Entscheidungsdatum: 08.05.2014
Ein angemietetes Zimmer kann nur dann der Wohnsitz einer natürlichen Person i.S. des § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 8 AO sein, wenn es sich hierbei um eine auf Dauer zum Bewohnen geeignete Räumlichkeit handelt, die der Betreffende --wenn auch in größeren Zeitabständen-- mit einer gewissen Regelmäßigkeit tatsächlich zu Wohnzwecken nutzt. Ob diese Voraussetzungen bei einem Gewerbetreibenden vorliegen, lässt sich im Allgemeinen nicht aus der Höhe der im Inland erzielten Einkünfte folgern .
I. Es ist streitig, ob dem Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), einem polnischen Staatsangehörigen, deutsches Kindergeld für seine beiden minderjährigen Kinder (nachfolgend P und K) für den Zeitraum September 2007 bis März 2008 (Streitzeitraum) in voller Höhe zusteht.
Die Kindsmutter von P ist Frau L, die Kindsmutter von K die Ehefrau (E) des Klägers. Beide Kinder leben bei E in Polen. Der Kläger erhielt für P und K polnische Familienleistungen für den Zeitraum Juni 2006 bis Mai 2007. Die für den Zeitraum Februar 2007 bis Mai 2007 bezogenen polnischen Familienleistungen zahlte er später zurück.
Der Kläger meldete im Juni 2006 einen Wohnsitz und ein Gewerbe in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) in der Gemeinde B an. Im Februar 2007 meldete er dieses Gewerbe ab und im Juli 2007 wieder ein Gewerbe für eine GbR in der Gemeinde B an. Nach den vorgelegten Einkommensteuerbescheiden für 2006 und für 2007 erzielte der Kläger im Jahr 2006 ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 10.271 € und im Jahr 2007 in Höhe von 13.379 €. Laut dem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2008 erzielte er im Jahr 2008 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 12.968,63 €. Ausweislich dieses Bescheids waren an der Gesellschaft eine Vielzahl von Personen --u.a. der Kläger mit der laufenden Nr. 19-- beteiligt. Der Kläger legte einen von Herrn A (Untervermieter) und ihm (Untermieter) unterzeichneten --inhaltlich kurz gefassten-- Untermietvertrag vom 1. Juni 2006 vor, der mit den Worten "Mietvertrag über das Zimmer und Betriebsstätte" überschrieben war. Zudem legte er einen von Frau O (Vermieterin) und Herrn A unterzeichneten Hauptmietvertrag vom 25. April 2005 sowie eine von einer weiteren Person (nicht der Vermieterin) --im Auftrag-- unterzeichnete Erklärung vom 30. März 2006 vor, mit welcher Herrn A die Untervermietung des von ihm angemieteten Einfamilienhauses gestattet wurde.
Der Kläger war in den Jahren 2006 bis 2008 weder in der polnischen noch in der deutschen Sozialversicherung erfasst. Seit 31. Oktober 2008 lebt der Kläger wieder in Polen und erhält dort seit März 2009 wieder polnische Familienleistungen.
Im April 2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten und Revisionsklägerin (Familienkasse) Kindergeld für P und K. Er gab an, in Deutschland nicht sozialversichert zu sein. Weder er noch seine Ehefrau hätten in den letzten fünf Jahren Familienleistungen für die Kinder beantragt oder erhalten. Nach Auskunft des polnischen Leistungsträgers übte E seit 1. Februar 2007 (Vordruck E 411 vom 24. Juli 2007) bzw. seit 1. Juni 2006 (Vordruck E 411 vom 16. November 2009) und die Kindsmutter von P, mit der die Behörde keinen Kontakt hatte, ebenfalls seit 1. Juni 2006 (Vordruck E 411 vom 16. November 2009) keine berufliche Tätigkeit aus.
Die Familienkasse entsprach dem Kindergeldantrag nur teilweise. Sie setzte mit Bescheid vom 8. November 2007 deutsches Kindergeld für P und K ab Juni 2006 in jeweils hälftiger Höhe (77 € pro Kind und Monat) fest. Zur Begründung führte die Familienkasse aus, dass zwar die nationalen Ansprüche zweier Staaten aufeinandertreffen würden, aber ein gesamter Ausschluss des deutschen Kindergeldanspruchs nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG) nicht gerechtfertigt sei. In Anwendung des Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung (VO Nr. 1408/71) und des Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der VO Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung (VO Nr. 574/72), sei Kindergeld in hälftiger Höhe zu gewähren. Der Einspruch, mit dem der Kläger Kindergeld in voller Höhe begehrte, blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 18. März 2008).
Nachdem der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren die Klage für den Zeitraum Juni 2006 bis August 2007 zurückgenommen hatte, war vor dem Finanzgericht (FG) nur noch streitig, ob der Kläger das Kindergeld für P und K für den Streitzeitraum in voller Höhe beanspruchen kann. Die Klage hatte mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1943 veröffentlichten Gründen Erfolg. Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, dass im Streitfall der persönliche Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71 nicht eröffnet sei. Die Rechtslage beurteile sich daher allein nach den §§ 62 ff. EStG. Dabei bestünden --anders als die Familienkasse meine-- keine Bedenken, einen inländischen Wohnsitz des Klägers zu bejahen. Der dem Kläger zustehende Kindergeldanspruch sei nicht nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen, weil nach dem einschlägigen polnischen Gesetz über Familienleistungen vom 28. November 2003 (FamLstgG-PL) kein Anspruch auf polnische Familienleistungen bestanden habe.
Mit der Revision macht die Familienkasse eine unzutreffende Auslegung des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG geltend. Nach dieser Vorschrift werde kein Kindergeld für ein Kind gezahlt, für welches im Ausland Leistungen gezahlt werden oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wären, die dem Kindergeld vergleichbar seien. Indem das FG eigenständig die polnischen Rechtsvorschriften geprüft und unter Zugrundelegung der Steuerbescheide des Klägers einen Anspruch auf polnische Familienleistungen verneint habe, habe es gegen den Regelungsinhalt des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG verstoßen. Zur Feststellung eines Anspruchs auf polnische Familienleistungen seien verschiedene Vorschriften des FamLstgG-PL zu prüfen. Hiernach sei fraglich, ob der Kläger die einzige Person sei, die zur Erzielung des Familieneinkommens beitrage. Weiter stelle sich die Frage, ob nicht auch Sozialversicherungs- oder Krankenversicherungsbeiträge anderer Familienmitglieder vom Einkommen des Klägers abzuziehen seien. Außerdem erscheine es nicht ausgeschlossen, dass der Kläger gegenüber der --von ihm getrennt lebenden-- Mutter des P unterhaltspflichtig sei. Aufgrund dieser Komplexität des polnischen Rechts sei es den Familienkassen nicht möglich, die --nach polnischem Recht-- erforderliche Einkommensberechnung durchzuführen. Eine solche Verpflichtung lasse sich weder dem § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG entnehmen noch wäre sie umsetzbar. Vielmehr sei es Aufgabe des Klägers durch geeignete Mittel (z.B. durch den Vordruck E 411) nachzuweisen, dass im Ausland kein Anspruch auf vergleichbare Leistungen bestehe. Diese Vordrucke und die Zusammenarbeit mit ausländischen Staaten wären überflüssig, wenn die Prüfung von möglichen ausländischen Ansprüchen durch die Familienkasse selbst erfolgen müsse. Im Übrigen hätten auch bereits verschiedene FG entschieden, dass in solchen Fällen den Kläger eine erhöhte Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) treffe. Danach sei es weder Aufgabe der Familienkasse noch des FG festzustellen, ob bei entsprechender Antragstellung Leistungen im Ausland zu zahlen wären.
Die Familienkasse beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Familienkasse ... der Bundesagentur für Arbeit ist aufgrund eines Organisationsaktes (Beschluss des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit Nr. 21/2013 vom 18. April 2013 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes, Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit, Ausgabe Mai 2013, S. 6 ff.) im Wege des gesetzlichen Parteiwechsels in die Beteiligtenstellung der Agentur für Arbeit ... --Familienkasse-- eingetreten (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. August 2007 X R 2/04, BFHE 218, 533, BStBl II 2008, 109, unter II.1.).
III.
Die Revision ist begründet. Das FG-Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um abschließend beurteilen zu können, ob der Kläger im Streitzeitraum nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG anspruchsberechtigt ist.
1. Nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist anspruchsberechtigt, wer im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Das FG hat entschieden, dass der Kläger über einen inländischen Wohnsitz verfügt hat. Diese Annahme hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand, weil es hierfür an einer tragfähigen Tatsachengrundlage fehlt.
a) Seinen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten oder benutzen wird (§ 8 AO).
Hiernach setzt ein Wohnsitz eine Wohnung, d.h. eine stationäre Räumlichkeit voraus, die auf Dauer zum Bewohnen geeignet ist. Dies wiederum erfordert eine den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Inhabers entsprechende Bleibe (BFH-Urteil vom 19. März 1997 I R 69/96, BFHE 182, 296, BStBl II 1997, 447). Eine nur vorübergehende oder notdürftige Unterbringungsmöglichkeit reicht allerdings nicht aus (Buciek in Beermann/Gosch, AO § 8 Rz 16), ebenso nicht eine bloße Schlafstelle in Betriebsräumen (vgl. BFH-Urteil vom 6. Februar 1985 I R 23/82, BFHE 143, 217, BStBl II 1985, 331). Innehaben der Wohnung bedeutet, dass der Anspruchsteller tatsächlich über sie verfügen kann und sie als Bleibe entweder ständig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit --wenn auch in größeren Zeitabständen-- aufsucht (BFH-Urteil vom 23. November 2000 VI R 107/99, BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294). Die Nutzung muss zu Wohnzwecken erfolgen; eine Nutzung zu ausschließlich beruflichen oder geschäftlichen Zwecken reicht nicht aus (Buciek in Beermann/Gosch, a.a.O., AO § 8 Rz 27), ebenso nicht ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinander folgender kurzer Zeiträume zu Erholungszwecken (BFH-Urteil in BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294). Schließlich muss das Innehaben der Wohnung unter Umständen erfolgen, die darauf schließen lassen, dass die Person die Wohnung beibehalten wird. Hierin kommt u.a. ein Zeitmoment zum Ausdruck. Dabei kann im Rahmen des § 8 AO zur Bestimmung des Zeitmoments als Anhaltspunkt auf die in § 9 Satz 2 AO normierte Sechsmonatsfrist zurückgegriffen werden (Senatsurteil vom 22. August 2007 III R 89/06, BFH/NV 2008, 351).
b) Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 AO ist nach den objektiv erkennbaren Umständen zu beurteilen (Senatsurteil vom 22. August 2007 III R 89/06, BFH/NV 2008, 351, m.w.N.). Ob der Anspruchsteller i.S. des § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG im Inland einen Wohnsitz hat, müssen die Familienkasse und das FG ohne Bindung an die im Einkommensteuerfestsetzungsverfahren vom zuständigen FA getroffenen Feststellungen selbständig entscheiden (Senatsurteile vom 20. November 2008 III R 53/05, BFH/NV 2009, 564, unter II.1.c; vom 18. Juli 2013 III R 9/09, BFHE 243, 170, Rz 19). Im Finanzgerichtsverfahren obliegt die Würdigung derjenigen tatsächlichen Umstände, die im Einzelfall für das Bestehen oder Nichtbestehen eines Wohnsitzes sprechen, dem FG (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2010 III B 141/10, BFH/NV 2011, 576). Dies gilt namentlich für die Abwägung der Faktoren, die für und gegen ein Innehaben der Wohnung und die Absicht der weiteren Benutzung sprechen (Buciek in Beermann/Gosch, a.a.O., AO § 8 Rz 11). Das FG hat die gesamten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO).
c) An diese Tatsachenwürdigung ist der BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden, soweit keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben wurden. Im Übrigen kann das Revisionsgericht die Würdigung des FG nur auf Rechtsfehler bzw. nur auf Verstöße gegen die Denkgesetze oder gegen Erfahrungssätze hin überprüfen (BFH-Urteil vom 30. August 1989 I R 215/85, BFHE 158, 118, BStBl II 1989, 956).
2. Die vom FG im Streitfall vorgenommene Würdigung ist auch unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs zu beanstanden. Das FG-Urteil enthält keine tragfähige Tatsachengrundlage für die Annahme eines inländischen Wohnsitzes des Klägers (zum Fehlen einer tragfähigen Tatsachengrundlage vgl. BFH-Urteil vom 26. Mai 2009 VII R 28/08, BFHE 225, 543; Senatsurteil vom 2. Dezember 2004 III R 49/03, BFHE 208, 531, BStBl II 2005, 483). Hierin liegt ein Rechtsfehler, den der erkennende Senat auch ohne Rüge von Amts wegen zu beachten hat (vgl. BFH-Urteil vom 25. Mai 1988 I R 225/82, BFHE 154, 7, BStBl II 1988, 944). Das FG hat die Annahme eines inländischen Wohnsitzes aus den vom Kläger vorgelegten Mietverträgen, aus seiner Meldung beim Einwohnermeldeamt, aus den von ihm im Zeitraum von 2006 bis 2008 in Deutschland in nicht unerheblicher Höhe erzielten Einkünften und aus dem Einkommensteuerbescheid für 2007 abgeleitet, dem zu entnehmen sei, dass der Kläger im Jahr 2007 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen sei.
Diese tatsächlichen Umstände sind aber weder einzeln noch in ihrer Zusammenschau geeignet, nachvollziehbar einen inländischen Wohnsitz des Klägers zu begründen. So bleibt bereits unklar, ob das vom Kläger mit Untermietvertrag vom 1. Juni 2006 angemietete Zimmer überhaupt eine zu Wohnzwecken geeignete Bleibe dargestellt hat. Der --inhaltlich sehr knappe-- Untermietvertrag enthält keine Angaben zur Ausstattung des Zimmers. Sonstige diesbezügliche Feststellungen enthält das FG-Urteil nicht. Daneben hat das FG keine Feststellungen dazu getroffen, für welche Zwecke das angemietete Zimmer tatsächlich genutzt wurde. Anlass hierzu hätte gerade auch deshalb bestanden, weil der genannte Untermietvertrag als "Mietvertrag über das Zimmer und Betriebsstätte" überschrieben ist und es im ersten Satz heißt, es werde "ein Zimmer für Wohnen und für Erledigung von anfallende Büro– und Geschäftsbedingte Arbeiten" vermietet. Weiter bleibt im Verborgenen, in welcher Häufigkeit und über welche Dauer der Kläger das angemietete Zimmer tatsächlich bewohnt hat; Feststellungen hierzu fehlen.
Für den Zeitraum September 2007 bis Dezember 2007 ergibt sich ein inländischer Wohnsitz des Klägers auch nicht aus dem Einkommensteuerbescheid für 2007. Selbst wenn das Finanzamt im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 2007 von einer unbeschränkten Einkommensteuerpflicht des Klägers nach § 1 Abs. 1 EStG ausgegangen sein sollte, ergibt sich hieraus keine Bindung für die Familienkasse (vgl. Senatsurteile in BFH/NV 2009, 564, unter II.1.c; in BFHE 243, 170, Rz 19). Eine solche Bindung ließe sich für den Zeitraum Januar 2008 bis März 2008 auch nicht aus dem Bescheid für 2008 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ableiten. Einem solchen Grundlagenbescheid kommt für die Kindergeldfestsetzung --anders als für die Einkommensteuerfestsetzung (vgl. § 171 Abs. 10, § 182 AO)-- keine Bindungswirkung zu. Ebenso lässt sich die Annahme eines Wohnsitzes nicht darauf stützen, dass der Kläger --wie vom FG ausgeführt-- beim Einwohnermeldeamt gemeldet war. Für die Annahme eines Wohnsitzes ist es ohne Bedeutung, wo jemand polizeilich gemeldet ist (z.B. Senatsurteil vom 27. April 1995 III R 57/93, BFH/NV 1995, 967). Schließlich lässt sich ein Wohnsitz des Klägers auch nicht auf die im Juli 2007 erfolgte Gewerbeanmeldung stützen. Die Anzeige eines Gewerbes nach § 14 der Gewerbeordnung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Juli 2003 6 C 10/03, Gewerbearchiv 2003, 482), die als solche nicht geeignet ist, eine nach den tatsächlichen Umständen zu beurteilende Wohnsitzbegründung i.S. des § 8 AO zu ersetzen.
Nach alledem bleibt im Ergebnis offen, ob der Kläger --ggf. auch in größeren Zeitabständen-- eine auf Dauer zum Bewohnen geeignete Räumlichkeit mit einer gewissen Regelmäßigkeit tatsächlich zu Wohnzwecken genutzt hat. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen lässt sich im Allgemeinen auch nicht aus der Höhe der vom Kläger im Inland erzielten Einkünfte folgern. Insbesondere ergibt sich hieraus nicht, in welcher Häufigkeit und über welche Dauer der Kläger die Räumlichkeit genutzt hat. Insoweit erschiene es bei einem Gewerbetreibenden näher liegend, auf die den Einkünften zugrundeliegenden Geschäftsvorfälle abzustellen. So könnten sich aus Art und Dauer der Aufträge Hinweise auf die Verweildauer und Häufigkeit der Nutzung ergeben.
Das FG hat die fehlenden tatsächlichen Feststellungen zum Vorliegen eines inländischen Wohnsitzes im zweiten Rechtsgang nachzuholen.
3. Außerdem weist der erkennende Senat für den zweiten Rechtsgang auf Folgendes hin:
a) Sollte sich ein inländischer Wohnsitz des Klägers nicht feststellen lassen, bleibt zu prüfen, ob der Kläger während des Streitzeitraums seinen gewöhnlichen Aufenthalt i.S. des § 9 AO im Inland hatte. Dabei hat derjenige, der mehr als sechs Monate zusammenhängend im Inland arbeitet und seinen Inlandsaufenthalt jeweils nur kurzfristig für Heimfahrten nach Polen unterbricht, seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (vgl. Senatsurteil vom 7. April 2011 III R 89/08, BFH/NV 2011, 1324).
b) Soweit sich keine Anspruchsberechtigung des Klägers aus § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG ergeben sollte, muss geprüft werden, ob eine Anspruchsberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b i.V.m. § 1 Abs. 3 EStG besteht (vgl. dazu z.B. Senatsurteil vom 18. Juli 2013 III R 59/11, BFHE 242, 228).
c) Sollte der Kläger nach den §§ 62 ff. EStG anspruchsberechtigt sein, bleibt schließlich zu prüfen, wie eine Konkurrenz des Kindergeldanspruchs nach dem EStG zu etwaigen Ansprüchen des Klägers oder Dritter auf polnische Familienleistungen aufzulösen ist.
aa) Insoweit ist das FG im ersten Rechtsgang in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass im Streitfall der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 nicht eröffnet ist. Es hat festgestellt, dass der Kläger weder in Deutschland noch in Polen in einem Zweig der sozialen Sicherheit versichert war. Im Übrigen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 über den anderen Elternteil von P oder K eröffnet sein könnte. Danach greifen vorliegend --wie vom FG zutreffend entschieden-- nicht die gemeinschaftsrechtlichen Antikumulierungsvorschriften (Art. 76 der VO Nr. 1408/71, Art. 10 der VO Nr. 574/72), sondern die nationale Konkurrenzvorschrift des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ein.
bb) Dabei hat das FG § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu Recht so ausgelegt, dass es im Grundsatz verpflichtet ist, eigenständig zu prüfen, ob dem Kläger oder einem Dritten nach ausländischem (hier polnischem) Recht ein Anspruch auf Gewährung dem Kindergeld vergleichbarer Leistungen für P und K zusteht. Im Streitfall sind auch keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass eine das FG ggf. bindende --den Streitzeitraum betreffende-- (positive oder negative) Entscheidung/Bescheinigung einer polnischen Behörde über einen Anspruch auf polnische Familienleistungen vorliegt. Wegen der bei Prüfung des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu beachtenden Grundsätze verweist der erkennende Senat auf seine Urteile vom 13. Juni 2013 III R 10/11 (BFHE 241, 562) und III R 63/11 (BFHE 242, 34). Sollte hiernach kein Anspruch auf polnische Familienleistungen bestehen, ist das deutsche Kindergeld gegenüber dem Kläger in voller Höhe festzusetzen.