Entscheidungsdatum: 17.12.2010
1. NV: Nach gefestigter Rechtsprechung des BFH hat das FG bei einem mehrjährigen Schulbesuch des Kindes im Ausland im Wege der Tatsachenwürdigung zu entscheiden, ob es seinen Inlandswohnsitz bei den Eltern beibehält. Der Entscheidung des FG als Tatsacheninstanz kommt insoweit keine grundsätzliche Bedeutung bei .
2. NV: Mit Einwänden gegen die Tatsachenwürdigung des FG wird grundsätzlich keine Divergenz dargelegt .
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) beantragte für seine im Jahr 1998 geborene Tochter Z mit Schreiben vom 14. August 2008 Kindergeld. Der Kläger hatte der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) bereits im Oktober 2005 mitgeteilt, dass sich Z seit Oktober 2005 zum Zweck eines Schulbesuchs in der Türkei aufhielt. Die Familienkasse lehnte den Kindergeldantrag mit Bescheid vom 13. November 2008 ab. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 27. Mai 2010 ab. Es entschied, dass die während der Schulferien erfolgten Aufenthalte der Z in der Doppelhaushälfte des Klägers, auch wenn dort ausreichend Wohnraum zur Verfügung stehe, keine Aufenthalte mit Wohncharakter seien und daher nicht zur Aufrechterhaltung eines Inlandswohnsitzes ausreichen würden.
Mit seiner Beschwerde macht der Kläger die Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend. Die grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) ergebe sich daraus, dass Kinder, die sich zum Zweck einer zeitlich begrenzten Schulausbildung im Ausland aufhalten würden, ihren Wohnsitz im Inland beibehielten. Für die Annahme eines inländischen Wohnsitzes könne nicht verlangt werden, dass sich die betreffende Person während einer Mindestanzahl von Tagen oder Wochen im Jahr in der inländischen Wohnung aufhalten müsse; diese Fragen seien für eine Vielzahl von Fällen bedeutsam. Zudem weiche das FG in seinem Urteil von den in der Beschwerdebegründung zitierten Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH), Bundessozialgerichts (BSG) sowie des Niedersächsischen und Hessischen FG ab.
II. Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Soweit ihre Begründung den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht, rechtfertigen die vorgebrachten Gründe nicht die Zulassung der Revision.
1. Der Kläger beruft sich zu Unrecht auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
Der BFH hat bereits mehrfach die Rechtsgrundsätze dargelegt, nach denen zu entscheiden ist, ob ein Kind, das sich zum Zweck des Schulbesuchs mehrere Jahre im Ausland aufhält, seinen inländischen Wohnsitz (§ 8 der Abgabenordnung --AO--) beibehält (z.B. BFH-Urteile vom 22. April 1994 III R 22/92, BFHE 174, 523, BStBl II 1994, 887; vom 27. April 1995 III R 57/93, BFH/NV 1995, 967; vom 23. November 2000 VI R 165/99, BFHE 193, 569, BStBl II 2001, 279, und VI R 107/99, BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294; Senatsbeschluss vom 31. Mai 2007 III B 50/07, BFH/NV 2007, 1907). Ob im Einzelfall bei Anwendung dieser Grundsätze davon auszugehen ist, dass ein Kind seinen Wohnsitz im Inland hat, muss das FG unter Berücksichtigung der Umstände des Falles im Wege der Tatsachenwürdigung beurteilen. Der Entscheidung des FG als Tatsacheninstanz kommt insoweit keine grundsätzliche Bedeutung bei (vgl. Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2007, 1907; vom 15. Mai 2009 III B 135/08, juris). Dass sich die Rechtsfragen in einer Vielzahl gleich liegender Fälle ebenfalls stellen, ändert hieran nichts (Lange in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 93).
2. Die Zulassung der Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).
a) Die vom Kläger behauptete Divergenz ist schon deshalb nicht gegeben, weil den von ihm zitierten Entscheidungen keine dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalte zugrunde lagen (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Juni 2006 III B 119/05, BFH/NV 2006, 1844). Im Streitfall geht es darum, ob ein minderjähriges Kind ausländischer Herkunft mit deutscher Staatsangehörigkeit, das sich zum Zweck des Schulbesuchs mehrere Jahre im Heimatland seiner Eltern befindet, seinen inländischen Wohnsitz in der Wohnung des Vaters beibehält. Die vom Kläger genannten Urteile des BFH vom 19. März 1997 I R 69/96 (BFHE 182, 296, BStBl II 1997, 447) und des Niedersächsischen FG vom 23. Juli 1992 XI 187/88 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1993, 135) betrafen hingegen keine Sachverhalte, bei denen Gegenstand der tatrichterlichen Würdigung die Wohnsitzfrage eines Kindes war, das sich zum Zweck des Schulbesuchs mehrere Jahre im Ausland aufhielt. Die angeführten Urteile des BSG vom 25. April 1984 10 RKg 2/83 (SozR 5870 § 2 Nr. 32) und vom 22. März 1988 8/5a RKn 11/87 (SozR 2200 § 205 Nr. 65) sowie des Hessischen FG vom 10. Dezember 1997 9 K 726/97 (EFG 1998, 882) beschäftigten sich zwar mit der Frage, ob Kinder, die mehrjährige Auslandaufenthalte zu Schul- bzw. Studienzwecken durchführten, ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland beibehielten. Die Sachverhalte wiesen aber die Besonderheit auf, dass es sich um volljährige Schüler bzw. Studenten deutscher Herkunft handelte.
b) Im Übrigen wird aus dem Vorbringen des Klägers nicht deutlich, weshalb das FG von den zitierten Entscheidungen abgewichen sein soll. Der BFH hat in dem Urteil in BFHE 182, 296, BStBl II 1997, 447 zwar ausgeführt, es sei für die Annahme eines Wohnsitzes nicht erforderlich, dass sich der Steuerpflichtige während einer Mindestzahl von Tagen oder Wochen im Jahr in der Wohnung aufhalte. Das FG hat aber --entgegen der Ansicht des Klägers-- im Streitfall nicht einen hiervon abweichenden Rechtssatz aufgestellt. Weiterhin lässt sich aus den vom Kläger zitierten Entscheidungen für den Streitfall auch nicht entnehmen, dass es für die Beibehaltung eines Inlandswohnsitzes gemäß § 8 AO in der elterlichen Wohnung ausreicht, wenn zum dauerhaften Wohnen geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung stehen und regelmäßig genutzt werden. Mit seinen Einwänden gegen die Überzeugungsbildung des FG kann der Kläger nicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz begründen. Die Beurteilung der Begleitumstände des Innehabens einer Wohnung liegt weitgehend auf tatsächlichem Gebiet (s.o. II.1.). Tatsachen- bzw. Sachverhaltswürdigung sowie Schlussfolgerungen tatsächlicher Art sind einer Nachprüfung durch den BFH entzogen, sofern nicht Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze zu beanstanden sind (ständige Rechtsprechung, vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz 30, m.w.N.). Solche Verstöße sind im Streitfall weder vorgetragen noch erkennbar. Vielmehr ist das FG bei der Beurteilung der Wohnsitzfrage zutreffend von den Grundsätzen ausgegangen, die der BFH in den Urteilen in BFHE 193, 569, BStBl II 2001, 279 und in BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294 wiedergegeben hat. Es hat die tatsächlichen Umstände dahingehend gewürdigt, dass die Aufenthalte der Z in der elterlichen Wohnung nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkommen.
3. Letztlich wendet sich der Kläger mit seinen Ausführungen gegen die materielle Rechtmäßigkeit des FG-Urteils. Dies rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.