Entscheidungsdatum: 08.10.2015
1. Gegen ein zweites Versäumnisurteil, das von dem erstinstanzlich zuständigen Oberlandesgericht im Rahmen eines Verfahrens nach §§ 198 ff. GVG erlassen wird, findet die Revision ohne Zulassung und ohne Rücksicht auf den Wert des Beschwerdegegenstands statt.
2. Die Bestimmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil und die Hauptsache darf erst nach Eingang des Einspruchs erfolgen. In einem vorsorglich für den Fall des Einspruchs bestimmten Termin kann mangels ordnungsgemäßer Terminsbestimmung und deshalb fehlender Säumnis kein zweites Versäumnisurteil gegen die im Termin nicht erschienene Partei ergehen (Fortführung von Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20. Dezember 2010, VII ZB 72/09, NJW 2011, 928).
Auf die Revision der Klägerin wird das zweite Versäumnisurteil des 1. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 11. Dezember 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer in Anspruch. Die Höhe der Entschädigung hat sie unter Angabe eines Mindestbetrags von 5.000 € in das Ermessen des Gerichts gestellt. Grundlage der Klage sind Rechtsstreitigkeiten betreffend ein in Erfurt belegenes Grundstück.
In dem auf den 13. November 2014 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht ist für die Klägerin niemand erschienen. Das Gericht hat die Klage deshalb durch Versäumnisurteil abgewiesen. Mit Verfügung vom selben Tag hat der Senatsvorsitzende "Termin zur Verhandlung über den Einspruch gegen das Versäumnisurteil und die Hauptsache für den Fall des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil vom 13.11.2014" auf den 11. Dezember 2014 bestimmt. Dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin sind diese Verfügung am 19. November 2014 und das Versäumnisurteil am 24. November 2014 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2014, eingegangen an diesem Tag, hat die Klägerin Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 13. November 2014 eingelegt und die Verweisung des Rechtsstreits an das für unerlaubte Handlungen zuständige Gericht sowie die Aufhebung des für den Fall des Einspruchs anberaumten Termins beantragt. Eine Terminsaufhebung ist nicht erfolgt.
In dem Verhandlungstermin am 11. Dezember 2014 ist für die Klägerin niemand erschienen. Das Oberlandesgericht hat zunächst durch Beschluss den Verweisungsantrag der Klägerin zurückgewiesen und anschließend ein zweites Versäumnisurteil erlassen, mit dem ihr Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 13. November 2014 verworfen worden ist.
Hiergegen hat die Klägerin Revision eingelegt, mit der sie die Aufhebung des zweiten Versäumnisurteils und die Verurteilung nach den Klaganträgen, hilfsweise die Zurückverweisung der Sache, begehrt.
Die zulässige Revision hat auch in der Sache Erfolg. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
I.
Die Revision ist zulässig.
Gegen ein zweites Versäumnisurteil des Berufungsgerichts findet die Revision nach § 565 Satz 1 i.V.m. § 514 Abs. 2 ZPO ohne Zulassung und ohne Rücksicht auf den Wert des Beschwerdegegenstands statt (BGH, Beschluss vom 3. März 2008 - II ZR 251/06, NJW-RR 2008, 876, Rn. 3; MüKoZPO/Krüger, 4. Aufl., § 565 Rn. 3; Ball in Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., § 565 Rn. 2).
Gleiches gilt für ein zweites Versäumnisurteil, das von dem erstinstanzlich zuständigen Oberlandesgericht im Rahmen eines Verfahrens nach §§ 198 ff GVG (Entschädigung wegen unangemessener Verfahrensdauer) erlassen wurde. Der Verweisung in § 201 Abs. 2 Satz 3 GVG auf § 543 ZPO und § 544 ZPO ist zu entnehmen, dass Urteile im Entschädigungsprozess nach §§ 198 ff GVG und Berufungsurteile hinsichtlich der Rechtsmittel gleichgestellt werden sollten (Senat, Beschluss vom 27. Februar 2014 - III ZR 161/13, BeckRS 2014, 05764, Rn. 10). Dementsprechend ist gegen die erstinstanzlichen Urteile der Oberlandesgerichte in Entschädigungssachen die Revision nach Maßgabe des § 543 ZPO, also bei Zulassung durch das Oberlandesgericht, statthaft. Die Nichtzulassung ist - wie bei einer Berufungsentscheidung - mit der Nichtzulassungsbeschwerde des § 544 ZPO angreifbar, wobei auch die Mindestbeschwer nach § 26 Nr. 8 EGZPO erreicht sein muss (Senat, Beschlüsse vom 27. Februar 2014 aaO, Rn. 6 und vom 25. Juli 2013 - III ZR 400/12, BeckRS 2013, 14571 Rn. 4). Nach der Rechtsprechung des Senats ist auch gegen die Zurückweisung eines Prozesskostenhilfegesuchs in Entschädigungssachen durch das erstinstanzlich zuständige Oberlandesgericht nicht die sofortige Beschwerde, sondern nach Maßgabe des § 574 Abs. 1 ZPO die Rechtsbeschwerde statthaft (Senat, Beschluss vom 27. Juni 2012 - III ZB 45/12, NJW 2012, 2449 Rn. 4). Auch insoweit sind die Rechtsmittel in den erstinstanzlichen Entschädigungsverfahren des Oberlandesgerichts und in den Berufungsverfahren gleich ausgestaltet.
Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass für die Anfechtbarkeit von Versäumnisurteilen entgegen diesem allgemeinen Gleichlauf der Rechtsmittel in Entschädigungssachen etwas anderes gelten sollte als für Entscheidungen in Berufungsverfahren. Aus dem Wortlaut des § 201 Abs. 2 Satz 3 GVG, wonach die Revision "nach Maßgabe des § 543 ZPO stattfindet", ist nicht zu schließen, dass § 565 Satz 1 ZPO für Versäumnisurteile in Entschädigungssachen nicht gilt. Der Verweis in § 201 Abs. 2 Satz 3 GVG auf § 543 ZPO kann nicht weiter gehen als die Reichweite des § 543 ZPO bei direkter Anwendung. Diese ist aber für den Sonderfall der Versäumnisurteile nach allgemeiner Auffassung insoweit durch § 565 Satz 1 i.V.m. § 514 Abs. 2 ZPO eingeschränkt, als zweite Versäumnisurteile unabhängig von der Zulassung mit der Revision überprüfbar sind, beschränkt allerdings auf die Prüfung des Vorliegens einer schuldhaften Versäumung.
Auch aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass § 565 Satz 1 ZPO für Entschädigungssachen keine Anwendung finden soll, die Rechtsmittel also im Vergleich zu denen gegen Entscheidungen über Berufungen eingeschränkt werden sollen. Vielmehr ist in dem Regierungsentwurf zu dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (BT-Drucks. 17/3802 S. 25) der Gleichlauf zwischen den Rechtsmitteln gegen erstinstanzliche Entscheidungen in Entschädigungssachen nach §§ 198 ff GVG und den Rechtsmitteln gegen Berufungsentscheidungen herausgestellt worden, indem dort neben dem Verweis auf die Revision nach Maßgabe des § 543 ZPO auch - anders als noch in dem vorangegangenen Referentenentwurf - die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 ZPO für statthaft erklärt wurde (zu der Entwicklung im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens: Senat, Beschluss vom 27. Februar 2014 - III ZR 161/13, BeckRS 2014, 05764 Rn. 10; Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, Einführung Rn. 286 f, 324). Die Formulierung "nach Maßgabe des § 543 ZPO" wurde nicht deshalb gewählt, weil hiermit eine weitergehende Restriktion der Zulassung von Revisionen gegen Entscheidungen in Entschädigungssachen gegenüber Revisionen gegen Berufungsentscheidungen erreicht werden sollte, sondern nur deshalb, weil es erstinstanzliche Entscheidungen des Oberlandesgerichts mit einer dagegen gerichteten Revision in anderen Fällen nicht gibt (Steinbeiß-Winkelmann/Ott, aaO, A. § 201 GVG Rn. 22).
Nachdem das Rechtsbehelfssystem der Zivilprozessordnung gegen zweite Versäumnisurteile sowohl erster als auch zweiter Instanz ein zulassungsfreies, von dem Wert der Beschwer unabhängiges Rechtsmittel gewährt, wäre zudem eine ausdrückliche Regelung oder zumindest Begründung für eine Abweichung von der sonstigen Systematik zu erwarten gewesen, hätte der Gesetzgeber diese tatsächlich beabsichtigt. Auch dies spricht dafür, dass für zweite Versäumnisurteile in Entschädigungsverfahren nichts anderes gilt als für zweite Versäumnisurteile in Berufungssachen. Die Revision gegen ein zweites Versäumnisurteil ist somit auch in Verfahren nach §§ 198 ff GVG ohne Zulassung und unabhängig von der Höhe der Beschwer statthaft. Das Versäumnisurteil kann allerdings nur daraufhin überprüft werden, ob ein Fall der schuldhaften Versäumung vorgelegen hat.
II.
Die Revision ist begründet. Der Erlass des zweiten Versäumnisurteils durch das Oberlandesgericht beruht auf einer Verletzung des Rechts. Die Voraussetzungen für den Erlass eines zweiten Versäumnisurteils nach § 345 ZPO lagen nicht vor.
1. Ein zweites Versäumnisurteil darf nach § 345 ZPO erlassen werden, wenn die Partei, die Einspruch gegen ein erstes Versäumnisurteil eingelegt hat, in dem Termin zur Verhandlung über ihren Einspruch erneut säumig ist.
Die Säumnis einer Partei setzt ihre ordnungsgemäße Ladung zu einem ordnungsgemäß angeordneten Termin voraus (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2010 - VII ZB 72/09, NJW 2011, 928 Rn. 11 und 14; MüKoZPO/Prütting, 4. Aufl., § 330 Rn. 10 f; Musielak in Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., Vorbem. vor § 330 Rn. 6).
An einem ordnungsgemäß anberaumten Termin fehlt es hier. Nach der Rechtsprechung des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 20. Dezember 2010 - VII ZB 72/09, NJW 2011, 928 Rn. 12 f), der sich die herrschende Meinung im Schrifttum angeschlossen hat (MüKoZPO/Prütting, aaO Rn. 12 und § 341a Rn. 2.; Musielak aaO; HK-ZPO/Pukall, 6. Aufl., § 341a Rn. 2; a.A. Stamm, LMK 2011, 314722), ist es unzulässig, nach Erlass eines (ersten) Versäumnisurteils vorsorglich einen Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch und die Hauptsache zu bestimmen, bevor der Einspruch eingegangen ist, wie es vorliegend der Fall war.
Der VII. Zivilsenat hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Bestimmung eines Termins erfolge nach § 216 Abs. 1 ZPO, wenn Anträge oder Erklärungen eingereicht würden, über die nur nach mündlicher Verhandlung entschieden werden könne oder über die mündliche Verhandlung von dem Gericht angeordnet sei. Die Bestimmung des Termins setze voraus, dass die entsprechenden Anträge eingegangen seien. Eine vorsorgliche Terminierung für den Fall des noch eingehenden Antrags sehe das Gesetz dagegen nicht vor. Das ergebe sich aus dem Regelungszusammenhang von § 341 Abs. 1 und § 341a ZPO, wonach das Gericht einen unzulässigen Einspruch ohne erneute mündliche Verhandlung durch Urteil verwerfen könne und Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch und die Hauptsache gemäß § 341a ZPO nur dann bestimmen müsse, wenn der Einspruch nicht als unzulässig verworfen werde. Daraus ergebe sich der gesetzgeberische Wille, dass die Bestimmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil erst dann erfolgen solle, wenn das Gericht die Zulässigkeit des Einspruchs geprüft und diese entweder bejaht oder nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens entschieden habe, über den unzulässigen Einspruch mündlich zu verhandeln. Die Anberaumung eines Termins habe gemäß § 216 Abs. 1 ZPO zu unterbleiben, solange diese Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Die Bestimmung eines Termins zur Verhandlung über den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil nach § 341a ZPO setze mithin jedenfalls voraus, dass der Einspruch bei Gericht eingegangen ist.
Dem schließt sich der erkennende Senat auch unter Berücksichtigung der von der Revisionserwiderung vorgebrachten Gesichtspunkte an.
Zwar ist zutreffend, wie die Beklagten geltend machen, dass es im Ermessen des Gerichts steht, bei unzulässigem Einspruch erst nach mündlicher Verhandlung oder ohne eine solche zu entscheiden (BGH aaO; Toussaint in BeckOK ZPO, Stand 1. Juni 2015, § 341 Rn. 5), wie sich aus § 341 Abs. 2 ZPO ergibt. Dies steht jedoch der Würdigung des VII. Zivilsenats nicht entgegen, bestätigt diese vielmehr. Das Ermessen, ob von einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 341 Abs. 2 ZPO Gebrauch gemacht werden oder ein Einspruchstermin gemäß § 341a ZPO stattfinden soll, kann sachgerecht erst ausgeübt werden, wenn die Einspruchsschrift eingegangen ist.
Unbehelflich für den Rechtsstandpunkt der Revisionserwiderung ist der Hinweis auf § 218 ZPO (vgl. Stamm, LMK 2011, 314722). Diese Vorschrift betrifft lediglich die Entbehrlichkeit einer Ladung, wenn Termine in verkündeten Entscheidungen bestimmt sind, mithin die Bekanntmachung von anberaumten Terminen. Vorliegend geht es indessen um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Termin bestimmt werden darf.
Schließlich überzeugt auch der Hinweis der Beklagten auf die Prozessökonomie (vgl. hierzu auch Stamm aaO) nicht. Die vorsorgliche Anberaumung eines Verhandlungstermins gemäß § 341a ZPO über einen noch nicht eingegangenen Einspruch führt nicht notwendig zu einer Beschleunigung des Verfahrens. Vielmehr kann es je nach Terminstand des Gerichts zu einer zügigeren Verfahrensbeendigung führen, einen unzulässigen Einspruch ohne mündliche Verhandlung gemäß § 341 Abs. 2 ZPO zu verwerfen, statt dies aufgrund eines „auf Vorrat“ anberaumten, jedoch zeitlich weiter entfernt liegenden Termins zur mündlichen Verhandlung vorzunehmen.
Demgegenüber spricht für die Auffassung des VII. Zivilsenats die folgende, an seine Ausführungen anknüpfende, ergänzende Erwägung. Nach § 341a ZPO ist, wenn der Einspruch nicht als unzulässig verworfen wird, Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch und die Hauptsache zu bestimmen. Die Verhandlung kann, wenn das Gericht nicht von § 341 Abs. 2 ZPO Gebrauch gemacht hat, aber gleichwohl die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs in Zweifel steht, entsprechend § 146 ZPO auf den Einspruch beschränkt werden (MüKoZPO/Prütting, 4. Aufl., § 341a Rn.1; Stadler in Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., § 341a Rn. 1; Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 341a Rn. 3). Wird eine solche Beschränkung nicht vorgenommen und soll die anberaumte mündliche Verhandlung, wie im vorliegenden Fall, auch über die Hauptsache erfolgen, setzt dies voraus, dass die Zulässigkeit des Einspruchs zumindest möglich erscheint. Anderenfalls ergäbe die Terminsbestimmung zur Verhandlung über die Hauptsache keinen Sinn. Die Beurteilung, ob der Einspruch, wenn auch nur möglicherweise, zulässig ist, lässt sich jedoch erst vornehmen, wenn dieser Rechtsbehelf auch tatsächlich eingelegt ist.
2. Das angefochtene zweite Versäumnisurteil ist daher aufzuheben und die Sache mangels Entscheidungsreife an das Oberlandesgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Herrmann Wöstmann Seiters
Reiter Liebert