Entscheidungsdatum: 13.09.2017
NV: Die von einer Betriebsgesellschaft verwirklichte Tatbestandvoraussetzung "verarbeitendes Gewerbe" ist nicht auf die Besitzgesellschaft zu übertragen, wenn die von dieser durchgeführten Investitionen nicht die im Rahmen der Betriebsaufspaltung zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter betreffen, sondern Wirtschaftsgüter, die einer originär gewerblichen Tätigkeit dienen .
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Thüringer Finanzgerichts vom 25. Februar 2015 3 K 111/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine OHG mit Sitz im Fördergebiet, vermietet im Rahmen einer Betriebsaufspaltung als Besitzunternehmen ein Grundstück mit Werkshalle an das ebenfalls im Fördergebiet ansässige Betriebsunternehmen X-GmbH (GmbH), das sich mit Stahl- und Maschinenbau befasst. An der Klägerin und an der GmbH waren in den Streitjahren die Gesellschafter B und Dr. B je zur Hälfte beteiligt.
Die Klägerin ließ auf dem Dach der Werkshalle eine Photovoltaikanlage installieren. Die Anschaffungskosten hierfür beliefen sich auf 406.800 € für das Jahr 2011 und 45.200 € für das Jahr 2012. Die Klägerin betreibt die Anlage selbst. Die gewonnene Energie wird an einen Stromversorger geliefert.
Die Klägerin beantragte für die Jahre 2011 und 2012 eine Investitionszulage für die Photovoltaikanlage in Höhe von 15 % der Aufwendungen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte die Anträge durch Bescheide vom 4. Mai 2012 bzw. vom 17. Mai 2013 ab, weil die Klägerin keinen begünstigten Betrieb des verarbeitenden Gewerbes unterhalte. Die dagegen gerichteten Einsprüche waren erfolglos, die anschließend erhobene Klage hatte ebenso wenig Erfolg (Urteil vom 25. Februar 2015 3 K 111/14, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2015, 1743).
Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, die Klägerin unterhalte selbst keinen Betrieb des verarbeitenden Gewerbes i.S. von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Investitionszulagengesetzes 2010 (InvZulG 2010). Auch im Hinblick auf die Betriebsaufspaltung könne ihr diese Eigenschaft nicht zuerkannt werden, auch wenn die GmbH als Betriebsgesellschaft dem verarbeitenden Gewerbe zuzurechnen sei. Die Grundsätze über die sog. Merkmalsübertragung im Rahmen von Betriebsaufspaltungsverhältnissen seien nicht anwendbar. Zwischen der GmbH und dem Betrieb der Photovoltaikanlage bestehe keine Betriebsaufspaltung. Die Anlage und der Betrieb, der das Grundstück entgeltlich überlasse, seien nicht als einheitlicher Gewerbebetrieb anzusehen.
Zur Begründung der Revision trägt die Klägerin vor, aufgrund der Betriebsaufspaltung liege ein einheitlicher Gewerbebetrieb zwischen ihr und der GmbH vor. Wegen der mit der Betriebsaufspaltung verbundenen Merkmalsübertragung handele es sich um einen Mischbetrieb. Da der auf die Vermietung der Werkshalle entfallende Wertschöpfungsanteil überwiege, sei ihr Betrieb insgesamt als Betrieb des verarbeitenden Gewerbes zu beurteilen. Das FA und das FG seien zu Unrecht von zwei Gewerbebetrieben ausgegangen und der Meinung gewesen, die Merkmalsübertragung im Rahmen der Betriebsaufspaltung könne sich nur auf die zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter beziehen.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil, die Ablehnungsbescheide vom 4. Mai 2012 sowie vom 17. Mai 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Februar 2014 aufzuheben und das FA zu verpflichten, für die Jahre 2011 und 2012 eine Investitionszulage von 61.020 € bzw. 6.780 € nebst Zinsen festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Revision wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 FGO).
Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin keine Investitionszulage für die Photovoltaikanlage zusteht.
1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 2010 sind begünstigte Investitionen die Anschaffung und die Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die zu einem Erstinvestitionsvorhaben gehören, mindestens fünf Jahre nach Beendigung dieses Vorhabens zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte eines nach § 3 Abs. 1 InvZulG 2010 begünstigten Betriebs des Anspruchsberechtigten im Fördergebiet gehören, in einer solchen Betriebsstätte verbleiben und in jedem Jahr zu nicht mehr als 10 % privat genutzt werden. Begünstigt sind u.a. Betriebe des verarbeitenden Gewerbes (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 2010).
2. Bei isolierter Betrachtung, d.h. unter Außerachtlassung der Betriebsaufspaltung, ist der Betrieb der Klägerin kein begünstigter Betrieb des verarbeitenden Gewerbes. In ihm wird mit Hilfe der Photovoltaikanlage Strom produziert, darüber hinaus werden Einkünfte aus der Vermietung des Betriebsgrundstücks erzielt.
3. Die fehlende Zugehörigkeit des Betriebs der Klägerin zum verarbeitenden Gewerbe ist nicht deshalb unbeachtlich, weil die GmbH als Betriebsgesellschaft dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen ist.
a) Zutreffend hat das FG ein Betriebsaufspaltungsverhältnis wegen der Vermietung einer wesentlichen Betriebsgrundlage (Betriebsgrundstück mit Werkshalle) durch das Besitz- an das Betriebsunternehmen und wegen der zwischen beiden Gesellschaften bestehenden Beteiligungsidentität bejaht (s. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Juli 2016 IV R 34/13, BFHE 255, 12, BStBl II 2017, 175, m.w.N.; vgl. nunmehr auch § 50i Abs. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).
b) Nach der Rechtsprechung des BFH kann es in Fällen der Betriebsaufspaltung für den Anspruch des Inhabers des Besitzunternehmens auf Investitionszulage unschädlich sein, wenn gesetzliche Tatbestandsvoraussetzungen nicht vom Besitz-, sondern vom Betriebsunternehmen erfüllt werden (Merkmalsübertragung). Die rechtliche Selbständigkeit von Besitz- und Betriebsunternehmen ist investitionszulagenrechtlich zum Teil aufgehoben. Denn der Ausschluss des Besitzunternehmens von der Investitionszulage wegen der formalrechtlichen Selbständigkeit der beiden Gesellschaften widerspräche der Rechtsnatur der Betriebsaufspaltung als bloßer Aufteilung der Funktionen eines normalerweise einheitlichen Betriebs auf zwei Rechtsträger (Senatsurteile vom 20. Mai 1988 III R 86/83, BFHE 153, 481, BStBl II 1988, 739; vom 16. September 1994 III R 45/92, BFHE 176, 98, BStBl II 1995, 75; vom 22. Februar 1996 III R 91/93, BFHE 180, 293, BStBl II 1996, 428; vom 10. Dezember 1998 III R 50/95, BFHE 188, 176, BStBl II 1999, 607; vom 20. März 2003 III R 50/96, BFHE 202, 181, BStBl II 2003, 613, und vom 19. August 2009 III R 68/06, BFH/NV 2010, 241). Diese Grundsätze sind auch bei der sog. kapitalistischen Betriebsaufspaltung anwendbar (Senatsurteile in BFHE 176, 98, BStBl II 1995, 75, und vom 20. Mai 2010 III R 28/08, BFHE 229, 566, BStBl II 2014, 194). Sie galten ebenso für Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz und dem Zonenrandförderungsgesetz, die für Wirtschaftsgüter begehrt wurden, die im Rahmen einer Betriebsaufspaltung zur Nutzung überlassen wurden (BFH-Urteile vom 30. Oktober 2002 IV R 33/01, BFHE 201, 36, BStBl II 2003, 272, bzw. vom 14. Mai 2009 IV R 27/06, BFHE 225, 187, BStBl II 2009, 881). Voraussetzung für eine Merkmalsübertragung ist eine betriebsvermögenmäßige Verflechtung von Besitz- und Betriebsgesellschaft. Diese ist zu bejahen, wenn --wie im Streitfall-- die Gesellschaftsbeteiligung an der Betriebskapitalgesellschaft zum Sonderbetriebsvermögen bei der Besitzgesellschaft gehört (Senatsbeschluss vom 26. März 1993 III S 42/92, BFHE 171, 164, BStBl II 1993, 723, und Senatsurteil in BFHE 176, 98, BStBl II 1995, 75).
c) Eine zulagenrechtliche Merkmalsübertragung von der Betriebs- auf die Besitzgesellschaft --hier: Eigenschaft als Betrieb des verarbeitenden Gewerbes-- findet jedoch nicht statt, wenn eine Personengesellschaft als Besitzunternehmen außerhalb der Betriebsaufspaltung eine originär gewerbliche Tätigkeit entfaltet und die Investitionen, für die Investitionszulage begehrt wird, ausschließlich in diesem Bereich vorgenommen werden (Senatsurteile in BFHE 202, 181, BStBl II 2003, 613, und in BFHE 229, 566, BStBl II 2014, 194, Rz 18; ebenso Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 8. Mai 2008, BStBl I 2008, 590, Rz 62, zum InvZulG 2007). In solchen Fällen ist es nicht erforderlich, die gewerbliche Tätigkeit der Betriebsgesellschaft dem Besitzunternehmen zuzurechnen, damit überhaupt die Möglichkeit besteht, eine Investitionszulage zu erhalten (Senatsurteil in BFHE 202, 181, BStBl II 2003, 613). Eine Merkmalsübertragung, die von Bedeutung ist für die Wirtschaftsgüter, die im Rahmen der Betriebsaufspaltung zur Nutzung überlassen werden, wirkt sich somit nicht auf die Wirtschaftsgüter aus, die einer originär gewerblichen Tätigkeit der Besitzgesellschaft dienen.
d) Im Streitfall sind die Grundsätze der zulagenrechtlichen Merkmalsübertragung somit nicht anzuwenden. Bereits aus diesem Grund kann kein Mischbetrieb vorliegen, bei dem darauf abzustellen ist, auf welche der Tätigkeiten der größte Wertschöpfungsanteil entfällt (s. Senatsurteil vom 22. September 2011 III R 64/08, BFHE 236, 168, BStBl II 2012, 358, m.w.N.).
e) Zu Recht wendet sich die Klägerin gegen die Rechtsansicht des FG, wonach die Photovoltaikanlage und die Betriebsverpachtung keinen einheitlichen Betrieb gebildet hätten. Sie weist zutreffend darauf hin, dass der ertragsteuerrechtliche Grundsatz, dem zufolge eine gewerbliche Personengesellschaft nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nur einen (einzigen) Betrieb unterhalten kann (s. BFH-Urteil vom 13. Juli 2016 VIII R 56/13, BFHE 254, 398, BStBl II 2016, 936, m.w.N.), auch im Investitionszulagenrecht gilt (Senatsurteil vom 26. Januar 2006 III R 5/04, BFHE 212, 381, BStBl II 2006, 771; siehe auch BMF-Schreiben vom 8. Juli 2010, BStBl I 2010, 600, i.V.m. dem BMF-Schreiben in BStBl I 2008, 590, Rz 58). Auf das Ergebnis hatte die unzutreffende Rechtsmeinung des FG allerdings keinen Einfluss. Denn wäre die Photovoltaikanlage als eigener Betrieb i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, § 3 Abs. 1 InvZulG 2010 anzusehen, hätte sich die Frage einer Merkmalsübertragung im Rahmen einer Betriebsaufspaltung von vornherein nicht gestellt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 1, § 135 Abs. 2 FGO.