforderung der Beklagten zu 1 erloschen, § 389 BGB, so dass deren spätere im Prozess erklärte Aufrechnung gegen den Schadensersatzanspruch der Klägerin ins Leere ging (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juli 1971 - VII ZR 224/69, BGHZ 56, 312, 314 f.; Urteil vom 10. Oktober 1966 - VII ZR 30/65, NJW 1967, 34).
1. Das Berufungsgericht hat einen fälligen materiell-rechtlichen Anspruch der Klägerin auf Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten des selbständigen Beweisverfahrens gegen die Beklagten als Gesamtschuldner in Höhe von 13.152,26 € bejaht. Das wird von der Revision hingenommen.
2. Die vorprozessuale Aufrechnung der Klägerin mit diesem Anspruch ist wirksam.
Die Voraussetzungen der Aufrechnung nach § 387 BGB lagen vor. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Aufrechnung unzulässig sein sollte. Aus dem Gesetz ergibt sich ein derartiger Grund nicht.
Er kann entgegen der Auffassung der Revision auch nicht aus allgemeinen Grundsätzen abgeleitet werden, die zum Verhältnis des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs zum prozessualen Kostenerstattungsanspruch entwickelt worden sind. Nach diesen Grundsätzen kann die Durchsetzung eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs in einem Prozess (BGH, Urteil vom 24. April 1990 - VI ZR 110/89, BGHZ 111, 168, 171; Urteil vom 11. Mai 1989 - VII ZR 39/88, BauR 1989, 601 = ZfBR 1989, 200 jeweils m.w.N.) oder danach (BGH, Urteil vom 18. Mai 1966 - Ib ZR 73/64, BGHZ 45, 251, 257 f.; Urteil vom 22. November 2001 - VII ZR 405/00, BauR 2002, 519) eingeschränkt sein, soweit die geltend gemachten Kosten mit denjenigen Kosten identisch sind, die im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden können bzw. geltend gemacht worden sind. Diese Grundsätze dienen auch dazu, Unterschiede zwischen einer auf gleichem Sachverhalt beruhenden Entscheidung über den materiell-rechtlichen Anspruch einerseits und den prozessualen Kostenerstattungsanspruch andererseits zu vermeiden und räumen insoweit dem prozessualen Kostenerstattungsanspruch im Grundsatz den Vorrang ein, sofern ein Prozess geführt wird oder geführt worden ist. Inwieweit der Vorrang gilt und worauf er rechtlich gestützt werden kann, ist allerdings im Einzelnen Gegenstand der Auseinandersetzung in der Rechtsprechung und der Literatur (vgl. z.B. BAG, NZA 2009, 1300; BGH, Urteil vom 11. Dezember 1986 - III ZR 268/85, WM 1987, 247, 248 f.; OLG Koblenz, MDR 2009, 471; HK-ZPO/Gierl, 3. Aufl., vor §§ 91-107 Rdn. 15; Wieczorek/Schütze/Steiner, ZPO, 3. Aufl., vor § 91 Rdn. 9 ff.; Schneider, MDR 1981, 353; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., vor § 91 Rdn. 19 ff.). Nach einer Entscheidung des OLG Celle (OLGR 2004, 167) soll in Anwendung dieser Grundsätze die im Prozess erklärte Aufrechnung mit dem materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch unzulässig sein (ebenso Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., vor § 485 Rdn. 29; a.A. OLG Dresden, BauR 2003, 761).
Diese Grundsätze sind nicht anwendbar, wenn der Antragsteller mit dem Anspruch auf Erstattung der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens aufrechnet, ohne dass ein Prozess geführt wird oder geführt worden ist. Die Aufrechnung mit dem materiell-rechtlichen Anspruch kann ihm schon deshalb nicht versagt werden, weil er in diesen Fällen keinen prozessualen Kostenerstattungsanspruch hat und es auch nicht feststeht, dass er einen solchen Anspruch erlangt. Solange keine der Parteien ein Hauptsacheverfahren eingeleitet hat, kann dem Antragsteller ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch nicht entstehen. Eine isolierte Kostenentscheidung zu seinen Gunsten kann nicht ergehen, vgl. § 494 a Abs. 2 Satz 1 ZPO. Einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch kann der Antragsteller nur dadurch erreichen, dass er den Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens in einem Hauptsacheverfahren zwischen denselben Parteien geltend macht. Die Kosten des Beweisverfahrens werden dann von der Kostenentscheidung des Hauptsacheverfahrens erfasst, so dass sie im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen sind (BGH, Urteil vom 11. Mai 1989 - VII ZR 38/88, BauR 1989, 601 = ZfBR 1989, 200; Beschluss vom 22. Juli 2004 - VII ZB 9/03, BauR 2004, 1521 = NZBau 2004, 1651 = ZfBR 2005, 53; Beschluss vom 25. Mai 2005 - VII ZB 35/04, BauR 2005, 1799 = NZBau 2005, 687 = ZfBR 2006, 26; Beschluss vom 9. Februar 2006 - VII ZB 59/05, BauR 2006, 865 = NZBau 2006, 374 = ZfBR 2006, 348).
Ist noch kein Hauptsacheprozess anhängig, muss die Beurteilung der Wirksamkeit der Aufrechnung unabhängig davon erfolgen, ob später möglicherweise ein solcher geführt wird. Denn eine Beschränkung der Durchsetzbarkeit des materiell-rechtlichen Anspruchs im Wege der Aufrechnung könnte sich nur aus seiner Beziehung zu einem prozessualen Kostenerstattungsanspruch ergeben (vgl. Schneider, MDR 1981, 353). Dabei reicht die Möglichkeit nicht, dass ein Prozess eingeleitet werden könnte oder sogar bevorsteht. Es gibt keine rechtliche Grundlage, dem Kläger die Aufrechnung mit einem materiell-rechtlichen Anspruch auf Erstattung der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens außerhalb eines Prozesses zu beschränken. Zu Recht hat das Berufungsgericht im Übrigen darauf hingewiesen, dass dem Kläger, wollte man ihm die Aufrechnung versagen, sonst ungerechtfertigte Nachteile dadurch entstehen könnten, dass statt seiner nunmehr der Beklagte mit seiner Werklohnforderung gegen den Schadensersatzanspruch des Klägers aufrechnen könnte.
Ist die Aufrechnung einmal wirksam, so verliert sie nicht ihre Wirkung dadurch, dass später ein Prozess geführt wird, in dem über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens als Prozesskosten entschieden wird. Das käme, worauf das Berufungsgericht zu Recht hinweist, der Annahme einer durch die Nichterhebung der Hauptsacheklage bedingten Aufrechnung gleich, die nach § 388 Satz 2 BGB ausgeschlossen ist.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 565, § 516 Abs. 3 ZPO.
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